DIE KINDESENTFÜHRUNG UND DAS HKÜ

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. EINLEITUNG

In Anbetracht der Vielzahl binationaler Ehen stellt sich im Falle einer Trennung der Eltern die Frage, in welchem Land die Kinder bleiben, wenn der aus dem Ausland stammende Elternteil mit dem Kind/ den Kindern in sein Heimatland zurückkehrt. Ein Wegzug ins Ausland erschwert selbstverständlich das Aufrechterhalten von Kontakten zwischen dem im Ursprungsland verbleibenden Elternteil und den Kindern, weshalb ein Umzug in ein anderes Land nicht immer auf Zustimmung stösst. Üben die Elternteile beide die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind / die Kinder aus, müssen sie über den Aufenthaltsort ihrer Kinder gemeinsam entscheiden. Ein Umzug eines Elternteiles mit Kindern in ein anderes Land, ohne vorab die Zustimmung des im Ursprungsland verbleibenden Elternteils eingeholt zu haben, stellt immer eine Entführung dar. Dem im Ursprungsland verbleibenden Elternteil, der für den Umzug des Kindes die Zustimmung verweigert hat, bleibt damit nur noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückführung des Kindes nach HkÜ zu stellen.

II. DIE KINDSENTFÜHRUNG NACH DEM HKÜ

A) Allgemeines

Fakt ist, dass es zumeist die Mütter sind, welche die Kinder auch ohne erfolgte Zustimmung des Kindsvaters ins Ausland verbringen, wobei das Durchschnittsalter der Kinder bei rund 7 Jahren liegt.

Der Begriff der „Entführung“ klingt dramatisch und bedeutet nicht, dass der im Ursprungsland verbleibende Elternteil nicht um den Aufenthaltsort des Kindes weiss. Vielmehr beschreibt der Begriff der Entführung den Umstand, dass ein Kind ohne Einwilligung des sorgeberechtigten im Ursprungsstaat verbleibenden Elternteils in ein anderes Land verbracht wurde. Dies gilt auch dann, wenn ein Kind mit der Mutter in einen nur wenige Kilometer entfernt liegenden Ort über die Landesgrenze hinaus zieht.

Mit der Möglichkeit, einen Rückführungsantrag über das HkÜ zu stellen, soll der sogenannte status quo ante, mithin der ursprünglich bestehende Zustand wieder hergestellt werden, um zu verhindern, dass Kinder unter Inkaufnahme einer Trennung von einem Elternteil in das Ausland verbracht werden. Stellt ein Elternteil einen Antrag nach HkÜ auf Rückführung des Kindes, entscheidet das Gericht nur hinsichtlich der Frage, ob das Kind zurück in den Ursprungsstaat verbracht werden muss. Mögliche Streitigkeiten hinsichtlich der Frage, wer das Kind betreut, sind separat zu klären und betreffen die Frage der Obhut. Festhalten lässt sich, dass HkÜ-Verfahren grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben, wenn das Kind rein tatsächlich in ein anderes Land verbracht wurde und keine Gründe ersichtlich sind, die den Aufenthalt des Kindes in diesem anderen Land rechtfertigen.

Art. 16 HkÜ hält fest, dass im Falle eines laufenden Rückführungsverfahrens kein Sorgerechtsprozess anhängig gemacht werden soll. Dies deshalb, da im Falle einer Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf nur einen Elternteil die Zustimmungspflicht zum Wegzug entfällt, da der alleinsorgerechtsinhabende Elternteil auch über den Aufenthalt des Kindes alleine bestimmen kann. Wurde einem mit seinem Kind im Ausland lebenden Elternteil im Nachhinein die alleinige elterliche Sorge übertragen, würde die Widerrechtlichkeit der Entführung nachträglich entfallen, womit das Rückführungsverfahren obsolet wird.

