AUSWIRKUNGEN VON CORONA-MASSNAHMEN AUF DIE MIETZINSE VON GESCHÄFTSMIETERN – ENTSCHEID DES MIETGERICHTS ZÜRICH VOM 02.08.2021

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

.Seit mehr als einem Jahr fragen sich Geschäftsmieter und -vermieter, inwiefern sich die behördlich verordneten Massnahmen, namentlich die Betriebsschliessungen während der Lockdowns, auf die Mietzinszahlungspflicht des Mieters auswirken. In der Politik ist eine Debatte darüber ausgebrochen und viele Juristen haben sich mit der Frage auseinandergesetzt (vgl. mein Newsletter vom 20. März 2020).

Nun hat das Mietgericht Zürich am 2. August 2021 sich erstmals zur heftig umstrittenen Frage geäussert und entschieden, dass eine Vertragskorrektur nach den Regeln der Teilunmöglichkeit oder eine Mietzinsherabsetzung infolge Mangelhaftigkeit der Mietsache grundsätzlich nicht in Frage kommt. Je nach dem kann aber eine richterliche Vertragsanpassung nach den Regeln der veränderten Umstände (clausula rebus sic stantibus) angezeigt sein.

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I. RECHTLICHES

1.1 Nachträgliche (Teil-)Unmöglichkeit

Bei nachträglicher objektiver unverschuldeter Unmöglichkeit ist der Schuldner nicht mehr verpflichtet, die Leistung zu erbringen (Art. 119 Abs. 1 OR). Das Bundesgericht hat in der Vergangenheit festgehalten, dass Unmöglichkeit nur in Betracht kommt, wenn diese mit Gewissheit bis zum Vertragende bestehen bleibt oder ihr Wegfall zumindest nicht abzusehen ist.

1.2 Mängel an der Mietsache

Falls an einer Mietsache Mängel bestehen oder der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache gestört wird, kann er vom Vermieter verlangen, dass der Mietzins verhältnismässig herabgesetzt wird (Art. 259a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 259d OR). Mangelhaft ist ein Mietobjekt, wenn ihm eine vertraglich zugesicherte oder eine sich aus dem vertraglichen Gebrauchs-zweck ergebende Eigenschaft fehlt. Dies ist in erster Linie anhand des konkreten Vertrages und den darin niedergeschriebenen Bestimmungen zu beurteilen. Dass auf Seiten des Vermieters ein Verschulden vorliegen muss, damit eine Mietzinsherabsetzung beantragt werden kann, wird vom Gesetz nicht vorausgesetzt.

1.3 Clausula rebus sic stantibus / Richterliche Vertragsanpassung

Dem Grundsatz pacta sunt servanda zufolge ist davon auszugehen, dass Verträge so zu halten sind, wie sie geschlossen wurden. Davon werden nur in beschränktem Umfang Ausnahmen zugelassen. Die Anpassung eines Vertrags rechtfertigt sich dann, wenn aufgrund einer Verhältnisveränderung die Erfüllung des Vertrages mit seinem ursprünglichen Inhalt mindestens einer Partei nicht mehr zumutbar ist. Dabei steht der Grundgedanke im Vordergrund, dass die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie nicht Fehlvorstellungen über die Zustände bei Vertragsschluss oder über die Entwicklung der Verhältnisse gehabt hätten.
Ein richterlicher Eingriff in einen Vertrag aufgrund veränderter Umstände setzt nach Rechtsprechung und herrschender Auffassung voraus, dass die Verhältnisänderung weder vorherseh-bar noch vermeidbar war, dass diese eine gravierende Äquivalenzstörung zur Folge hatte und dass der Vertrag nicht vorbehaltlos erfüllt wurde.

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II. SACHVERHALT

Dem Urteil des Mietgerichts Zürich lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Parteien schlossen 2013 einen Mietvertrag betr. Ladenlokal sowie betr. Lager ab. Aufgrund der behördlich verordneten Lockdowns infolge Corona-Pandemie bezahlte die Mieterin die Mietzinse für die Monate April und Mai 2020 nicht. Für die Monate Juni 2020 bis Januar 2021 bezahlte sie jeweils 1/3 des geschuldeten Bruttomietzinses. Für Februar 2021 stellte sie die Zahlung wiederum ganz ein.

Die Parteien standen aussergerichtlich im Kontakt und die Vermieterin bot der Mieterin vergleichsweise für die Zeit der beiden Lockdowns einen Mietzinserlass von 60% an. Dieses Angebot lehnte die Mieterin jedoch ab. Auch an der Schlichtungsverhandlung konnte keine Einigung erzielt werden. Infolgedessen klagte die Vermieterin im Februar 2021 den gesamten Mietzinsausstand ein.
Das Mietgericht Zürich hatte sich mit den Fragen zu befassen, ob die behördliche Schliessung zu einer nachträglichen Teilunmöglichkeit geführt habe, ob die Schliessung ein Mangel darstelle und ob ein Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus vorliege.

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III. ENTSCHEID

Im Entscheid hielt das Mietgericht zunächst fest, dass die Parteien keine spezifische Risikotragungsklausel, wie im Falle von behördlich angeordneten Betriebsschliessungen vorzugehen wäre, vereinbart haben.

Ebenfalls verneinte es, die Streitigkeit über die Bestimmung von Art. 119 OR, welcher die nachträgliche Unmöglichkeit zum Inhalt hat, zu lösen, da die behördliche Schliessung nur vorübergehend und nicht dauerhaft war und die Vermieterin ihre Hauptleistung mit der Gebrauchsüberlassung des Mietobjektes gehörig erbracht hat. Eine (Teil-)Unmöglichkeit fiele nach Ansicht des Gerichts nur dann in Betracht, wenn der Leistungserfolg, der zum Inhalt der geschuldeten Leistung gehört, nicht mehr eintreten kann (Zweckverfehlung). Bei einer blossen Verwendungsunmöglichkeit liege das Risiko beim Mieter, sofern und soweit dies nicht ausdrücklich anders vereinbart worden sei.

In Bezug auf die wohl interessanteste Frage, ob die behördliche Betriebsschliessung einen Mangel darstellen würde, setzte sich das Mietgericht zuerst mit den verschiedenen Lehrmeinungen auseinander. Während ein Teil der Lehre die Meinung vertritt, dass ein Mangel vorliege, wenn die gemieteten Räumlichkeiten wegen eines öffentlich-rechtlichen Verbotes nicht mehr genutzt werden können, ist die herrschende Lehre der Ansicht, dass in der Regel die vereinbarte Beschaffenheit des Mietobjektes nur objektbezogene und nicht auch betriebsbezogene Eigenschaften betreffe. Das Mietgericht schloss sich der herrschenden Lehre an. Gemäss Begründung des Gerichts gehen die Parteien ein Dauerschuldverhältnis ein, in dessen Rahmen der Vermieter dem Mieter verspricht, ihm gegen Entgelt Räumlichkeiten zu überlassen, in denen der Mieter seine Geschäftstätigkeit ausüben kann. Dieses Geschäft ist – sofern nicht anders vereinbart – nicht Bestandteil des Mietvertrages, sondern besteht unabhängig davon und gehört zur Rechtssphäre des Mieters. Eine Mitübernahme des unternehmerischen Risikos des Mieters durch den Vermieter bedarf einer besonderen Abrede. Es ist zwar korrekt, dass ein Mieter von der Mietsache nicht den Gebrauch machen kann, den er will bzw. seinem Geschäft nicht wie gewollt nachgehen kann, im Gebrauch selbst aber nicht gestört ist, solange die überlassenen Räumlichkeiten sachlich für das taugen, was von den Parteien vereinbart wurde. Nur wenn der Vermieter dem Mieter explizit zusichert, dass er die Räume stets dem Zweck entsprechend gebrauchen könne, kann davon gesprochen werden, dass der Vermieter sich bewusst am unternehmerischen Risiko des Mieters beteiligt hat. Es lag vorliegend keine Zusicherung der Möglichkeit der Betriebstätigkeit, keine Gebrauchsverpflichtung und auch keine Umsatzmiete vor, die zu anderen Schlüssen hätten führen können. Die Qualität des Mietobjekts und dessen Eigenschaften entsprachen also zu jedem Zeitpunkt dem vertraglich Vereinbarten. Das betreffende Mietobjekt taugte jederzeit als Ladenlokal bzw. als Lager. Die weggefallene bzw. die in Folge der allgemeinen Schutzmassnahmen, wie Hygiene- und Abstandsregeln, reduzierte Nutzungsmöglichkeit ist nicht Folge eines Mangels an der Mietsache, sondern ein Umstand, der den geführten Betrieb der Mieterin angeht und damit das unternehmerische Risiko derselben. Eine Mietzinsherabsetzung schied daher aus.

