ORGANISATION VON GEWINNSPIELEN UND VERLOSUNGEN – BRAUCHE ICH EINE BEWILLIGUNG?

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Wiederholt werden insbesondere im Internet Gewinnspiele und Verlosungen angeboten – oftmals verbunden mit dem Kauf eines Produkts oder dem Bezug einer Dienstleistung. Je nach Ausgestaltung des Wettbewerbs ist aufgrund des Geldspielgesetzes eine Bewilligung notwendig. Unter welchen Umständen eine solche zwingend ist und welche Ausnahmen bestehen, wird nachfolgend aufgezeigt.

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I. BEWILLIGUNGSPFLICHT

Wird im geschäftlichen Verkehr (nicht im privaten Kreis) ein Gewinnspiel angeboten, so müssen die Bestimmungen des Geldspielgesetzes (kurz: «BGS») eingehalten werden, welches im Jahr 2019 eingeführt wurde. Dieses stellt Lotterien, Verlosungen und Geschicklichkeitsspiele unter eine Bewilligungspflicht, wenn das Gewinnspiel an ein Rechtsgeschäft (also bspw. an einen Kauf oder an den Bezug einer Dienstleistung) oder einen Geldeinsatz (bspw. Kauf eines Loses) gebunden ist. Die Erlangung einer entsprechenden Bewilligung ist äusserst aufwendig und kann nach Gutdünken der Behörden auch einfach abgelehnt werden. Ein Verstoss gegen das Geldspielgesetz wird mit Busse bis zu CHF 500’000.00 bestraft (Art. 131 BGS). Nicht jede Art von Gewinnspielen untersteht hingegen dem Geldspielgesetz – es gibt Ausnahmen, die nachfolgend aufgezeigt werden.

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II. AUSNAHMEN VON DER BEWILLIGUNGSPFLICHT

Damit die Bewilligungspflicht überhaupt greift, muss das geplante Gewinnspiel selbstredend die Voraussetzungen eines Gewinnspiels im Sinne des Geldspielgesetzes erfüllen. Ist dies nicht der Fall, kommen die Bestimmungen des Gewinnspielgesetzes erst gar nicht zur Anwendung und es besteht keine Bewilligungspflicht. Dies ist insbesondere dann der Fall (vgl. Art. 3 lit. a BGS), wenn gar keine geldwerte Leistung gewonnen werden kann, sondern dem Gewinner nur «Ruhm und Ehre» zu Teil wird. Das Geldspielgesetz ist auch nicht auf Gewinnspiele anwendbar, die nicht an ein Rechtsgeschäft oder an einen Geldeinsatz gekoppelt sind, wenn also die Teilnahme ohne finanzielle Aufwendungen oder Verpflichtungen allen offensteht. Klassisches Beispiel hierfür ist das Teilen und/oder Kommentieren eines Posts auf Social Media oder das einfache Ausfüllen eines Fragebogens (die Datenbekanntgabe gilt nicht als geldwerter Einsatz). In diesen Fällen besteht folglich keine Bewilligungspflicht gemäss dem Geldspielgesetz.

Weiter bestehen zwei gesetzlich geregelte Ausnahmen für Gewinnspiele, die zwar ein Geldspiel im Sinne des Geldspielgesetzes darstellen, die aber keiner Bewilligung bedürfen (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. d und lit. e BGS):

  • Detailhandelsausnahme (Art. 1 Abs. 2 lit. d BGS): Die Kopplung der Gewinnspielteilnahme an einen Kauf von Produkten/Dienstleistungen ist auch ohne Bewilligung zulässig, sofern das Gewinnspiel kurzzeitig (1) und zur Verkaufsförderung (2) durchgeführt wird und das Gewinnspiel keine Gefahr von exzessivem Geldspiel (3) schafft sowie (4) die Produkte / Dienstleistungen zu marktkonformen Preisen verkauft werden.

  1. Nach dem Kriterium «kurzzeitig» muss es sich beim Gewinnspiel um eine zeitlich befristete Marketingmassnahme handeln; die Rede ist von 1-3 Monaten.
  2. Der «Verkaufsförderungszweck» ist gegeben, wenn das Gewinnspiel an den Kauf eines Produkts oder an die Inanspruchnahme einer Dienstleistung gekoppelt ist oder anderweitig eine Kundenbindungsmassnahme darstellt. Das Gewinnspiel soll also in irgendeiner Form direkt oder auch indirekt den Absatz von Produkten / Verkauf von Dienstleistungen steigern (bspw. findet sich ein Talon zur Wettbewerbsteilnahme an einer vom Veranstalter zum Kauf angebotenen Getränkeflasche).
  3. Um keine «Gefahr von exzessivem Geldspiel» darzustellen, darf der Wettbewerb die Spielsucht nicht fördern oder unverhältnismässig hohe Einsätze erfordern. Vor diesem Hintergrund können Gewinnspiele problematisch sein, bei denen die Gewinnchancen und die Preise mit hohen Einsätzen unverhältnismässig steigen. Diese Problematik kann aber einfach umgangen werden, indem Mehrfachteilnahmen ausgeschlossen werden.
  4. Abschliessend darf der Kauf der Waren und/oder Dienstleistungen, an welche das Gewinnspiel gekoppelt ist, zu höchstens marktkonformen Preisen angeboten werden. Dies bedeutet, dass der Preis des Produkts und/oder der Dienstleistung für das Gewinnspiel nicht speziell verteuert werden darf.

Sind die vorstehenden Bedingungen erfüllt, spricht grundsätzlich nichts dagegen, die Wettbewerbsteilnahme an den Kauf eines Produkts oder an den Bezug einer Dienstleistung zu knüpfen. Konkret bedeutet dies, dass das Gewinnspiel lediglich über eine Zeitdauer von ein bis drei Monaten dauern darf, die Waren/Dienstleistungen, an welche das Gewinnspiel zu Verkaufsförderungszwecken gekoppelt werden soll, nur zu marktkonformen Preisen verkauft werden dürfen und damit kein exzessives Geldspiel gefördert werden darf.

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  • Ausnahme für Medienunternehmen (Art. a Abs. 2 lit. e BGS): Durch Medienunternehmen durchgeführte Gewinnspiele sind ohne Bewilligung zulässig, sofern das Gewinnspiel kurzzeitig (1) und zur Verkaufsförderung (2) durchgeführt wird und das Gewinnspiel keine Gefahr von exzessivem Geldspiel (3) schafft sowie (4) eine Gratis-Teilnahme möglich ist. Bezüglich der Bedingungen (1) – (3) kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Die vierte Voraussetzung (Gratis-Teilnahme) bedingt, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben müssen, gratis am Gewinnspiel teilnehmen zu können und diese Möglichkeit gleich leicht zugänglich sein muss wie die kostenpflichtige Teilnahme. Der Veranstalter muss zudem auf die Möglichkeit der Gratis-Teilnahme hinweisen. «Gratis» bedeutet hingegen nicht, dass für den Teilnehmer keine Standard-Gebühren (wie bspw. CHF 00.90 Porto für die Teilnahme per Briefpost) anfallen dürfen. Bietet der Veranstalter für die Teilnahme auch eine kostenpflichtige Variante an (bspw. Teilnahme per SMS für CHF 1.00), so muss darauf geachtet werden, dass die kostenpflichtige Teilnahmemöglichkeit nicht günstiger ist als die unentgeltliche Teilnahme. Unzulässig wäre also bspw. die kostenpflichtige Teilnahme via SMS für CHF 00.60, während die Gratis-Teilnahme nur via Post und damit für mind. CHF 00.90 möglich ist.

III. WEITER ZU BEACHTENDE BESTIMMUNGEN

Bei Gewinnspielen sind aber nicht nur die Bestimmungen des Geldspielgesetzes zu beachten, sondern insbesondere auch das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Datenschutzgesetz (DSG). Gemäss dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb dürfen Gewinnspiele bspw. keine irreführenden Angaben enthalten. Entsprechend sollte in den Teilnahmebedingungen darüber aufgeklärt werden, (1) wer das Gewinnspiel durchführt, (2) wer am Gewinnspiel (nicht) teilnehmen darf, (3) wie lange das Gewinnspiel dauert, (4) was es (5) wie zu gewinnen gibt und (6) wie die Ermittlung sowie (7) die Benachrichtigung der Gewinner erfolgen. Der Rechtsweg darf ausgeschlossen werden.

Um die Gewinner benachrichtigen zu können, ist der Veranstalter i.d.R. auf deren Daten angewiesen. Folglich gilt es auch das Datenschutzgesetz zu beachten, womit eine Datenschutzerklärung mitabgegeben werden muss (bzw. zumindest auf eine leicht zugängliche Datenschutzerklärung verwiesen werden muss). Umständlicher wird es hingegen, wenn auch Kunden im Ausland teilnehmen sollen. Dann sind die jeweiligen Gesetzesbestimmungen im Ausland zu prüfen.

Weiter gilt es die Nutzungsbedingungen der Social Media Plattformen zu beachten, auf denen das Gewinnspiel promotet werden soll. Im Wesentlichen sehen die gängigen Plattformen in ihren Nutzungsbedingungen vor, dass

  • die Plattform von jeglicher Haftung freigestellt wird und darauf hingewiesen werden muss, dass die Plattform diesbezüglich nicht mit dem Veranstalter kooperiert / das Gewinnspiel mitveranstaltet;
  • die Teilnahmebedingungen veröffentlicht werden müssen (wozu man gemäss den Bestimmungen des UWG ohnehin schon verpflichtet ist);
  • keine Aufrufe erlaubt sind, wonach die Social Media-Nutzer sich gegenseitig / sich selbst auf Bildern markieren sollen, auf welchen sie gar nicht zu sehen sind (Aufruf zu Kommentieren / Liken ist aber in der Regel in zulässig);
  • niemand vom Wettbewerb ausgeschlossen werden darf (also eine Gratisteilnahme möglich sein muss).

Bei der Durchführung von Gewinnspielen gilt es folglich diverse Gesetzesbestimmungen, aber auch die Nutzungsbedingungen der genutzten Plattformen, einzuhalten. Eine Durchführung von Gewinnspielen und Verlosungen ohne zeitraubende und kostspielige Bewilligung gemäss Geldspielgesetz ist aber – wie vorstehend ausgeführt – unter gewissen Umständen durchaus möglich. Nicht vergessen werden dürfen hingegen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, die insbesondere Transparenz gegenüber den Teilnehmern fordern.

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13. Juni 2022 / MLaw Simone Kessler


DER ARCHITEKT UND DAS URHEBERRECHT

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Vermehrt treten in der Praxis Fragen bezüglich der Urheberrechte im Zusammenhang mit Architektenleistungen auf. Diese betreffen nicht nur die vom Architekten entworfenen Bauten, sondern insbesondere auch die hierfür erstellten Pläne und Modelle. Sowohl an der Baute als auch den Plänen und Modellen können Urheberrechte entstehen, deren Nutzung unbedingt vertraglich geregelt werden sollte. Darüber hinaus können auch weitere immaterielle Rechte wie Marken- und Designrechte sowie das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb eine Rolle spielen.

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I. DAS URHEBERRECHT

Gemäss Art. 2 des Urheberrechtsgesetzes (kurz: URG) sind Werke urheberrechtlich geschützt, wenn sie eine (1) geistige Schöpfung der (2) Literatur und Kunst mit (3) individuellem Charakter darstellen. Dazu gehören insbesondere Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen und Werke der Baukunst. Damit Urheberrechte also überhaupt entstehen, bedarf es u.a. eines individuellen Charakters (eine Ausnahme kann einzig in Bezug auf gewisse Fotografien bestehen). Gemäss diesem Kriterium muss sich die Gestaltung des Werks vom Alltäglichen, dem allgemein Üblichen abheben. Sind die vorstehenden Kriterien erfüllt, entstehen die Urheberrechte von Gesetzes wegen immer bei dessen Schöpfer, der nur eine natürliche Person sein kann (sog. Schöpferprinzip gemäss Art. 6 URG). Wurde vertraglich also nichts Anderes geregelt, so stehen sämtliche Urheberrechte an einer Baute, einem Plan oder Modell dem Architekten zu, der sie geschaffen hat. Entsprechendes ist auch in der Ordnung für Leistungen und Honorare der Architekten (SIA 102) geregelt. Gemäss Art. 1.3.1 SIA 102 stehen sämtliche Rechte am Arbeitsergebnis und insbesondere auch alle Urheberrechte dem Beauftragten und damit i.d.R. dem Architekten zu.