B) Voraussetzungen der Rückführung

Ein Antrag auf Rückführung ist innert Jahresfrist zu stellen. Dies deshalb, da vermieden werden soll, dass sich das Kind an einem neuen Ort in einem anderen Land einlebt und die Rückkehr in den Ausgangsstaat eine Belastung für das Kind darstellt. Denn es wird vermutet, dass sich ein Kind nach ca. einem Jahr an einem neuen Ort eingelebt hat, womit eine Rückführung dem Kindeswohl widerspricht. Problematisch ist die Jahresfrist dann, wenn der im Ursprungsstaat verbleibende Elternteil keine Kenntnis über den Aufenthalt des Kindes hat. So können diverse Vorabklärungen erforderlich sein, um den Aufenthalt eines Kindes überhaupt erst ausfindig zu machen, womit ein Ablauf der Jahresfrist droht.

Die Widerrechtlichkeit der Entführung und damit eine erfolgreiche Rückführung des Kindes entfallen auch dann,wenn der im Ursprungsstaat verbleibende Elternteil dem Umzug im Nachhinein zustimmt oder diesen in irgendeiner anderen Form genehmigt. Eine derartige Genehmigung kann bereits in der Ausübung des Besuchsrechts gesehen werden. Eine einmal erteilte Zustimmung zum Wegzug der eigenen Kinder mit dem anderen Elternteil in ein anderes Land kann nicht widerrufen werden, da die erfolgte Zustimmung und der darauffolgende Umzug massive Veränderungen mit sich bringen, die nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können.

Weitere Gründe, welche einer Rückführung entgegenstehen, sind in Art. 13 HkÜ aufgeführt. Genannt ist hierbei die Kindeswohlgefährdung, welche dann bejaht wird, wenn ein Kind sehr klein ist (Babys / Kleinkinder) und damit von der Mutter, z.B. weil diese noch stillt, abhängig ist. Einer Rückführung eines Säuglings kann sich einer Mutter allerdings nur erfolgreich widersetzen, wenn sie nachzuweisen vermag, dass ihr die Rückkehr mit dem Kind unzumutbar ist.

Ein weiterer Hinderungsgrund wird bejaht, wenn sich das Kind selbst einer Rückführung in das Ursprungsland widersetzt. Umstritten ist hierbei die Altersgrenze, wobei der Kindeswille sicherlich ab dem Alter von 11 Jahren nicht unberücksichtigt bleiben kann. Vorausgesetzt wird allerdings, dass sich das Kind mit Nachdruck und aus nachvollziehbaren Gründen gegen die Rückkehr in das Ursprungsland wehrt.

III. FAZIT

Festzuhalten ist, dass der Umzug eines Elternteils ohne Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils grundsätzlich die Möglichkeit eines Rückführungsverfahrens nach dem HkÜ eröffnet. Vermieden werden kann ein derartiges Verfahren, indem der mit dem Kind wegziehende Elternteil die Zustimmung desjenigen Elternteils, der den Umzug verhindern will, einklagt. Nur so wird sichergestellt, dass der Umzug in ein anderes Land legal erfolgt.

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18. Mai 2017 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher


WEGZUG EINES ELTERNTEILS INS AUSLAND

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Aufgrund der grossen Anzahl binationaler Ehen stellt sich immer mehr die Frage, wie mit dem Wegzug eines Elternteiles gemeinsam mit den Kindern ins Ausland, zumeist in das eigene Heimatland, zu verfahren ist, nachdem mit der Gesetzesreform im Sommer 2014 bei gemeinsamer elterlicher Sorge auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Elternteilen – ungeachtet der ausgeübten Obhut für die Kinder – zusteht. Folge ist, dass es für den Umzug eines gemeinsamen Kindes ins Ausland bzw. wenn die Besuchskontakte durch den Wegzug erschwert werden, grundsätzlich der Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils bedarf (Art. 301a ZGB).

I.