Betreffend der vom Mieter vorgebrachten Anwendung des Grundsatzes clausula rebus sic stantibus führte das Mietgericht aus, dass die Verhältnisänderung zu bejahen war und die Mieterin den Vertrag nicht vorbehaltlos erfüllt hat (Einstellung Mietzinszahlung), was ebenfalls eine Voraussetzung darstellt. Die Parteien mussten zwar grundsätzlich jederzeit mit dem Ausbruch einer Pandemie rechnen. Die infolge der Corona-Pandemie getroffenen behördlichen Massnahmen waren je-doch bei Vertragsschluss nicht voraussehbar, da es selbst bei schwererwiegenden Pandemien wie beispielsweise der Spanischen Grippe nicht zu derart einschneidenden Beschränkungen gekommen ist. Eine weitergehende Prüfung hat das Mietgericht aber dennoch nicht vorgenommen und insofern die Frage offengelassen, da die beklagte Mieterin es unterlassen hat, die genauen Umstände darzulegen, inwiefern sich die Massnah-men auf ihren Geschäftsbetrieb ausgewirkt haben (z.B. Umsatzzahlen) und was sie unternommen hat, um die Auswirkungen zu überwinden. Durch die Veränderung der Verhältnisse muss eine schwerwiegende Störung des Vertragsäquivalentes ausgelöst werden. Der Übergang zwischen einer «noch im Rahmen liegenden» und einer «gravierenden» Äquivalenzstörung lässt sich ausschliesslich aufgrund einer Beurteilung aller Umstände des konkreten Einzelfalls bestimmen, was vorliegend mangels Substantiierung der Mieterin für das Gericht nicht möglich war.

Im Endeffekt wurde die Klage der Vermieterin auf Bezahlung der offenen Mietzinse vollumfänglich gutgeheissen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und es wird sich zeigen, ob sich die höheren Instanzen, namentlich das Zürcher Obergericht und allenfalls sogar das Schweizerische Bundesgericht mit der Thematik befassen müssen. Falls nicht, wird es interessant sein zu sehen, ob die Gerichte in anderen Kantonen die gleiche Auffassung wie das Mietgericht Zürich vertreten oder ob sie davon abweichen werden.


13. August 2021  / MLaw Kim Attenhofer


DIE WICHTIGSTEN (RECHTS-)FRAGEN RUND UM DEN EIGENHEIMKAUF

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich
Lic. iur. Christoph Schärli

MLaw Kim Attenhofer

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Am 28. Mai 2021 erschien im Tagesanzeiger die Beilage «Fokus Familie», die sich mit diversen Fragen zum Thema Familienrecht, Erbrecht und Vertragsrecht befasste. Unsere beiden Baurechtsspezialisten, MLaw Kim Attenhofer und lic. iur. Christoph Schärli, haben in ihrem Beitrag die wichtigsten Rechtsfragen rund um den Erwerb von Eigenheim aufgegriffen und beantwortet.

Dieser Beitrag ist unter folgendem Link einsehbar.

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28. Mai 2021 / MLaw Kim Attenhofer und lic. iur. Christoph Schärli


RÜCKGABE MIETOBJEKT – STRENGE ANFORDERUNGEN AN DIE PRÜF- UND RÜGEPFLICHT DER VERMIETER

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

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Bei der Rückgabe eines Mietobjektes muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden. So simpel die Gesetzesbestimmung von Art. 267a Abs. 1 OR tönt, mit so vielen Tücken kann sie in der praktischen Umsetzung behaftet sein.

Dieser Newsletter befasst sich mit den strengen rechtlichen Anforderungen, die an die Prüf- und Rügepflicht von Vermietern bei Vertragsbeendigung gestellt werden und soll aufzeigen, auf was besonders zu achten ist.

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I. RÜCKGABE WOHNUNG / SCHLÜSSEL

Bei Wohnräumen erfolgt die Rückgabe der Mietsache durch die ausdrückliche Willenserklärung des Mieters sowie durch die Rückgabe aller Wohnungsschlüssel (inkl. Nebenobjekte wie z.B. Parkplatz). Kommt der Mieter seiner Rückgabepflicht nicht rechtzeitig nach, gerät er ohne Weiteres in Verzug und wird dem Vermieter gegenüber entschädigungspflichtig. Dies gilt natürlich nicht für den Fall, dass ein Schlüssel während der Mietdauer verloren ging. Diesfalls ist der Verlust als Mangel zu werten.

Der Vermieter ist grundsätzlich verpflichtet, die Mietsache und die dazugehörenden Schlüssel zurückzunehmen. Selbst wenn seiner Meinung nach, die Wohnung nicht oder nur ungenügend gereinigt ist oder andere Mängel aufweist und sie damit nicht dem vertragsgemässen Zustand entspricht, kann er die Rückgabe bzw. die Entgegennahme der Schlüssel nicht verweigern, sofern der Mieter diese zurückgeben möchte. Verweigert er dies doch, gerät er selbst in Annahmeverzug mit den entsprechenden Konsequenzen: Eine Haftung des Mieters wegen verspäteter Rückgabe ist dann ausgeschlossen. Mit der verweigerten Rücknahme der Schlüssel fängt auch die kurze Frist für die Mängelrüge (vgl. hiernach) an zu laufen. Nimmt der Vermieter die Schlüssel nicht an, besteht für den Mieter die Möglichkeit, diese per Einschreiben an den Vermieter zu senden. Dies sollte wiederum aus Beweiszwecken umgehend nach der verweigerten Rückgabe geschehen.

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II. MÄNGELRÜGE

Bei der Rückgabe des Mietobjekts prüft der Vermieter oder ein beauftragter Vertreter den Zustand des Mietobjektes und hält dies idealerweise in einem Protokoll fest. Er hat zu überprüfen, ob sich die Mietsache in dem Zustand befindet, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Wurde das Mietobjekt bzw. dessen Einrichtungen durch den Mieter übermässig abgenutzt, fehlen Bestandteile, gingen solche im Laufe des Mietverhältnisses kaputt oder wurde die Wohnung am Schluss einfach nicht ordentlich gereinigt, so hat der Vermieter diese Mängel beim Mieter zu rügen.

Die Mängelrüge des Vermieters unterliegt keiner Formvorschrift. Aus Beweisgründen drängt sich aber klar die schriftliche Form auf. Die Mängelrüge muss klar, präzis und detailliert sein, eine Aufzählung der einzelnen Mängel enthalten und erkennbar zum Ausdruck bringen, dass der Mieter für die angezeigten Mängel haftbar gemacht wird. Die Mängelrüge ist verständlich zu formulieren und darf sich nicht mit allgemeinen Bemerkungen wie «Flecken in der Küche», «Löcher in den Wänden» oder «Reinigung mangelhaft» begnügen. Es muss anhand der Mängelrüge erkennbar sein, was genau der Mangel ist, wie er sich äussert bzw. aussieht und auf welche Einrichtung und welchen Raum der Wohnung er sich bezieht. Eine solche Rüge könnte beispielsweise folgendermassen lauten: «Wand Küche, drei braune Flecken links neben der Türe, Haftung Mieter 70%»

Mängelrügen des Vermieters können frühestens bei der Rückgabe erfolgen. Sie sind dem Mieter dann aber sofort zu melden. Die Frist ist nach Lehre und aktuell geltender Rechtsprechung sehr kurz und beträgt gerade mal 2-3 Arbeitstage, d.h. Samstag und Sonntag werden nicht mitgerechnet. Diese Frist läuft ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe der Mietsache, unabhängig davon, ob diese vorzeitig, verspätet oder rechtzeitig erfolgt. Die Frist beginnt auch dann zu laufen, wenn der Vermieter in pflichtwidriger Weise die Rücknahme der Sache bzw. der Schlüssel verweigert. Entscheidend für die Fristwahrung ist die Aussprache der Rüge innert der genannten Frist und nicht die Zustellung an den Mieter.

Die Beweispflicht der formgerechten und rechtzeitigen Mängelrüge liegt beim Vermieter. Die Folgen einer ungenügenden Mängelrüge sind verheerend: Erfolgt die Mängelrüge zu spät, gar nicht oder ungenügend, verliert der Vermieter sämtliche Ansprüche gegenüber dem Mieter auf Schadenersatz wegen Mängel.

Eine Ausnahme besteht für sogenannte «verdeckte Mängel». Es handelt sich um Mängel, die bei übungsgemässer Untersuchung, nicht erkennbar sind, z.B. ein defekter Ablauf in der Badewanne oder Motten im Teppich. Solche verdeckten Mängel sind sofort nach deren Entdeckung beim (früheren) Mieter anzubringen. Im Übrigen gelten die Ausführungen hiervor zur Mängelrüge und zur Beweislast gleichermassen für die verdeckten Mängel.

Abschliessend sei betreffend Mängel darauf hingewiesen, dass der Mieter nicht zwingend für alle Mängel aufzukommen hat, die korrekt gerügt werden. Der Mieter hat lediglich für den kleinen Unterhalt und für die übermässige Abnutzung (inkl. Beschädigung) aufzukommen und nur, sofern die Lebensdauer der Einrichtung noch nicht abgelaufen ist. Da aber wie gesehen, die Rügefrist äusserst kurz ist und der Vermieter seine Mängelrechte nach Verstreichen dieser Frist verwirkt, kann Vermietern nur geraten werden, im Zweifel lieber einen Mangel mehr als einen weniger zu rügen.

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III. RÜCKGABEPROTOKOLL

Der gängigen Praxis entspricht es, bei Einzug sowie Auszug zwischen den Parteien ein Übergabe- und Rückgabeprotokoll zu erstellen, um den jeweiligen Zustand und damit einhergehend auch allfällige Mängel des Mietobjektes festzustellen. Es werden grundsätzlich vorgedruckte, standardisierte Formulare verwendet, welche die Abnahme erleichtern und eine gute Übersicht verschaffen.

