ZULÄSSIGKEIT VON STICHENTSCHEIDEN IN DER AKTIENGESELLSCHAFT

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Eine Pattsituation im
Verwaltungsrat oder in der Generalversammlung kann für eine Gesellschaft
schwerwiegende Folgen haben und im Extremfall sogar zur Lähmung der
Gesellschaft führen. Am häufigsten tritt diese Situation wohl in paritätischen
Zweipersonen-Gesellschaften auf, in welchen sich sowohl das Verwaltungsratsgremium
als auch die Generalversammlung aus lediglich zwei Personen zusammensetzt. Aber
auch in Gesellschaften mit grösserem Aktionariat mit Stamm- und Stimmrechtsaktionären
kann sich eine Blockade bilden, nämlich dann, wenn eine Beschlussfassung ein
qualifiziertes Quorum erfordert, dieses aufgrund der fehlenden Kapitalmehrheit der
Stimmrechtsaktionäre aber nicht zustande kommt. Gerade weil die Folgen einer
solchen Blockade einschneidend sein können, besteht häufig das Bedürfnis,
mittels statutarischem Stichentscheid – sowohl im Verwaltungsrat als auch in
der Generalversammlung – für Abhilfe zu sorgen. Vorliegender Artikel befasst
sich mit der Gültigkeit solcher Stichentscheide und sucht nach möglichen
Alternativen

I. EINLEITUNG

Beschlüsse und Wahlen im Verwaltungsrat (VR) und in der Generalversammlung (GV) erfordern die Mehrheit der abgegebenen (im VR) bzw. der vertretenen (GV) Stimmen. Der Unterschied hat insbesondere zur Folge, dass Stimmenthaltungen in der GV als Nein-Stimmen gewertet werden, wobei sie im VR gar nicht erst zur Stimmenbasis dazuzählen. Für die Abstimmung im VR sieht das Obligationenrecht im Fall eines Patts (d.h. bei gleich vielen abgegebenen JA- wie auch NEIN-Stimmen) den Stichentscheid des Vorsitzenden (in der Regel des VR-Präsidenten) vor. Dies gilt zumindest dann, wenn die Statuten nichts Gegenteiliges regeln. Für die Abstimmung in der GV fehlt eine entsprechende Gesetzesbestimmung. Die Lehrmeinungen sind sich nicht einig, ob dies ein sog. qualifiziertes Schweigen des Gesetzes ist und ein Beschluss eben mehr als nur die Hälfte der Stimmen erfordert und mit nur gerade 50% somit ein NEIN beschlossen ist, oder ob in einem solchen Fall eine Patt-Situation zu erblicken ist, welche deshalb teilweise auch als Beschlussunfähigkeit der Gesellschaft bezeichnet wird. Bei Aktiengesellschaften mit Stimmrechtsaktien, d.h. mit Aktien, welche im Verhältnis zu ihrem Nennwertanteil eine unverhältnismässig hohe Stimmkraft haben, wodurch eine kleine Gruppe Aktionäre die Mehrheit der Aktienstimmen ausüben kann, obwohl sie für den Erwerb dieser (Stimmrechts-)Aktien weniger Kapital einsetzen mussten als die Stammaktionäre, kann sich eine ähnliche Situation ergeben. Dies dann, wenn für einen Beschluss ein qualifiziertes Quorum verlangt wird, das nur zustande kommt, wenn 2/3 der Stimmen für den Antrag stimmen, welche gleichzeitig auch mehr als 50% der Aktiennennwerte auf sich vereinigen. Es kann also vorkommen, dass ein Beschluss mit qualifiziertem Quorum deshalb kontinuierlich nicht gefasst werden kann, weil die Stimmrechts-Aktionäre die dafür erforderliche Kapitalmehrheit von mehr als 50% der Aktiennennwerte nicht aufbringen.

II. ZULÄSSIGKEIT VON STICHENTSCHEIDEN UND LÖSUNGSANSATZ

a) In der GV von Zweipersonen-Gesellschaften

Wie
bereits einleitend erwähnt, stellt sich in Gesellschaften, deren Aktionariat
aus lediglich zwei Aktionären mit jeweils 50% der Aktien besteht, eine
Patt-Situation besonders häufig dar. In solchen Gesellschaften kann es
vorkommen, dass bei Uneinigkeit der beiden Aktionäre in der Generalversammlung
kein Beschluss mehr gefasst werden kann bzw. eben nur ablehnende Beschlüsse
gefasst werden. Dies kann in extremis zur Folge haben, dass weder der
Jahresabschluss genehmigt wird, noch der Verwaltungsrat oder auch eine
Revisionsstelle gewählt werden kann. Da es sich beim Verwaltungsrat immer (und
bei der Revisionsstelle teilweise) um ein notwendiges Organ der
Aktiengesellschaft handelt, leider die Gesellschaft spätestens nach Ablauf der
Amtsperiode des letzten Verwaltungsrates an einem Organisationsmangel. Fraglich
ist nun, wie einem solchen Fall entgegnet werden soll und kann.

In
Frage kommt einerseits die Möglichkeit eines statutarisch verankerten
Stichentscheides des Verwaltungsratspräsidenten. Die Zulässigkeit einer solchen
Regelung wurde vom Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahr 2017 mit
Verweis auf einen Entscheid aus dem Jahr 1969, der sich indes mit der Frage des
Stichentscheides bei Erfordernis des relativen Mehrs befasste, offengelassen.
Dem Grundsatz nach wurde die Zulässigkeit damit höchstrichterlich zumindest
(noch) nicht verneint. Vorbehalten bleibt ein Stichentscheid in Gesellschaften
mit Stimmrechtsaktien, wo sich der Patt aufgrund einer fehlenden
Kapitalmehrheit der Stimmrechtsaktionäre ergibt (vgl. unten, b)). Grundsätzlich
ist es in Zweipersonen-Gesellschaften ohne Stimmrechtsaktionäre somit erlaubt, im
Fall eines Patts (50:50) den Stichentscheid des Verwaltungsratspräsidenten
vorzusehen. Und zwar auch dann, wenn dieser selbst gar nicht Aktionär ist. Die
Legitimation erhält der Verwaltungsrat dadurch, dass er einmal selbst von der
Generalversammlung und somit von der Mehrheit der Aktionäre gewählt wurde.
Freilich bleibt diese Argumentation nicht ohne Kritik. Insbesondere wird
teilweise auch die Auffassung vertreten, dass das Aktienrecht (im Unterschied
zum GmbH-Recht, das einen Stichentscheid des Vorsitzenden eben gerade explizit
vorsieht) im Fall eines 50:50-Patts eben einen NEIN-Entscheid erblickt und
nicht einen Nicht-Entscheid. Andernfalls würde das Aktienrecht sowohl für einen
JA- wie auch für einen NEIN-Beschluss eine Mehrheit verlangen, was aber nicht
der Fall sei. Daher wird teilweise die Ansicht vertreten, dass mit einem
Stichentscheid aus einem NEIN-Beschluss ein JA-Beschluss gemacht und somit letztlich
ein Minderheitsentscheid zu einem Mehrheitsentscheid verkehrt würde.

Auch
wenn dieser Dogmatik dem Grundsatz nach zuzustimmen ist, rechtfertigt es sich
meines Erachtens, für den Fall, dass ein Aktionär in Entscheidungen, die für das
wirtschaftliche Fortkommen der Gesellschaft entscheidend sind, wiederholt
aufgrund der grundsätzlichen und konstanten Abwehrhaltung des Mitaktionärs mit
50:50 unterliegt, eine Abhilfemassnahme zuzulassen. Dies muss nicht zwingend
der Stichentscheid des Verwaltungsratspräsidenten sein, auch wenn das wohl häufig
die einfachste und schnellste Lösung bringt. In Frage käme auch ein
Losentscheid oder der Entscheid durch einen unabhängigen externen Experten. Bei
grösseren Gesellschaften wäre auch die Entscheidung durch eine
Management-Delegation möglich und gegebenenfalls sinnvoll. Eine weitere, m.E.
sinnvollste, Möglichkeit besteht darin, in einem Aktionärbindungsvertrag einen
eigentlichen Eskalationsmechanismus vorzusehen, der in mehreren Etappen an eine
Entscheidung heranführt, bspw. indem die Parteien ein Schiedsgericht wählen,
deren Entscheidung sie sich unterwerfen. Für den Fall eines konstanten Patts in
jeglichen Entscheidungen könnte als letzte Eskalationsstufe dann auch die
Auflösung der Gesellschaft, gegebenenfalls eine Teilliquidation durch
Kapitalherabsetzung (sofern das Aktienkapital dies zulässt) oder die Anordnung
einer Versteigerung der Aktien o.ä. vorgesehen werden. Auch wenn sich diese
Folgen bei Gründung kein Aktionär wünscht, kann eine erzwungene Liquidation
oder der erzwungene Auskauf eines Aktionärs immer noch die bessere Lösung darstellen,
als dass ein Aktionär in der Gesellschaft gefangen bleibt, gegebenenfalls durch
die Weigerung von Dividendenausschüttungen ausgehungert oder die Gesellschaft ausgeblutet
wird.

b) In der GV von Gesellschaften mit Stimmrechtsaktien

Bei
Gesellschaften mit Stimmrechtsaktien stellt sich die Situation etwas anders
dar. Hier wurde vom Bundesgericht im besagten Entscheid aus dem Jahr 2017
ausdrücklich festgehalten, dass der Stichentscheid des
Verwaltungsratspräsidenten zumindest in jenen Entscheidungen, für welche das
Gesetz oder die Statuten das qualifizierte Mehr verlangen (d.h. 2/3 der Stimmen
sowie mind. 50% der Kapitalanteile), unzulässig ist. Der Grund liegt hier vornehmlich
darin, dass der Verwaltungsrat lediglich mit dem absoluten Mehr gewählt wird,
weshalb die Stimmrechtsaktionäre bei dieser Entscheidung von ihrer erhöhten
Stimmkraft profitieren können. Somit soll es nicht sein, dass eine Person, die
lediglich mit dem absoluten Mehr gewählt wurde, letztlich eine Entscheidung trifft,
für welche das qualifizierte Mehr und somit eben insbesondere die
Kapitalmehrheit erforderlich ist. Die Entscheidungen, welche das qualifizierte
Mehr erfordern, sind in Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1 bis Ziff. 8 OR genannt. Die
Statuten können diesen Katalog beliebig erweitern. Die Vorkehrung eines
Abhilfemechanismus im Fall eines andauernden Patts zwischen
Stimmrechtsaktionären und Stammaktionären ist aber auch bei solchen
Konstellationen nicht grundsätzlich untersagt. Ausgeschlossen ist lediglich der
Stichentscheid einer Person, die nicht ebenfalls mit der Kapitalmehrheit
gewählt wurde. Damit steht insbesondere der Wahl eines sog.
Eskalationsmechanismus mit mehreren Etappen nichts entgegen.

c) Im Verwaltungsrat

Im Verwaltungsrat ist der Stichentscheid des Präsidenten von Gesetzes wegen vorgesehen. Somit stellen sich die oben behandelten Problemfelder der gesetzlichen Zulässigkeit in diesem Gremium nicht. Ob der Stichentscheid des Präsidenten letztlich auch sinnvoll ist, kann hinterfragt werden. Dies insbesondere dann, wenn sich der Verwaltungsrat in einer Zweipersonen-Gesellschaft ebenfalls aus den beiden Aktionären zusammensetzt. Auch im Verwaltungsrat ist es meines Erachtens daher angezeigt, einen Eskalationsmechanismus vorzusehen, der die Entscheidungsfindung im Fall eines Patts begünstigt.