Steht fest, dass das geschaffene Werk urheberrechtlich geschützt ist, so stehen dem Schöpfer sog. Urheberpersönlichkeitsrechte und Vermögensrechte zu. Die Urheberpersönlich­keits­rechte beinhalten im Wesentliche das Recht auf Erstveröffentlichung, Urhebernennung und Werkintegrität. Demnach darf also der Schöpfer bestimmen, wann das Werk erstmals veröffentlicht wird und er kann darauf bestehen, dass er als Schöpfer des Werks namentlich genannt wird. Darüber hinaus darf sein Werk nicht entstellt werden, was insbesondere im Zusammenhang mit Bauten von Interesse ist. Die Urheberpersönlichkeitsrechte können nicht an einen Dritten übertragen werden. Der Schöpfer kann aber (auch stillschweigend) darauf verzichten, diese Rechte auszuüben.

Die Vermögensrechte sichern dem Schöpfer zu, über die Vervielfältigung, die Verbreitung sowie die Wahrnehmbar- und Zugänglichmachung bestimmen zu können. Auch die Senderechte gehören zu den Vermögensrechten. Sie sind für Architekten aber i.d.R. nicht relevant. Die Vermögensrechte können ganz oder auch nur teilweise an Dritte übertragen werden, wobei dies grundsätzlich nicht schriftlich festgehalten werden muss. Verzichten Architekt und Bauherr aber auf eine vertragliche Regelung über die Vermögensrechte, kann dies zu langwierigen Streitigkeiten zwischen den Parteien führen.

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II. URHEBERRECHT AN BAUTEN

Unter Werken der Baukunst verstehen Lehre und Rechtsprechung gestaltete und gebaute Räume. Darunter fallen sowohl Hoch- als auch Tiefbauten, selbst Anlagen und besonders gestaltete Innenräume werden unter den Begriff «Werke der Baukunst» subsumiert. Erforderlich ist aber, dass die Bauten von individuellem Charakter sind. D.h. es braucht ein individuelles Gepräge oder die Baute muss als Ausdruck einer neuen originellen Idee zu werten sein. Ob dieser individuellen Charakter gegeben ist, ist schlussendlich eine Auslegungsfrage, die jeder Richter in seinem freien Ermessen würdigen kann. Nicht jede banale Baute geniesst Urheberrechtsschutz.

Im Zusammenhang mit urheberrechtlich geschützten Bauten steht oftmals das Recht auf Werkintegrität im Fokus. Grundsätzlich hat der Eigentümer der Baute zwar das Recht, diese abzuändern (Um- und Anbauten, Sanierung, Erweiterungen etc.), wobei sein Interesse an der Änderung im Zweifelsfalls dem Interesse des Architekten vorgeht (BGE 117 II 466). Dieses Recht findet seine Grenzen aber bei den Persönlichkeitsrechten des Schöpfers, die seine Ehre und sein berufliches Ansehen schützen sollen. Demnach darf die Baute auch bei einer Änderung nicht seine Integrität verlieren – sie darf nicht entstellt oder «verstümmelt» werden, wobei eine Verstümmelung nur bei erheblichen Veränderungen mit negativen Auswirkungen angenommen und von der Rechtsprechung nur in seltenen Fällen als gegeben erachtet wird.

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III. URHEBERRECHT AN PLÄNEN UND MODELLEN

Nicht nur das fertiggestellte Bauwerk kann Urheberrechtsschutz geniessen, sondern auch die zuvor erstellten Pläne, Modelle und Visualisierungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Projekt schlussendlich realisiert worden ist oder nicht. Der Plan, das Modell oder die entsprechende Visualisierung geniessen für sich bereits urheberrechtlichen Schutz. Im Gegensatz zur Baute dürfen erstellte Pläne nicht ohne Einwilligung des Schöpfers abgeändert werden. Hier liegt das Änderungsrecht allein beim Architekten, sofern sich die Parteien diesbezüglich nicht vorab geeinigt haben. Es gilt demnach auch für Architekten Vorsicht walten zu lassen, sollten sie mit der Änderung oder Weiterverarbeitung anderer architektonischer Pläne beauftragt werden.

Bei in Auftrag gegebenen Plänen und Visualisierungen führt oftmals das Vervielfältigungsrecht zum Streitpunkt. Lässt der Bauherr vom Architekten die Planung eines bestimmten Projekts ausarbeiten, so darf er die hierfür erstellten Pläne grundsätzlich nicht für ein weiteres Projekt verwenden. Dies ist Ausfluss der sog. «Zweckübertragungstheorie». Sie kommt zum Zuge, wenn unklar ist, was die Parteien bezüglich der Urheberrechte vertraglich geregelt haben. Bestehen also Zweifel über den Umfang einer Rechtseinräumung, so ist davon auszugehen, dass der Schöpfer all diejenigen Urheberrechte überträgt, die zur Erfüllung des Vertragszwecks erforderlich sind. Beruht der Auftrag also auf der Planung eines Einfamilienhauses für die Familie Müller, so berechtigt dies den Auftraggeber nicht, dasselbe Einfamilienhaus auch für die Familie Meier zu erstellen. Die Zweckübertragungstheorie ist im Übrigen auch sinngemäss in Art. 1.5.3 SIA 102 geregelt.

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IV. WEITERE RECHTE

Im Zusammenhang mit Architektenleistungen sind nicht nur Urheberrechte zu beachten. Insbesondere an Bauten können auch Bestimmungen des Design- und des Markenschutzgesetzes relevant sein. So hinterlassen Architekten vermehrt ein Gebäude-Branding, indem sie am Gebäude ein Kennzeichen anbringen, welches sie markenrechtlich schützen lassen. Darüber hinaus kann auch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Schutz vor unrechtmässiger Verwendung von Plänen und Bauten bieten.

Um sich vor unangenehmen Auseinandersetzungen zu schützen, sollten sich Bauherren und Architekten vorab über die immateriellen Rechte, also über die Urheber-, Marken- und Designrechte an den Plänen, Modellen und insbesondere der Baute, vertraglich einigen und den Umfang allfälliger Nutzungsrechte unmissverständlich regeln. Für den Bauherrn ist es sicherlich von Vorteil, wenn der Architekt sämtliche Rechte abtritt und auf die Durchsetzung seiner Urheberpersönlichkeitsrechte verzichtet. Regeln die Parteien die Urheberrechte überhaupt nicht, so stehen diese grundsätzlich dem Architekten zu, wobei der Bauherr die Baute erst nach deren Erstellung ändern darf, sofern die Änderung keine Entstellung darstellt. Die hierfür erstellten Pläne darf er aber weder eigenhändig überarbeiten noch für andere Projekte nutzen.



17. Februar 2022 / MLaw Simone Küng


DAS AUSTRITTSRECHT DES GESELLSCHAFTERS AUS DER GMBH

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Uneinigkeiten zwischen Gesellschaftern sind keine Seltenheit. In der Regel können sich die Gesellschafter aber im Sinne der Gesellschaft auf eine sachgemässe Lösung einigen. Vereinzelt ist die Situation allerdings dermassen verfahren, dass sich die Gesellschafter gar nicht mehr untereinander verständigen können und wollen. In diesen Fällen bleibt oftmals nur der Austritt eines Gesellschafters aus der GmbH. Dies geschieht in der Regel über den Verkauf seiner Stammanteile an seinen Mitgesellschafter / einen Dritten. In der Praxis tritt hingegen oftmals die Konstellation auf, dass für die Stammanteile schlichtweg kein Käufer gefunden werden kann und auch allfällige Mitgesellschafter kein Interesse daran haben (oder es mangelt am entsprechenden Kapital), die Stammanteile des austretungswilligen Gesellschafters zu erwerben. Welche Möglichkeiten hier bestehen und wie vorgegangen werden kann, wird nachfolgend aufgezeigt.

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I. DAS AUSTRITTSRECHT

Das Gesetz gewährt den Gesellschaftern einer GmbH in Art. 822 OR ein Austrittsrecht, welches gerichtlich eingeklagt werden kann. Die Klage richtet sich dabei gegen die Gesellschaft. Beim gesetzlich normierten Austrittsrecht handelt es sich um ein zwingendes und unentziehbares Recht. Das heisst, die Gesellschafter können das Recht auf Austritt aus der Gesellschaft also nicht wegbedingen oder durch zusätzliche Anfordernisse erschweren.

Das Austrittsrecht ist allerdings an wichtige Gründe gekoppelt (Art. 822 Abs. 1 OR), es sei denn, die Statuten der GmbH sehen ein eigens definiertes Austrittsrecht vor (Art. 822 Abs. 2 OR). In erster Linie sind also die Statuten zu konsultieren und es gilt zu prüfen, ob diese unter bestimmten Bedingungen ein Austrittsrecht vorsehen und möglicherweise sogar eine Verpflichtung der verbleibenden Gesellschafter, wonach sie die Stammanteile des austrittswilligen Gesellschafters abzukaufen haben (sog. Kaufpflicht), beinhalten. Enthalten die Statuten allerdings keine entsprechende Regelung, so bleibt nur noch das gesetzliche Austrittsrecht aus wichtigem Grund.

Die Lehre hat solch «wichtige Gründe» u.a. bei schweren Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern oder der Gesellschaft, bei ruinöser Geschäftsführung, bei schweren Vertrauensbrüchen wie der Verschleierung von Geschäftszahlen oder willkürlicher Zusammenarbeitsverweigerung und fortgesetzten Interessenkonflikten bejaht. Die Messlatte liegt hoch – einfache Meinungsdifferenzen zwischen den Gesellschaftern reichen nicht aus. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gesellschaft muss nachhaltig gestört sein, so dass es dem austrittswilligen Gesellschafter nicht mehr zuzumuten ist, in der Gesellschaft zu verbleiben. Dabei werden sämtliche Umstände berücksichtigt, wobei sowohl persönliche als auch sachliche Gründe eine Rolle spielen können.

Aber selbst wenn wichtige Gründe vorliegen und dem austrittswilligen Gesellschafter der Austritt gerichtlich gewährt werden würde, stellt sich die Frage, wie mit den Stammanteilen des ausscheidenden Gesellschafters zu verfahren ist. Schliesslich lösen sich diese mit dem Austritt der Gesellschaft nicht einfach in Luft auf. Diese sind vielmehr mit dem Austritt auf einen Dritten oder die Gesellschaft selbst zu übertragen. Das Bundesgericht hat in seinem erst kürzlich publizierten Entscheid vom 19. Juni 2021 festgehalten, dass das Gericht nicht die Kompetenz hat, die Stammanteile des austretenden Gesellschafters zwangsweise auf einen/mehrere Mitgesellschafter zu übertragen bzw. fehlt es hier schlichtweg an der gesetzlichen Grundlage. Es bleibt damit nur die Möglichkeit, die Stammanteile auf die Gesellschaft zu übertragen. Hingegen sieht Art. 783 OR vor, dass die Gesellschaft maximal 10% des Gesamtnennwerts eigener Stammanteile halten darf. Nur in Ausnahmefällen – wenn im Zusammenhang mit einem Austritt oder Ausschluss Stammanteile erworben werden – liegt die Grenze bei 35% (Art. 783 Abs. 2 OR). Diesbezüglich hat das Bundesgericht klargestellt, dass die Grenze von 35% des Stammkapitals absolut gilt. Hält der austretungswillige Gesellschafter also mehr als 35%, so können die Stammanteile auch nicht auf die Gesellschaft übertragen werden – dem Gericht sind die Hände gebunden und der Austritt kann nicht bewilligt werden. Liegen also wichtige Austrittsgründe vor und hält der austretungswillige Gesellschafter mehr als 35% der Anteile, bleibt ihm als sicherer Ausweg nur noch die Auflösungsklage nach Art. 821 OR.

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II. AUFLÖSUNG DER GESELLSCHAFT

Gemäss Art. 821 Abs. 3 OR kann jeder Gesellschafter (unabhängig von seiner Beteiligung) beim Gericht die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund verlangen. Auch diese Klage richtet sich gegen die Gesellschaft. Bezüglich des wichtigen Grundes kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Das Gesellschaftsverhältnis muss für den Gesellschafter auch hier absolut unzumutbar sein. Anders als bei der Austrittsklage nach Art. 822 OR sieht die gesetzliche Grundlage der Auflösungsklage allerdings vor, dass das Gericht auch eine andere sachgemässe und den Beteiligten zumutbare Lösung vorsehen kann, als die Gesellschaft von vorneweg aufzulösen. Das Gericht hat hier also einen gewissen Spielraum und kann – so zumindest gemäss der herrschenden Lehre – u.a. auch vorsehen, dass die Anteile des austrittswilligen Gesellschafters auf einen Mitgesellschafter übertragen wird und er unter den gegebenen Umständen eine Abfindung zum wirklichen Wert seiner Stammanteile erhält (nach Art. 825 OR).