Das Rückgabeprotokoll allein ist an und für sich noch keine Mängelrüge. Es kann aber zur Mängelrüge dienen, sofern es den genannten inhaltlichen Voraussetzungen genügt und dem Mieter beidseitig unterzeichnet ausgehändigt oder umgehend zugestellt wird.

Das Rückgabeprotokoll beinhaltet idealerweise folgende Angaben:

  • Präzise Mangelbezeichnung, Lokalisierung;
  • Feststellung, wer Mangel behebt bzw. Kosten trägt und in welchem Umfang;
  • Betrag des Minderwertes, den der Mieter bezahlen muss, falls der Mangel nicht behoben wird;
  • Feststellung, dass der Mieter einen Mangel behebt und bis wann;
  • Allfällige Vorbehalte oder sonstige Bemerkungen.

Was passiert, wenn der Mieter die Unterzeichnungen des Rückgabeprotokolls verweigert? Dies ist sein gutes Recht, sofern er mit dem Inhalt des Protokolls nicht einverstanden ist und diesen bestreitet. Die bestehenden Mängel sind in diesem Fall durch den Vermieter sofort in der erforderlichen Form zu dokumentieren (z.B. Fotodokumentation) und zu rügen (vgl. hiervor).

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IV. AMTLICHER BEFUND

Weigert sich ein Mieter das Rückgabeprotokoll zu unterzeichnen oder erscheint er erst gar nicht zum Rückgabetermin, besteht für den Vermieter ebenfalls die Möglichkeit, die Mängel im Rahmen eines amtlichen Befundes aufnehmen zu lassen. Nach Art. 9 ZGB gilt die gesetzliche Vermutung, dass der Inhalt des Befundes richtig ist. Der mit der Befundaufnahme beauftragte Vollzugsbeamte nimmt den Zustand des Mietobjektes auf und vermerkt im Befund das, was er auf Ersuchen bzw. Hinweis des Vermieters selber wahrnehmen kann. Da der amtliche Befund für sich alleine noch keine konkrete Erklärung an den Mieter beinhaltet, für welche Mängel dieser einzustehen hat, stellt er alleine noch keine rechtsgenügliche Mängelrüge dar. Möglich ist allerdings, dass der Vermieter dem Mieter den amtlichen Befund zustellt und im Begleitschreiben erwähnt, dass der Mieter für alle im amtlichen Befund aufgeführten Mängel haftbar gemacht wird. Damit ist den Anforderungen an eine Mängelrüge genüge getan.

Die Kosten des amtlichen Befundes hat diejenige Partei zu tragen, welche dies veranlasst, mithin der Vermieter. In einem Gerichtsfall besteht je nachdem die Möglichkeit, den entsprechenden Betrag beim Mieter geltend zu machen, sofern diese durch ihr Verhalten (objektiv betrachtet) Anlass zur Aufnahme des Befundes gegeben hat.

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V. FAZIT

Werden bestehende Mängel den strengen Anforderungen entsprechend bereits im Rückgabeprotokoll festgehalten und geht daraus ebenfalls hervor, inwiefern und in welchem Umfang der Mieter für diese Mängel aufzukommen hat und ist dieses durch beide Parteien unterzeichnet und dem Mieter übergeben worden, so bedarf es grundsätzlich keiner nachträglichen, separaten Mängelrüge.

Ist dies nicht der Fall oder möchte der Vermieter einfach auf Nummer sicher gehen, so ist ihm zu empfehlen, Mängelrügen nicht nur rechtzeitig, sondern auch mit der notwendigen Präzision, schriftlich und eingeschrieben an den Mieter zu versenden. Idealerweise erfolgt dies in einem Schreiben unter Beilage des Rückgabeprotokolls (unabhängig davon, ob unterzeichnet oder nicht) und Fotos oder eines amtlichen Befundes, welche die Mängel sichtbar dokumentieren.

Hilfreich gestaltet sich für unerfahrene Vermieter der Beizug einer Fachperson, welche sich mit den formellen Anforderungen der Rückgabe sowie der Mängelrüge auskennt. So wird sichergestellt, dass dem Vermieter nicht bereits die Grundlage zur Durchsetzung seiner Forderung entzogen wird.


27. Januar 2021  / MLaw Kim Attenhofer


LADESTATION FÜR ELEKTROFAHRZEUGE IN DER MIETWOHNUNG?

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Interesse an Elektromobilität und die Nachfrage für Elektroautos bzw. das Bedürfnis nach entsprechenden Ladestationen haben in den vergangenen Jahren zugenommen und dieser Trend wird sich halten.

Nachdem im letzten Newsletter die Regelungsgrundlagen im Stockwerkeigentum beleuchtet wurden, befasst sich vorliegender Newsletter mit derselben Thematik im Mietrecht.

I. ANSPRUCHSGRUNDLAGE?

Interessierte Mieter können die Installation einer Ladestation zwar beim Vermieter anfragen, aber nicht verlangen. Die Entscheidung, ob der Wunsch erfüllt wird, trifft alleine der Vermieter. Selbst wenn Mieter bereit sind, auf eigene Kosten eine Ladestation zu installieren, benötigen sie dafür zunächst die Einwilligung des Vermieters.

Lehnt ein Vermieter einen solchen Antrag ab, so ist dies sein gutes Recht. Er riskiert allerdings, dass ein Mieter mit Elektroauto oder mit Wunsch nach einem Elektroauto bald eine neue Bleibe suchen wird.

II. VARIANTEN

Es besteht die Möglichkeit, dass ein Mieter die Installation auf eigene Rechnung vornehmen lässt (sog. Mieterbaute). Hierfür benötigt ein Mieter die schriftliche Zustimmung des Vermieters (Art. 260a Abs. 1 OR). Eine mündliche Zusage genügt nicht. Hat der Vermieter einer Erstellung durch den Mieter zugestimmt, so sollte er gleichzeitig sicherstellen bzw. ebenfalls verschriftlichen, dass die Installation durch einen Fachmann zu erfolgen hat. So können mangelhafte oder fehleranfällige Anlagen am eigenen Gebäude vermieden werden. Hat der Vermieter seine schriftliche Zusage einmal erteilt, so kann er bei Auszug des Mieters die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nur verlangen, wenn dies ebenfalls schriftlich vereinbart worden ist (Abs. 2). Im Gegensatz zu anderen Mieterbauten, welche für den Vermieter allenfalls nutzlos oder sogar hinderlich sein können, wird dies bei einer fachmännisch erstellten Ladestation kaum der Fall sein. Einigen sich die Parteien darauf, dass die Ladestation nach Auszug des Mieters belassen werden darf, so stellt sich die Frage einer finanziellen Entschädigung des Mieters. Wird dies vereinbart, so sollte unbedingt auch bereits im Vorfeld festgelegt werden, nach welchen Kriterien die Entschädigung zu bemessen ist. Aus Vermietersicht empfiehlt sich, dass sich diese auf den Zeitwert beschränkt.

Nebst der Variante Mieterbaute ist ebenfalls denkbar – und dies wird in Zukunft vermutlich immer mehr zu sehen sein – dass der Vermieter eine vollends ausgebaute Ladestation (Endausbau) von sich aus zur Verfügung stellt. Hiervon zu unterscheiden ist die Grundinstallation, eine Art Vorleistung des Vermieters, welche dem Mieter zum Ausbau der eigentlichen Ladestation dient. Ein Endausbau durch den Mieter bedarf wiederum der schriftlichen Zustimmung des Vermieters (vgl. hiervor).

Wird eine zentrale Ladestation erstellt, die von mehreren Mietern genutzt werden kann, so empfiehlt sich, in einer Nutzungsvereinbarung die Modalitäten klar zu regeln.

III. KOSTENREGELUNG

Auch die Kostenverteilung sollte schriftlich geregelt sein. Damit ist letztlich allen Beteiligten gedient und es werden Missverständnisse und spätere Streitigkeiten (bestmöglich) verhindert.

Die Mieterbaute, also die Installation durch den Mieter, ist wie der Name vermuten lässt, durch den Mieter zu finanzieren. Ihm steht es aber offen, mit dem Vermieter eine Entschädigung, namentlich im Falle des Auszugs, zu vereinbaren. Bei grösseren Änderungen am Mietobjekt oder falls die Zahlungsfähigkeit eines Mieters in Frage gestellt wird, kann es sich für den Vermieter empfehlen, eine Sicherstellung der zu erwartenden Kosten (Sperrkonto, Bankgarantie etc.) vom Mieter zu verlangen. Dies namentlich in Hinblick auf allfällige Eintragungen von Bauhandwerkerpfandrechten, welche konsequenterweise auf dem Grundstück des Vermieters erfolgen würden.

Beim Endausbau durch den Vermieter, namentlich der vollständigen Installation der Ladestation, handelt es sich um eine wertvermehrende Investition, die dem Mieter als Nutzer gemäss Überwälzungssatz über den Mietzins überbunden werden kann. Eine allenfalls daraus resultierende Mietzinserhöhung während des laufenden Mietverhältnisses kann erst auf den nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt durchgesetzt werden und ist dem Mieter zwingend mit dem amtlichen Formular anzuzeigen, sofern der Parkplatz zusammen mit einem Wohn- oder Geschäftsraum vermietet wird. Ohne Verwendung dieses Formulars ist die Erhöhung rechtlich nicht durchsetzbar und es besteht für den Vermieter das Risiko, dass ein Mieter noch Jahre später die geleisteten Zahlungen zurückfordert.