III. FAZIT

Eine
Pattsituation, welche trotz strenger Rechtsdogmatik in der vorliegenden
Abhandlung bereits darin erblick wird, dass eine positive Entscheidung aufgrund
eines kontinuierlichen NEIN-Beschlusses eines Aktionärs (oder mehreren
Aktionären) mit 50% der Stimmen bzw., in Gesellschaften mit Stimmrechtsaktien,
mit lediglich 50% der Kapitalmehrheit nicht gefasst werden kann, kann
Gesellschaften langfristig in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen behindern und
im Extremfall sogar lähmen. Dies kann zulasten der Gesellschaft oder auch
zulasten einzelner Gesellschafter sein (bspw. durch Aushungern eines einzelnen
Gesellschafters). Der Stichentscheid des Verwaltungsratspräsidenten bildete
hier sicher die einfachste und schnellste Lösung. Allerdings ist die
Zulässigkeit einer solchen Massnahme aufgrund der aktuellen Rechtsprechung
unklar. Zwar wurde ein Entscheid vom Bundesgericht vor nicht allzu langer Zeit
(in Bezug auf Gesellschaften mit Stammaktien) offengelassen und ein
Stichentscheid durch den Verwaltungsratspräsidenten nur in Beschlussfassungen,
die dem qualifizierten Mehr unterliegen, untersagt. Nichtsdestotrotz wird hier die
Ansicht vertreten, dass der Stichentscheid einer Partei in einer
Zweipersonen-Gesellschaft ohnehin nicht die optimale Lösung ist, da er
derjenigen Person, welche den Stichentscheid ausüben kann, faktisch die
alleinige Herrschaft einräumt. Vorzuziehen ist die Vorkehrung eines
eigentlichen Eskalationsmechanismus in einem entsprechenden
Aktionärbindungsvertrag, der in mehreren Etappen an die Entscheidungsfindung
und aus dem Patt herausführt.


11. März 2020 / lic. iur. Patricia Geissmann


FIRMENSCHUTZ – VERWECHSLUNGSGEFAHR

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Die Firma ist der Namen des Unternehmens. Bei dessen Bildung sind verschiedene Gesetzesbestimmungen zu beachten. So muss der Inhalt der Firma der Wahrheit entsprechend, darf keine Täuschungen verursachen und keinem öffentlichen Interesse widersprechen (Art. 944 Abs. 1 OR). Darüber hinaus bestimmt Art. 951 OR, dass sich die Firma einer Handelsgesellschaft (insb. AG, GmbH, KolG, KomG) oder einer Genossenschaft von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden muss.

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Ist dies nicht der Fall, kann der Inhaber der älteren Firme wegen Verwechslungsgefahr auf Unterlassung des Gebrauchs der jüngeren Firma klagen (Art. 956 Abs. 2 OR). 

I. KRITERIEN ZUR DEUTLICHEN UNTERSCHEIDBARKEIT

Die Praxis hat unterschiedliche Kriterien entwickelt, nach welchen die deutliche Unterscheidbarkeit zweier sich gegenüberstehender Unternehmen beurteilt werden kann. Ob sich zwei Firmen deutlich unterscheiden, bestimmt sich immer nach dem Gesamteindruck, den sie bei einer normal unterscheidungsfähigen Person hinterlassen. Dabei müssen die Firmen nicht nur bei unmittelbarer Gegenüberstellung deutlich voneinander zu unterscheiden sein, sondern auch in der Erinnerung auseinandergehalten werden können. Dabei bleiben starke, kennzeichnungskräftige Firmenbestandteile, wie reine Fantasiebezeichnungen bzw. Wortneuschöpfungen, eher im Gedächtnis haften als kennzeichnungsschwache Elemente, wozu insbesondere für das Unternehmen beschreibende Inhalte, wie Hinweise auf die Tätigkeit oder die Rechtsform, oder gemeinfreie Sachbezeichnungen gehören. Zur Beurteilung der Ähnlichkeit werden die sich gegenüberstehenden Firmen in Schriftbild, Klang, Stellung und Sinngehalt miteinander verglichen. Grundsätzlich gilt, dass je geringfügiger die gesetzlichen und regulatorischen Auflagen zur Firmenbildung sind, desto höher die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit gegenüber älteren Firmen. Handelsgesellschaften und 

Genossenschaften können ihre Firma grundsätzlich frei wählen, weshalb das Bundesgericht bisher an deren Unterscheidbarkeit im Allgemeinen strenge Anforderungen stellt. Weiter bestanden bisher besonders hohe Anforderungen an die Unterscheidbarkeit, wenn zwei Unternehmen ihren Sitz in der gleichen Region haben, in der gleichen Geschäftsbranche / mit dem gleichen Zweck tätig sind, sich an denselben Kundenkreis richten oder die Unternehmen im Allgemeinen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.

Zur fehlenden Unterscheidbarkeit genügt die blosse Verwechslungsgefahr. Verlangt werden nicht tatsächlich eingetretene Verwechslungen, sondern es reicht aus, wenn die Firma eines Unternehmens für die eines anderen gehalten wird (sog. unmittelbare Verwechslungsgefahr) oder bei einem Aussenstehenden fälschlicherweise der Eindruck entsteht, die betreffenden Unternehmen seien wirtschaftlich oder rechtlich miteinander verbunden (sog. mittelbare Verwechslungsgefahr). Dabei sollen die firmenrechtlichen Schutzbestimmungen aber nur jene Verwechslungen verhindern, denen die normal unterscheidungsfähige Person mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit unterliegt.

II. KENNZEICHNUNGSKRAFT DER FIRMA

Das Gericht prüft die Verwechslungsgefahr im Einzelfall nach Recht und Billigkeit. Dabei kommen die vorstehend erwähnten Kriterien zur Anwendung. Besonderen Wert ist aber auf die Unterscheidbarkeit der Firmenkerne zu legen. Ist der Kern der älteren Firma schwach, also beispielsweise eine rein beschreibende Sachbezeichnung, so genügen bereits geringfügige Abweichungen bzw. Zusätze bei jüngeren Firmen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Das Bundesgericht rechtfertigt dies damit, dass allgemeine Sachbegriffe zum Gemeingut gehören würden und deshalb nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft hätten. Ist der Firmenkern hingegen besonders stark und besteht bspw. aus einer Wortneuschöpfung / einer reinen Fantasiebezeichnung, so kann eine fehlende Unterscheidbarkeit in den Firmenkernen nicht allein durch die Hinzufügung schwacher Elemente kompensiert werden. Das Bundesgericht begründet dies damit, dass wenig kennzeichnungskräftige Firmenbestandteile den Gesamteindruck nicht entscheidend zu prägen vermögen, weshalb sie für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ohnehin nur von untergeordneter Bedeutung seien. Bestehen die Kerne der zu beurteilenden Firmen also aus identischen oder sehr ähnlichen Fantasiebezeichnung und haben als Zusatz zwar unterschiedliche, aber einfache Sachbezeichnungen, wie bspw. «Kanalreinigung» oder «Informatikservice», so ist im Wesentlichen die Unterscheidbarkeit der Fantasiebezeichnungen und nicht die der Sachbezeichnungen zu beurteilen. 

III. ABGRENZUNG: IDENTISCHE FIRMEN

Das Handelsregisteramt prüft nicht, ob eine neu einzutragende Firma einer älteren, bereits länger bestehenden Firma ähnlich ist. Es ist folglich ein Trugschluss, dass keine firmenrechtlichen Bestimmungen verletzt worden sein sollen, wenn die Firma in das Handelsregister eingetragen worden ist. Im Sinne des öffentlichen Interesses und des Schutzes vor einer offensichtlichen Verwechslungsgefahr prüft das Handelsregisteramt in Bezug auf die Unterscheidbarkeit von Firmen nämlich nur, ob bereits identischeFirmen eingetragen worden sind. Bereits geringfügige Abweichungen von einer älteren Firma reichen aber aus, damit die neue Firma dennoch rechtmässig eingetragen werden kann. Weiter geht die Kognition des Handelsregisterführers bezüglich der Beurteilung einer allfälligen Verwechslungsgefahr nicht. 

IV. JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN

Im September 2019 musste das Bundesgericht jüngst über die Verwechselbarkeit vierer Firmen von international ausgerichteten Unternehmen urteilen. Konkret klagten Archroma Management GmbH, Archroma IP GmbH und Archroma Consulting Switzerland GmbH gegen das jüngere Unternehmen, die accroma labtec AG. Die Unternehmen konkurrenzierten sich nicht unmittelbar, liegen aber in einem Umkreis von lediglich 10 km. Das Bundesgericht führte bezüglich der Unterscheidbarkeit der sich gegenüberstehenden Handelsgesellschaften aus, dass insbesondere die Firmenkerne, «Archroma» und «accroma», aufgrund deren Fantasiegehalt beim allgemeinen Publikum in Erinnerung bleiben würden. Die englischsprachigen Zusätze «Management», «IP», «Consulting Switzerland» und «labtec» seien weitgehend als beschreibend zu qualifizieren, womit sie nur von geringer Kennzeichnungskraft seien. Sie sind damit lediglich von geringer Bedeutung. 

Die Firmenzusätze würden sodann den Schluss zulassen, dass auch die Firmenbestandteile «Archroma» und «accroma» englisch auszusprechen seien, womit bei deren Aussprache erhebliche Unterschiede bestehen würden. Sie würden sich damit im Klang eindeutig voneinander abheben. Die Abweichungen am Wortanfang (Archroma und accroma) würden auch einen erheblichen Unterschied im Schriftbild machen – dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gross- und Kleinschreibung. Damit stimme bei den sich gegenüberstehenden Firmen lediglich der Bestandteil «roma» überein, währenddem sich die Zusätze und die Wortanfänge deutlich voneinander unterscheiden würden. Die geographische Nähe der Unternehmen (10 km) führe darüber hinaus nicht zu einer erhöhten Verwechslungsgefahr, zumal sie ihren Sitz nicht am gleichen Ort hätten und nicht in einem konkurrenzierenden Verhältnis stünden. Schlussendlich kam das Bundesgericht zum Schluss, dass sich die Firmen deutlich voneinander unterscheiden würden und damit keine Verwechslungsgefahr bestehe (vgl. BGer 4A_170/2019 vom 24. September 2019). 

V. FAZIT

Die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit von Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften waren bisher als hoch einzustufen. Mit dem jüngsten Entscheid des Bundesgerichts ist nun fraglich, ob die Tendenz des Bundesgerichts in Richtung Lockerung der Anforderungen an die deutliche Unterscheidbarkeit von Firmen geht – insbesondere wenn es sich nicht um unmittelbare Konkurrenzunternehmen handelt. Dies dürfte wohl auch mit der vermehrten Dichte an schweizerischen Unternehmen und dem zunehmenden internationalen Handel zusammenhängen. Jedenfalls hätte das Bundesgericht im jüngsten Fall einer firmenrechtlichen Auseinandersetzung m.E. auch ohne Weiteres anders entscheiden und damit eine deutliche Unterscheidbarkeit verneinen können. Der Entscheid des Bundesgerichts ist dennoch mit Vorsicht zu geniessen; schlussendlich zählt immer der Einzelfall! Bei der Gründung eines neuen Unternehmens ist man also (zumindest aus rechtlicher Sicht) nach wie vor gut beraten, wenn die Firma keine (oder wenigstens nicht nur) Sachbezeichnungen, sondern einen möglichst hohen Fantasiegehalt aufweist. Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bildung einer neuen Firma nicht nur das Handelsregister konsultiert werden sollte, sondern auch nationale und internationale Markenregister auf ähnlich lautende Kennzeichen geprüft werden sollte. Ansonsten droht dem Träger der neuen Firma eine Klage gestützt auf das Markenschutzgesetz (MSchG) oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).


8. Januar 2020 / MLaw Simone Küng,


HOLDINGGESELLSCHAFT – IN WELCHEN FÄLLEN MACHT DAS HOLDINGKONSTRUKT SINN?

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Die Gründung einer Holdinggesellschaft mit dem Zweck, mehrere Beteiligungen unter einer Hand zu halten, kann in vielen Fällen sinnvoll. Es ist allerdings ein verbreiteter Irrglaube, dass sich die Gründung einer Holding in jedem Fall lohnt, sobald eine Einzelperson oder eine Personengruppe mehrere Beteiligungen hält oder erwirbt. Nachfolgend sollen einzelne Fälle aufgezeigt werden, in welchen die Gründung einer Holdinggesellschaft vorteilhaft bzw. eben gerade nachteilig sein kann, wobei die Auflistung dieser Fälle nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und die Vor- und Nachteile in jedem Fall im Einzelnen näher geprüft werden müssen.

I. EINLEITUNG

Eine Holdinggesellschaft ist eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit, die meistens in Form der Aktiengesellschaft (AG) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) existiert und als hauptsächlichen Zweck das Halten und Verwalten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften aufweist. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive ist die Holdinggesellschaft damit denselben gesetzlichen Regelungen unterworfen wie jede andere (operativ tätige) AG oder GmbH mit Sitz in der Schweiz. Steuerlich profitieren Holdinggesellschaften in gewissem Mass von Vorteilen, was durchaus ein Argument für deren Gründung bilden kann. Indes sollte man sich nicht einzig von diesem Aspekt leiten lassen, zumal Steuervorteile die Nachteile, welche sich aufgrund der Existenz einer Holding ergeben können – und die sich auch finanziell niederschlagen können –, nicht in jedem Fall überwiegen.