Im Entscheid 5A_450/2015 vom 11. März 2016 hat sich das Bundesgericht ausführlich mit der eingangs erwähnten Thematik befasst. Gegenstand der Diskussion ist hierbei Art. 301a ZGB, der im Hinblick auf die bestehende Niederlassungs- und Bewegungsfreiheit der Elternteile auszulegen ist. Vor diesem Hintergrund wird festgehalten, dass der Umzug einer erwachsenen Person aufgrund erfolgter Trennung keiner Zustimmung des anderen Elternteils bedarf. Andernfalls hätte der verweigerungsberechtigte Elternteil die Möglichkeit, Verfassungsrechte der Kindsmutter bzw. desjenigen Elternteils, der das Land verlassen will, zu beschneiden. Auf diese Art und Weise würde faktisch eine Residenzpflicht begründet, was keinesfalls Ziel der abverlangten Zustimmung für einen Umzug ins Ausland war. Dies bedeutet zugleich, dass die Motive des wegziehenden Elternteils grundsätzlich nicht zur Debatte stehen können. Damit beschränkt sich die geforderte Zustimmung ausschliesslich auf den Wegzug des Kindes, dessen Lebensgestaltung von den Interessen und Plänen der Eltern abhängt. Diese gegenseitig bedingte Abhängigkeit erfordert eine Interessenabwägung im Einzelfall, die nur unter Berücksichtigung des Kindeswohls beurteilt werden kann, wobei die Gründe des umziehenden Elternteils für den Wegzug ebenfalls zu gewichten sind; verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung den Zweck, den Kontakt zum anderen Elternteil und – damit auch zwischen dem anderen Elternteil und dem Kind – zu vereiteln, drängt sich die Frage auf, ob der wegziehende Elternteil ausreichend erziehungsgeeignet ist, da das zuvor genannte Motiv des Wegzugs nicht zu überzeugen vermag. Gleichwohl steht einer Auswanderung nicht ohne weiteres entgegen, dass zum Kindeswohl in der Regel der Umgang zu beiden Elternteilen gehört. Die Erschwerung des Umgangs bzw. der Besuchskontakte durch den Umzug ins Ausland ist als notwendige Folge des Wegzugs dann hinzunehmen, wenn vertretbare Gründe für den Umzug ins Ausland vorliegen. Die Kernfrage ist hierbei die Abwägung, ob die Auswanderung mit dem hauptbetreuenden Elternteil oder der Verbleib des Kindes beim im Inland ansässigen Elternteil die bessere Lösung für das Kind darstellt. Hierbei ist eine klare Tendenz erkennbar, dass der Wegzug eines Elternteils mit dem Kind dann ermöglicht werden soll, wenn die Betreuung des Kindes auch vor dem Wegzug überwiegend vom Wegziehenden übernommen wurde. Entscheidend ist immer die persönliche Beziehung zwischen Eltern und Kind, wobei darauf abzustellen ist, ob die Bereitschaft besteht, das bzw. die Kinder weitgehend persönlich zu betreuen. Entscheidend ist selbstverständlich auch das Alter der Kinder; sind die Kinder noch klein und demzufolge mehr personenbezogen, ist eine Umteilung an den zurückbleibenden Elternteil angesichts des Grundsatzes der Betreuungs- und Erziehungskontinuität nicht leichthin vorzunehmen. Etwas anderes gilt für ältere Kinder, welche zunehmend einen eigenen Freundeskreis aufbauen und bei welchen ein Schulwechsel Probleme mit sich bringen kann. Mit den einzelnen Gesichtspunkten setzt sich der BGE vom 11. März 2016 auseinander, der zusammenfassend festhält, dass einem wegzugswilligen Elternteil, welcher die Kinder bislang überwiegend betreut hat und dies auch zukünftig tun wird, die Verlegung des Aufenthaltsorts des Kindes ins Ausland in der Regel zu bewilligen sein wird, wovon auch die Lehre ausgeht. Auch wenn die Frage, ob ein Elternteil ins Ausland wegziehen darf, immer im Einzelfall zu entscheiden ist, ist klar, dass sich diese Entscheidung am Kindeswohl zu orientieren hat.

Gleichwohl wurde im eingangs erwähnten Entscheid auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechtes eines jeden sowie des grundsätzlichen Rechts auf freie Wahl des Wohnorts festgehalten, dass erwartete Sprachschwierigkeiten des Kindes im Ausland oder die Beeinträchtigung der Besuchskontakte zum verbleibenden Elternteil keinen Grund darstellen, einen Umzug ins Ausland zu verwehren, womit gewichtige Gründe angeführt werden müssen, um den Wegzug des Kindes ins Ausland zu verweigern. Dies muss erst recht gelten, wenn das Kind innerhalb der Schweiz umzieht und hierdurch die Besuchskontakte beeinträchtigt werden.