Stellt ein Vermieter eine Grundinstallation zur Verfügung, mit welcher z.B. fünf Parkplätze bedient werden können, so hat er diese natürlich auch selbst zu berappen. Er darf – sollte lediglich ein Mieter davon profitieren wollen –diesem auch lediglich 1/5 der Kosten überbinden. Die restlichen Kosten hat er (einstweilen) selbst zu tragen.

Die resultierenden Stromkosten sind in jedem Fall verursachergerecht abzurechen. Die regelmässige Nutzung von Allgemeinstrom zum Laden für das eigene Fahrzeug ist nicht zulässig. Sofern keine separate Abrechnung durch das zuständige Elektrizitätswerk an den / die betroffenen Mieter erfolgt, ist in einer Zusatzvereinbarung mit diesem der durch die Ladestation verursachte Stromverbrauch zusätzlich als Nebenkosten auszuscheiden, sofern der Strom nicht bereits allgemein erfasst ist. Auch hier ist für die Einführung / Erhöhung der Kosten das amtliche Formular zu verwenden, sofern dies in Zusammenhang mit einer Wohnraum- bzw. Geschäftsraummiete erfolgt.  

IV. UNTERHALT / MÄNGEL

Für Unterhalt, Reparatur sowie Ersatz einer Ladestation im Mieterausbaus hat der Mieter selbst aufzukommen. Für die Vornahme solcher Arbeiten wird i.d.R. keine Zustimmung des Vermieters mehr benötigt. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass die Arbeiten Eingriffe in die Mietsache in einer Weise erforderlich machen, welche zu einer Beeinträchtigung des Vermieters oder von Mitmietern führen. Für Vermieter kann es sich aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlen, vertraglich festzuhalten, dass der Mieter zur Vornahme von notwendiger Unterhalts- und Reparaturarbeiten sowie zum Ersatz von Teilen des Mieterausbaus verpflichtet ist, verbunden mit der Möglichkeit einer Ersatzvornahme durch den Vermieter.

Wird die Ladestation durch den Vermieter erstellt und wird sie zum Bestandteil des Mietobjektes erklärt, so ist der Vermieter für Unterhalt, Reparatur und Ersatz nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich. Der Mieter hat einen Mangel, den er nicht selbst zu verantworten hat, dem Vermieter zu melden und ihm für die Beseitigung eine angemessene Frist einzuräumen. Kommt der Vermieter seinen Instandstellungspflichten nicht nach, stehen dem Mieter die gesetzlichen Mängelrechte gemäss Art. 259 ff. OR (Mietzinsherabsetzung, Schadenersatz, Kündigungsmöglichkeit) zur Verfügung.


21. Oktober 2020  / MLaw Kim Attenhofer


LADESTATION FÜR ELEKTROFAHRZEUGE IM STOCKWERKEIGENTUM

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Interesse an Elektromobilität und die Nachfrage für Elektroautos bzw. das Bedürfnis nach entsprechenden Ladestationen haben in den vergangenen Jahren zugenommen und dieser Trend wird sich halten.

Gerade bei Liegenschaften im Stockwerkeigentum stellen sich Fragen rund um die Errichtung. Hat ein Stockwerkeigentümer Anspruch auf eine Ladestation? Wie muss er vorgehen? Mit diesen und weiteren Themen befasst sich dieser Newsletter.

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I. AUSGESTALTUNG

Zu unterscheiden ist vorderhand, ob es sich bei den Garagenplätzen um eine gemeinsame Einstellhalle mit verschiedenen Parkplätzen oder um einzelne Garagenboxen handelt.

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A) GARAGENBOXEN

Weil Garagenboxen räumlich geschlossen sind und je einen eigenen Zugang haben, können sie im Stockwerkeigentum zu Sonderrecht ausgeschieden werden. In der Nutzung und Ausgestaltung solcher Garagenboxen sind die Stockwerkeigentümer frei. Wie in den ihnen zugewiesenen Wohnungen können sie die Garagenboxen nach Belieben ausgestalten und damit auch eine Ladevorrichtung erstellen. Erfordert die Erschliessung der Garagenbox bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Anlageteilen, muss die Stockwerkeigentümergemeinschaft notwendige Durchleitungen gegen Entschädigung dulden (Art. 691 ZGB).

B) EINSTELLHALLEN

Anders verhält es sich bei Einstellhallen. Die einzelnen, frei zugänglichen Parkplätze sind nicht sonderrechtsfähig, weil sie nicht in sich geschlossen sind. Sie bilden gemeinschaftliches Eigentum. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Parkplätze den einzelnen Stockwerkeigentümern mittels ausschliesslichen Nutzungsrechten sog. Sondernutzungsrechten zuzuteilen. Dem berechtigten Stockwerkeigentümer wird dann quasi an einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums (Einstellhalle samt Leitungen, Einrichtungen und Anschlüssen) in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung ein exklusives Gebrauchsrecht zugeteilt. Meist erfolgt dies im Begründungsakt oder aber im Reglement. Da diesfalls kein Sonderrecht am Parkplatz besteht, sondern dieser gemeinschaftliches Eigentum bleibt, ist der berechtigte Stockwerkeigentümer in der Ausgestaltung nicht frei und er braucht das Einverständnis der Stockwerkeigentümergemeinschaft (vgl. hiernach).

Würde ein
Stockwerkeigentümer eigenmächtig eine Ladestation auf seinem Parkplatz
erstellen (lassen), so könnte die Stockwerkeigentümergemeinschaft jederzeit
deren Beseitigung bzw. die Wiederherstellung des ursprünglichen und
rechtmässigen Zustandes auf Kosten des erstellenden Stockwerkeigentümers
verlangen.

C) ERSCHLIESSUNGSARTEN

Haushaltssteckdosen sind nicht für das Laden von Elektroautos ausgelegt und daher auch nicht geeignet. Das Laden würde nicht nur sehr lange dauern, man riskiert bei Mehrfachbelastung auch, dass die Sicherung rausfliegt bzw. dass die Anlagensicherheit gefährdet wird.

Die Lösung ist eine speziell errichtete Ladestation. Die Ausgestaltung kann als Einzelerschliessung d.h. mit einer Zuleitung von der Hausverteilungsanlage zum entsprechenden Garagenplatz, oder als Grundausbau zu einem smarten Ladesystem, d.h. mit ganzheitliche Einrichtung mit uleitungsmöglichkeit zu allen Garagenplätzen, erfolgen. Da angesichts der vergangenen Entwicklung von einer Zunahme von Elektrofahrzeugen ausgegangen wird und die gleichzeitzeitige Erschliessung mehrerer Parkplätze im Vergleich zu einer Einzelerschliessung jedes Parkplatzes preisgünstiger ist, ist Zweiteres wohl in den allermeisten Fällen zu empfehlen. Wenn sich ein weiterer Stockwerkeigentümer ein Elektroauto beschafft, muss nur noch die Ladestation montiert werden und über eine kurze Kabelverbindung an die vorhandene Grundinstallation angeschlossen werden.

II. ANTRAG / QUORUM

Ein bedingungsloses Recht zur Installation einer Ladestation gehört nicht zu den Ansprüchen eines Stockwerkeigentümers. Möchte ein Stockwerkeigentümer eine Ladestation auf seinem Parkplatz einrichten, der sich im gemeinschaftlichen Eigentum befindet, so muss er einen Antrag an die Eigentümerversammlung stellen bzw. zwecks Traktandierung an die Verwaltung richten.

Sinnvollerweise
sollte der beantragende Stockwerkeigentümer seinem Antrag bereits ein
Fachbericht mit Realisierungsmöglichkeiten bzw. ein technisches Dossier
beilegen. Dies um niemanden zu überfordern, die Ausführungschancen zu steigern
und die Angelegenheit möglichst beförderlich zu bearbeiten.

Die Errichtung einer Ladestation für Elektrofahrzeuge stellt eine bauliche Massnahme nach dar. Das Gesetz setzt je nach Art der Massnahme (notwendig, nützlich, luxuriös) unterschiedliche Anforderungen für die Zustimmung der Eigentümerversammlung fest. Nach Ansicht der Verfasserin (Gerichtsentscheide stehen soweit ersichtlich noch aus) stellt die Errichtung einer Ladestation eine nützliche bauliche Massnahme dar, für welche nach Art. 647d Abs. 1 ZGB die Zustimmung der Mehrheit der Stockwerkeigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt, dar, andere reglementarische Bestimmungen vorbehalten. Es ist durchaus denkbar, dass angesichts der wachsenden Bedeutung der Elektromobilität in einigen Jahren von einer notwendigen baulichen Massnahme auszugehen ist, welche durch Zustimmung der Mehrheit der Stockwerkeigentümer realisiert werden kann.

III. KOSTENREGELUNG

Wer in welchem Umfang die Erstellungs-, Unterhalts,-und Betriebskosten zu tragen hat, ist idealerweise klar zu definieren und schriftlich festzuhalten.

Es bestehen ganz
unterschiedliche Regelungsmöglichkeiten, welche auf die spezifischen
Bedürfnisse im Einzelfall abzustimmen sind. Vorstellbar ist, dass die Gemeinschaft
den Gesamtausbau und den Endausbau zu den einzelnen Garagenplätzen übernimmt
oder aber dass sämtliche Kosten der Antragsteller alleine zu tragen hat. Für
diesen Fall scheint nicht mehr als fair, wenn sich später Anschliessende auch
an den Initialkosten zu beteiligen.