II. VOR- UND NACHTEILE EINER HOLDINGGESELLSCHAFT

Wie bereits einleitend festgehalten, wird – wohl dadurch begründet, dass das sog. steuerliche «Holdingprivileg» ein weitaus bekannter Begriff ist – oftmals die irrtümliche Meinung vertreten, die Gründung einer Holdinggesellschaft mache in jedem Fall Sinn, sobald mehrere Beteiligungen in einem Gefäss gehalten werden sollen. Nebst der Tatsache, dass das sog. «Holdingprivileg» (gemeint ist die privilegierte Besteuerung bei Gewinn- und Kapitalsteuer) ab Januar 2020 abgeschafft wird (wobei der Beteiligungsabzug jedoch bestehen bleibt), gibt es eine Vielzahl weiterer Aspekte, welche im Einzelfall bei der Abwägung für oder gegen die Gründung einer Holdinggesellschaft in Betracht gezogen und genauer untersucht werden sollten.

Fälle, in welchen eine Holdingstruktur sinnvoll sein kann (Auswahl):

a) Holding als Dividendengefäss oder «Renten-Portmonee»

Für die Begründung einer Holdingstruktur kann die Absicht der Aktionäre sprechen, einerseits die operativ tätige(n) Tochtergesellschaft(en) schlank zu halten (aus welchen Gründen auch immer) und somit die jährlichen Gewinne regelmässig auszuschütten, und andererseits aber auch, zu verhindern, dass diese Gewinnerträge ins Privatvermögen der Aktionäre fliessen und bisweilen hohe Steuern (ggf. aufgrund einer Progressionsbesteuerung) bewirkt. Wird zwischen Aktionär(en) und Gesellschaft eine Holdinggesellschaft zwischengeschaltet, können die Gewinne der Tochtergesellschaften vollumfänglich ausgeschüttet werden und fliessen dennoch nicht in das Vermögen der Aktionäre als natürliche Personen. Eine allfällige Steuerprogression kann damit in Schach gehalten werden. Gleichzeitig stehen die in der Holdinggesellschaft sozusagen zwischengelagerten Erträge zu einem späteren Zeitpunkt, bspw. wenn eine Tochtergesellschaft auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein sollte oder wenn der Erwerb einer weiteren Beteiligung zur Debatte steht, wieder vollumfänglich zur Verfügung. Die Tatsache, dass die Dividendenausschüttung an die Holding im Rahmen des Beteiligungsabzuges privilegiert (resp. praktisch nicht) besteuert wird, was bei der Ausschüttung an eine natürliche Person nicht der Fall wäre, hat den zusätzlichen Vorteil, dass für eine solche Investition nicht Geld aufgewendet werden muss, das schon einmal der Einkommensbesteuerung unterlegen war.

Im gleichen Rahmen kann die Holdinggesellschaft auch als sog. «Renten-Portmonee» dienen, von welchem die Aktionäre dann Gebrauch machen können, wenn mit zunehmendem Alter die Erträge aus Arbeitserwerb kleiner werden oder ganz wegfallen. Mittels Dividendenausschüttungen kann dann zu einem späteren Zeitpunkt die Altersrente aus dem «Renten-Portmonee» aufgebessert werden. Diese Ausschüttungen unterliegen dann selbstver- ständlich der ordentlichen Dividendenbesteuerung.

b) Tochtergesellschaft schlank halten

Wie bereits angesprochen kann aber auch einzig die Absicht, die Tochtergesellschaft(en) schlank zu halten, für die Begründung eines Holdingkonstrukts sprechen. Motivation für die Verschlankung einer Gesellschaft kann beispielsweise die Absicht sein, die Gesellschaft in naher Zukunft zu verkaufen. Wenn der Kaufpreis dann aufgrund von finanzträchtigen Vermögenswerten (bspw. einer nicht betrieblichen Liegenschaft) sehr hoch ausfallen würde, dürfte dies die Suche nach einem Käufer erschweren. Ebenfalls kann die Absicht bestehen, gewisse Vermögenswerte (bspw. wiederum eine Liegenschaft) vor dem Risiko, welches mit dem operativen Geschäftsalltag der Gesellschaft inhärent verbunden ist, zu schützen. In diesen Fällen macht es durchaus Sinn, die Vermögenswerte in separaten Schwestergesellschaften voneinander zu trennen (bspw. durch Überführung des Betriebsteils in eine separate Ge- sellschaft) und diese beiden Beteiligungen neu in einer Holding zu bündeln. Gerade im Fall einer beabsichtigten Veräusserung einer Gesellschaft muss indes davor gewarnt werden, dass dann der steuerfreie Kapitalgewinn gefährdet sein kann (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen).

c) Erwerb einer Beteiligung mittels Akquisitionsholding

Beabsichtigt eine natürliche Person (oder eine Personengruppe gemeinsam) den Erwerb einer Gesellschaft, deren Kaufpreis mittels Drittdarlehen finanziert werden soll, steht die Gründung einer Akquisitionsholding, welche als Käufergesellschaft auftritt, im Fokus. Die Akquisitionsholding ist für den Darlehensgeber (oftmals eine Bank) in der Regel attraktiver, da die Amortisierung des Darlehens häufig durch zukünftig resultierende Gewinne und zudem innert einer Frist von 5-7 Jahren erfolgen soll. Aufgrund des bereits erwähnten Beteiligungsabzugs werden die Dividendenausschüttungen zugunsten der Akquisitionsholding praktisch nicht besteuert, was bei Ausschüttung an eine natürliche Person nicht der Fall wäre. Dies bringt den Vorteil der schnelleren Amortisation des Drittdarlehens.


Nachteile des Holdingkonstrukts (Auswahl):

a) Erhöhter Administrativaufwand

Bei der Holdinggesellschaft handelt es sich wie erwähnt um eine Gesellschaft schweizerischen Rechts, die denselben gesellschaftsrechtlichen Anforderungen unterliegt, wie eine operativ tätige Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Auch die Holdinggesellschaft gilt es vorab zu gründen, was mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Weiter bedarf sie einer Buchführung, hat jährliche Abschlüsse und Steuererklärungen zu erstellen, zur Generalversammlung einzuladen etc. Der damit verknüpfte Administrativaufwand wird häufig ausser Acht gelassen, mit der Folge, dass auch den Aufgaben, die solchen Aufwand auslösen, zu wenig Beachtung geschenkt wird.

b) Verlust des steuerfreien Kapitalgewinns

Wesentlicher Faktor bei der Entscheidung, ob eine Beteiligung durch eine (ggf. sogar eigens dafür gegründete) Holdinggesellschaft erworben werden soll oder nicht, sollte auch die Entscheidung bilden, ob die Beteiligung zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden soll oder nicht. Sobald die Möglichkeit des Verkaufs besteht, sollte unbedingt in Betracht gezogen werden, dass der Kaufpreis, der bei einem Verkauf realisiert werden kann, nur dann steuerfrei ist, wenn er an eine natürliche Person bezahlt wird, sprich wenn eine natürliche Person als Verkäuferin auftritt. Verkauft eine Holdinggesellschaft eine Tochtergesellschaft, fliesst der Kaufpreis in die Holdinggesellschaft, wo er nur via steuerpflichtige Dividendenausschüttung an die Aktionäre als natürliche Personen fliessen kann. Aufgrund des zukünftigen Wegfalls des Holdingprivilegs wird bei der Holdinggesellschaft zudem Gewinn- und Kapitalsteuer anfallen. Gehört die Beteiligung einer Tochtergesellschaft einmal einer Holding, kann der steuerfreie Kapitalgewinn aus dem Verkauf der Gesellschaft nur noch dann realisiert werden, wenn die Holding selbst verkauft wird. Dies wird aber nur dann realistisch sein, wenn es sich bei der Tochtergesellschaft um die einzige Beteiligung handelt oder aber gleich mehrere Tochtergesellschaften gemeinsam veräussert werden sollen und vom Käufer auch gemeinsam erworben werden wollen. Zudem sollte auch in Betracht gezogen werden, dass ein Käufer nicht unbedingt den Kauf eines Holdingkonstrukts anstrebt. Dies insbesondere dann nicht, wenn der Käufer seinerseits auf die Gründung einer Akquisitionsholding angewiesen ist und die eigentlich interessierende Beteiligung sodann letztlich über zwei Zwischengesellschaften gehalten werden müsste. Einen Doppelstock (bestehend aus Tochter und Holding) zu verkaufen, ist in der Praxis daher häufig weniger attraktiv und kann sich auch auf den Kaufpreis niederschlagen. Aufgrund von steuerlichen Sonderbestimmungen ist es dem Käufer zumal oftmals nicht anhin gestellt, den Doppelstock kurzerhand zu fusionieren.

III. FAZIT

Es gibt diverse Gründe, die für oder gegen die Gründung einer Holdinggesellschaft sprechen. Klar ist, dass sich die Aktionäre einer oder mehrerer Beteiligungen nicht nur das allseits bekannte Holdingprivileg (im Sinne der privilegierten Gewinn-/Kapitalbesteuerung) im Fokus haben sollten – zumal dieses Privileg per 01.01.2020 abgeschafft wird. Je nachdem, welche Absichten hinter der Gründung einer Holding stehen, kann das durchwegs Sinn machen oder eben nicht. Ein Aktionär wird damit nicht umhinkommen, den Einzelfall professionell und in Abwägung aller Vor- und Nachteile und Besonderheiten beurteilen zu lassen und in Anbetracht dieses Ergebnisses zu entscheiden, ob die Gründung einer Holdinggesellschaft sinnvoll ist oder nicht.


6. November 2019 / lic. iur. Patricia Geissmann


VERTIKALE PREISABREDEN (ART. 5 ABS. 4 KG)

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Sarah Stirnemann

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Zu den unzulässigen Wettbewerbsabreden gehören u.a. vertikale und horizontale Preisabreden. Sie gelten als besonders wettbewerbsschädlich und werden von der Wettbewerbskommission der Schweiz (Weko) geahndet. Stein des Anstosses ist in der Regel eine vertragliche Vereinbarung zwischen Marktteilnehmern, in welcher sie sich zur Einhaltung von Mindestpreisen bzw. festen Wiederverkaufspreisen verpflichten. In solchen Fällen drohen den Unternehmen hohe Bussen, die bis zu 10 % des in den letzten drei (!) Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes erreichen können (Art. 49a Abs. 1 des Kartellgesetzes [kurz: KG]).

I. VERTIKALE UND HORIZONTALE WETTBEWERBSABREDEN

Art. 5 Abs. 3 und 4 KG sieht als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen sowohl die vertikale als auch die horizontale Wettbewerbsabrede vor. Unter einer horizontalen Abrede versteht man eine Abrede zwischen Unternehmern gleicher Marktstufe und damit zwischen aktuellen oder potenziellen Konkurrenten. Eine vertikale Abrede kann hingegen nur zwischen Unternehmern unterschiedlicher Markstufen vorliegen, d.h. die Unternehmer stehen in einer Nachfrager-Anbieter-Beziehung. Beide Arten von Wettbewerbsabreden sind widerrechtlich und gehören zu den sog. «harten Kartellen». Sie werden aufgrund ihrer (erfahrungsgemäss) stark negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb als besonders schädlich erachtet und von der Weko entsprechend streng beurteilt.

II. FESTLEGUNG VON MINDEST- ODER FESTPREISEN

Die vertikale Preisabrede (oder auch Preisfestsetzung zweiter Hand genannt) setzt eine Absprache der Marktteilnehmer über die Wiederverkaufspreise voraus. Hierbei kann es sich um Mindest- oder Festpreise handeln. D.h., dem Marktteilnehmer muss die Möglichkeit genommen werden, seinen Verkaufspreis selbst festzulegen. Dies kann auch nur ein einzelnes Preiselement des Wiederverkaufspreises betreffen, sofern es schlussendlich zu einer preisharmonisierenden Wirkung auf dem Markt führt.

Was vielen Marktteilnehmern nicht bewusst sein dürfte, ist der Umstand, dass nicht nur direkte Preisabreden (wie bspw. eine Liste mit einzuhaltenden Mindest- oder Fixpreisen) als unzulässig erachtet werden, sondern auch indirekte Preisabreden, die u.a. Rabattgewährungen bei Einhaltung eines bestimmten Preisniveaus oder Abreden über Höchstrabatte, die die Wiederverkäufer zu beachten haben, beinhalten können. Auch einfache Preisempfehlungen, die sich durch Gewährung von Anreizen schlussendlich wie eine Abrede von Verkaufspreisen auswirken, können den Wettbewerb verzerren und sind verboten. Grundsätzlich unbedenklich sind unverbindliche Preisempfehlungen, die explizit als solche bezeichnet werden und nicht durch Druckausübung oder mit Gewährung von (finanziellen) Anreizen seitens des Herstellers durchgesetzt werden sollen.