Die Auflösungsklage ist hingegen subsidiär und damit stets das letzte Mittel. Es muss aufgezeigt werden können, dass der austrittswillige Gesellschafter keine andere Wahl hat, als die Gesellschaft gerichtlich auflösen zu lassen. Hierzu gehört insbesondere auch die Darlegung, dass eine Austrittsklage, welche ein milderes Mittel als die Auflösung der Gesellschaft wäre, im vorliegenden Fall nicht in Frage kommt.

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III. ABFINDUNG

Für die vom austretenden Gesellschafter ursprünglich geleisteten Einlagen auf die Stammanteile hat dieser nach Art. 825 OR Anspruch auf eine Abfindung zum wirklichen Wert seiner Stammanteile («innerer Wert» bzw. Verkehrswert). Der Abfindungsanspruch kann in den Statuten zwar abweichend geregelt werden, dies allerdings nur im Zusammenhang mit einem statutarischen Austrittsrecht. Sind in den Statuten also keine separat definierten Austrittsgründe enthalten, so ist auch keine abweichende Abfindung möglich, und es ist grundsätzlich der wirkliche Wert der Stammanteile geschuldet. Es gilt dabei zu bedenken, dass eine statutarisch abweichende Abfindungsbestimmung nicht willkürlich festgelegt werden darf und sie nicht unangemessen sein darf. Der Abfindungsanspruch im Zusammenhang mit einem statutarischen Austrittsrecht muss also stets einer objektiven Betrachtung standhalten können.

Der Anspruch auf Abfindung wird grundsätzlich mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig. Dies bedingt allerdings, dass die Gesellschaft über genügend verwendbares Eigenkapital verfügt / die Stammanteile an einen Dritten veräussern kann / ihr Stammkapital unter Beachtung der entsprechenden Vorschriften herabsetzen darf (Art. 825a OR). Ist die Gesellschaft nicht in der Lage, die Abfindung zu begleichen, so erwirbt der ausscheidende Gesellschafter eine unverzinsliche Forderung gegen die Gesellschaft. Sobald wieder verfügbares Eigenkapital vorhanden ist, ist die Abfindung auszuzahlen.

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IV. WÜRDIGUNG

Stehen Gesellschafter einer GmbH in einer fortwährenden Konfliktsituation, die zu einem unzumutbaren Dauerzustand führt, so stehen den austrittswilligen Gesellschaftern durchaus Mittel zur Verfügung, um aus der Gesellschaft austreten zu können – auch wenn kein Käufer für seine Stammanteile gefunden werden kann. Der Weg führt allerdings über das Gericht und ist mit einer Klage gegen die Gesellschaft verbunden, welche sowohl finanziell als auch zeitlich aufwendig ist.



27. Oktober 2021 / MLaw Simone Küng


KENNZEICHENVERLETZUNG IM INTERNET UND GEOBLOCKING

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Marken-, Firmen- und Namensrechte sind grundsätzlich territorial begrenzt. Sie sind also nur in dem Land geschützt, wo der entsprechende Schutz gewährt worden ist, was in der Regel durch die Registrierung des gewünschten Kennzeichens im betroffenen Land («Schutzland») erfolgt. Wurde beispielsweise eine Marke in der Schweiz registriert, kann einem deutschen Konkurrenten die Nutzung des selben Kennzeichens in Deutschland grundsätzlich nicht untersagt werden. Problematisch ist hingegen die Verwendung von geschützten Kennzeichen im Internet, zeichnet sich das Internet doch gerade durch die weltweite Abrufbarkeit von Informationen aus. Es stellt sich daher die Frage, ob der deutsche Konkurrent die in der Schweiz eingetragene Marke verletzt und die Nutzung durch den Schweizer Markeninhaber untersagt werden kann, wenn der deutsche Konkurrent dasselbe Kennzeichen auf seiner Website publiziert. Schliesslich kann die vom deutschen Konkurrenten betriebene Website auch in der Schweiz abgerufen werden und somit die in der Schweiz geschützte Marke verletzen.

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I. MARKENNUTZUNG IM INTERNET

Das Bundesgericht hat sich vor rund 18 Monaten zu dieser Frage geäussert (vgl. BGer 4A_335/2019 vom 20. April 2020). Allein die Nutzung des geschützten Kennzeichens auf der Website einer ausländischen Drittperson, die in der Schweiz abrufbar ist, genügt nicht, um eine Kennzeichenverletzung zu begründen. Dies würde schlussendlich zu einem uferlosen Kennzeichenschutz führen, der dem eingangs erwähnten Grundsatz der territorialen Begrenzung zuwiderlaufen würde. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt für die Bejahung einer Rechtsverletzung vielmehr, dass eine «räumliche Beziehung» bzw. eine «qualifizierte Beziehung der Zeichennutzung» zur Schweiz besteht. Zur näheren Erläuterung dieser «räumlichen Beziehung» griff das Bundesgericht auf die Joint Recommendation der WIPO und des Pariser Verbands zurück. Art. 2 der Joint Recommendation bestimmt, dass die Nutzung eines Kennzeichens im Internet nur dann eine Kennzeichenverletzung im Schutzland begründen kann, wenn diese dort eine wirtschaftliche Auswirkung (sog. «commercial effect») hat. Zur Beurteilung dieses wirtschaftlichen Bezugs können die in Art. 3 der Joint Recommendation beispielhaft aufgeführten Kriterien herangezogen werden, wie bspw. die Prüfung der geschäftlichen Tätigkeit des Kennzeichenverwenders im betroffenen Schutzland (findet eine solche überhaupt statt und falls ja, welches Ausmass nimmt sie an? Werden Kunden im Schutzland beliefert und in welcher Währung und Sprache werden die Produkte angeboten? Werden Wartungs- oder Nebenleistungen im Schutzland erbracht? Werden Kontaktdaten im Schutzland angegeben? etc.). Es kann hingegen nicht einfach auf die aufgeführten Kriterien abgestellt werden, sondern es ist stets eine Gesamtwürdigung der konkreten Umstände vorzunehmen, wobei insbesondere zwischen den Interessen des inländischen Schutzrechtsinhabers und denjenigen des ausländischen Kennzeichennutzers abzuwägen ist.

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II. «COMMERCIAL EFFECT» UND GEOBLOCKING

Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung können gemäss Bundesgericht denn auch neuere technische Entwicklungen mitberücksichtigt werden, zumal die in der Joint Recommendation aufgeführten Kriterien vor rund 20 Jahren entwickelt wurden. Unter diesem Aspekt hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Beurteilung des «commercial effects» auch das sog. Geoblocking und Geotargeting von einer gewissen Relevanz sein können. Diese technischen Massnahmen erlauben es einem Websitebetreiber, die Zugriffsmöglichkeiten von Internetnutzern auf die Website territorial zu begrenzen. Darüber kann ein Websiteinhaber mit relativ geringem technischen Aufwand verhindern, dass die betroffene Website im Schutzland überhaupt aufgerufen werden kann. Gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts scheint dies folglich ein geeignetes Mittel zu sein, um einem «commercial effect» auf das Schutzland zu entgegnen und folglich einer allfälligen Kennzeichenverletzung zu entgehen (natürlich ist aber immer noch eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vorzunehmen). Offenbar unberücksichtigt geblieben ist hierbei, dass die EU bereits im Jahr 2018 ein Geoblocking-Verbot eingeführt hat (VO 2018/302 vom 28.02.2018). Nur wenige Monate später (im Mai 2019) hat der Bundesrat die Botschaft zur Fair-Preis-Initiative verabschiedet, die ebenfalls ein Geoblocking-Verbot vorsieht. Dieses soll verhindern, dass die Schweiz im Fernhandel ohne sachliche Rechtfertigung abgeschottet wird und Schweizer Kunden nicht zu ausländischen Preisen einkaufen können, indem diese erst gar nicht auf ausländische Webshops zugreifen können.

Eingang in die Gesetzgebung findet das Geoblocking-Verbot im Rahmen der anstehenden Revision des Bundesgesetzes über unlauteren Wettbewerb (kurz «UWG) im Jahr 2022. Gemäss dem neu einzuführenden Art. 3a UWG («Diskriminierung im Fernhandel») handelt unlauter und damit unzulässig, wer im Fernhandel ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund Schweizer Kunden aufgrund ihrer Nationalität, ihres (Wohn-)Sitzes, des Sitzes ihres Zahlungsdienstleisters oder des Ausgabeorts ihres Zahlungsmittels beim Preis und bei den Zahlungsbedingungen diskriminiert. Unlauter handelt zudem, wer ohne sachliche Rechtfertigung den Zugang von Kunden zu einem Onlineportal beschränkt oder wer Kunden ohne deren Einverständnis zu einer anderen als ursprünglich aufgesuchten Version des Portals weiterleitet (sog. «Redirecting»). Von diesem Verbot sind zwar gewisse Branchen ausgenommen, dennoch gilt es zeitnah unternehmensintern zu prüfen, ob inskünftig verbotene technische Massnahmen in Betrieb sind und ob allenfalls ein Ausnahmetatbestand vorliegt.

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III. WÜRDIGUNG

Das Bundesgericht hat noch vor einem Jahr festgehalten hat, dass das Unterlassen von Geoblocking- und Geotargeting-Massnahmen durchaus ein geeignetes Kriterium sein kann, das zur Bejahung einer Schutzrechtsverletzung führen kann. Dabei wurde allerdings nicht bedacht, dass genau diese technischen Massnahmen vom schweizerischen Gesetzgeber – bereits zum damaligen Zeitpunkt – offensichtlich als diskriminierend erachtet werden und ein entsprechendes Verbot bereits in der gesetzgeberischen Pipeline stand. Vor diesem Hintergrund dürfte fraglich sein, ob die Berücksichtigung von (diskriminierenden) Geoblocking-Massnahmen im Zusammenhang mit Kennzeichenverletzungen im Internet gerechtfertigt war bzw. hätte die Frage wohl weitergehen müssen: Wenn das Bundesgericht schon zum Schluss gelangt, dass die Möglichkeit von Geoblocking-Massnahmen für die Frage eines «commercial effects» mitentscheidend sein können, so wäre denn auch zu prüfen gewesen, ob die technischen Massnahmen im konkreten Fall sachlich gerechtfertigt gewesen wären. Schliesslich kann es nicht sein, dass das Unterlassen von diskriminierenden Massnahmen generell zum Nachteil eines Kennzeichennutzers ausgelegt wird.

Inskünftig dürfte die Möglichkeit von Geoblocking- und Targeting-Massnahmen im Rahmen der Überprüfung eines «commercial effects» wohl nur noch berücksichtigt werden, wenn diese technischen Massnahmen im konkret zu überprüfenden Fall auch sachlich gerechtfertigt wären. Denn nur dann können die vom Gesetzgeber grundsätzlich als diskriminierend geltenden Massnahmen zulässig sein. Eine solche sachliche Rechtfertigung könnte bspw. gerade auch in der Verhinderung von Rechtsverletzungen liegen. Nachdem die Einführung des Geoblocking-Verbots allerdings erst auf das Jahr 2022 terminiert ist, bestehen diesbezüglich selbstredend noch keine höchstrichterlichen Urteile, weshalb derzeit nur Mutmassungen angestellt werden können. Gewissheit wird die Rechtsprechung in den kommenden Jahren bringen.



21. Oktober 2021 / MLaw Simone Küng


VERTRETUNGSMACHT VS. VERTRETUNGSBEFUGNIS DER MITGLIEDER DES VERWALTUNGSRATES EINER AKTIENGESELLSCHAFT

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Die Mitglieder des Verwaltungsrates sind mit ihrer Funktion sowie der Zeichnungsberechtigung (meist Einzelzeichnungsrecht oder Kollektivzeichnungsrecht) im Handelsregister einzutragen. Die Publikation dient Dritten bei der Beurteilung, ob ein von einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern unterzeichnetes Vertragsdokument Gültigkeit hat oder nicht. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sog. «Vertretungsmacht». Eine andere Frage ist, ob Verwaltungsratsmitglieder mit Einzelzeichnungsrecht in jedem Fall dazu berechtigt sind, ohne die vorherige Genehmigung des Gesamtverwaltungsrates zu handeln. Dies ist eine Frage der sog. «Vertretungsbefugnis». Nachfolgend wird aufgezeigt, dass Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis nicht immer übereinstimmend sind und welche Konsequenzen ein selbständiges Handeln von Verwaltungsratsmitgliedern hat, wenn dafür die erforderliche Genehmigung des Gesamtverwaltungsrates fehlt.