Die Unterhalts- und
Betriebskosten können entweder gesamthaft als Gemeinschaftskosten getragen (und
teilweise auf den Endverbraucher überwälzt) werden oder die Gemeinschaft
übernimmt die Kosten nur für den Grundausbau und der jeweilige Bezüger direkt
für den Endausbau. Unabhängig des gewählten Vorgehens dürfte klar sein, dass
der Bezüger für seine Stromkosten aufzukommen hat.

Mit der
Kostenregelung einher geht natürlich auch die Verantwortung bzw. Haftung, was
ebenfalls schriftlich zu dokumentieren ist.


16. September 2020  / MLaw Kim Attenhofer


ARCHITEKTENVERTRAG UND -WETTBEWERB

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich

Artikel von lic. iur. Christoph Schärli zum Thema «Architektenvertrag und -wettbewerb».

Erschienen im Newsletter Weka Bau- und Immobilienrecht, Ausgabe 08/2020 – einsehbar unter folgendem Link


DAS URHEBERRECHT DES PLANERS – EIN IMMATERIALGÜTERRECHT IM KONFLIKT MIT DEN EIGENTUMSRECHTEN DES BAUHERRN

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich

Artikel von lic. iur. Christoph Schärli zum Thema «Das Urheberrecht des Planers – ein Immaterialgüterrecht im Konflikt mit den Eigentumsrechten des Bauherrn».

Erschienen im Newsletter Weka Bau- und Immobilienrecht, Ausgabe 07/2020 – einsehbar unter folgendem Link


CORONA-VIRUS: WAS PASSIERT MIT DEN STOCKWERKEIGENTUMSVERSAMMLUNGEN

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Mit der nachfolgenden Darstellung soll ein kurzer und allgemeiner Überblick gegeben werden, wie sich die aktuelle Situation (Stand: 20.03.2020) im Zusammenhang mit dem Corona-Virus und der damit verbundenen Verbote und Einschränkungen auf anberaumte und noch anzuberaumende Stockwerkeigentümerversammlungen auswirkt. Die Ausgangs- und Rechtslage kann sich jederzeit ändern und eine Neubeurteilung erforderlich machen. Gerne beraten wir Sie im Einzelfall. 

I. ALLGEMEINES ZUR STOCKWERKEIGENTÜMERVERSAMMLUNG

Das Gesetz lässt der Stockwerkeigentümergemeinschaft sehr viel Spielraum, wie sie sich organisiert. Nur die Stockwerkeigentümerversammlung als Willensbildungsorgan der Gemeinschaft ist vorgeschrieben. Sie stimmt über alle wichtigen gemeinsamen Anliegen ab und entscheidet.

Die Versammlung der Stockwerkeigentümer ist gemäss Art. 712p ZGB beschlussfähig, wenn die Hälfte aller Stockwerkeigentümer, die zugleich über die Hälfte der Wertquoten verfügt, mindestens aber zwei, anwesend oder vertreten sind. Das Reglement kann die Beschlussfähigkeit erschweren, indem eine grössere Beteiligung verlangt wird; eine Erleichterung ist ausgeschlossen.

II. DÜRFEN IM MOMENT STOCKWERKEIGENTÜMERVERSAMMLUNGEN DURCHGEFÜHRT WERDEN?

Die reguläre Versammlung der Stockwerkeigentümer, bei welcher sich die Stockwerkeigentümer gemeinsam an einem Ort treffen, fällt unter das Veranstaltungsverbot gemäss Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) des Bundesrates. Aufgrund der ausserordentlichen Lage sind solche Versammlungen aktuell bis zum 19. April 2020 (Stand: 20.03.2020) verboten.

III. GIBT ES AUSNAHMEREGELUNGEN? WAS BESTEHEN FÜR ALTERNATIVEN?

Aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation werden wohl die wenigsten Verwaltungen und Stockwerkeigentümergemeinschaften Stockwerkeigentümerversammlungen durchführen (wollen). Sollte die Durchführung dennoch für notwendig erachtet werden, evtl. weil dringliche Beschlüsse anstehen, so stehen je nach Art und Grösse der Gemeinschaft verschiedene Alternativen zur Verfügung. In jedem Fall ist diesfalls aber zu empfehlen, die Versammlung auf diejenigen Fragen zu beschränken, die entweder unstrittig sind oder aber effektiv keinen Aufschub dulden.

Sofern es sich nur um eine kleine Gemeinschaft handelt und die Stockwerkeigentümer über die möglichen technischen Möglichkeiten verfügen, könnte die Beschlussfassung vermutlich im Rahmen einer Telefon-/Videokonferenz stattfinden. Bei grösseren Gemeinschaften scheint dieses Vorgehen wenig praktikabel. Ob diese Handhabung zudem im Regelfall (ohne Versammlungsverbot) zulässig wäre, scheint fraglich, zumal sich Schwierigkeiten hinsichtlich Identifikation der Personen, Präsenzkontrolle, Führung der (gewollten) Debatte usw. ergeben können. Eine reglementarische Grundlage wäre hier sinnvoll und würde Klarheit schaffen.

Es besteht – sofern dies das Reglement im Einzelfall nicht ausschliesst – sodann die Möglichkeit, die Stockwerkeigentümerversammlung mit Bevollmächtigung der Verwaltung und unmissverständlicher und verbindlicher Stimminstruktion durchzuführen. Die Verwaltung ist bei dieser Variante gehalten, die einzelnen Stockwerkeigentümer detailliert zu informieren und saubere Fragestellungen zu formulieren. Man kann sich fragen, ob damit nicht Sinn und Zweck der Versammlung, namentlich die Diskussion und der Austausch, zu stark eingeschränkt werden. Dies entspricht sicherlich nicht der gängigen und zweckmässigen Handhabung, kann aber in ausserordentlichen Situationen, wie sie momentan zweifelsohne herrschen, sinnvoll sein kann.

Ungewiss ist, ob es ausnahmsweise und gestützt auf die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) des Bundesrates möglich wäre, dass Beschlüsse statt in der Versammlung auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form gefasst werden können (Art. 6a Abs. 1 lit. a). Diese Bestimmung bezieht sich dem Wortlaut nach aber nur auf Versammlungen von Gesellschaften (GmbH, AG, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften)[1]. Ob eine analoge Anwendung bei Stockwerkeigentümergemeinschaften möglich ist, bleibt fraglich und wird im Falle einer Anwendung spezifisch zu entscheiden sein. Um keine Rechtsunsicherheit zu schaffen, wird empfohlen (einstweilen) von einer derartigen Anwendung abzusehen.

Auf jeden Fall möglich – und dies gilt unabhängig der aktuellen Situation – sind (schriftliche) Zirkularbeschlüsse, wenn sämtliche Stockwerkeigentümer diesen zustimmen. Fehlt auch nur eine Stimme, kommt kein Beschluss auf dem Zirkulationsweg zustande, selbst wenn im Rahmen einer Versammlung das einfache Mehr genügt hätte.

IV. KANN DIE STOCKEIGENTÜMERVERSAMMLUNG AUF DAS NÄCHSTE JAHR VERSCHOBEN WERDEN?

Als notwendiges Organ hat die ordentliche Stockwerkeigentümerversammlung mindestens einmal im Jahr stattzufinden. Weitere (ausserordentliche) Stockwerkeigentümerversammlungen können reglementarisch vorgesehen sein oder unter entsprechenden Voraussetzungen einberufen werden.

Es stellt sich die Frage, wie es sich in Ausnahmesituationen, wie wir sie momentan erleben, verhält. Das Gesetz äussert sich nicht hierzu. Nach Ansicht der Verfasserin müsste dies möglich sein und dürfte aufgrund der rechtfertigenden Umstände keine weitreichenden Konsequenzen zur Folge haben. Im Übrigen bleibt die Möglichkeit der terminlichen Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt im laufenden Jahr. 

V. BESTEHT DIE MÖGLICHKEIT DES EINZELNEN STOCKWERKEIGENTÜMERS SICH ZU WEHREN?

Sollte ein Stockwerkeigentümer mit dem Vorgehen der Verwaltung bzw. mit der Beschlussfassung (nach den obigen Modalitäten) nicht einverstanden sein, weil diese gegen eine gesetzliche Vorschrift oder das Reglement verstösst, besteht die Möglichkeit nach Zustellung des Protokolls die entsprechenden Beschlüsse gerichtlich anzufechten. Dabei muss schnell gehandelt werden, denn die Frist zur Anfechtung beträgt 30 Tage ab Kenntnis des Beschlusses.


20. März 2020  / MLaw Kim Attenhofer


[1] «Bei Versammlungen von Gesellschaften kann der Veranstalter ungeachtet der voraussichtlichen Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ohne Einhaltung der Einladungsfrist anordnen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rechte ausschliesslich ausüben können: a.) auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form»


AUSGEWÄHLTE MIETRECHTLICHE FRAGEN IM ZUSAMMENHANG MIT DEM CORONAVIRUS-NOTSTAND

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Coronavirus wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie bezeichnet. Der Bundesrat hat mit Wirkung per 17. März 2020 die ausserordentliche Lage erklärt und diverse Massnahmen angeordnet. Diese extremen, notwendigen, aber vor allem unbekannten Einschränkungen führen in verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens zu Unklarheiten und damit verbundenen rechtlichen Unsicherheiten. Vor diesem Hintergrund werden vorliegend ausgewählte Themen des Mietrechts im Zusammenhang mit der coronavirusbedingten Notstandssituation angesprochen.