Die Abredebeteiligten müssen zudem aus freien Stücken bewusst und gewollt zusammenwirken, wobei die Abrede eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken soll. Die Wettbewerbsabrede muss nicht zwingend in einem Vertriebsvertrag festgehalten werden. In Frage kommt jede Art von Vertrag oder auch eine Kommunikation per Email / Fax oder nur eine mündliche Mitteilung über einen Aussendienstmitarbeiter.

III. VERMUTUNG DER WETTBEWERBSBESEITIGUNG BEI VERTIKALEN PREISABREDEN

Im Kartellrecht wird i.d.R. einzelfallbezogen geprüft, ob die spezifischen Handlungen der Parteien einen relevanten Einfluss auf den Wettbewerb haben und diesen dadurch in unzulässiger Art und Weise beeinflussen (geprüft wird der relevante Markt sowie das Ausmass bzw. die Erheblichkeit der durch die Marktteilnehmer begangenen Wettbewerbsbeschränkung). Anders ist dies bei «harten Kartellen»: In diesen Fällen wird – vereinfacht gesagt – nur geprüft, ob ein hartes Kartell vorliegt oder nicht. Ist der Tatbestand eines harten Kartells erfüllt, so wird von Gesetzes wegen davon ausgegangen, dass der freie Wettbewerb durch die Beteiligten wirksam beseitigt werde. Die vertikale Preisabrede stellt ein solch hartes Kartell dar. Wurde zwischen den Unternehmern unterschiedlicher Marktstufen also eine Absprache über Mindest- oder Fixpreise getroffen, so geht das Gesetz davon aus, dass eine wirksame Wettbewerbsbeseitigung vorliegt. Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem nachgewiesen wird, dass trotz der Wettbewerbsabrede noch genügend Wettbewerb besteht (vgl. nachstehend).

IV. RESTWETTBEWERB – WIDERLEGUNG DER GESETZESVERMUTUNG

Liegt eine vertikale Preisabrede vor, so kann die Vermutungsfolge, wonach der Wettbewerb wirksam beseitigt worden ist, widerlegt werden. Nun ist es Sache der Abredebeteiligten nachzuweisen, dass trotz der vertikalen Preisabrede noch ausreichend Innen- oder Aussenwettbewerb besteht (genügend Restwettbewerb). Bei ausreichendem Innenwettbewerb halten sich bspw. genügend Abredebeteiligte nicht an die getroffene Vereinbarung oder die Abrede betrifft nur einen unwichtigen Wettbewerbsparameter. Aussenwettbewerb liegt vor, wenn genügend andere Unternehmen nicht an der Abrede beteiligt sind.

Nach der Praxis der Weko kann die in Art. 5 Abs. 4 KG enthaltene Vermutung auch beseitigt werden, wenn genügend Interbrand- und Intrabrand-Wettbewerb besteht. Intrabrand-Wettbewerb betrifft den Wettbewerb zwischen den Anbietern derselben Marke. Er muss sowohl qualitativen als auch quantitativen Erfordernissen genügen, um die Unzulässigkeitsvermutung zu widerlegen. Kumulativ wird vorausgesetzt, dass auch Interbrand-Wettbewerb be- steht. Darunter versteht man das Wettbewerbsverhältnis zu Konkurrenten mit substituierbaren Produkten (also unterschiedlicher Marken). Hierbei geht es insbesondere um die Anzahl und Bedeutung markenfremder Wiederverkäufer.

Ist die Widerlegung der Vermutung erfolgreich, so ist dennoch zu prüfen, ob die Wettbewerbsabrede allenfalls eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KG darstellt.

V. ERHEBLICHE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNG (ART. 5 ABS. 1 KG)

Auch wenn die gesetzliche Vermutung der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs durch eine vertikale Preisabrede mittels auseichendem Restwettbewerb widerlegt werden kann, ist es dennoch möglich, dass die Abrede gegen das Kartellgesetz verstösst, wenn sie von erheblichem Ausmass ist und damit Art. 5 Abs. 1 KG erfüllt. Die Frage, ob eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, wie dies von Art. 5 Abs. 1 KG vorausgesetzt wird, ist an sich obsolet, zumal das Bundesgericht davon ausgeht, dass Preisabreden i.S.v. Art. 5 Abs. 4 KG per se als erheblich gelten, womit der Tatbestand von Art. 5 Abs. 1 KG als erfüllt erachtet wird. Aber auch hier besteht die Möglichkeit, die Preisabrede zu rechtfertigen: Art. 5 Abs. 2 KG hält fest, dass erhebliche Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein können.

Die Wettbewerbsabreden sind gerechtfertigt, wenn sie notwendig sind, um die Herstellungs- oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung oder die Verbreitung von technischen oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller zu nutzen und hierdurch den beteiligten Unternehmen in keinem Fall Möglichkeiten eröffnen, wirksamen Wettbewerb zu beseitigen (Art. 5 Abs. 2 KG). In diesem Fall wird aus wirtschaftspolitischen Gründen ein ergebnisorientierter Ansatz verfolgt, und der Gesetzgeber verzichtet auf die konsequente Durchsetzung des Wettbewerbs.

VI. FAZIT

Einigen sich Händler und Abnehmer auf Wiederverkaufspreise, kann ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegen. Dies muss nicht immer in Form einer Liste mit Mindest- oder Fixpreisen geschehen, sondern kann auch indirekt, über vermeintlich unverbindliche Preisempfehlungen, erfolgen, deren Einhaltung aber mit (finanziellen) Anreizen gefördert wird. Weitere Angaben darüber, in welchen Fällen eine unrechtmässige vertikale Preisabrede vorliegt und welche Umstände die Weko dazu veranlassen kann, auch Preisempfehlungen aufzugreifen und zu überprüfen, finden sich in der von der Weko eigens herausgegebenen «Vertikalbekanntmachung» sowie deren Erläuterung. So genügt bereits die Tatsache, dass Preisempfehlungen nicht explizit als «unverbindlich» bezeichnet werden oder der Umstand, dass die Preisempfehlung von einem bedeutenden Teil der Wiederverkäufer befolgt werden. Selbst wenn anschliessend der Nachweis gelingt, dass genügend Restwettbewerb vorhanden ist und damit die Vermutung der Beseitigung von wirksamem Wettbewerb widerlegt werden kann, ist es dennoch möglich, dass in der Preisabrede eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung vorliegt. Die Herausgabe von Preislisten sollte entsprechend überdacht und vorsichtig formuliert werden, um nicht in das Visier der Wettbewerbskommission zu geraten.


9. Oktober 2019 / MLaw Simone Küng

1 Die Weko kann, wenn ein Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit besteht, Grundsätze der Rechtsanwendung in allgemeinen Bekanntmachungen veröffentlichen (analog zu Art. 6 KG). Nebst der Vertikalbekanntmachung (VertBek) hat die Weko auch weitere Bekanntmachungen, insbesondere für KMUs und die KFZ-Branche, für welche besondere Bestimmungen gelten, erlassen. Sie geben Leitlinien vor und dienen der allgemeinen Transparenz.


REFERAT «CONTRACTING-VERTRÄGE. VERTRAGSMODELL DER ZUKUNFT ODER MOGELPACKUNG?»

anlässlich des KMU SWISS StammTreff vom 8. Oktober 2019

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ABSICHERUNG VON RECHTEN UND PFLICHTEN IM AKTIONÄRBINDUNGSVERTRAG

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages ist heute Standard, insbesondere in Gesellschaften mit einem überschaubaren Aktionariat. Entsprechend sind im Internet auch einige Vorlagen zu finden, welche – so scheint es zumindest – durch ein, zwei Änderungen und Ergänzungen den eigenen Bedürfnissen angepasst werden können. Häufig beinhalten diese zwar die gängigen Standardformulierungen, welche den Parteien durchaus auch einen gewissen Schutz bieten und den betreffenden Aktionären angemessen und sinnvoll erscheinen. Häufig zeigt sich den betroffenen Parteien allerdings erst im Nachhinein, nämlich dann, wenn eine Partei den Vertrag verletzt, dass die Rechte und Pflichten zusätzlich auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene hätten abgesichert werden sollen. Durch eine Abstimmung des Aktionärbindungsvertrages mit anderen, gesellschaftsrechtlichen Dokumenten, namentlich mit den Statuten, ist dies nämlich möglich. Nachstehend wird aufgezeigt, wie auf diese Weise ein optimaler Schutz von Aktionärsrechten und -pflichten erreicht werden kann.

I. EINLEITUNG

Der Aktionärbindungsvertrag («ABV») ist ein Vertrag zwischen allen oder einzelnen Aktionären einer Gesellschaft. Er ist vorzugsweise schriftlich abzuschliessen, wäre grundsätzlich aber auch formfrei gültig. Allerdings gilt er lediglich inter partes, was bedeutet, dass er auf gesellschaftsrechtlicher Ebene keine Wirkung hat und ein Aktionär als Vertragspartei im Fall der Verletzung des ABV durch eine andere Vertragspartei vom Verwaltungsrat der Gesellschaft auch nicht verlangen kann, dass er der betreffenden Vertragsbestimmungen zum Durchbruch verhilft. Verletzt eine Partei den ABV, hat sich die dadurch in ihren Rechten verletzte Vertragspartei selbständig zur Wehr zu setzen und einen daraus allfällig entstandenen Schaden oder die Realerfüllung der betreffenden Pflichten selber geltend zu machen und notfalls gerichtlich einzuklagen. Auf die Hilfe des Verwaltungsrates kann dabei nicht gezählt werden. Zumindest dann nicht, wenn bei Abschluss des ABV nicht gleichzeitig auch ein Instrumentarium geschaffen wurde, welches auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene Wirkung entfaltet und womit gezielt auch der Verwaltungsrat in die Pflicht gefasst werden kann.

II. VERTRAGLICHE ABSICHERUNG

Bevor auf die bereits angesprochene Möglichkeit der statutarischen Absicherung eingegangen wird, gilt es an dieser Stelle zu erwähnen, dass dem Aktionär durchaus auch vom OR und ZGB gewisse Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. So ist es beispielsweise möglich, die Verletzung einer Pflicht aus ABV durch eine Konventionalstrafe abzusichern. Dies erlaubt dem in seinen Rechten verletzten Aktionär, einen bestimmten Betrag als Schaden einzuklagen, ohne dass er den mühsamen und oftmals schwierigen Nachweis erbringen muss, dass ihm in diesem Umfang auch effektiv ein Schaden im Rechtssinne entstanden ist. Weiter besteht die Möglichkeit, gerade im Hinblick darauf, vertragliche Vorhand- und Vorkaufsrechte abzusichern, die Aktien (am besten blanko indossiert) bei einer unabhängigen Drittperson (beispielsweise der Treuhandstelle, zu welcher alle Aktionäre eine ähnliche Beziehung pflegen) zu hinterlegen. Auch eine fiduziarische Übertragung der Aktien auf eine unabhängige Drittperson kann sich als sinnvoll erweisen. Dadurch wird sichergestellt, dass ein einzelner Aktionär seine Aktien nicht einfach in Verletzung des ABV und damit in Umgehung des Vorhand- oder Vorkaufsrechts eines anderen Aktionärs auf einen Dritten überträgt.