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I. KOMPETENZEN UND INTERNE ORGANISATION DES VERWALTUNGSRATES

Das Aktienrecht sieht in Art. 716 OR vor, dass der Verwaltungsrat in allen Angelegenheiten Beschluss fassen kann und muss, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugeteilt sind. Diese Kompetenzvermutung erfolgt zugunsten des Verwaltungsrates als Gesamtgremium. Abs. 2 der genannten Gesetzesbestimmung lässt eine Delegation von Aufgaben an einzelne Mitglieder oder an Dritte jedoch durchaus zu. Eine solche Kompetenzübertragung erfolgt aber nur dann korrekt, wenn einerseits die Statuten eine Grundlage dafür vorsehen und andererseits der Verwaltungsrat – und zwar als Gesamtgremium – ein Organisationsreglement erlassen hat, das solche Einzel- oder Kollektivkompetenzen einzelner Mitglieder oder Dritter ausdrücklich regelt. Fehlt es am einen oder anderen Erfordernis, so sind grundsätzlich sämtliche dem Verwaltungsrat vorbehaltenen Aufgaben dem Gesamtgremium vorbehalten. Das bedeutet auch, dass in solchen Gesellschaften sämtliche Beschlüsse stets vom Gesamtverwaltungsrat getroffen werden müssen und nicht an einzelne Mitglieder oder gar Dritte delegiert werden dürfen. Die Tatsache, dass die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder gegebenenfalls dennoch mit Einzel- oder Kollektivzeichnungsrecht im Handelsregister eingetragen sind und einzeln oder zu zweit für die Gesellschaft handeln können, vermag nichts daran zu ändern, dass sie dies aufgrund der internen Gesellschaftsorganisation ohne Genehmigung des Gesamtverwaltungsrates nicht dürfen. Fehlt es in den Statuten einer Aktiengesellschaft also an einer Ermächtigung des Verwaltungsrates, ein Organisationsreglement überhaupt zu erlassen, sind verwaltungsratsinterne Aufgabendelegationen nicht gestattet. Sämtliche Beschlüsse des Verwaltungsrates bedürfen dann der Zustimmung der Mehrheit des Gesamtgremiums. Gleiches gilt nach vorherrschender Lehre auch dann, wenn zwar die statutarische Grundlage vorhanden wäre, der Verwaltungsrat es aber unterlassen hat, ein Organisationsreglement zu erlassen. In diesen Konstellationen fallen die im Handelsregister nach aussen kundgegebene Vertretungsmacht (d.h. das rechtliche «Können» aufgrund einer Einzelzeichnungsberechtigung) und die Vertretungsbefugnis (d.h. das rechtliche «Dürfen» aufgrund der internen Regelung) auseinander. Welche Folgen in dieser Konstellation ein eigenmächtiges Handeln einzelner Verwaltungsräte haben kann, wird in nachstehender Ziff. III. aufgezeigt.

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II. INHALT DER ERLAUBTEN KOMPETENZENDELEGATION

Inhaltlich ist der Gesamtverwaltungsrat in seiner Delegationsbestimmung weitgehend frei. Existiert die erforderliche statutarische Grundlage, kann er im Organisationsreglement beliebig regeln, ob lediglich einzelne Mitglieder, ein bereits bestimmter oder zu bestimmender Ausschuss oder gegebenenfalls auch Dritte (zusammen oder je einzeln) berechtigt sein sollen, einen Beschluss zu fassen oder ein Rechtsgeschäft abzuschliessen. Nach vorherrschender Lehre ist eine Delegation lediglich für jene Beschlüsse untersagt, für welche das Gesetz in Art. 716a Abs. 1 OR eine unentziehbare Kompetenz des Verwaltungsrates – und damit ist eben eine solche des Gesamtverwaltungsrates gemeint – vorsieht. Von der genannten Bestimmung erfasst sind insb. die grundlegenden organisatorischen Aufgaben wie bspw. die Oberleitung der Gesellschaft, die Ernennung und Abberufung von Geschäftsführern etc., wie auch die Vorbereitung der Generalversammlung oder die Benachrichtigung des Richters im Fall der Überschuldung (Auswahl). In allen ausserhalb des Katalogs von Art. 716a Abs. 1 OR stehenden Beschlüssen ist eine Delegation dem Grundsatz nach erlaubt. Eine zusätzliche Beschränkung besteht indes noch dahingehend, dass mindestens ein Mitglied des Verwaltungsrates sowie – falls dieses keinen Wohnsitz in der Schweiz haben sollte – mindestens ein weiteres Verwaltungsratsmitglied oder ein Direktor mit Wohnsitz in der Schweiz zur Vertretung befugt sein müssen. Ist nur eine zur Vertretung berechtigte Person in der Schweiz wohnhaft, ist ihr Einzelzeichnungsrecht zu gewähren; bei zwei Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ist Kollektivzeichnungsrecht ausreichend. 

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III. FEHLEN EINER RECHTLICH KORREKTEN DELEGATION

Wie bereits aufgezeigt, können Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis einzelner Verwaltungsratsmitglieder durchaus auseinanderfallen. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn einzelne Verwaltungsratsmitglieder, die im Handelsregister mit Einzelzeichnungsrecht eingetragen sind, im Alleingang, d.h. ohne die Zustimmung des Gesamtverwaltungsrates, Handlungen vollziehen. Oder in Konstellationen, in welchen zwar eine rechtlich gültige Delegation besteht, einzelne Mitglieder aber nicht im Rahmen dieser Delegation handeln, bspw., weil gemäss Organisationsreglement ein Ausschuss entscheidungsbefugt wäre. In beiden Fällen ist das jeweilige Verwaltungsratsmitglied zwar zu der entsprechenden Vertretung ermächtigt (aufgrund des Einzelzeichnungsrechts), jedoch nicht befugt. Die Auswirkungen, welche ein solches Verhalten zeitigt, sind zu differenzieren: Gegenüber einer/m unbeteiligten Dritten, welche/r in den seltensten Fällen Einsicht in die gesellschaftsrechtlichen Unterlagen wie Statuten oder Organisationsreglement haben wird, bleibt ein eigenmächtiges Verhalten, d.h. trotz Überschreiten der Vertretungsbefugnis, in aller Regel gültig. Die Aktiengesellschaft kann durch solches Verhalten also rechtsgültig verpflichtet werden. Aus diesem Grund ist ein Einzelzeichnungsrecht mit Vorbehalt einzuräumen. Der Vermerk eines Kollektivzeichnungsrechts schafft zumindest eine gewisse Kontrolle durch ein weiteres Mitglied. Denn ist ein Mitglied des Verwaltungsrates nur mit Kollektivzeichnungsrecht im Handelsregister eingetragen, darf auch ein Dritter nicht darauf vertrauen, dass ein von diesem VR-Mitglied alleine unterzeichneter Vertrag gültig ist. Einzelne Ausnahmen vorbehalten darf sich die Gesellschaft in einem solchen Fall auf die Publizitätswirkung des Handelsregisters berufen und sie kann sich mit Erfolg gegen die Rechtsverbindlichkeit des Vertrages zur Wehr setzen.

Gesellschaftsintern hat das eigenmächtige Verhalten eines Verwaltungsratsmitglieds, das gemäss Handelsregister zwar Einzelzeichnungsrecht hat, zur Folge, dass das betreffende Verwaltungsratsmitglied (oder ein Geschäftsführer oder Direktor) der Gesellschaft für pflichtwidriges Verhalten haftbar wird. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn ein Organisationsreglement existiert, dagegen aber verstossen wird. In Fällen, in welchen die Gesellschaft gar nicht über ein Organisationsreglement (oder ggf. auch über keine statutarische Grundlage dafür) verfügt und sich weder das betreffende VR-Mitglied, noch der Gesamtverwaltungsrat bewusst sind, dass eine Delegation gar nicht statthaft war, hat das Verhalten vielmehr die Konsequenz, dass gesellschaftsintern eben keine Möglichkeit besteht, das betreffende VR-Mitglied aufgrund eines Fehlverhaltens zu belangen. Der Gesamtverwaltungsrat bleibt damit für jegliche Konsequenzen aus einem solchen Handeln haftbar, da er es unterlassen hat, für eine rechtlich korrekte Kompetenzdelegation zu sorgen. Im Rahmen einer Verantwortlichkeitsklage dürfte es für die weiteren (nicht selbst handelnden) Verwaltungsratsmitglieder daher schwierig werden, sich mit dem Argument einer Haftung zu entziehen, sie hätten den Beschluss nicht aktiv mitgetragen. 

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IV. SCHLUSSFOLGERUNG

Die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Kompetenzdelegation sind vielen Verwaltungsräten, insb. in kleineren Gesellschaften, nicht bewusst. Die Folgen derselben können aber von grosser Tragweite sein. Dies spätestens dann, wenn sich die Mitglieder des Verwaltungsrates mit Verantwortlichkeitsansprüchen konfrontiert sehen, die aufgrund des Verhaltens eines einzelnen Verwaltungsratsmitgliedes entstanden sind, für welches eine rechtsgültige Delegation gar nicht bestand. Wie erwähnt, dürfte es in solchen Konstellationen schwierig werden, sich einer Haftung zu entziehen, da es an den Voraussetzungen für eine rechtsgültige Delegation und somit auch für die Abgabe der Verantwortung fehlte. Weiter ist zusammenfassend festzuhalten, dass Einzelzeichnungsrechte nur mit Zurückhaltung eingeräumt werden sollten. Die Auswirkungen eigenmächtigen Verhaltens einzelner Verwaltungsratsmitglieder, Geschäftsführer oder Direktoren können gravierend und die Möglichkeiten, auf das fehlbare Mitglied Regress zu nehmen, ernüchternd sein.  


18. Oktober 2021 / lic. iur. Patricia Geissmann


TRADE SECRETS – DER SCHUTZ VON FABRIKATIONS- UND GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse stellen für ein Unternehmen einen erheblichen Vermögenswert dar. Umso wichtiger ist deren Schutz vor unberechtigten Zugriffen durch Konkurrenten oder andere Drittpersonen. Bei patentierbaren Erfindungen stellt sich zudem die Frage, ob ein kostspieliges Patent angemeldet und das Geheimnis zwangsläufig mit der Patentanmeldung offenbart werden soll, welches dann schlussendlich mit Ablauf des Patentschutzes allgemein zugänglich wird, oder die Erfindung nicht vielmehr unter Verschluss gehalten werden soll. Auch bei austretenden Arbeitnehmern oder gescheiterten Geschäftsbeziehungen stellt sich regelmässig die Frage, wie Geheimnisse auch nach Beendigung der Zusammenarbeit geschützt sind. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend dargelegt, welchen Schutz die schweizerische Gesetzgebung Geschäftsgeheimnissen bietet.

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I. WAS FÄLLT UNTER DEN BEGRIFF FABRIKATIONS-/GESCHÄFTSGEHEIMNIS

Um die Verletzung eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses prüfen zu können, muss vorab geklärt werden, was genau unter den Begriff «Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis» fällt. Nicht jede geheime Tatsache ist ein Geheimnis im Sinne der Gesetzgebung und der Rechtsprechung. Der Geheimnisbegriff ist im Gesetz nicht umschrieben, weshalb die Lehre und Rechtsprechung vier Kriterien ausgearbeitet haben, die den Begriff «Geschäftsgeheimnis» definieren. Demnach gelten Tatsachen als «geheim», wenn diese (1) weder offenkundig noch allgemein zugänglich sind (relative Unbekanntheit) und (2) an deren Geheimhaltung der Geheimnisherr (i.d.R. Arbeitgeberin oder Auftragsgeberin) ein berechtigtes Interesse hat (Geheimhaltungsinteresse) und (3) diese geheim halten will (Geheimhaltungswille). Das Geheimnis muss schlussendlich einen (4) Bezug zum Unternehmen (Fabrikation oder Geschäft) aufweisen.

Darunter fallen insbesondere Pläne, Modelle und Konstruktionen, Forschungsergebnisse, Produktionsverfahren, Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie Preis- und Kalkulationsgrundlagen, Businesspläne und Software-Codes. Wesentlich ist insbesondere, dass der Geheimnisherr die betroffenen Informationen nicht publik machen möchte.