I. DARF DER MIETER INFOLGE DER AUFERLEGTEN SCHLIESSUNG SEINES GESCHÄFTS MIT EINER MIETZINSHERABSETZUNG RECHNEN?

Grundsätzlich – soweit das Notrecht nichts Abweichendes regelt – gilt «pacta sunt servanda» und damit «Verträge sind einzuhalten». Somit bleiben auch in ausserordentlichen Situationen Mietverträge für beide Parteien verbindlich. Der Vermieter hat die Pflicht, das Mietobjekt zur Verfügung zu stellen, der Mieter den Mietzins zu entrichten. 

Falls an einer Mietsache Mängel entstehen oder der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache gestört wird, kann er vom Vermieter verlangen, dass der Mietzins verhältnismässig herabgesetzt wird (Art. 259a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 259d OR). Mangelhaft ist ein Mietobjekt, wenn ihm eine vertraglich zugesicherte oder eine sich aus dem vertraglichen Gebrauchszweck ergebende Eigenschaft fehlt. Dies ist in erster Linie anhand des konkreten Vertrages und den darin niedergeschriebenen Klauseln zu beurteilen. Dass auf Seiten des Vermieters ein Verschulden vorliegen muss, damit eine Mietzinsherabsetzung beantragt werden kann, wird vom Gesetz nicht vorausgesetzt. Im Gegenteil können auch Lärm- und andere Immissionen, die der Vermieter nicht zu verantworten hat, gemäss Lehre und Rechtsprechungen zu Mietzinsreduktionen führen. 

Für viele Gewerbetreibende stellt sich nun die Frage, ob die durch den Bundesrat angeordneten vorübergehenden Beschränkungen und Verbote von gewissen betrieblichen Tätigkeiten einen Mangel am Mietobjekt darstellen, der zu Mietzinsreduktionen berechtigt. 

Die rechtliche Sachlage ist alles andere als klar und Präzedenzfälle gibt es nicht. Die Meinungen von Mieter- und Vermietervertretern gehen weit auseinander. Während die Vermieterseite davon ausgeht, dass eine behördlich verordnete Geschäftsschliessung bzw. ein Einbruch im Geschäftsgang zum Verwendungs- bzw. Betriebsrisiko zählt, das grundsätzlich vom Mieter zu tragen ist, und dies keinen Mangel darstellt, sehen dies Geschäftsmieter und Mietervertreter anders. Sie sind der Meinung, dass eine Mietzinsherabsetzung gerechtfertigt sei, da der vertraglich zugesicherte Gebrauchszweck der Mietsache verwehrt ist.

Fakt ist, dass wir es vorliegend nicht mit einer fehlenden oder mangelnden Eigenschaft des Mietobjektes zu tun haben: Die Nutzung für interne Zwecke wie Inventur oder administrative Arbeiten bleibt weiterhin erlaubt. Dass der Mangel am Mietobjekt selbst besteht, ist jedoch auch nicht zwingend vorausgesetzt, um eine Mietzinsreduktion verlangen zu können, können unter bestimmten Voraussetzungen doch auch Immissionen Dritter einem Mieter einen solchen Anspruch einräumen. Es handelt sich konkret um eine öffentlich-rechtliche Einschränkung des Gebrauchs einer Mietsache. Hat hierfür der Vermieter einzustehen? Solche öffentlich-rechtlichen Einschränkungen können gemäss einem Entscheid aus der Deutschen Rechtsprechung, welcher in einem anderen Zusammenhang und unabhängig vom Coronavirus gefällt wurde, einen Mangel bedeuten. Dies allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters liegen, womit ein Mangel hinsichtlich verordneter Betriebsschliessung verneint werden müsste. Ob Schweizer Gerichte im Zusammenhang mit den Betriebsschliessungen infolge der aktuellen Pandemie ebenfalls zu diesem Ergebnis gelangen werden, ist ungewiss.

Durchaus vorstellbar ist, dass die Antwort auf diese Frage nicht ausnahmslos so oder anders sein wird. Konkret wird im Einzelfall – vielleicht noch mehr als bei anderen Rechtsfragen – die vertragliche Regelung (Verwendungszweck, Zusicherungen, Ausnahmebestimmungen etc.) wie auch die behördliche Verfügung und deren Auswirkungen auf das konkrete Vertragsverhältnis zu beleuchten sein. Bei einer Umsatzmiete beispielsweise, welche relativ häufig in der Gastrobranche oder bei Shoppingcentren anzutreffen ist, ist ein Vermieter bereits definitionsgemäss quasi am Umsatz seines Geschäftsmieters «beteiligt»: Die Höhe des Mietzinses hängt vom erzielten Umsatz ab. In solchen Fällen wird es wohl weniger Raum für Argumentation einer Mietzinsreduktion infolge Schliessung geben, da schon die Art der Mietzinsgestaltung dem Mieter für seine wirtschaftliche Einbusse Ersatz verschafft.

So oder anders, einigen sich die Parteien nicht gemeinsam, wie sie mit der aussergewöhnlichen Situation umgehen wollen, wird es im Streit- und damit im Gerichtsfall letztlich einen Verlierer geben. Eine der beiden Parteien wird wohl auf den Kosten sitzen bleiben, es sei denn die Rechtsprechung entwickelt Grundsätze, z.B. im Rahmen der Vertragsanpassung infolge veränderter Umstände, und findet hierdurch einen Mittelweg. Die aktuelle Lage kann nicht nur – wie man dies in erster Linie vielleicht vermuten würde – die Existenz der Geschäftsmieter gefährden, sondern auch bei Vermietern zu gefährlichen Ertragsausfällen führen, denn auch diese haben diversen Zahlungsverpflichtungen (Hypothekarzinsen, Amortisationen, Unterhalt, Reparaturen, etc.) nachzukommen. Daher sind individuelle Lösungen zwischen den Parteien gefragt. Denkbar sind einvernehmliche Reduktionen, Ratenzahlungen, längere Zahlungsfristen etc.

Abzuraten ist den Geschäftsmietern (soweit möglich) von einer vorschnellen und eigenmächtigen Einstellung der Mietzinszahlungen. Ist diese nämlich nicht gerechtfertigt, kann eine Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR drohen, welche nach Androhung der Kündigung unter Einhaltung einer 30-tägigen Frist vermieterseitig möglich ist. 

II. DÜRFEN MIETER VON GESCHÄFTSRÄUMEN AUFGRUND DER MOMENTANEN NOTSTANDSITUATION AUSSERORDENTLICH KÜNDIGEN?

Gemäss Art. 266g OR können die Parteien aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar macht, das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt hin kündigen. Dies gilt für alle befristeten und unbefristeten Mietverträge. Wichtige Gründe liegen vor, wenn die von einer Partei angerufenen veränderten Umstände bei Vertragsschluss weder bekannt noch voraussehbar waren, und auch nicht auf ein Verschulden des Kündigenden zurückzuführen sind. Sie müssen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin der betroffenen Parteien unzumutbar machen. Als veränderte Umstände gelten beispielsweise Krieg, Naturkatastrophen, schwere Wirtschaftskrise, nicht aber bloss konjunkturelle Schwankungen oder ein schlechter Geschäftsgang.

Es ist davon auszugehen, dass die Coronavirus-Pandemie und die damit verbundenen Restriktionen als unvorhersehbare, veränderte Verhältnisse zu gelten haben. Dauern diese über längere Zeit fort, ist eine Kündigung gemäss Art. 266g OR denkbar, sofern dem Mieter die Fortführung finanziell nicht möglich ist, obwohl er hierfür die erforderlichen Massnahmen ergriffen hat. 

Wie aus der gesetzlichen Bestimmung aber bereits hervorgeht, sind die gesetzlichen Fristen zwingend einzuhalten. Eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 266g OR kommt somit nicht einer fristlosen Kündigung gleich, welche das Vertragsverhältnis von heute auf morgen beendet. Bei Geschäftsräumen beträgt die gesetzliche Frist sechs Monate. Es ist deshalb fraglich, wie viele Betroffene zu diesem Mittel greifen werden und ob dies in der jetzigen Situation sinnvoll ist. Zu guter Letzt sei bemerkt, dass – sollte sich ein Geschäftsmieter für eine ausserordentliche Kündigung entscheiden – ein rasches Handeln sinnvoll ist, andernfalls er sich womöglich mit dem Einwand konfrontiert sieht, dass die Verhältnisse für ihn nicht unzumutbar gewesen seien.

III. DARF EIN MIETER DEM VERMIETER AKTUELL DAS ZUTRITTSRECHT ZUR WOHNUNG VERWEIGERN?

Grundsätzlich nicht, der Mieter trifft gemäss Art. 257h OR eine Duldungspflicht. Nach dieser Bestimmung muss der Mieter dem Vermieter den Zugang zur Wohnung gewährleisten, wenn dies für den Unterhalt, die Wiedervermietung oder den Verkauf der Liegenschaft notwendig ist. Kommt der Mieter seiner Duldungspflicht zu Unrecht nicht nach, so wird er gegenüber dem Vermieter schadenersatzpflichtig. Gleichzeitig bestimmt aber das Gesetz, dass bei der Durchführung von Besichtigungen und Arbeiten auf die Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen ist.