III. STATUTARISCHE ABSICHERUNG

Die sinnvollste Art der Absicherung von aktionärbindungsvertraglichen Rechten und Pflichten besteht darin, Dokumente mit gesellschaftsrechtlicher Wirkung, die gegenüber allen Aktionären wirken und auch von den Organen der Gesellschaft (insbesondere dem Verwaltungsrat oder der Geschäftsführung) durchgesetzt werden können, mit dem ABV abzustimmen. Im Fokus stehen hier die Stauten der Gesellschaft. Durch Einführung einer sinnvollen Vinkulierungsordnung ist es möglich, die Übertragung von Aktien zu verhindern, indem für eine gültige Übertragung der Verwaltungsrat der Gesellschaft seine Zustimmung dazu erteilen muss. Aus welchen Gründen die Zustimmung verweigert werden darf, kann ebenfalls in den Stauten festgehalten werden. Der Grund der Ablehnung durch den Verwaltungsrat kann freilich nicht völlig willkürlich gewählt werden. Vielmehr muss er der Erhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Unternehmens oder des Gesellschaftszwecks dienen. Unter Bezugnahme auf diese Gründe ist es aber beispielsweise möglich, sicherzustellen, dass eine Übertragung von Aktien nur innerhalb der Familie möglich ist. Ebenso ist es erlaubt, in den Stauten festzuhalten, dass der Verwaltungsrat den Verkauf an einen Dritten ablehnen kann, wenn dadurch eine Bestimmung des unter den Aktionären abgeschlossenen Aktionärbindungsvertrages verletzt würde. Verstösst ein Aktionär, der sich in einem ABV verpflichtet hat, seine Aktien vor einem allfälligen Verkauf an einen Dritten den anderen Aktionären (welche ebenfalls Partei des ABV sind) zum Kauf anzubieten, gegen diese Pflicht und verkauft er seine Aktien an einen beliebigen Dritten, hat der Verwaltungsrat die Möglichkeit (und je nach Statutenbestimmung sogar die Pflicht) diese Übertragung zu verhindern mit der Folge, dass der Dritte nicht Aktionär wird. Dieses im Rahmen der Vinkulierungsordnung statuierte Verhalten des Verwaltungsrates hat, wie erwähnt, gesellschaftsrechtliche Wirkung. Das bedeutet also, dass es grundsätzlich von jedem Aktionär oder Organ der Gesellschaft verlangt werden kann und nicht nur von jenen Parteien, die durch den ABV verletzt worden sind.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, in den Statuten nicht nur die Möglichkeit der Ablehnung eines Dritterwerbers für den Fall, dass dadurch ein allfälliger ABV verletzt wird, vorzusehen, sondern darüber hinaus sogar die Pflicht des Verwaltungsrates, dass dieser alle Aktionäre über das Vorliegen eines neues Gesuchs um Aufnahme eines Dritterwerbers ins Aktienbuch informieren muss. Der Verwaltungsrat kann namentlich verpflichtet werden, den anderen Aktionären Mitteilung eines solchen Gesuchs eines Dritten zu machen und ihnen Frist anzusetzen, innert welcher sie sich dazu äussern sollen, ob sie sich für einen Ablehnungsgrund aussprechen oder ob – sollte dem nicht so sein – sie von ihrem (gesetzlichen) Recht Gebrauch machen wollen, die Aktien anstelle des Dritterwerbers zum wirklichen Preis vom Veräusserer zu übernehmen.

Freilich ist es häufig so – gerade in Gesellschaften mit überschaubarem Aktionariat –, dass sich der Verwaltungsrat aus Personen zusammensetzt, die selber auch Aktionäre sind. Insofern kann die Unabhängigkeit des Verwaltungsrates natürlich fraglich sein. Nicht vergessen werden darf allerdings, dass der Verwaltungsrat immer, unabhängig davon, ob er selber Aktionär ist, Organ der Gesellschaft ist und in seinem Handeln den gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen untersteht. In seiner Funktion als Verwaltungsrat hat er immer zugunsten der Gesellschaft zu handeln und die Gleichbehandlung aller Aktionäre zu gewährleisten. Er ist damit in seiner Funktion als Verwaltungsrat nicht gleich frei, wie wenn er als Aktionär handelt.

IV. FAZIT

Aktionärbindungsverträge können bei richtiger und sinnvoller Abfassung den Vertragsparteien wesentliche Rechte einräumen, welche sie insbesondere davor schützen, dass sie sich nach Ausscheiden einer anderen Vertragspartei aus dem Vertrag oder aus dem Aktionariat mit einem unliebsamen Mitaktionär konfrontiert sehen. Aufgrund der inter-partes-Wirkung des ABV ist eine umfassende Absicherung dieser vertraglichen Rechte und Pflichten durch das Abfassen von zusätzlichen Dokumenten, welchen gesellschaftsrechtliche Wirkung zukommen, zu empfehlen. Es ist damit entscheidend, dass nicht nur ein Aktionärbindungsvertrag abgeschlossen, sondern ein sinnvolles und gezielt aufeinander abgestimmtes Gesamtkonstrukt an vertraglichen- und gesellschaftsrechtlichen Dokumenten entworfen wird.

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10. September 2019 / lic. iur. Patricia Geissmann


BRANDING UND WAS ES AUS RECHTLICHER SICHT ZU BEACHTEN GILT

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

In der Entwicklung von Marken (sog. Branding) steckt viel Zeit, Innovation und in der Regel auch viel Geld. Schliess- ich ist die Marke das Aushängeschild des Unternehmens für deren Produkte und Dienstleistungen. Sie steht für Qualität und dient der Abgrenzung zur Konkurrenz. Bei der Registrierung einer Marke sollte man sich nicht zu viel Zeit lassen, denn es gilt das Motto «First come first served». Ist die Marke einmal eingetragen, hat der Inhaber das ausschliessliche Recht, Waren und Dienstleistungen mit seiner Marke zu kennzeichnen. Aus einer – aus marketingtechnischer Sicht – genialen Marke kann aber ohne Weiteres ein juristischer Dauerbrenner werden, wenn vorgängig keine sorgfältige Recherche durchgeführt wird und die wichtigsten markenrechtlichen Grundsätze unbeachtet bleiben.

I. KEIN BESCHREIBENDER INHALT

Um in der Schweiz Markenschutz zu erlangen, muss die gewählte Marke im schweizerischen Markenregister eingetragen werden. Es handelt sich also um ein Registerrecht. Die Anmeldung erfolgt über das Institut für Geistiges Eigentum (kurz IGE). Das IGE verweigert aber die Eintragung von Marken, die unmittelbar beschreibend sind. D.h. die Marke darf nicht direkt die Beschaffenheit, Qualität, Art oder den Herstellungsort der Produkte oder Dienstleistungen, die mit der Marke geschützt werden sollen, beinhalten (z.B. kann «Banane» nicht für Bananen oder Obst eingetragen werden). Zulässig wären solch beschreibende Angaben nur, wenn die Marke noch einen zweiten – einen nicht-beschreibenden – Bestandteil hat. Marken, die lediglich mittelbar beschreibende Angaben enthalten, können zwar eingetragen werden, aber auch hier gilt es Vorsicht walten zu lassen. Denn je eher die Marke beschreibend in Bezug auf die zu schützenden Produkte und Dienstleistungen ist, desto geringer ist deren Kennzeichnungskraft und damit deren Schutzumfang. Dies bedeutet, dass sich eine schwache Marke nicht im gleichen Umfang gegen eine ähnliche Marke wehren kann wie eine starke Marke, die beispielsweise aus einem reinen Fantasiewort besteht.

Darüber hinaus darf die Marke aber auch keine täuschenden Angaben über Eigenschaften (z.B. Qualität, Beschaffenheit oder Herkunft) der Ware oder Dienstleistung enthalten. So soll das Publikum vor Irreführungen geschützt werden. Beispielsweise darf das Schweizerkreuz zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen nur verwendet werden, wenn die betroffenen Waren oder Dienstleistungen auch tatsächlich aus der Schweiz stammen. Schlussendlich darf die Marke nicht gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder gegen geltendes Recht verstossen. Praxisrelevant sind hier insbesondere religiöse Namen oder Symbole. Das Bundesgericht entschied, dass das Zeichen «Madonna» nicht in das schweizerische Markenregister eingetragen werden darf, weil es die religiösen Gefühle verletzen könne und damit sittenwidrig sei (BGE 136 III 474).

II. VORGÄNGIGE RECHERCHE

Bevor man eine Marke beim IGE zur Registrierung anmeldet, sollte eine gründliche Markenrecherche durchgeführt werden. Die Recherche sollte zumindest die Überprüfung von identischen oder ähnlichen Marken, Domain- und Firmennamen beinhalten. Unterlässt man eine ausgiebige Recherche, so kann dies später zu Konflikten mit ande- ren Kennzeichen führen. Denn Schutz geniesst stets der Inhaber älterer Rechte. Dabei genügt es nicht, lediglich das schweizerische Markenregister zu durchforsten, zumal eine Marke als Internationale Marke eingetragen und über eine Schutzausdehnung auch in der Schweiz Schutz erlangen kann. Solche sog. IR-Marken sind im schwei- zerischen Markenregister i.d.R. nicht ersichtlich. Darüber hinaus sollte man sich von Beginn an überlegen, ob die Marke lediglich in der Schweiz oder auch im Ausland geschützt werden soll. Entsprechend wären vorgängig auch ausländische Register auf verwechselbare Zeichen zu überprüfen.

Zu beachten gilt es zudem, dass das IGE bei der Markeneintragung nicht prüft, ob allenfalls eine Verwechslungs- gefahr mit einer anderen – bereits eingetragenen – Marke (geschweige dann mit anderen Schutzrechten) besteht. So kann es durchaus sein, dass im Markenregister zwei identische Marken eingetragen sind. Nur weil die Marke eingetragen wird, bedeutet dies also nicht, dass keine anderen Schutzrechte verletzt werden. Es liegt jeweils am Inhaber der älteren Schutzrechte, seine Prioritätsansprüche gegen jüngere Marken geltend zu machen und durch- zusetzen.

III. WAREN- UND DIENSTLEISTUNGSVERZEICHNIS

Bevor die Marke im schweizerischen Markenregister eingetragen werden kann, muss ein sogenanntes «Waren- und Dienstleistungsverzeichnis» erstellt werden. Darin sind die Waren und / oder Dienstleistungen zu bezeichnen, für welche unter der einzutragenden Marke Schutz erlangt werden soll. Hierbei können allerdings nicht wahllos Begriffe aufgezählt werden, sondern die Eintragung erfolgt nach der sogenannten «Nizza-Klassifikation». Diese sieht unterschiedliche Klassen zur Einteilung sämtlicher Waren und Dienstleistungen vor. Der Minimalist mag nun versucht sein, lediglich eine oder mehrere ganze Klassifikationsgruppen zu nennen, in welcher sich die gewünschten Waren und / oder Dienstleistungen befinden. Dies genügt aber den Anforderungen des IGE nicht. Vielmehr sind die Waren und Dienstleistungen nicht nur der richtigen Klasse zuzuordnen, sondern auch präzise zu bezeichnen (die Angabe «sämtliche Waren / Dienstleistungen dieser Klasse» genügt also nicht).

Ist die Marke einmal eingetragen, kann das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nicht einfach weiter ausgedehnt werden (wenn man z.B. seine Produktpalette weiter ausbauen möchte), sondern die Marke müsste erneut – mit einem erweiterten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis – zur Eintragung angemeldet werden – selbstverständlich unter erneuter Gebührenauferlegung durch das IGE. Die zukünftige Entwicklung des Unternehmens und dessen Marktausrichtung ist also bereits bei der Markeneintragung zu berücksichtigen. Aber auch ein von Beginn weg sehr breit aufgestelltes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis birgt seine Tücken: Je umfassender das Verzeichnis gefasst ist, desto eher besteht die Gefahr, dass ein anderer Markeninhaber mit einer älteren ähnlichen Marke für dieselben Waren und / oder Dienstleistungen Schutz beansprucht hat und damit entsteht das Risiko eines Angriffs durch den Inhaber dieser älteren Marke. Darüber hinaus steigen auch die Gebühren für die Markenhinterlegung (drei Waren- und Dienstleistungsklassen sind in der Grundgebühr von derzeit CHF 550.00 für die Hinterlegung enthalten; jede weitere Klasse kostet den Anmelder CHF 100.00). Hingegen ist eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nach erfolgter Eintragung der Marke jederzeit möglich.

Die Erstellung eines Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses mag sich also vorerst banal anhören, längerfristig betrachtet ist es aber Ausfluss einer durchdachten Markenstrategie, bei welcher insbesondere auch zukünftige Entwicklungen der eigenen Marke zu berücksichtigen sind.

IV. VERWECHSLUNGSGEFAHR

Ist die Marke einmal eingetragen, kann sich der Markeninhaber – schweizweit – gegen ähnliche oder identische Zeichen für gleiche oder gleichartige Waren und Dienstleistungen zur Wehr setzen und deren Gebrauch verbieten, sofern für die relevanten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr besteht. Es wird zwischen unmittelbarer und mittelbarer Verwechslungsgefahr unterschieden. Von mittelbarer Verwechselbarkeit spricht man, wenn der betroffene Verkehrskreis die Zeichen zwar unterscheiden kann, aber aufgrund der Ähnlichkeit der Zeichen der Eindruck entsteht, dass zwischen den betroffenen Unternehmen eine Verbindung besteht (bspw. carpe diem / carpe noctem). Eine unmittelbare Verwechselbarkeit liegt vor, wenn die kollidierenden Zeichen für die Abnehmer der betroffenen Waren und Dienstleistungen schlichtweg kaum zu unterscheiden sind.