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II. GESCHÄFTSGEHEIMNISSE IM ARBEITS- ODER AUFTRAGSVERHÄLTNIS

Insbesondere nach Beendigung einer Zusammenarbeit stellt sich oftmals die Frage, ob und inwiefern der Arbeitnehmer / Auftragnehmer berechtigt ist, geheim zu haltende Informationen der Arbeitgeberin / Auftraggeberin öffentlich zu machen bzw. diese allenfalls einem Konkurrenzunternehmen weiterzugeben oder die entsprechenden Informationen gar selbst zu verwenden.

Der Arbeitnehmer untersteht gestützt auf Art. 321a OR einer Treuepflicht. Demnach darf er geheim zu haltende Tatsachen, von denen er im Dienst Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen (Art. 321a Abs. 4 OR). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er die Geheimhaltungspflicht weiter zu beachten – dies allerdings nur soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen der Arbeitgeberin erforderlich ist. Analoges gilt für den Auftragnehmer (Art. 398 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 321a Abs. 4 OR).

Nach Beendigung des Arbeits-/Auftragsverhältnisses handelt es sich nur noch um eine abgeschwächte Geheimhaltungspflicht und je weiter das Arbeits- bzw. Auftragsverhältnis zurückliegt, desto geringer ist in der Regel das Geheimhaltungsbedürfnis der Arbeitgeberin / Auftraggeberin. Eine indirekte Schutzerweiterung der Geschäftsgeheimnisse lässt sich hingegen durch eine vertragliche Konventionalstrafe oder im Arbeitsverhältnis über ein nachvertragliches Konkurrenzverbot erreichen. Verstösst der Arbeitnehmer / Auftragnehmer gegen die Geheimhaltungspflicht, so kann er für den durch den Verrat / durch die unrechtmässige Nutzung der Geschäftsgeheimnisse entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.

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III. ANVERTRAUTE GESCHÄFTSGEHEIMNISSE AUSSERHALB EINES AUFTRAGS-/ ARBEITSVERHÄLTNISSES

Die vorstehenden Ausführungen beschränken sich auf Arbeits- und Auftragsverhältnisse. Was aber, wenn Geschäftsgeheimnisse bereits in einem früheren Stadium, bspw. im Rahmen einer sich erst anbahnenden Zusammenarbeit, ausgetauscht werden? Werden ausserhalb eines Arbeits- oder Auftragsverhältnisses Geschäftsgeheimnisse (freiwillig) offenbart, so sollte vorgehend eine Vertraulichkeitsvereinbarung (sog. Non-Disclosure-Agreement [NDA] / Confidential Disclosure Agreement [CDA]) unterzeichnet werden, welche den Geschäftspartner zur Verschwiegenheit verpflichtet. Denn von Gesetzes wegen besteht im Zivilrecht ausserhalb eines Arbeits- / Auftragsverhältnisses grundsätzlich keine explizite Geheimhaltungspflicht für anvertraute Geschäftsgeheimnisse. Abgesichert werden kann die vertraglich festzuhaltende Geheimhaltungspflicht über eine Konventionalstrafe. Hält sich der Geschäftspartner nicht an die Vereinbarung, so kann zum einen der daraus entstandene Schaden und zum andern die vereinbarte Konventionalstrafe eingeklagt werden. Darüber hinaus kann der Vertrauensbruch auch aus strafrechtlicher Sicht (insbesondere Art. 162 StGB) relevant sein.

Ein NDA / CDA sollte hingegen nicht leichtfertig unterzeichnet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Parteien in derselben Branche tätig sind und ähnliche Entwicklungsschritte aufweisen. Steht der Geschäftspartner selbst kurz vor dem entsprechenden Durchbruch, unterzeichnet aber ein NDA / CDA, so kann er sich hierdurch selbst blockieren. Er hätte diesfalls den Nachweis zu erbringen, dass der entsprechende Entwicklungsschritt ohne Kenntnis des Geschäftsgeheimnisses des Geschäftspartners erfolgt ist – was regelmässig mit einer erheblichen Beweisproblematik verbunden ist. Die Kenntnis anderer Geschäftsgeheimnisse kann also durchaus auch zu einem erheblichen unternehmensinternen Schaden führen.

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IV. UNRECHTMÄSSIG ERLANGTE GESCHÄFTSGEHEIMNISSE

Die dritte Kategorie betrifft Geschäftsgeheimnisse, die sich eine Drittperson unrechtmässig angeeignet hat (bspw. Hacking, Betriebsspionage, Bestechung etc.). Erlangt ein Dritter auf unrechtmässigem Weg Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen, so kommen insbesondere die Bestimmungen des Lauterkeitsrechts (UWG) zur Anwendung. Das Lauterkeitsrecht schützt aber nicht die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse an sich, sondern nur deren Verwertung und Bekanntgabe, sofern das Geheimnis unrechtmässig in Erfahrung gebracht wurde. Die Pflicht zur Geheimhaltung (sei dies vertraglich, aus den Umständen ergebend oder gestützt auf eine Gesetzesbestimmung) wird vorausgesetzt.

Gemäss Art. 6 UWG handelt insbesondere unlauter, wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, die er ausgekundschaftet oder sonst wie unrechtmässig erfahren hat, verwertet oder andern mitteilt. Das Geheimnis muss der Verletzer in treuwidriger Weise bzw. unrechtmässig durch aktives Handeln erlangt haben (bspw. durch Bestechung / durch unberechtigtes Zugreifen auf die Geheimnisse). Durch das Beschaffen des Geheimnisses muss entsprechend eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht verletzt worden sein. Von Art. 6 UWG nicht erfasst sind also Fälle, in denen der Betroffene das Geheimnis in zulässiger Weise in Erfahrung gebracht hat.

Unter «Verwertung» fällt sodann jegliche gewerbliche, also auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichtet, Anwendung. Der Privatgebrauch von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen ist damit an sich zulässig – sie dürfen aber in keiner Weise weiterverbreitet bzw. einer Drittperson offenbart werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Geheimnis nur bruchstückhaft weitergegeben hat. Ebenso irrelevant ist, wie der Dritte mit den erlangten Geheimnissen weiter verfährt.

Gemäss Art. 4 lit. c UWG handelt zudem auch unlauter, wer Arbeitnehmer, Beauftragte oder andere Hilfspersonen zum Verrat oder zur Auskundschaftung von Geschäftsgeheimnissen ihres Auftraggebers oder Arbeitgebers verleitet. Unter Auskundschaftung fällt bereits der Versuch der verleiteten Person, die Geschäftsgeheimnisse, zu welchen sie grundsätzlich keinen Zugang hat, in Erfahrung zu bringen, um sie anschliessend dem Verleiter bekannt geben zu können.

Werden unrechtmässig erlangte Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse verwertet oder Drittpersonen mitgeteilt, so kann der Geheimnisherr eine Unterlassungs-, eine Beseitigungs- oder eine Feststellungsklage anhängig machen. Darüber hinaus kann der hierdurch entstandene Schaden eingeklagt sowie eine Genugtuung gefordert werden. Die Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen steht zudem unter Strafbewährung. Gestützt auf Art. 23 UWG kann der Verletzer mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.

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V. FAZIT

Die Gesetzesbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw. der Geheimnisbegriff an sich sind relativ offen formuliert und lassen Interpretationsspielraum zu, womit stets eine gewisse Rechtsunsicherheit einhergeht. Um sicher zu gehen, sollten Geschäftsgeheimnisse als solche gekennzeichnet werden und für jedermann identifizierbar sein. Im Weiteren sollte der Kreis der Zugriffsberechtigten klein gehalten werden und es sind entsprechende Schutzmechanismen (insbesondere im IT-Bereich) einzuführen. Die Geheimhaltungspflicht ist zudem vertraglich abzusichern – sei dies im Rahmen eines Arbeits-/ Auftrags- oder anderweitigen Kooperationsverhältnisses.



31. August 2021 / MLaw Simone Küng


LEX KOLLER UND ZIVILRECHT – UNWIRKSAMKEIT UND NICHTIGKEIT

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

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I. AUSGANGSLAGE

Gemäss heutiger Fassung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, Lex Koller), Art. 26, sind Rechtsgeschäfte über einen Erwerb, für den der Erwerber einer Bewilligung bedarf, ohne rechtskräftige Bewilligung bzw. vor rechtskräftiger Erteilung einer Bewilligung unwirksam. Derartige unwirksame Rechtsgeschäfte werden unter bestimmten Umständen nichtig, nämlich:

– wenn der Erwerber das Rechtsgeschäft vollzieht, ohne um die Bewilligung nachgesucht zu haben oder bevor die Bewilligung in Rechtskraft tritt;

– wenn die Bewilligungsbehörde die Bewilligung rechtskräftig verweigert oder widerrufen hat;

– wenn der Grundbuchverwalter oder Handelsregisterführer die Anmeldung abweist (dann, wenn nicht bereits vorgängig die Bewilligungsbehörde die Bewilligung verweigert hat);

– wenn die Steigerungsbehörde den Zuschlag aufhebt (in den Fällen, in denen die Bewilligungsbehörde die Bewilligung nicht vorgängig verweigert hat).

Unwirksamkeit und Nichtigkeit sind von Amtes wegen zu beachten (Art. 26 Abs. 3 BewG). Sie haben zur Folge, dass versprochene Leistungen nicht gefordert werden dürfen, und dass erbrachte Leistungen innerhalb bestimmter Fristen zurückgefordert werden können. Zudem haben sie zur Folge, dass von Amtes wegen auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes geklagt wird.

Die heutige Fassung von Art. 26 BewG ist (mit einer kleinen Ausnahme betreffend Gerichtsstand) absolut identisch mit der Fassung gemäss Lex Friedrich, gilt also seit Inkraftsetzung der Lex Friedrich vom 01.01.1985. Die Begriffe Unwirksamkeit und Nichtigkeit und die entsprechenden Folgen waren zudem in den Hauptpunkten bereits vorher im alten Bundesbeschluss (Lex Furgler) angelegt und enthalten.

Was relativ klar und einfach interpretierbar und umsetzbar daherkommt, enthält in Tat und Wahrheit einige Unsicherheiten. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass das BewG grundsätzlich öffentliches Recht ist, dass auch die gesamten Bestimmungen im Zusammenhang mit den Fragen zur Bewilligungspflicht von Grundstücksgeschäften öffentliches Recht sind, die nun aber ganz direkte und sehr eingreifende zivilrechtliche Folgen haben. Mit andern Worten begegnen sich öffentliches Recht und Zivilrecht in diesem Art. 26 sowie auch in Art. 27 BewG in direktester Art, und daraus ergeben sich teilweise Schwierigkeiten. Eines dieser Themen soll im Folgenden aufgegriffen werden.

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II. UNWIRKSAMKEIT

Gemäss Art. 26 Abs. 1 BewG bleiben Rechtsgeschäfte über einen Erwerb, für den der Erwerber einer Bewilligung bedarf, ohne rechtskräftige Bewilligung unwirksam. Klar und unbestritten ist, dass nicht jedes Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit einem Grundstückerwerb (vorläufig) unwirksam ist, sondern nur dasjenige, das auch tatsächlich der Bewilligungspflicht unterliegt. Nun gibt es allerdings verschiedene Rechtsgeschäfte, bei denen unsicher ist, ob sie bewilligungspflichtig sind oder nicht – und auch von denen sind nur diejenigen tatsächlich unwirksam, die (was sich erst später herausstellt) einer Bewilligungspflicht unterliegen. Mit anderen Worten ist davon auszugehen, dass jedes Rechtsgeschäft über einen Grundstückerwerb, bei dem nicht absolut ausgeschlossen werden kann, dass es der Bewilligungspflicht gemäss BewG unterliegt, in diesem ersten Stadium einer Unsicherheit unterliegt, nämlich genau der Unsicherheit, ob es rechtswirksam ist oder nicht, und dies ist erst dann geklärt, wenn die (öffentlichrechtliche) Frage, ob dieses Geschäft bewilligungspflichtig ist oder nicht, rechtskräftig entschieden ist. Mit andern Worten tun die Parteien gut daran, bei jedem Rechtsgeschäft über ein schweizerisches Grundstück, das auch nur ansatzweise einem Verdacht auf Bewilligungspflicht unterliegt, die Frage der Bewilligungspflicht bei den Behörden (im Rahmen einer Feststellungsverfügung) rechtskräftig abzuklären. Dies kann vor oder nach Abschluss des Rechtsgeschäftes erfolgen.