Mit Blick auf die gegenwärtige ausserordentliche Situation ist zu empfehlen, jegliche nicht unbedingt notwendige Unterhaltsarbeit zu unterlassen. Ausbesserungen, die nicht dringend sind und die nicht zu einer Gefährdung des Mietobjekts oder der Bewohner der Liegenschaft führen können, sind soweit wie möglich auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Ebenso sollte auch auf die Durchführung von präventiven Unterhaltsarbeiten verzichtet werden.

Was die Wohnungsbesichtigungen zwecks Verkaufs oder Weitervermietung betrifft, ist der Kreis der Interessenten so klein wie möglich zu halten und auf den Gesundheitszustand der Mieter besondere Rücksicht zu nehmen. In diesem Sinne kommt der Vorprüfung der Interessentendaten bzw. -wünsche durch den Vermieter eine besondere Bedeutung zu. Grosse, an eine unbestimmte Personenzahl gerichtete Wohnungsbesichtigungen, sind als Anwendungsfall von «öffentliche bzw. private Veranstaltungen» verboten (vgl. Art. 6 COVID-19-Verordnung 2 zusammen mit den dazugehörigen Erläuterungen). Für Einzelbesichtigungen sollen hingegen wenige einfache – aber immerhin wirksame – Regeln eingehalten werden: Dem Mieter bzw. den Mietern soll insbesondere die Möglichkeit eingeräumt werden, zur vereinbarten Zeit nicht anwesend zu sein; weiter dürfen Interessenten an der Besichtigung nur teilnehmen, wenn sie keine Krankheitssymptome aufweisen; schliesslich sind nach Möglichkeit allen Besuchern Einweg-Plastiküberschuhe sowie Schutzmasken und Einweghandschuhe zu verteilen, die zwingend zu tragen sind. Darüber hinaus sollte im Allgemeinen bei Mietern mit einem bereits angegriffenen Gesundheitssystem oder bei solchen, die ein bestimmtes Alter erreicht haben, auf jeglichen Kontakt verzichtet werden.

IV. WELCHE SCHUTZMASSNAHMEN SIND IM ZUSAMMENHANG MIT DER BENUTZUNG VON GEMEINSAMEN RÄUMEN IN MIETLIEGENSCHAFTEN ZU TREFFEN?

Viele Liegenschaften verfügen über gemeinsame Räume, die zur freien Benutzung allen Mieter zur Verfügung stehen – denken wir zum Beispiel an eine gemeinsame Waschküche oder an einen Hobbyraum. Nachdem die Wissenschaftler festgestellt haben, dass das Coronavirus auch auf Oberflächen mehrere Tage überleben kann, sollte auch hier der Grundsatz gelten, wonach alles was nicht unbedingt nötig ist, nicht mehr genutzt werden sollte. Hobbyräume sowie Trockenräume sind nach Möglichkeit vorübergehend zu schliessen und der Zugang zu gemeinsamen Schwimmbädern, Saunas und dergleichen ist den Mietern temporär zu verweigern. Tumbler sind idealerweise nicht mehr zu nut-zen, Waschküchen müssen hingegen aus Hygienegründen weiter benützt werden können, dies aber nicht ohne Regelung: Die Waschpläne müssen strikt eingehalten werden, damit unnötige Treffen im Kellerabteil vermieden werden; regelmässig sollte ein sogenannter «Kochwaschgang» (90°C) durchgeführt werden; Desinfektionsmittel können den Mietern zur Verfügung gestellt werden, sodass Türgriffe, die Waschmaschine und Oberflächen von diesen gleich selbst regelmässig desinfiziert werden können.

V. WER MUSS DIE KOSTEN FÜR DIE DESINFEKTION ÜBERNEHMEN, WENN BEI EINEM AUSZIEHENDEN MIETER DAS CORONA VIRUS FESTGESTELLT WURDE?

Ende März ist ein offizieller Umzugstermin und damit kann aktuell die Frage aufkommen, was bei Wohnungsübergaben von (möglicherweise) betroffenen bzw. infizierten Personen gilt. Nach Art. 267 Abs. 1 OR muss der Mieter die Mietsache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus einem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Mit anderen Worten haftet der Mieter für Schäden aus vertragswidrigen oder unsorgfältigen Handlungen. Kosten für die Behebung von Mängeln, die der Mieter zu verantworten hat und die die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache infrage stellen (z.B. Schädlingsbekämpfung oder Dekontaminierung), sind vom Mieter voll zu tragen. Das Vorliegen eines Schadens sowie die adäquat kausale Verursachung durch den Mieter sind vom Vermieter zu beweisen. Der Mieter hat hingegen die Möglichkeit, sich nach Art. 97 OR zu exkulpieren: für Zufall, höhere Gewalt oder im Allgemeinen beim Fehlen eines Verschuldens haftet der Mieter nicht. Ob die Coronavirus-Pandemie einen Fall «höherer Gewalt» darstellt, kann für diese Beurteilung offengelassen werden. Von Bedeutung ist vielmehr, ob von einem Verschulden des Mieters gesprochen werden kann. Hat sich der Mieter wissentlich und willentlich in einem Risikogebiet trotz der Reisewarnungen und der behördlichen Vorgaben begeben, so könnte – in Analogie zu den arbeitsrechtlichen Grundsätzen von Art. 324a OR – von einem «Selbstverschulden» die Rede sein. Obwohl es im Hinblick auf die Beweislage schwierig sein wird, könnte der Vermieter in solchen Fällen die Kosten für die Desinfektion dem Mieter in Rechnung stellen. Erkrankt der Mieter hingegen «unverschuldeterweise», so müssen diese Kosten vom Vermieter getragen werden. 

Man kann sich fragen, ob allenfalls in diesem Zusammenhang anfallende Kosten gestützt auf Art. 259 OR dem Mieter überbunden werden könnten. Nach dieser Bestimmung ist der Mieter verpflichtet, diejenigen Mängel, die durch kleine, gewöhnliche Reinigungen oder Ausbesserungen behoben werden können, auf eigene Kosten zu beseitigen. Als Richtwert spricht die Lehre von einem Wert von CHF 150.00. Ist für die Behebung von Mängeln der Einsatz von Fachspezialisten erforderlich, so kann man von vorne herein nicht von «kleinen» bzw. «gewöhnlichen» Unterhaltsarbeiten sprechen. In Anbetracht der Tatsache, dass Desinfektionsreinigungen ohne weiteres unter «Facharbeiten» zu subsumieren sind, können die diesbezüglichen Kosten nicht auf den Mieter abgewälzt werden.

VI. FAZIT

Mangels Rechtsgrundlagen und infolge fehlender Präzedenzfälle ist es heute schwierig, die ungewisse Lage rechtlich einzuordnen und klare Antworten zu liefern. Wir stehen vor einem neuen Phänomen, dessen generellen und auch rechtlichen Auswirkungen sich nur schwer abschätzen lassen. Vor diesem Hintergrund und in Hinblick auf die zu erwartenden Kosten und die Dauer eines Gerichtsverfahrens raten wir Mietern und Vermietern, das Gespräch zu suchen und einvernehmliche Lösungen anzustreben. Gerne begleiten und beraten wir Sie auf diesem – in Anbetracht der Umstände – sinnvollen Weg.
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20. März 2020  / MLaw Kim Attenhofer & MLaw Giada Cassis


AKTUELLES VOM BAUREKURSGERICHT ZÜRICH – DIE AUFNAHME EINES GEBÄUDES IN EIN INVENTAR STELLT NOCH KEINE SCHUTZMASSNAHME DAR

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich

rechtliche Überlegungen zum Umgang mit Inventaren im Kanton Zürich

Das Baurekursgericht Zürich hat in einem aktuellen (zurzeit noch nicht rechtskräftigen) Entscheid (BRGE II Nr. 0004/2020) die bisherige kantonale Praxis zur Rechtswirkung und der Nichtanfechtbarkeit der Inventarisierung eines Gebäudes in ein kommunales Inventar bestätigt. Eine Praxis, welche aus Sicht der verfassungsmässigen Eigentumsrechte der betroffenen Eigentümer durchaus kritisch zu betrachten ist.

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I. Sachverhalt

Eine Gemeinde im Kanton Zürich hat ein privates Gebäude in das Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung der Gemeinde aufgenommen, bzw. dieses entsprechend ergänzt. Schutzmassnahmen bzw. ein formelles vorsorgliches gesetzliches Veränderungsverbot nach § 209 PBG wurden jedoch ausdrücklich (noch) nicht ausgesprochen. Die Eigentümerin reichte Rekurs beim Baurekursgericht ein und beantragte die Aufhebung des Beschlusses und dass das Gebäude nicht in das Inventar aufzunehmen sei. Das Baurekursgericht Zürich ist im Entscheid vom 21. Januar 2020 auf den Rekurs nicht eingetreten. Das Baurekursgericht stützt sich in seiner Begründung auf die Praxis und Lehre im Kanton Zürich, nach welcher Inventare erst dann eine eigentümerverbindliche Wirkung entfalten, wenn die Aufnahme eines Objektes in ein Inventar förmlich (schriftlich) angezeigt und mit dem Hinweis auf ein damit wirksam werdendes gesetzliches Veränderungsverbot verbunden werden. Die blosse Inventaraufnahme stelle noch keine Schutzmassnahme dar, auch keine provisorische. Die Wirkung eines Inventares bestehe (nur) darin, die Behörden und die nachfragenden Eigentümer oder Drittpersonen darauf aufmerksam zu machen, dass die aufgenommenen Objekte im Falle von Veränderungen einer erhöhten Aufmerksamkeit bedürfen (vgl. E. 3, BRGE II Nr. 0004/2020).