Einleitend wurde bereits ausgeführt, dass je eher die Marke beschreibend in Bezug auf die zu schützenden Produkte und Dienstleistungen ist, desto geringer deren Kennzeichenkraft ist und damit deren Schutzumfang. Und im Umkehrschluss: Je origineller und je bekannter eine Marke ist, desto eher wird eine Verletzung anderer Markenrechte angenommen. Um sich vor Angriffen Dritter zu schützen, lohnt es sich also, eine möglichst originelle und insbesondere nicht beschreibende Marke zu kreieren.

V. GRENZEN DES MARKENSCHUTZES

Wird die Marke im schweizerischen Markenregister eingetragen, so ist sie vom Anmeldedatum an für zehn Jahre geschützt. Die Eintragung kann beliebig oft um weitere zehn Jahre verlängert werden. Zu bedenken ist, dass die Marke – sobald sie einmal eingetragen ist – nicht mehr abgeändert werden kann. Demzufolge muss man sich vorgängig gut überlegen, ob in der einzutragenden Marke tatsächlich Slogans, Hinweise auf ein Jubiläum oder andere kurzweilige Hinweise integriert werden sollen. Dabei gilt es nicht ausser Acht zu lassen, dass die Marke nach den ersten fünf Jahren, nachdem sie in das Markenregister eingetragen worden ist, auch in dieser Form für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen benutzt werden muss. D.h., die Marke muss im Wesentlichen genau so gewerblich genutzt werden, wie sie auch eingetragen ist. Wird sie es nicht, so kann ein Dritter beim IGE oder beim zuständigen Zivilgericht die Löschung der Marke verlangen. Darüber hinaus geniesst die Marke selbstverständlich nur für diejenigen Waren und Dienstleistungen Schutz, für welche sie auch registriert worden ist (einzige Ausnahme bilden hier die sog. «berühmten Marken» wie bspw. Coca-Cola oder Nike).

Nach dem Territorialitätsprinzip ist eine Schweizer Marke nur innerhalb der Schweiz geschützt. Soll sie auch im Ausland Schutz erlangen, ist deren Schutz auf die anderen Länder auszudehnen. Hierfür stehen dem Markenanmelder mehrere Wege offen, welche vorgängig mit einem Markenberater besprochen werden sollten. Jede Strategie hat seine Vor- und Nachteile.

Eine Marke kann inzwischen bequem von zu Hause aus online angemeldet werden. Hierzu braucht es keinen Spezialisten. Um eine Marke längerfristig und erfolgreich etablieren zu können, gilt es hingegen bereits in der Vor- bereitung zur Markenanmeldung diverse Fragen und Besonderheiten zu klären, wobei sich die Konsultation eines Markenberaters empfiehlt.

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5. Juni 2019 / MLaw Simone Küng


ERHÖHTE DIVIDENDENZAHLUNGEN ZUGUNSTEN EINZELNER AKTIONÄRE

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Gerade in kleineren Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis, sowie in Gesellschaften, in welchen nicht alle Aktionäre im Betrieb mitarbeiten, kann das Bedürfnis aufkommen, einzelne Aktionäre im Verhältnis zur Gesamtheit des Aktionariats bevorzugt an den von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinnen partizipieren zu lassen. Die aktive Mitarbeit einzelner Aktionäre soll damit mittels erhöhten Dividendenzahlungen, die auch aus steuerrechtlicher Sicht Vorteile bringen, belohnt werden. Doch in welchem Rahmen ist eine solche bevorzugte Behandlung einzelner Aktionäre aus gesellschaftsrechtlicher sowie aus steuerrechtlicher Perspektive zulässig?

I. EINLEITUNG / BEISPIELFALL

Die Ernst Walter AG hat ein Aktienkapital von CHF 100’000.-, eingeteilt in 100 Aktien zu einem Nennwert von je CHF 1’000.-. Die Aktien sind gleichmässig auf die vier Aktionäre Ernst Huber, Walter Bürki, Sven Graber und Otto Falke verteilt. Im Betrieb der Ernst Walter AG sind nur Ernst Huber und Walter Bürki tätig. Sven Graber und Otto Falke haben sich lediglich im Rahmen der Gründung am Kapital der Ernst Walter AG beteiligt. Als Entschädigung für ihren besonderen Effort in der und für die Gesellschaft verlangen Ernst Huber und Walter Bürki, dass sie im Umfang von je 40% statt nur 25% an den Gewinnen der Ernst Walter AG partizipieren dürfen. Sven Graber und Otto Falke sollen damit lediglich im Umfang von je 10% dividendenberechtigt sein. Der Vorschlag stösst bei den beiden allerdings auf wenig Begeisterung, sie sind jedoch bereit, einer solchen Regelung einstweilen zuzustimmen. Um sich auch auf Dauer abzusichern, wollen Ernst Huber und Walter Bürki eine entsprechende Regelung in einem Aktionärbindungsvertrag (ABV) vorsehen.

II. GRUNDPRINZIP DER GLEICHBEHANDLUNG VON AKTIONÄREN

Entscheidendes Grundprinzip des Aktienrechts ist das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre. In diesem Sinne ist insbesondere der Verwaltungsrat verpflichtet, alle Aktionäre nach Massgabe ihres Beteiligungsverhältnisses an der Aktiengesellschaft gleich zu behandeln. Dies gilt – besondere aktienrechtliche Instrumente wie bspw. Stimmrechtsaktien etc. vorbehalten – sowohl für die Gewährung von Mitwirkungs- und Stimmrechten, als auch hinsichtlich der Ausschüttung von Dividenden. Weiter verbietet es das Aktienrecht auch, einem Aktionär nebst der Pflicht, das Nennkapital der von ihm gezeichneten Aktien zu liberieren, weitere Leistungspflichten aufzuerlegen. Konsequenterweise sind damit alle Leistungen eines Aktionärs, die über die Pflicht zur Liberierung des Aktienkapitals hinausgehen, nicht via Dividendenausschüttung zu honorieren. Die Tatsache, dass einzelne Aktionäre aktiv im Betrieb tätig sind und einen höheren Beitrag zur Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft leisten, schafft aus aktienrechtlicher Sicht somit keinen Grund für eine bevorzugte Behandlung bei der Gewinnausschüttung. Solcher zusätzlicher Effort ist via Lohnzahlung, Verwaltungsratshonorar oder Tantiemen zu entschädigen. Ein Beschluss der Generalversammlung, womit einzelnen Aktionären eine höhere Dividende zugesprochen wird, als ihnen aufgrund ihres Aktienanteils zukommen würde, verletzt damit grundsätzlich zwingendes Aktienrecht. Folglich ist es auch dem Verwaltungsrat untersagt, eine ungleiche Dividendenausschüttung vorzunehmen.

Sollen einzelne Aktionäre bei der Dividendenausrichtung bewusst bevorzugt behandelt werden, gibt es hierfür das Instrument der Vorzugsaktie. Vorzugsaktien müssen jedoch statutarisch verankert sein, d.h. die Generalversammlung muss für die Schaffung von Vorzugsaktien einen öffentlich zu beurkundenden Beschluss über eine Statutenänderung fassen. Diese Möglichkeit erweist sich in der Praxis somit als etwas umständlich und unflexibel, weshalb häufig darauf verzichtet wird. Stattdessen werden entsprechende Vereinbarungen in einem Aktionärbindungsvertrag getroffen. Die Aktionäre vereinbaren damit in einer privatrechtlichen und lediglich unter den Vertragsparteien verbindlichen Vereinbarung, dass die an der Generalversammlung beschlossene Gewinnausschüttung nicht im Verhältnis der Beteiligungsquoten, sondern in der von den Parteien eigenmächtig festgelegten Höhe auf die einzelnen Aktionäre verteilt wird. Man spricht hierbei von einer asymmetrischen Dividende. Erfolgt die Anweisung des Verwaltungsrates zur Gewinnausschüttung einstimmig, wird er sich in der Regel fügen, zumal die einzelnen Aktionäre damit bewusst auf ihr Gleichbehandlungsrecht verzichten. Heikel erscheint diese Handhabung dennoch, da der Verwaltungsrat auch in einem solchen Fall dazu gedrängt wird, das Gleichbehandlungsgebot zu verletzen. Sofern die Anweisung der Aktionäre daher nicht einstimmig und nicht nur für das aktuelle Geschäftsjahr erfolgt, darf ihr m.E. nicht gefolgt werden. Konsequenterweise kann eine solche Vereinbarung auf Dauer auch nicht gültig getroffen werden. Dies gilt insbesondere auch für eine entsprechende Bestimmung in einem auf Dauer ausgelegten ABV. In unserem Beispielfall wären Ernst Huber und Walter Bürki daher schlecht beraten, würden sie sich zu stark auf eine Regelung im ABV verlassen. Sven Graber und Otto Falke wären auf Dauer nicht an diese Vereinbarung gebunden und könnten ihre Zustimmung zu einer asymmetrischen Dividendenausschüttung im Einzelfall verwei- gern. Auch wenn dies etwas umständlicher ist, sollten Ernst Huber und Walter Bürki ihr Dividendenvorrecht mittels der Schaffung von Vorzugsaktien absichern. Soll eine ungleiche Dividendenausrichtung lediglich für ein einzelnes Geschäftsjahr erfolgen, dürfte dies mit einer für diesen Einzelfall gültig und einstimmig getroffenen Vereinbarung möglich sein.

III. STEUERRECHTLICHE ASPEKTE

Ein weiterer Aspekt der asymmetrischen Dividende ergibt sich aus dem Steuerrecht. Insbesondere dann, wenn mit einer asymmetrischen Dividende der zusätzliche Effort eines Aktionärs als Arbeitnehmer oder Geschäftsführer entschädigt werden soll, kann die Differenz zwischen der erhöhten Dividendenausschüttung und desjenigen Betrags, der bei einer symmetrischen Dividendenausrichtung ausgerichtet worden wäre, als Lohnzahlung qualifiziert wer- den. In der Folge wird dieser Differenzbetrag nicht als Dividende, sondern als Erwerbseinkommen oder als Tanti- eme besteuert, woraus einerseits eine höhere Steuerlast resultiert und zudem auch AHV geschuldet ist. Der guten Ordnung halber ist auch darauf hinzuweisen, dass eine asymmetrische Dividende – sofern ein zusätzlicher Effort eines Aktionärs für die Aktiengesellschaft nicht ersichtlich ist – gar als Schenkung zwischen den Aktionären qualifiziert werden könnte. Dies hätte dann zur Folge, dass der Differenzbetrag einerseits bei dem/den vermeintlich schenkenden Aktionär(en) als Dividende und andererseits – abhängig vom Kanton und dem Verwandtschaftsverhältnis der Aktionäre – bei dem/den vermeintlich beschenkten Aktionär(en) als Schenkung zu versteuern wäre.

IV. FAZIT

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass asymmetrische Dividenden in jedem Fall nur bei Vorliegen von Vorzugsaktien ausgeschüttet werden dürfen. Ausnahmsweise, sofern ein einstimmiger Beschluss aller Aktionäre für ein spezifisches Geschäftsjahr vorliegt, kann eine Ausschüttung in Abweichung der Beteiligungsquoten erfolgen. Eine entsprechende langfristige Vereinbarung in einem auf Dauer ausgelegten Aktionärbindungsvertrag ist m.E. aber nicht gültig und kann gegen den Willen eines durch diese Regelung benachteiligten Aktionärs im Einzelfall nicht durchgesetzt werden. Hinzu kommt, dass auch der Fiskus eine bevorzugte Besteuerung als Dividende nicht akzeptieren wird und es zu einer Umqualifizierung zu Lohn kommt, was eine Erhöhung der Steuerlast mit sich bringt.