Wie gesagt bleiben nur diejenigen Rechtsgeschäfte, die tatsächlich einer Bewilligungspflicht unterliegen, vor Erteilung der Bewilligung unwirksam – aber welche Rechtsgeschäfte von dieser Unwirksamkeit betroffen sind, weiss man während einer gewissen Zeit nicht. Was bedeutet dies nun zivilrechtlich? – Im Merkblatt des Bundesamtes für Justiz «Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland», Stand 08.01.2019, wird unter Ziff. 11 ausgeführt, dass das bewilligungspflichtige Rechtsgeschäft unwirksam bleibe, solange keine rechtskräftige Bewilligung vorliege, dies steht in Art. 26 Abs. 1 BewG und ist unbestritten; der nächste Satz in diesem Merkblatt ist aber verwirrend: «Die Vertragsparteien sind indessen daran gebunden». Mit andern Worten geht das Bundesamt für Justiz im Merkblatt davon aus, oder man kann diesen Satz zumindest so verstehen, dass tatsächlich eine Bindung der Parteien an dieses unwirksame Rechtsgeschäft existiert, was doch einigermassen erstaunt. Dieser Satz ist nämlich anders zu verstehen. Denn klar ist, dass nur das tatsächlich bewilligungspflichtige Rechtsgeschäft vor Erteilung der Bewilligung unwirksam ist, nicht aber ein solches Rechtsgeschäft, das materiell betrachtet gar nicht bewilligungspflichtig ist – nur weiss man dies in einem frühen Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäftes noch nicht definitiv. Dieser Satz im Merkblatt muss so interpretiert werden, dass er nur den «guten Rat» an die Parteien enthält, sich vorläufig in dem Sinn daran zu halten, dass beide Parteien diejenigen Schritte tun, die dafür notwendig sind, um diese offene Frage rechtskräftig zu klären.

Was geschieht, wenn eine Partei plötzlich ausschert – der Verkäufer zum Beispiel plötzlich ein besseres Angebot hat, dies seinem ausländischen Vertragspartner auch so mitteilt und Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes geltend macht (weil er z.B. einem Schweizer verkaufen will)? – dann haben die beiden Parteien einen Konflikt. Nachdem eben nur bewilligungspflichtige Rechtsgeschäfte vor der Erteilung einer Bewilligung unwirksam sind, hätte der «Ersterwerber» die Möglichkeit, eine Feststellungsverfügung einzuholen, dass nämlich dieses Geschäft in Tat und Wahrheit gar nicht der Bewilligungspflicht unterliegt. Und wenn dies festgestellt ist, dann wäre das «Erstge-schäft» nie unwirksam gewesen, sondern es hätte nur für einen gewissen Zeitraum zur Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eine Unsicherheit bestanden, die nun eben beseitigt worden wäre. Dann wäre eben dieses «Erstgeschäft» bei nicht vorhandener Bewilligungspflicht auch gar nie unwirksam gewesen, sondern im Gegenteil voll wirksam, und der Verkäufer hätte sich daran halten müssen und nicht einfach einem zweiten verkaufen dürfen. Diese «vorläufige Bindung» gemäss Merkblatt des Bundesamtes für Justiz ist in diesem Sinne zu relativieren. Ist die Frage der Bewilligungspflicht rechtskräftig geklärt, dann treten die Folgen von Art. 26 BewG ein (Nichtigkeit), oder es ist eben voll rechtswirksam. Ist die Frage der Bewilligungspflicht des Geschäftes anders beurteilt worden, indem die Bewilligungspflicht verneint wurde, dann war das Geschäft gar nie bewilligungspflichtig, weshalb es auch nie unwirksam war. Somit kann es auch nicht zu einer Nichtigkeit geführt haben.

Selbstverständlich ist, dass das hier Ausgeführte in allen Fällen von bewilligungspflichtigen Grundstücksgeschäften gilt – unabhängig davon, aus welchem Grund die Bewilligungspflicht besteht. Diese Bewilligungspflicht kann sich aufgrund objektiver Gründe beim Gegenstand des Rechtsgeschäftes ergeben, indem es sich zum Beispiel um Bauland oder Wohngrundstücke handelt, welche von Ausländern grundsätzlich nicht bewilligungsfrei erworben werden können. Es kann aber auch sein, dass die Bewilligungspflicht subjektiv beim Erwerber ansetzt, indem noch unsicher ist, ob der Erwerber als ausländische Person und damit der Bewilligungspflicht unterliegend gilt oder nicht.

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III. NICHTIGKEIT

Unter bestimmten Voraussetzungen wird das unwirksame zum nichtigen Rechtsgeschäft, die Voraussetzungen dafür sind in Art. 26 Abs. 2 BewG einzeln aufgezählt. Nichtigkeit ist ebenfalls von Amtes wegen zu beachten. Die Folgen der Nichtigkeit sind im Prinzip klar und sind im übrigen Zivilrecht geregelt: versprochene Leistungen dürfen (da nicht rechtsgültig vereinbart) nicht gefordert werden; tatsächlich erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden. All dies macht grundsätzlich keine besonderen Probleme. Nachdem nun aber das BewG auch nichtige Geschäfte sanktionieren muss bzw. «zum Rechten sorgen muss», und dies nicht immer im Sinne der Parteien ist (da diese Parteien zum Beispiel unter bewusster Umgehung des BewG gehandelt haben und diesen Zustand am liebsten aufrecht erhalten möchten), sieht Art. 26 Abs. 4 lit. c BewG noch die Behördenklage vor, welche in Art. 27 BewG im Einzelnen geregelt wird. Die in Art. 27 Abs. 1 und 2 BewG enthaltenen Bestimmungen entsprechender Behördenklagen (also die von den Behörden ausgehen und sich gegen eine oder meist beide Parteien richten), machen grundsätzlich keine grossen Probleme, solange es um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (eigentliche Rückabwicklung) oder um die Auflösung einer juristischen Person oder auch um die Anordnung einer öffentlichen Versteigerung nach den Vorschriften über die Zwangsverwertung von Grundstücken geht.

Nach Art. 27 Abs. 3 BewG besteht aber eine weitere Möglichkeit, wie dem Gesetz Genüge getan wird, indem man es eigentlich den Parteien überlässt, zum Rechten zu sorgen. Die Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entfällt, wenn die Parteien ihn selbst wiederhergestellt haben, oder wenn ein gutgläubiger Dritter das Grundstück erworben hat.

Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch die Parteien selbst macht eine Behördenklage überflüssig (zudem ist die Abschöpfung unrechtmässiger Vermögensvorteile gemäss Art. 33 BewG auch hier möglich). Die Wiederherstellung zwischen den Parteien ist dabei der Normalfall bzw. entspricht eigentlich dem Normalfall gemäss Zivilrecht bei eben zivilrechtlicher Nichtigkeit; nun gibt aber Art. 27 Abs. 3 BewG noch die Möglichkeit, dass die Behördenklage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entfällt, wenn ein gutgläubiger Dritter das Grundstück erworben hat. Zudem kann die Klage gemäss Praxis auch dann entfallen, wenn (wohl unter Mitwirkung der Behörden) ein Vergleich abgeschlossen wird, wodurch dem BewG Genüge getan wird, was insbesondere dadurch zu erfolgen hätte, dass das entsprechende Grundstück an einen gutgläubigen Dritten veräussert würde. Der Erwerb durch einen gutgläubigen Dritten stellt zivilrechtlich ein eigenes Rechtsgeschäft dar, indem der Erwerb durch einen Gutgläubigen für sich selbst die vorgängige Nichtigkeit heilt. Ein Erwerber, der hier durch ein nichtiges Rechtsgeschäft «erworben» hat, hat ja nicht rechtsgültig erworben, denn aufgrund der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes ist er gar nicht rechtmässiger Eigentümer geworden. Entsprechend kann er auch nicht an einen weiteren Dritten rechtsgültig übertragen. Der Gutglaubensschutz korrigiert hier, indem der Erwerb des gutgläubigen Dritten vom (nicht rechtmässigen) Veräusserer rechtsgültig ist, eben gestützt auf den guten Glauben, welchen der gutgläubige Dritte hat. Der gute Glaube stellt dabei den Rechtsgrund für ein rechtsgültiges Rechtsgeschäft dar. Nun ist zwar nicht auszuschliessen, dass es den typischen gutgläubigen Erwerb auch im Rahmen eines solchen Geschäftes gemäss BewG gibt, aber dies dürfte eher eine Seltenheit sein. Und das BewG bzw. die das BewG anwendenden Behörden scheinen diesen gutgläubigen Erwerb so stark wie möglich zu fördern, da rechtswidrige Zustände möglichst beseitigt werden sollen. Deswegen hat man in der Rechtsanwendung bzw. in der Praxis den Begriff des «gutgläubigen Erwerbs» im Zusammenhang mit dem BewG grosszügig ausgeweitet. Klar ist, dass ein gutgläubiger Erwerb im Sinne von Art. 27 Abs. 3 BewG nur dadurch geschehen kann, dass nicht erneut ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird. Mit anderen Worten könnte nicht ein Ausländer bzw. eine bewilligungspflichtige Person unter Anwendung dieses grosszügigen Gutglaubensbegriffs rechtsgültig erwerben, sonst würde diese grosszügige Auslegung des Gutglaubensbegriffs zu einem neuen rechtswidrigen Zustand führen. Gutgläubig kann also in diesem Zusammenhang eigentlich nur sein, wer subjektiv nicht der Bewilligungspflicht des BewG unterliegt. Echten guten Glauben braucht dieser aber gemäss Praxis offenbar nicht – es genügt, dass der Erwerber nicht am seinerzeitigen unrechtmässigen Geschäft direkt oder indirekt mitgewirkt hat. In diesem Sinne können auch unter Anwendung des grosszügigen Gutglaubensbegriffs allfällige Hilfspersonen, Mitwisser oder geradezu Beteiligte am fraudulösen Geschäft (wie z.B. Treuhänder, Anwälte oder Financiers) nicht gutgläubig sein. Gutgläubig ist in diesem Sinne jeder, der mit dem seinerzeitigen nichtigen Geschäft weder direkt noch indirekt zu tun hatte – er darf aber (insbesondere im Zeitpunkt des eigenen Erwerbs) Kenntnis haben davon, dass das ursprüngliche Geschäft rechtswidrig war – es wird also eine eigene und neue Kategorie von gutem Glauben durch das BewG bzw. die Praxis eingeführt. Dagegen ist meines Erachtens nichts einzuwenden – denn auch dadurch wird ein rechtswidriger Zustand beseitigt, indem das Grundstück schlussendlich zu jemandem kommt, der es tatsächlich haben darf. Gestützt auf Art. 33 BewG sind auch hier unrechtmässige Vermögensvorteile abschöpfbar.

Ohne diese neue Kategorie von «gutem Glauben» wäre es auch kaum möglich, dass unter Mitwirkung der Behörden Vergleiche abgeschlossen würden. Solche Vergleiche müssen bewirken, dass rechtswidrige Zustände beseitigt werden, was nur dann möglich ist, wenn eine andere nicht bewilligungspflichtige Person das Grundstück erwirbt. Dass sie im Rahmen dieses Vergleichs Kenntnis davon bekommt, dass das ursprüngliche Erwerbsgeschäft unwirksam bzw. nichtig war, liegt auf der Hand und lässt sich gar nicht ausschliessen. Wenn man also solche Vergleiche fördern will (und das will man tatsächlich), dann ist es auch notwendig, hier den «Gutglaubens»-Begriff so grosszügig wie möglich anzuwenden.

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IV. ZUSAMMENFASSUNG

Im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften in der Schweiz unter Beteiligung von Ausländern gibt es gewisse Geschäfte, die klar sind – dass eben zum Beispiel die Bewilligungspflicht entweder ausgeschlossen werden kann oder mit Sicherheit besteht. Daneben gibt es aber sehr viele Geschäfte, bei denen Unsicherheit besteht. Den Parteien kann in solchen Fällen nur geraten werden, sich eingehend beraten zu lassen und bei noch bestehenden Zweifeln die Frage der Bewilligungspflicht klären zu lassen. Dies geschieht auf dem Weg, dass man bei der kantonalen Bewilligungsbehörde einen Antrag stellt, dass festzustellen sei, dass ein bestimmtes Grundstücksgeschäft nicht der Bewilligungspflicht unterliegt. Natürlich muss das Feststellungsinteresse vorhanden sein, was in der Regel relativ einfach nachzuweisen ist. Mit einem entsprechenden rechtskräftigen Entscheid über die Frage der Bewilligungspflicht hat man Klarheit geschaffen – dann geht es noch darum, sich tatsächlich daran zu halten und diesen Entscheid zu respektieren.