II.

Der Entscheid leistet einen wichtigen Beitrag zu Art. 301a II ZGB (erforderliche Zustimmung bei Wegzug des Kindes) der im Spannungsverhältnis mit den Freiheitsrechten des mit dem Kind wegeziehenden Elternteils steht, mit diesen gewissermassen kollidiert. So stellt der Entscheid klar, dass nur gewichtige Gründe betreffend das Kindeswohl geeignet sind, eine Zustimmung zu verweigern, womit Art. 301a II ZGB, der eine Verweigerung der Zustimmung zum Umzug ins Ausland bzw. bei einer Beeinträchtigung des persönlichen Kontakts zum Kind vorsieht, klar relativiert wird.

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12. September 2016 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin


DER BETREUUNGSUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin 

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der deutsche Betreuungsunterhalt im Vergleich zum Schweizerischen Betreuungsunterhalt. Im Januar 2017 tritt in der Schweiz die neue gesetzliche Regelung zum Kindesunterhalt in Kraft. Neu geregelt wird unter anderem der sogenannte Betreuungsunterhalt, welcher den Ausgleich nachhaltiger Einbussen in der Eigenversorgungskapazität des kindesbetreuenden Elternteils vorsieht. Klare Vorgaben über die Höhe, mithin die Bemessung des Kinderunterhalts, fehlen, weshalb diese voraussichtlich durch die zuständigen Behörden und Gerichte zu regeln sein werden. Ebenso ist unklar, wie lange ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht. Denn da der Betreuungsunterhalt – anders als in Deutschland – nicht als Anspruch des Elternteils, sondern des Kindes ausgestaltet ist, ist fraglich, wie dieser zeitlich befristet werden soll.

I. BETREUUNGSUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

In Deutschland sind derartige Fragen durch den klaren Gesetzeswortlaut in §1570 BGB und die hierzu vorliegende Rechtsprechung geklärt. So sieht §1570 BGB einen Unterhaltsanspruch wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mind. drei Jahre nach der Geburt vor. Die Dauer dieses Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, wobei hierfür unter anderem auf die Belange des Kindes und die bestehende Möglichkeit der Kinderbetreuung abzustellen ist (§1570 Abs. 1 BGB). Soweit die Eltern nicht verheiratet waren und gemeinsame Kinder vorhanden sind, hat die Kindesmutter ebenfalls einen Anspruch auf den Betreuungsunterhalt, der in §1615 BGB geregelt ist.

a) 

Beide Normen statuieren den Grundsatz, dass die persönliche Betreuung nur bis spätestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes Vorrang vor der Drittbetreuung geniesst. Unter Berücksichtigung tatsächlich vorhandener Betreuungsmöglichkeiten geht der deutsche Gesetzgeber damit davon aus, dass Mütter, gleichwohl ob diese mit dem Kindsvater verheiratet waren oder nicht, spätestens mit dem dritten Lebensjahr des Kindes wieder einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen können. Anders als in der Schweiz wird in Deutschland – zumindest theoretisch – die Betreuung durch Kindertagesstätten bzw. Kindergärten garantiert, weshalb sich der betreuende Elternteil nicht ohne Weiteres darauf berufen kann, eine Betreuung durch Dritte sei nicht möglich. Nur im Ausnahmefall wird der Betreuungsunterhalt für einen längeren Zeitraum gewährt, wenn kind- oder elternbezogene Gründe dies erfordern. Hierbei wird bei geschiedenen Ehegatten im Sinne des §1570 Abs. 2 BGB auf den gemeinsamen in der Ehe gefassten Lebensplan, mithin den geplanten Wiedereinstieg der Kindesmutter in das Erwerbsleben oder die Möglichkeiten anderer Betreuungsformen abgestellt. Derartige Erwägungen gelten selbstverständlich nicht für den in §1615 Abs. 1 BGB ausgestalteten Betreuungsunterhalt für Unverheiratete, da es gerade an einem gemeinsamen Lebensplan verglichen mit Verheirateten fehlt.

b)