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3. April 2019 / lic. iur. Patricia Geissmann


DIE SICHERUNG EINER FORDERUNG MITTELS SICHERUNGSÜBEREIGNUNG VON AKTIEN

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Valentin Spahr

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

In der Schweiz gibt es eine Vielzahl an Privatpersonen und Unternehmungen, welche ihre Anschaffungen und Geschäfte fremdfinanzieren. Die häufigste Form der Fremdfinanzierung stellt die Hypothek dar. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Kontokorrentkredit und das Darlehen. Eine Hypothekarschuld wird durch das entsprechende Grundstück gesichert, wohingegen beim Darlehen und den übrigen Krediten in der Regel eine anderweitige Sicherheit zu bestellen ist. Als solche Sicherheit können unter anderem Aktien dienen. Nachfolgend werden die rechtlichen Voraussetzungen und Schwierigkeiten aufgezeigt, welche es bei der Sicherungsübereignung von Aktien zu beachten gilt. Dabei ist es nicht relevant, basierend auf welchem Vertragstypus die Fremdfinanzierung erfolgt, denn die in der Folge dargestellten rechtlichen Aspekte sind bei einer Sicherungsübereignung von Aktien stets zu beachten.

I. EINLEITUNG

Mit der Sicherungsübereignung wird grundsätzlich derselbe Zweck verfolgt wie mit einer gewöhnlichen Verpfändung. Der Sicherungsnehmer (Fiduziar) hat die Befugnis, im Falle der Nichtzahlung der Sicherungsforderung den zur Sicherung übertragene Sicherungsgegenstand zu verwerten und sich aus dem Erlös zu befriedigen. Der Sicherungsgeber (Fiduziant) überträgt somit dem Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand fiduziarisch (treuhänderisch) zu Eigentum. Dies bedeutet, dass der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer zwar zu Eigentum übertragen wird, jedoch mit der Abrede (Sicherungsabrede), dass über diesen nur im Rahmen des Sicherungszweckes verfügt werden darf und bei Tilgung der Sicherungsforderung dem Sicherungsgeber zurück zu übertragen ist. Damit verfügt der Sicherungsnehmer im Vergleich zum Pfandrecht über eine stärkere Rechtsstellung. Er erhält ein absolutes Recht (Eigentum) am Sicherungsgegenstand, welches er gegenüber jedermann durchsetzen kann. Dieses absolute Recht ist nur im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Sicherungsgeber durch eine relatives Recht (Sicherungsabrede) beschränkt. Der Sicherungsnehmer kann somit im Verhältnis zu Dritten mehr, als er gemäss Sicherungsabrede mit dem Sicherungsgeber darf. Man spricht diesbezüglich von «überschiessender Rechtsmacht» zu Gunsten des Sicherungsnehmers.

Als Sicherungsforderung kommen bestehende, bedingte, zukünftige oder bloss mögliche Forderungen in Betracht. In der Regel ist der Sicherungsgeber Schuldner der Sicherungsforderung, wobei ohne Weiteres auch eine Drittschuld mit der Sicherungsübereignung gesichert werden kann. Als Sicherungsobjekt kommen alle jene beweglichen Sachen in Frage, die Gegenstand des Faustpfandrechts (Art. 884 ff. ZGB) sein können. So können Inhaber- und Orderpapiere Gegenstand einer Sicherungsübereignung sein. Darunter fallen auch verbriefte Aktien (d.h. in einer Urkunde ausgestellte Namen- oder Inhaberaktien). Werden hingegen Forderungen, Rechte und unverbriefte Aktien zur Sicherung einer Forderung übertragen, spricht man von einer Sicherungszession, da diese Vermögenswerte mittels Zession (Art. 164 ff. OR) übertragen werden. Auf die Sicherungszession wird in diesem Artikel nur am Rande eingegangen.

Die vertragliche Grundlage der Sicherungsübereignung bildet die Sicherungsabrede. Sie beinhaltet die Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Sicherungsnehmer, diesem das Eigentum am Sicherungsgegenstand zu verschaffen. Weiter beinhaltet die Sicherungsabrede das relative Recht, welches den Sicherungsnehmer in der Ausübung seines absoluten Rechts (Eigentum) am Sicherungsgegenstand beschränkt. Weiter werden in der Sicherungsabrede die Voraussetzungen geregelt, unter denen der Sicherungsgegenstand zurückzugeben ist. Bei der Sicherungsabrede handelt es sich um einen Innominatkontrakt oder einen Vertrag sui generis, auf welchen, vorbehältlich anderer Vereinbarungen die Vorschriften über das Faustpfand (Art. 884 ff. ZGB), vornehmlich die Vorschriften über den einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR) sowie die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 1 ff. OR) Anwendung finden.

II. DIE ÜBERTRAGUNG VON AKTIEN

Wie erwähnt, hat der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer das Eigentum am Sicherungsgegenstand (vorliegend den Aktien) basierend auf den Vereinbarungen in der Sicherungsabrede zu verschaffen. Bei der Übertragung von Aktien muss unterschieden werden, ob es sich bei den fraglichen Aktien um Namenaktien oder Inhaberaktien handelt. Weiter ist von Bedeutung, ob die Aktien in verbriefter Form (als Wertpapier) oder in unverbriefter Form vorliegen. Je nach Ausgestaltung unterscheiden sich die Vorschriften der Übertragung. Werden Inhaberpapiere verbrieft und als Wertpapiere ausgegeben, findet eine Übertragung unmittelbar durch die Übergabe des Wertpapiers vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer statt. Sind die Inhaberpapiere nicht als Wertpapier verbrieft, liegt entweder eine unverbriefte Inhaberaktie oder ein Wertrecht vor. Beide werden durch Zession nach Art. 164 ff. OR übertragen. Als Wertpapier verbriefte Namenaktien werden durch die Übergabe des Wertpapiers und einen Übertragungsvermerk, dem sog. Indossament (z.B. auf der Rückseite des Aktientitels), übertragen. Beim Indossament handelt es sich um die Unterschrift des bisherigen Eigentümers, allenfalls ergänzt mit dem Namen des Erwerbers. Wird der Name des Erwerbers weggelassen, so handelt es sich um ein Blankoindossament, und die Namenaktie kann künftig wie eine Inhaberaktie allein durch Übergabe des Papiers übertragen werden. Jeder zukünftige Inhaber kann seinen Namen eigenhändig ergänzen und sich so zum ausgewiesenen Eigentümer der Aktie erklären. Sind die Namenaktien nicht als Wertpapier ausgegeben, handelt es sich entweder um unverbriefte Namenaktien oder um Wertrechte. Beide werden mittels schriftlicher Abtretung (Zession) übertragen. Bei Gesellschaften mit Namenaktien ist es üblich, dass eine Übertragungsbeschränkung (Vinkulierung) vorliegt, wonach die Übertragung der Aktien in der Regel zusätzlich noch der Zustimmung des Verwaltungsrates bedarf. Dieser Zustimmung bedarf es auch im Fall einer Sicherungsübereignung.

Aufgrund der bestehenden Formalitäten geschehen in der Praxis bei der Übertragung von Aktien häufig Fehler. Sollen die Aktien jedoch als Sicherungsobjekt im Rahmen einer Sicherungsübereignung dienen, müssen sie gemäss der vertraglichen Verpflichtung in der Sicherungsabrede dem Sicherungsnehmer zu Eigentum übertragen werden. Zu beachten ist, dass wenn verbriefte Aktien vor der Eintragung der Aktiengesellschaft ins Handelsregister ausgegeben werden, dies die Nichtigkeit des Wertpapiers zur Folge hat. Dies kommt häufig vor, da zwischen der Gründung der Aktiengesellschaft beim Notar und der Eintragung im Handelsregister jeweils einige Tage vergehen. Aktien, die in dieser Zeit ausgegeben werden, sind nichtig. Weiter wird oft fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Übertragung der Aktien mit dem Abschluss des Kaufvertrags stattfindet. Diese geschieht jedoch erst mit der Einhaltung der relevanten Formvorschriften. Verbriefte Namenaktien müssen übergeben und indossiert werden. Unverbriefte Namen- und Inhaberaktien werden nur mit Einhaltung der Formvorschriften der Zession nach Art. 164 ff. OR gültig übertragen. Auch werden die anfallenden Veränderungen im Aktionariat oftmals unzureichend dokumentiert. Im Aktienbuch oder auf dem Aktientitel werden Fusionen, Erbgänge oder Spaltungen häufig nicht korrekt nachvollzogen. Sodann ist es auch denkbar, dass Aktientitel verloren gehen oder vernichtet werden. Die Folge fehlerhafter Übertragung ist, dass das Eigentum an den Aktien nicht vom Sicherungsgeber auf den Sicherungsnehmer übergeht, was zur Konsequenz hat, dass die zu sichernde Forderung gerade nicht gesichert ist.

III. DIE AUSÜBUNG DER AKTIONÄRSRECHTE

In Bezug auf die Ausübung der Aktionärsrechte an den per Sicherungsübereignung übertragenen Aktien steht es den Parteien grundsätzlich frei, im Rahmen der Sicherungsabrede zu vereinbaren, wer die Aktionärsrechte während der Sicherungsübereignung ausüben darf (z.B. Stimmrecht), wem der finanzielle Nutzen (z.B. Dividenden) aus den Aktien zusteht und ob dieser bei Rückübergabe des Sicherungsgegenstandes herauszugeben ist. Zu beachten ist, dass, wie oben dargestellt, der Sicherungsnehmer gegenüber Dritten als Eigentümer der Aktien gilt. Somit wird er von der Unternehmung, die die Aktien ausgestellt hat, als Eigentümer dieser Aktien betrachtet. Wurde nun vereinbart, dass trotzdem der Sicherungsgeber das Stimmrecht der Aktien ausüben darf, muss dieser vom Sicherungsnehmer gehörig bevollmächtigt werden. Auch denkbar wäre es, dass zwar der Sicherungsnehmer das Stimmrecht ausübt, sich jedoch an die Instruktionen des Sicherungsgebers zu halten hat. Weiter werden auch die Dividendenzahlungen an den Sicherungsnehmer geleistet. Diese sind jedoch, wenn nichts anderes in der Sicherungsabrede vereinbart wurde, dem Sicherungsgeber herauszugeben. Dies entspricht dem Sinn der Sicherungsübereignung, nur den Ausfall der Sicherungsforderung abzusichern. Deshalb wurde der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer fiduziarisch zu Eigentum übertragen. Auf die dazu gehörenden Rechte und den daraus resultierenden Nutzen erstreckt sich das Sicherungseigentum nur bei entsprechender Vereinbarung in der Sicherungsabrede. Weiter sind bei einer kotierten Gesellschaft oder einer Bank die börsenrechtlichen Mel- depflichten, die Pflicht zur Bekanntgabe bedeutender Aktionäre und die Meldepflicht nach Bankengesetz zu beachten.

IV. DIE VERWERTUNG

Wird die Sicherungsforderung bei Fälligkeit nicht getilgt, so hat der Sicherungsnehmer Anspruch auf Befriedigung aus dem Sicherungsgegenstand. Die Verwertung erfolgt nicht durch eine Betreibung auf Pfandverwertung, sondern entsprechend den Regeln über die private Verwertung. Diesbezüglich braucht es keine besondere Vereinbarung in der Sicherungsabrede. Dem Sicherungsnehmer steht sowohl der «freihändige Verkauf», die «freiwillige Versteigerung» wie auch der «Selbsteintritt» zur Verfügung. Nach der Verwertung ist der Sicherungsnehmer gegenüber dem Sicherungsgeber zur Abrechnung verpflichtet. Bei der Abrechnung kann der Sicherungsnehmer nebst dem Kapitalbetrag seiner Forderung die Vertragszinsen, Verzugszinsen und Inkassospesen einschliesslich Verwertungskosten veranschlagen. Auf der anderen Seite sind dem Verwertungserlös Nutzungserträge (z.B. Dividenden) hinzuzurechnen. Ein allfälliger Überschuss ist dem Sicherungsgeber herauszugeben.

Bei der privaten Verwertung muss der Sicherungsnehmer den Verwertungsvorgang rechtzeitig ankündigen und damit den Sicherungsgeber über die bevorstehende Änderung der Rechtslage ins Bild setzen, damit der Sicherungsgeber Gelegenheit hat, die angedrohte Verwertung durch Befriedigung des Sicherungsnehmers abzuwenden. Im Regelfall hat die Androhung zu erfolgen, wenn die gesicherte Forderung fällig wird. Gleichzeitig wird eine angemessene Nachfrist auf Erfüllung der Forderung angesetzt. Die Pflicht zur Androhung ist jedoch dispositiver Natur und kann folglich wegbedungen werden. Der Sicherungsnehmer übt sein Selbstverkaufsrecht durch Abschluss und Erfüllung eines Kaufvertrages mit dem Erwerber des Sicherungsgegenstandes aus. Hat der Sicherungsgegenstand einen Börsen- oder Marktwert, ist auch ein Selbsteintritt, d.h. die Übernahme des Sicherungsgegenstandes vom fiduziarischen Eigentum zu normalem Eigentum, zulässig. Verfügt der Sicherungsgegenstand nicht über einen Börsen- oder Marktwert, steht dem Sicherungsnehmer der Selbsteintritt nur zur Verfügung, wenn das Einverständnis des Sicherungsgebers vorliegt. Nachdem der Selbsteintritt erfolgt ist, ist das Eigentum des Sicherungsnehmers am Sicherungsgegenstand nicht mehr durch die Sicherungsabrede begrenzt.