Falls ein solcher Feststellungsentscheid nie gefällt wurde und sich zu einem späteren Zeitpunkt im Zusammenhang mit einem entsprechenden Grundstücksgeschäft Fragen betreffend Lex Koller ergeben, sind die Parteien gut beraten, zumindest dann sich der Sache anzunehmen und nicht zu versuchen, sich irgendwie durchzuwursteln. Man muss sich der Probleme annehmen – allenfalls auch einen unangenehmen Weg gehen. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Nichtigkeit in diesem Zusammenhang unbefristet ist und jederzeit geltend gemacht werden kann. Wenn sich schlussendlich aber herausstellt, dass tatsächlich ein nichtiges Rechtsgeschäft geschlossen wurde, dann bestehen für die Parteien immer noch Möglichkeiten, vernünftige Lösungen zu finden, eben zum Beispiel durch eine Rückabwicklung, durch Abschluss eines Vergleichs (in der Regel in Zusammenarbeit mit den Behörden) oder durch Verkauf an einen gutgläubigen Dritten.


22. Juli 2021 / Hanspeter Geissmann


DAS AUSKUNFTSRECHT DES AKTIONÄRS

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Gemäss Art. 697 OR ist jeder Aktionär berechtigt, an der Generalversammlung vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen. Wie weit dieses Auskunftsrecht geht bzw. wie detailliert die Auskünfte des Verwaltungsrates sein müssen, ist immer wieder Thema diverser rechtlicher Abhandlungen und Lehrmeinungen. Kürzlich hat sich auch das Bundesgericht wieder einmal mit dieser Frage befasst: Mit Entscheid vom 25. Februar 2021 (4A_561/2020) hat es einen weiteren wegweisenden Entscheid gefällt, der die strengen Einschränkungen dieses Auskunftsrecht erneut aufzeigt.

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I. DAS AUSKUNFTSRECHT ALS INFORMATIONS- UND KONTROLLRECHT DES AKTIONÄRS

Art. 697 OR regelt ein individuelles Recht auf Auskunft und Einsicht des Aktionärs. Die Gesellschaft bzw. der Verwaltungsrat ist dadurch unter gewissen Voraussetzungen zur Informationsoffenlegung gegenüber einem Aktionär verpflichtet. Grundsätzlich umfasst das Auskunftsrecht alle Informationen, die entscheidend sind, um die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Lage der Aktiengesellschaft beurteilen zu können. Jeder Aktionär muss die Möglichkeit haben, sich ein Bild der Gesellschaft zu machen, da dieses Bild letztlich für den Entscheid ausschlaggebend ist, ob sich der Aktionär weiterhin an der Gesellschaft beteiligen wird oder seine Anteile gegebenenfalls zu veräussern versucht.

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II. INHALTLICHE SCHRANKEN DES AUSKUNFTSRECHTS

Was auf den ersten Blick umfassend und detailliert anmuten mag, ist in der Praxis weitgehenden Schranken ausgesetzt. So kann ein Aktionär sein Auskunftsrecht insb. nur für solche Informationen ausüben, die allgemeiner Natur sind. Einzelheiten zur Geschäftsführung sind grundsätzlich nicht zu erstatten, es sei denn, der betreffende Aktionär kann nachweisen, dass eine detaillierte Auskunft über einen Geschäftsgang für die Ausübung seiner Aktionärsrechte zwingend erforderlich ist. Es wird also ein aktuelles Rechtschutzinteresse des Aktionärs an der betreffenden Information verlangt. Zudem dürfen Auskünfte immer dann verweigert werden, wenn ihr Geschäftsgeheimnisse oder andere schutzwürdige Interessen der Gesellschaft entgegenstehen.

Mit der Frage, wann eine Auskunft effektiv notwendig ist, d.h. wann ein aktuelles Rechtschutzinteresse eines Aktionärs zu bejahen ist, hat sich das Bundesgericht in einem kürzlich erschienenen Entscheid erneut befasst. Dem Entscheid 4A_561/2020 lag ein Fall zugrunde, in dem eine Aktionärin Auskunft über die konkrete Aufschlüsselung der Verwaltungsratshonorare verlangte. Die Doktrin hatte sich in der Vergangenheit bereits intensiv mit der Frage befasste, ob der Verwaltungsrat die Auszahlung seiner Honorare mit Blick auf die Privatsphäre der einzelnen Mitglieder generell nicht aufzuschlüsseln hat oder ob er gegebenenfalls dazu verpflichtet werden kann. Teilweise wird die Lehrmeinung vertreten, dass Auskünfte über die Aufschlüsselung nie verhältnismässig seien. Diesbezüglich hat das Bundesgericht in seinem neusten Entscheid nun festgehalten, dass diese Frage basierend auf der gesetzlichen Bestimmung nicht generell mit ja oder nein beantwortet werden könne. Vielmehr sei auch bei dieser Frage entscheidend, ob die betreffende Information für die Wahrung der konkret geltend zu machenden Aktionärsinteressen notwendig sei. 

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III. DAS ERFORDERNIS DER NOTWENDIGKEIT

Das Erfordernis der Notwendigkeit einer Auskunft für die Wahrnehmung der Aktionärsrechte stellt damit eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Anspruch eines Aktionärs auf Auskunft gegenüber dem Verwaltungsrat dar. Zugleich werden an die Erfüllung dieser Voraussetzung hohe Anforderungen gestellt. Dies hat das Bundesgericht in seinem neusten Entscheid erneut bestätigt. Im zu behandelnden Fall hat die auskunftsersuchende Aktionärin hinsichtlich der Notwendigkeit geltend gemacht, dass sich die Verwaltungsratsmitglieder, die alle Mitglieder ihrer Familie waren, bereits in der Vergangenheit stets dort «bedient» hätten, «wo es am besten geht». Sie schilderte das Bild einer eigentlichen «Gefahrensituation», ohne jedoch detailliert auf einzelne Ereignisse einzugehen, die sie zur Annahme veranlassten, dass die einzelnen Familien- und Verwaltungsratsmitglieder auch hinsichtlich der betreffenden Aktiengesellschaft ein übersetztes Honorar beziehen und sich damit ungerechtfertigt an der Gesellschaft bereichern. Die Klägerin machte lediglich geltend, dass es sich rechtfertige, gestützt auf diese Gefahrensituation «näher hinzusehen», um ein weiteres rechtswidriges Verhalten zu verhindern.

Das Bundesgericht hielt fest, dass die Darstellungen der betreffenden Aktionärin und Klägerin zu wenig konkret seien, um eine solch detaillierte Auskunft wie die Aufschlüsselung von Verwaltungsratshonoraren zu rechtfertigen. Die von ihr vorgetragene Gefahrensituation wurde als zu pauschal qualifiziert, als dass sich daraus ein aktuelles Rechtsschutzinteresse hinsichtlich einer Rückforderungs- oder Verantwortlichkeitsklage gegen einzelne Mitglieder des Verwaltungsrats ergeben könnte. Diese Rechtsbehelfe bestünden in der jetzigen Situation der Klägerin erst als abstrakte Möglichkeit und es sei nicht dargelegt worden, dass das Ergreifen dieser Rechtsbehelfe bei entsprechender Information bereits konkret in Betracht falle. Ebenso wenig fehlten dem obersten Gericht konkrete Anhaltpunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattungs- oder Verantwortlichkeitsklage auch effektiv erfüllt sein könnten.

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IV. FAZIT UND WÜRDIGUNG DES ENTSCHEIDS

Der Entscheid des Bundesgerichts ist insofern zu begrüssen, als dass er wieder einmal etwas Klarheit darüber schafft, wann das Erfordernis der Notwendigkeit einer Auskunft für die Wahrnehmung der Aktionärsrechte gegeben ist und welche Anforderungen an dieses Kriterium zu setzen sind. Inhaltlich stellt sich allerdings die Frage, ob das Auskunftsrecht des Aktionärs damit nicht seines eigentlichen Sinnes entleert wird. Wenn der Verdacht, dass sich einzelne Verwaltungsratsmitglieder ungerechtfertigt am Vermögen der Gesellschaft bereichern, im Zeitpunkt der Einforderung der Auskunft über die Honorare bereits dermassen konkretisiert sein muss, dass beinahe schon die Voraussetzungen für die Einleitung einer Rückforderungs- oder Verantwortlichkeitsklage erfüllt sind, fragt sich, ob eine Auskunft dann überhaupt noch erforderlich ist. Bei einem dermassen konkreten Verdacht, wenn nicht gar bereits Wissen, könnten die entsprechenden Unterlagen grundsätzlich auch bereits in einem entsprechenden Gerichtsprozess (Rückforderungs- oder Verantwortlichkeitsklage) zur Edition verlangt werden. Ob dies wirklich Sinn und Zweck des Auskunftsrechts ist, wagt die Autorin zu bezweifeln.


25. Juni 2021 / lic. iur. Patricia Geissmann


WAS VERSTEHT MAN UNTER EINEM «GENERIKUM» UND INWIEFERN UNTERSCHEIDET ES SICH VOM ORIGINALPRÄPARAT?

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin, unter Mithilfe von MLaw Sara Sommer

Ein Generikum – auch Nachahmerpräparat genannt – verspricht dem Verbraucher dieselbe Wirkung wie das originale Arzneimittel. Der Preis eines Generikums liegt jedoch unter demjenigen des nachgeahmten Originalpräparats. Konsumenten könnten sich deshalb veranlasst sehen, die Qualität des Generikums zu hinterfragen – jedoch zu Unrecht, was nachfolgende Ausführungen zeigen.

Dieser Beitrag geht folgenden Fragen auf den Grund: Welche Gemeinsamkeiten mit dem Originalpräparat muss das Generikum zwingend aufweisen? Welche Unterschiede können zwischen den beiden Präparaten bestehen? Bedarf ein Generikum vor dessen Vertrieb einer Zulassungsprüfung?

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I. RECHTLICHE DEFINITION DES BEGRIFFS «GENERIKUM»

Der Begriff «Generikum» wird im Schweizerischen Heilmittelgesetz in Art. 4 Abs. 1 lit. asepties HMG und in der Verordnung über die Krankenversicherung in Art. 64a Abs. 2 KVV definiert. Als Generikum gilt demnach:

«ein vom Institut zugelassenes Arzneimittel, das im wesent­lichen gleich ist wie ein Originalpräparat und das mit diesem aufgrund identischer Wirkstoffe sowie seiner Darreichungsform und Dosierung austauschbar ist.»
Hinweis: Im Originaltext sind keine Textstellen unterstrichen. Diese Hervorhebungen wurden durch die Autorinnen angebracht.

Bereits angesichts dieser Begriffsdefinition wird klar, dass ein Präparat gewissen Anforderungen genügen muss, damit es als – mit dem Originalarzneimittel gleichwertiges – Generikum vertrieben werden darf. Auf die Voraussetzungen der identischen Wirkstoffe, der (bloss) wesentlichen Gleichheit sowie der Zulassung durch entsprechendes Institut wird nachfolgend eingegangen.

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II. ZWINGENDE ÜBEREINSTIMMUNG MIT DEM ORIGINALPRÄPARAT

Gesetzesgemäss muss ein Generikum die identischen Wirkstoffe wie das Originalpräparat enthalten. Als Wirkstoff bezeichnet man die pharmakologisch aktiven Substanzen in einem Arzneimittel. Wirkstoffe sind also diejenigen Bestandteile eines Arzneimittels, die für seine eigentliche Wirksamkeit (z.B. Schmerzlinderung) verantwortlich sind.

Zwei Wirkstoffe gelten dann als identisch, wenn sie in ihrer chemischen Zusammensetzung – also in ihrem Aufbau aus Salzen, Ester, Ether, Isomeren etc. – vollkommen übereinstimmen. Demgegenüber gelten zwei Wirkstoffe lediglich als gleich, wenn sie zwar dieselbe Wirkung, Qualität und Sicherheit aufweisen, sich aber in ihrer chemischen Zusammensetzung – auch nur marginal – unterscheiden.

Der Gesetzgeber setzt die Anforderungsschwelle in Bezug auf die im Generikum enthaltenen Wirkstoffe entsprechend auf die höchstmögliche Stufe: Er verlangt die vollkommene chemische Übereinstimmung mit den Wirkstoffen des Originalpräparats, obwohl chemisch lediglich gleiche Wirkstoffe bereits dieselbe Wirkung beim Verbraucher des Arzneimittels in derselben Qualität und Sicherheit herbeiführen.

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III. ERLAUBTE ABWEICHUNG VOM ORIGINALPRÄPARAT

.Arzneimittel enthalten nebst Wirkstoffen auch noch sogenannte Hilfsstoffe, dies sind pharmakologisch nicht aktive Bestandteile. Hilfsstoffe dienen beispielsweise der Wirkungsverstärkung, der Formgebung, der Färbung oder der Geschmacksgebung eines Arzneimittels.