II. Kommentar

Im Lichte der bisherigen Rechtsprechung zur Inventarisierung ist der Entscheid nachvollziehbar. Er zeigt jedoch eine grundsätzliche Problematik der Hinweisinventare und der fehlenden Anfechtungs- bzw. Überprüfungsmöglichkeiten von solchen Inventarisierungen. Denn auch wenn einem Inventar nur die Aufgabe eines behördeninternen Sachplanes zukommt (vgl. Zürcher Planungs- und Baurecht, FRITZSCHE/BÖSCH/WIPF/KUNZ, S. 277) wird faktisch mit der Inventarisierung eines Gebäudes bereits in das Eigentumsrecht der Grundeigentümerin eingegriffen bzw. dieses zumindest tangiert.

Fakt ist, dass bereits mit der Inventarisierung eines Gebäudes dieses öffentlich einsehbar und in einem Inventar aufgeführt einem «Generalverdacht» in Bezug auf die Schutzwürdigkeit unterstellt wird. Auch wenn es sich bei der Inventarisierung nach Lehre und Rechtsprechung nicht um eine provisorische Schutzmassnahme handelt, kommt dem Inventareintrag in der Praxis oft eine präjudizielle Wirkung zu. So ist immer wieder feststellbar, dass solche Inventareinträge Vorlage oder Referenz für Schutzabklärungen, Gutachten und auch Verfügungen bilden. Gerade bei Gutachtern aber auch den Behörden wird die inhaltliche und insbesondere rechtliche Relevanz und Wirkung der Hinweisinventare überhöht.

In Unterschutzstellungsverfahren finden sich so immer wieder Schutzgutachten, welche als Referenz für den Schutzwert integral oder schwerpunktmässig auf den entsprechenden Inventareintrag und die dortigen Feststellungen verweisen, ohne diese zu hinterfragen. Wenn nun aber solche Gutachten sich inhaltlich derart auf die Inventareinträge abstützen, führt dies dazu, dass dem Inventareintrag die entscheidende Bedeutung zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Gebäudes zukommt. Es trifft somit nicht zu, wenn man davon ausgeht, dass eine Inventarisierung noch keine Rechtswirkung begründen würde.  Wird dem Inventareintrag eine solche Bedeutung beigemessen, ist er mehr als ein verwaltungsinternes Hilfswerkzeug.

Dies zeigt sich auch daran, dass die Behörden Inventare nicht ohne weiteres wieder bereinigen können. Denn die Entlassung eines einmal aufgenommenen Gebäudes aus einem Inventar ist nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts in der Regel nur gestützt auf ein Gutachten möglich. Eine Inventarentlassung ist zu verfügen und kann mit einem Rechtsmittel (etwa von Heimatschutzverbänden) angefochten werden. Im Gegensatz zur Inventarisierung ist die Entlassung aus einem Inventar somit dem Rechtsschutz unterstellt.

Ist eine Grundeigentümerin mit der Inventarisierung nicht einverstanden, so hat sie nur die Möglichkeit, ein Provokationsbegehren zu stellen und so in der Regel innert Jahresfrist verbindlich über allfällige definitive Schutzmassnahmen entscheiden zu lassen; sie muss den Schutzentscheid in einem formellen Verfahren «provozieren». Solche Provokationsbegehren sozusagen ins «Blaue» hinaus (d.h. ohne konkrete Bauabsichten) sind risikoreich und aufwändig. Zudem kann ein Provokationsbegehren nur bei einem aktuellen Interesse gestellt werden, zumindest müssen Bau-, Verkaufs- oder Erbteilungsabsichten glaubhaft gemacht werden können. Weiter kommt hinzu, dass sie sich gegen den bereits erstellten Inventareintrag wehren muss, bei dessen Erstellung sie die verfassungsmässig garantierten Verfahrensrechte, welche Betroffenen bei einer Beweiserhebung normalerweise zustehen, nicht hatte, insbesondere ihr kein rechtliches Gehör gewährt worden ist.  Ohne Provokationsbegehren wird das inventarisierte Gebäude unter Umstände über Jahre oder Jahrzehnte einfach in einem Inventar für die schützenswerten Objekte der Gemeinde geführt. Die Grundeigentümerin muss damit leben, dass ihr Gebäude öffentlich als inventarisiert und damit «potentiell geschützt» gilt. Will die Grundeigentümerin ein solches Gebäude einmal verkaufen, wird der Inventareintrag selbstredend eine Auswirkung auf den Wert der Liegenschaft haben. Im Wissen um den Inventareintrag werden für die interessierten Käufer die Risiken einer späteren Unterschutzstellung kaufpreisrelevant sein. Für nicht mit denkmalschutzrechtlichen Angelegenheiten vertraute Personen ist es zudem kaum möglich, die genaue Unterscheidung zwischen der (vorsorglichen) Inventarisierung und einer formellen Unterschutzstellung zu verstehen.

Es trifft somit nicht zu, dass die Inventarisierung die Grundeigentümerin nicht direkt betrifft, findet bereits mit der Inventaraufnahme ein potentieller Eingriff in die Eigentumsrechte der Grundeigentümer statt (Wertminderung), gegen welche sich der Grundeigentümer nicht direkt mit einem Rechtsmittel wehren kann. Weiter kommt noch folgender verfahrenstechnischer Umstand dazu: Die Nachführung der kommunalen Inventare obliegt den Gemeinden, welche dafür regelmässig Fachleute aus dem Bereich der Denkmalpflege beiziehen. In den Erläuterungen des Amtes für Raumentwicklung des Kantons Zürich (Denkmalschutz – Erläuterungen zur Erarbeitung, Festsetzung und Anwendung) werden die Gemeinden unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts angeleitet, ein Inventar zu erstellen, welches eine «Bestandsaufnahme der in Betracht fallenden Schutzobjekte ermöglichen soll. Es sollen daher «[…] nicht nur jene Objekte Aufnahme in die Inventare finden, welche mit Sicherheit formell geschützt werden; vielmehr geht es darum, den gesamten Bestand der schutzfähigen Objekte zu erfassen, ohne Rücksicht auf beabsichtigte Schutzmassnahmen seitens der Behörden» (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 9.2.2011, VB.2010.00032, E. 5.3, unter Hinweis auf den Entscheid RB 1990 Nr. 72).

M.E. liegt in dieser Praxis die Krux bei den Inventaren:  Denn wenn alle «in Betracht fallenden» bzw. «schutzfähigen» Schutzobjekte im Inventar erfasst werden und die Frage der Verhältnismässigkeit und der Interessenabwägung erst im Schutzverfahren geklärt werden sollen, besteht die Gefahr einer sehr grosszügigen Inventarisierung. Auch unter Fachexperten wird der Begriff «Schutzfähig» kontrovers diskutiert. Ketzerisch betrachtet kommt fast jedem älteren Gebäude eine gewisse «Schutzfähigkeit» zu.

Wenn nun Fachexperten von den Gemeinden beauftragt werden, das Inventar alle paar Jahren zu aktualisieren und mit «potentiellen und allen in Betracht fallenden» Schutzobjekten zu ergänzen, ist es nichts als logisch, dass in der Tendenz jeweils weitere «schutzfähige» Objekt dazukommen. Dies gilt umso mehr, wenn die Gemeinde mit der Aufgabe externe Dienstleister beauftragt, welche verständlicherweise auch ein Ergebnis bzw. neue Inventareinträge präsentieren wollen. Im Zweifel wird daher eher ein Gebäude mehr inventarisiert, sozusagen «in dubio pro inventarium». Da gegen diese vorsorgliche Inventarisierung kein Rechtsmittel für die Grundeigentümer offensteht, besteht die Gefahr, dass Gebäude inventarisiert werden, die keinen Schutzwert haben.

Gestützt auf die verfahrensrechtlichen Grundsätze dürfen bzw. dürften solchen Hinweisinventare keinen Beweiswert in einem späteren Schutzverfahren zukommen, denn sie werden ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs und Rechtschutz erstellt und stellen eine erstmalige subjektive Einschätzung von einem oder wenigen einzelnen Fachexperten dar.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Gesetzgebung oder die Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit der Inventare oder der gesamten Praxis in Zukunft ändern wird. Bis dahin ist es umso wichtiger, dass man sich der unverbindlichen und damit inhaltlich geringen Aussagekraft der Hinweisinventare bewusst ist, sei dies auf Seite Behörden, Gutachter aber auch der Gerichtsinstanzen. Schutzentscheide, welche sich bei der Begründung auf den fachlichen Inhalt der Inventare beziehen, sind daher problematisch bzw. nicht haltbar, da dafür eine unabhängige neue und in einem rechtskonformen Verfahren ergangene Begutachtung durch Fachexperten notwendig ist. Ansonsten kommt dem Inventareintrag eine präjudizierende Wirkung zu, etwas was sie nach der Rechtsprechung des Baurekursgerichts und Verwaltungsgerichts jedoch nicht haben dürfen.


19. Februar 2020 / lic. iur. Christoph Schärli,

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