Es empfiehlt sich, sowohl die Voraussetzungen der Verwertung wie auch deren Modalitäten in der Sicherungsvereinbarung vorab zu vereinbaren.

V. SONDERFALL: EIGENE AKTIEN

Werden einer Aktiengesellschaft, welche als Sicherungsnehmerin fungiert, eigene Aktien als Sicherungsgegenstand angeboten, hat sie zusätzliche rechtliche und wirtschaftliche Aspekte zu beachten. Vorrangig stellt sich dem Verwaltungsrat die Frage der Risikoeinschätzung und der Bewertung der Sicherheit. Im Zweifelsfall darf er die eigenen Aktien nicht als vollwertige Sicherheit qualifizieren, da bei einer Verwertung des Sicherungsgegenstandes das plötzliche Angebot der Aktien auf den Markt drücken kann, insoweit als die Gesellschaft nicht selber als Erwerberin auftreten kann oder darf. Ferner muss diesbezüglich berücksichtigt werden, dass bei nicht kotierten Aktien sich die Suche nach einem Käufer schwieriger gestalten kann, da die Aktien nicht an einer Börse gehandelt werden. Dies kann so weit gehen, dass bei der Verwertung der eigenen Aktien kein Erlös mehr erzielt werden kann und sich die gesichert geglaubte Forderung als ungesichert herausstellt. Weiter sind die gesetzlichen Limitierungen in Bezug auf das Halten eigener Aktien nach Art. 659 Abs. 1 OR zu beachten. Eine Unternehmung darf grundsätzlich nicht mehr als zehn Prozent ihres Aktienkapitals selber halten, und zum Kauf der eigenen Aktien darf nur frei verwendbares Eigenkapital eingesetzt werden.

VI. FAZIT

Bei der Sicherungsübereignung von Aktien stellen sich sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Fragen. Die verschiedenen Formvorschriften bei der Übertragung der unterschiedlichen Aktienarten sind entscheidend, da ansonsten die Übertragung der Aktien nichtig ist. Die Verwertung erfolgt nach den Regeln der Privatverwertung, und der Sicherungsnehmer hat gegenüber dem Sicherungsgeber entsprechend abzurechnen. Auf der wirtschaftlichen Seite stellt sich insbesondere hinsichtlich der «eigenen Aktien» die Frage der Risikoeinschätzung. Kommt der Verwaltungsrat in Bezug auf diese Risikoeinschätzung seinen Pflichten nicht nach, kann sich die Frage der persönlichen Haftung der Verwaltungsratsmitglieder nach Art. 754 OR stellen.

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9. Januar 2019 /  lic. iur. Patricia Geissmann unter Mithilfe von MLaw Valentin Spahr


MÖGLICHKEITEN BEI MÄNGELN BEIM UNTERNEHMENSKAUF

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der Kauf eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils erfolgt in aller Regel entweder als «Share Deal» oder als «Asset Deal». Beim Share Deal wird die (stimmen- und kapitalmässige) Mehrheit der Anteile (d.h. Aktien oder Anteilscheine) der zu übernehmenden Gesellschaft erworben; beim Asset Deal erfolgt die Übernahme des Unternehmens durch Erwerb sämtlicher oder eines Teils der Vermögenswerte, d.h. der Aktiven und Passiven des Unternehmens. Obwohl das zu kaufende Unternehmen resp. die zu kaufenden Vermögensteile vom Käufer nach Möglichkeit bereits im Vorfeld des Vertragsabschlusses detailliert geprüft werden («Due Diligence»), kann es vorkommen, dass sich erst nach Vertragsvollzug herausstellt, dass das erworbene Unternehmen oder der erworbene Unternehmensteil nicht von jener Qualität oder Quantität war, die der Käufer erwartete oder welche ihm vom Verkäufer gar explizit versprochen wurde. Nachstehend soll im Rahmen einer Übersicht aufgezeigt werden, welche rechtlichen Möglichkeiten ein Käufer in einer solchen Situation hat.

I. GRUNDZÜGE ASSET DEAL / SHARE DEAL

Ein Unternehmenskauf kann in Form eines Asset Deals oder eines Share Deals erfolgen. Beim Asset Deal, bei welchem der Käufer Aktiven, Passiven, Forderungen und Vertragsbeziehungen eines Unternehmens erwirbt, handelt es sich um einen sog. Innominatkontrakt mit vorwiegend kaufrechtlichen Elementen. Die einzelnen Vermögensteile werden mit anderen Worten käuflich erworben, Forderungen werden an den Käufer abgetreten und der Käufer tritt in die laufenden Vertragsbeziehungen des zu kaufenden Unternehmens ein. Die zu übernehmenden Vermögenswerte, z.B. Maschinen, Mobiliar, Bargeld, Forderungen etc., müssen daher individuell bestimmt und vom Verkäufer auf den Käufer übertragen werden. Die Übertragung kann je einzeln, im Rahmen einer sog. Singularsukzession, oder gesamtheitlich, im Rahmen einer fusionsrechtlichen Vermögensübertragung (sog. Universalssukzession) erfolgen. Beide Übertragungsformen weisen Vor- und Nachteile auf, auf welche vorliegend nicht im Einzelnen eingegangen werden kann.

Im Unterscheid zu einem Asset Deal werden bei einem Share Deal vom Käufer die Aktien oder Anteilscheine des zu übernehmenden Unternehmens vom bisherigen Inhaber (Aktionär oder Gesellschafter) erworben. Das Unternehmen resp. die Vermögenswerte des Unternehmens werden dadurch somit nur indirekt, via dessen Aktien/Anteilscheine, auf den Käufer übertragen. Der Käufer erlangt durch den Kauf der Aktien/Anteilscheine somit die Kontrolle am Unternehmen als solchem.

II. MÖGLICHKEITEN BEI MÄNGELN

Leidet eine gekaufte Sache an inhaltlichen oder rechtlichen Mängeln, die den Wert oder die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich mindern, hat ein Käufer die Möglichkeit, die Rechtsbehelfe gemäss Art. 197 ff. OR geltend zu machen. Demnach kann der Käufer entweder die Wandlung, d.h. die Rückabwicklung des Kaufvertrages, oder die Minderung des von ihm für die Sache bezahlten Kaufpreises verlangen. Alternativ dazu besteht je nach Situation zudem die Möglichkeit, die Gültigkeit des Kaufvertrages als solchen in Frage zu stellen. Dies dann, wenn sich der Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages in einem Irrtum hinsichtlich Tatsachen, welche Grundlage des Kaufvertrages bildeten, befunden hat (Irrtumsanfechtung, Art. 23 und Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR).

Wie bereits einleitend ausgeführt, ist der Kaufgegenstand bei einem Unternehmenskauf im Rahmen eines Share Deals zu unterscheiden vom Kaufgegenstand bei einem Asset Deal. Da im erstgenannten Fall Aktien/Anteilscheine und im zweitgenannten Fall Vermögenswerte (bspw. Maschinen) gekauft werden, beurteilt sich auch die Mangelhaftigkeit dieser Kaufgegenstände unterschiedlich. Nachfolgend wird aufgezeigt, welche Auswirkungen diese Unterscheidung auf die Rechtsbehelfe des Käufers hat:

1. Sachmängelgewährleistung

Beim Asset Deal werden wie erwähnt Vermögenswerte eines Unternehmens auf den Käufer übertragen. Der Kaufpreis für diese Vermögenswerte wird damit mehrheitlich im Verhältnis zur Qualität und zum Wert derselben festgelegt. Leidet der Kaufgegenstand an einem Mangel und ist sein Wert effektiv tiefer als von den Parteien im Kaufvertrag zugrunde gelegt, hat der Käufer die Möglichkeit einer Kaufpreisminderung gemäss Art. 205 OR. Möglich wäre grundsätzlich auch die Rückgabe des Kaufgegenstandes gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Je nach Zeitdauer, die seit Abschluss des Kaufvertrages verstrichen ist, und je nach Gewichtigkeit des geltend gemachten Mangels, ist eine solche Rückabwicklung aber in den seltensten Fällen angemessen und praktikabel.

Beim Share Deal werden keine Vermögenswerte direkt, sondern Aktien/Anteilscheine an einem Unternehmen übertragen. Ein Qualitätsmangel der einzelnen Vermögenswerte des Unternehmens stellen somit keinen eigentlichen Mangel der Kaufsache dar. Denn die Kaufsache sind ja die Aktien und nicht die einzelnen Vermögenswerte. Dies hat zur Folge, dass eine Wandlung oder Kaufpreisminderung grundsätzlich nicht möglich ist, wenn «bloss» die Vermögenswerte des gekauften Unternehmens mangelhaft sind. Trotz diverser kritischer Stimmen ist diese Rechtsfolge bis heute ständige bundesgerichtliche Rechtsprecung. Für den wirtschaftlichen Wert des durch die Aktien verbrieften Unternehmens haftet der Verkäufer somit nur dann, wenn er dafür eine besondere Zusicherung abgegeben hat. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages oder eine Kaufpreisminderung kommen bei einem Share Deal daher einzig dann in Frage, wenn der Verkäufer im Kaufvertrag eine Zusicherung hinsichtlich der Qualität oder des Wertes der durch die Aktien verkörperten Vermögenswerte des Unternehmens abgegeben hat.

2. Irrtumsanfechtung

Was sowohl dem Share Deal als auch dem Asset Deal gemeinsam ist, ist dass der Käufer, der sich hinsichtlich des Abschlusses des Kaufvertrages in einem Irrtum befunden hat, den Vertrag als Ganzes anfechten kann (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR). Dieser Weg steht jedoch nur dann offen, wenn er sich beim Abschluss des Kaufvertrages über eine wesentliche Grundlage des Kaufvertrages geirrt hat. Wesentliche Grundlage kann hierbei aber auch der Wert des gekauften Unternehmens sein. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der Wert des Unternehmens sowohl beim Share Deal als auch beim Asset Deal Gegenstand einer Fehlvorstellung bilden, da beiden Vertragskonstrukten gemeinsam ist, dass die Parteien letztlich die Übertragung des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit anstreben. Das Bundesgericht hält diesbezüglich aber auch fest, dass der vereinbarte Kaufpreis nicht ohne Weiteres mit der Wertvorstellung einer Partei gleichgesetzt werden könne. Eine Fehlvorstellung hinsichtlich einer einzelnen oder bestimmten Tatsache kann daher nur den betriebswirtschaftlich ermittelten Unternehmenswert betreffen bzw. sich auf Faktoren beziehen, welche diesen beeinflussen. Der ausgehandelte Kaufpreis als Ganzes muss dadurch nicht betroffen sein.1 Vielmehr hat der Käufer nachzuweisen, dass dem auch tatsächlich so ist.

III. FAZIT

Hat sich der Käufer eines Unternehmens hinsichtlich dessen Vermögenswerte erwiesenermassen in einem Irrtum bezüglich Qualität, Quantität oder Wert befunden, kann er unter Umständen die Rückabwicklung des Kaufvertrages gestützt auf einen Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) geltend machen, und zwar unabhängig davon, ob der Unternehmenskauf als Share Deal oder Asset Deals stattgefunden hat. Zu beachten gilt es indes, dass mit der Irrtumsanfechtung die Rückabwicklung des Kaufvertrages als Ganzes angestrebt wird; eine eigentliche Kaufpreisminderung ist mit der Irrtumsanfechtung – zumindest gemäss heutiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung – nicht möglich. Zielt der Käufer auf eine Kaufpreisminderung ab, steht ihm dieser Weg nur offen, wenn er nachzuweisen vermag, dass die eigentliche Kaufsache an einem quantitativen oder qualitativen Mangel leidet. Vorbehältlich einer expliziten vertraglichen Zusicherung beim Share Deal besteht diese Möglichkeit somit nur beim Asset Deal, da nur dort die Vermögenswerte des Unternehmens den eigentlichen Kaufgegenstand bilden.

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9. Mai 2018 / lic. iur. Patricia Geissmann

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