Die in einem Generikum enthaltenen Hilfsstoffe dürfen sich von den Hilfsstoffen des Originalpräparats unterscheiden. Diese erlaubte Abweichung ist jedoch indirekt begrenzt, da das Generikum gemäss gesetzlicher Definition hinsichtlich seiner Darreichungsform (z.B. Tablette, Flüssigkeit) und Dosierung (Wirkungsstärke) mit dem Originalpräparat austauschbar sein muss.

Nebst unterschiedlichen Hilfsstoffen darf das Generikum im Vergleich mit dem Originalpräparat zudem Abweichungen beim Herstellungsprozess aufweisen.

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IV. ZULASSUNGSPRÜFUNG EINES GENERIKUMS

Die Swissmedic (Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte) entscheidet jeweils in einem umfassenden Verfahren über die Zulassung eines Originalpräparats und prüft in dessen Rahmen die darin enthaltenen Wirkstoffe genauestens.

Auch ein Generikum, das – wie oben erläutert – die identischen Wirkstoffe enthält, bedarf zu dessen Vertrieb einer Zulassung durch die Swissmedic. Es unterliegt jedoch einer vereinfachten Zulassung, weil die Swissmedic auf bereits vorhandene Unterlagen und Prüfergebnisse des Originalpräparats zurückgreifen kann.

Geprüft wird im Rahmen der Zulassung des Generikums deshalb nur die sogenannte therapeutische Äquivalenz zum Originalpräparat.

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1. Therapeutische Äquivalenz

Unter therapeutischer Äquivalenz versteht man ein identisches Wirksamkeitsprofil zweier Arzneimittel. Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz erfolgt für gewöhnlich mittels klinischer Studien (Test mit Patienten und gesunden Probanden) in einem statistischen Verfahren (ausreichende Fallzahlen).

Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz ist entsprechend aufwändig und darf deshalb – bei der Zulassungsprüfung von Generika – ersatzweise durch den Nachweis der Bioäquivalenz geführt werden.

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2. Bioäquivalenz

Zwei Arzneimittel mit identischem Wirkstoff gelten nach Verabreichung der gleichen Dosen als bioäquivalent, wenn die Geschwindigkeit und das Ausmass der Arzneistoffresorption beider Mittel nahezu gleich sind.

Mit anderen Worten muss der menschliche Körper die Wirkstoffe des Generikums in der gleichen Menge und gleich schnell aufnehmen können, wie dies beim Originalpräparat der Fall ist. Verhält sich das Generikum entsprechend bioäquivalent zum Originalpräparat, kann die Swissmedic die Zulassung erteilen.

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V. Privatrechtliche Hindernisse

Die vorstehenden Ausführungen befassen sich mit den öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zur Zulassung eines Generikums. Abgesehen hiervon muss selbstverständlich vor der Markteinführung eines Generikums auch darauf geachtet werden, dass keine Patente, erweiterten Schutzzertifikate (kurz: ESZ) oder anderweitige Exklusivrechte anderer Marktteilnehmer verletzt werden.

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VI. FAZIT

Die Wirkstoffe – also jene Stoffe, die eine Wirkung im Körper herbeiführen – eines Generikums und des nachgeahmten Originalpräparats sind stets identisch. Hinsichtlich Hilfsstoffen und Herstellungstechnologie können sich die beiden Präparate unterscheiden.

Die im Generikum enthaltenen Wirkstoffe wurden von der Swissmedic schon anlässlich der Zulassung des Originalpräparats umfassend geprüft. Deshalb genügt zur Zulassung eines Generikums die Feststellung, dass die bereits bekannten Wirkstoffe bei der Einnahme des Generikums vom menschlichen Körper gleich gut aufgenommen werden können wie bei der Einnahme des Originalpräparats.

Dass ein Generikum zu einem tieferen Preis als das originale Präparat angeboten werden kann, ist auf den kostengünstigeren Zulassungsprozess bei der Swissmedic sowie auf viel tiefere Forschungs- und Entwicklungskosten beim Pharmaziehersteller zurückzuführen. Zur Förderung eines breiten Zugangs zu Arzneimitteln bzw. zur Regulierung von Krankenkassenkosten ist der Preis für Generika gesetzlich sogar plafoniert. Der günstigere Preis von Generika lässt folglich keineswegs auf eine minderwertige Qualität derselben schliessen.



14. Juni 2021 / MLaw Simone Küng


DER BREXIT UND SEINE FOLGEN AUF DIE MARKENRECHTE

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Am 31. Januar 2020 ist die UK aus der Europäischen Union ausgetreten. Bis zum 31. Dezember 2020 galt noch eine Übergangsphase (sog. «Withdrawal Agreement»), während welcher die Regeln der EU für die UK noch weiterhin Geltung hatten. Was gilt nun ab dem 1. Januar 2021, nachdem diese Übergangsphase abgelaufen ist?

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I. WAS GESCHIEHT MIT MEINER UNIONSMARKE?

Eine Unionsmarke (kurz EUTM) bietet Schutz in der gesamten EU. Mit einer einzigen Markenanmeldung (sei dies über das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum, kurz EUIPO, oder über eine internationale Registrierung bei der World Intellectual Property Organisation, kurz WIPO) kann folglich um Markenschutz für die gesamte EU ersucht werden. Nachdem die UK nun aus der EU ausgetreten ist, stellt sich die Frage, wie mit Unionsmarken zu verfahren ist, die vor dem Brexit registriert worden sind. Klar ist, dass neue Anmeldungen von Unionsmarken keinen Schutz mehr für die UK bewirken. Soll die Marke auch in der UK geschützt werden, ist eine separate Markenanmeldung oder eine separate Ausdehnung der Basismarke im Rahmen einer IR-Marke auf die UK unausweichlich.

Unionsmarken, die aber noch vor dem 1. Januar 2021 registriert worden sind, werden vom Intellectual Property Office der UK (kurz UK IPO) automatisch und gebührenfrei in vergleichbare nationale Marken (sog. «comparable trade marks») umgewandelt, was jedoch für jede Marke individuell überprüft werden sollte. Das Hinterlegungsdatum sowie eine allfällige Seniorität werden dabei übernommen. Auch die zehnjährige Laufzeit des Markenschutzes richtet sich nach dem Schutzablaufdatum der Unionsmarke. Es handelt sich dabei also quasi um einen britischen Zwilling der Unionsmarke. Diese Marken sind auch unabhängig von der internationalen Registrierung und unterliegen fortwährend dem britischen Recht. Die Verwaltung dieser umgewandelten Marken geschieht inskünftig direkt über die britischen Behörden (UK IPO). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Unionsmarke direkt bei der EUIPO oder über die WIPO registriert wurde.

Die Umwandlung in eine vergleichbare nationale Marke hat im Weiteren zur Folge, dass für diese ein britischer Vertreter zu bestellen ist. Hierfür wird immerhin eine dreijährige Übergangsfrist (ab 31. Dezember 2020) gewährt, wobei das UK IPO derweil offensichtlich nicht dazu verpflichtet ist, die Markeninhaber auf den Fristablauf jeweils hinzuweisen. Erfolgt die Vertreteranpassung nicht rechtzeitig, besteht die Gefahr, dass der Markeninhaber nicht mehr über wichtige Neuerungen vom UK IPO informiert wird.

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II. WAS GESCHIEHT MIT PENDENTEN EU-MARKENEINTRAGUNGSGESUCHEN?

Wurde bei der EUIPO noch vor dem 1. Januar 2021 ein Gesuch um eine Unionsmarke eingereicht und hat das Amt nach wie vor noch nicht über die Registrierung entschieden, so hat man nach wie vor die Chance, das Datum der ursprünglichen EU-Benennung (Hinterlegungsdatum, Priorität) zu erhalten. Hierfür muss allerdings noch bis Ende September 2021 eine nationale Markeneintragung beim UK IPO beantragt werden, wobei das Markeneintragungsgesuch immerhin noch eingeschränkt werden kann. Dabei wird die Marke von der UK IPO geprüft und es fallen Gebühren nach den nationalen Tarifen an. Analoges gilt für internationale Registrierungen bzw. nachträgliche Benennungen der EU, welche noch vor dem 1. Januar 2021 beantragt wurden. Hier wird die neunmonatige Frist ab der internationalen Registrierung / der nachträglichen Benennung gerechnet.

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III. VERLÄNGERUNG DER MARKENRECHTE ÜBER DAS MADRIDER SYSTEM?

Nachdem der Brexit nun also eine «vergleichbare nationale Markeneintragung» in der UK bewirkt, die selbständig besteht und sich nach dem britischen Recht richtet, können die Markenrechte nicht über die Verlängerung der EU-Marke / der IR-Marke mit Benennung der EU erfolgen. Sämtliche internationalen Registrierungen mit EU-Bezeichnung, die nach dem 1. Januar 2021 ablaufen, müssen direkt beim UK IPO erneuert und bezahlt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wenn die Verlängerungsgebühr für die Unionsmarke bereits vor dem 1. Januar 2021 bezahlt wurde, wenn der Markenschutz erst nach dem 1. Januar 2021 abläuft. Läuft der Markenschutz für die vergleichbare britische Marke innert den ersten sechs Monaten nach dem 1. Januar 2021 ab, so informiert das UK IPO die Markeninhaber bzw. dessen Vertreter am Tag des Ablaufdatums und gewährt jeweils eine sechsmonatige Verlängerungsfrist.

Durch die Umwandlung in eine vergleichbare britische Marke kann die Markenverlängerung des britischen «Zwillings» nicht über die WIPO vorgenommen werden, womit die Vorteile der zentralen Verwaltung nach dem Madrider System verloren gehen. Es besteht hingegen die Möglichkeit, die Vorteile des Madrider System über Art. 4bis Madrider Protokoll wieder zurückzuerlangen, indem die vergleichbare nationale Markeneintragung in der UK durch eine internationale Registrierung ersetzt wird. Hierfür müsste beim UK IPO ein entsprechender Antrag gestellt werden. Dabei gilt es allerdings unbedingt zu bedenken, dass dies eine erneute Markenprüfung beim UK IPO auslöst und die Marke erneut publiziert wird, was eine neue Widerspruchsfrist auslöst.

Wurde in der Vergangenheit hingegen eine Marke über das Madrider Markensystem mit Schutzwirkung für die UK (und nicht EU) angemeldet, hat der Brexit keinen Einfluss auf die Markenrechte.

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IV. RECHTSERHALTENDER GEBRAUCH DER MARKE?

Wie die Schweiz sieht auch die UK eine Benutzungsschonfrist von 5 Jahren vor. Anschliessend kann der Markeninhaber zur Belegung des rechtserhaltenden Gebrauchs aufgefordert werden. Bei den Marken, die in vergleichbare britische Marken umgewandelt wurden, wird die Benutzung der Marke vor dem 1. Januar 2021 in der EU noch angerechnet. Anschliessend hat der Gebrauch der Marke in der EU keinen Einfluss mehr auf die Gebrauchspflicht in der UK. Dies bedeutet, dass der Inhaber einer vergleichbaren britischen Marke diese nun auch tatsächlich in der UK nutzen muss, ansonsten wird sie angreifbar. Umgekehrt gilt es zu beachten, dass allein die Nutzung der Marke in der UK inskünftig natürlich keinen rechtserhaltenden Gebrauch für Unionsmarken mehr bewirken kann.  

Inhaber einer Unionsmarke sollten folglich ihre Markenstrategie überprüfen. Insbesondere gilt es abzuwägen, ob ein Schutz in der UK tatsächlich gewollt ist. Soll der Markenschutz auch in der UK aufrechterhalten werden, so muss die vergleichbare britische Marke neu in die Überwachung mitaufgenommen werden, ein UK-Vertreter bestellt werden und es sollten Nachweise für die Nutzung der Marken in der UK gesammelt werden. Ist zudem noch ein Gesuch auf Eintragung einer Unionsmarke hängig, welches vor dem 1. Januar 2021 eingereicht wurde, so gilt es die entsprechenden Umwandlungsfristen zu beachten. Wurde die Unionsmarke sodann über das Madridersystem angemeldet, gilt es dringend zu beachten, dass die vergleichbare britische Marke grundsätzlich nicht über die WIPO verlängert werden kann, sondern diese separat über das UK IPO zu erfolgen hat, inkl. zusätzlichen Gebühren.



29. April 2021 / MLaw Simone Küng

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