Weitere Unterschiede beim Betreuungsunterhalt geschiedener und unverheirateter Elternteile ergeben sich auch hinsichtlich der Höhe bzw. der Berechnung des zu zahlenden Unterhalts. So bemisst sich der Betreuungsunterhalt nach §1570 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dagegen bestimmt sich das Mass des Unterhaltsanspruchs Unverheirateter nach der Lebensstellung der Mutter und richtet sich damit grundsätzlich nach ihrem Einkommen, welches sie ohne die Geburt des Kindes erzielt hätte. Ging die Kindsmutter vor der Geburt des Kindes keiner Erwerbstätigkeit nach, ist der minimale Bedarf geschuldet, der üblicherweise dem Sozialhilfesatz entspricht.

II. KINDERUNTERHALT

Neben dem Betreuungsunterhalt schuldet der Kindsvater bzw. der das Kind nicht betreuende Elternteil immer auch einen Kinderunterhalt. Dieser bemisst sich in Deutschland nach der Düsseldorfer Tabelle. Für die Berechnung des Betreuungsunterhaltes wird von dem bereinigten Nettoeinkommen des Kindsvaters vorab der Kinderunterhalt in Abzug gebracht. Verbleibt dem Kindsvater hiernach sein Selbstbehalt, kann das darüber hinausgehende Einkommen für den Betreuungsunterhalt beansprucht. Zu berücksichtigen ist im deutschen Recht allerdings immer der sogenannte Halbteilungsgrundsatz, der besagt, dass dem Unterhaltspflichtigen so viel verbleiben soll, wie auch dem Unterhaltsberechtigten durch eigene Einkünfte und den ergänzenden Unterhalt insgesamt zur Verfügung steht. Bei nur einem unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt damit begrenzt auf die Hälfte des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens der ehemaligen bzw. getrennt lebenden Eheleute.

III. ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass der Betreuungsunterhalt in Deutschland jeweils als eigener Anspruch des das Kind betreuenden Elternteils ausgestaltet ist. Dieser wird, je nachdem, ob die Eltern verheiratet waren, nach §1570 BGB oder nach §1615 BGB beurteilt. Der Betreuungsunterhalt Geschiedener berücksichtigt die ehelichen Lebensverhältnisse und wird üblicherweise durch die Verteilung eines Überschusses im Umfang von 3/7 des in der Ehe zur Verfügung stehenden Einkommens ermittelt. Stammt ein Kind dagegen aus einer Beziehung Unverheirateter, ist der Unterhaltsanspruch auf die Höhe des Verdienstes der Kindesmutter begrenzt, sofern der Kindsvater überhaupt in der Lage ist, diesen Betrag zu leisten.

Da der ab Januar 2017 in der Schweiz massgebliche Betreuungsunterhalt als Unterhalt des Kindes ausgestaltet wird, ist fraglich, wie bei der Bemessung des Unterhalts zwischen dem Anspruch von Kindern gegenüber ihren Eltern aus einer Ehe einerseits und Unverheirateten andererseits unterschieden wird. Eine Gleichbehandlung zwischen geschiedenen und unverheirateten Paaren wäre mit dem Institut der Eheschliessung und den damit verbundenen Folgen der gegenseitigen Solidarität nicht vereinbar, weshalb Differenzierungen zu erwarten sind.

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27. Januar 2016 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher 


ZUSTÄNDIGKEIT DER GERICHTE BEI EHELICHEN AUSEINANDERSETZUNGEN MIT AUSLANDSBEZUG

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Trennen oder scheiden sich Paare mit Auslandsbezug, d.h. ist einer der Ehegatten Ausländer oder wohnt im Ausland, stellt sich immer die Frage nach der Zuständigkeit der Gerichte und dem anwendbaren Recht.

I. ZUSTÄNDIGKEIT

Will sich ein Paar mit Auslandsbezug trennen oder die Scheidung einreichen, ist vorab zu klären, ob die Gerichte in der Schweiz oder im Ausland für ein derartiges Verfahren zuständig sind.

Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich teils nach staatsvertraglichen Bestimmungen oder aber nach dem IPRG, wobei jedes Land sein eigenes IPRG anwendet. Sind Staatsverträge anwendbar, gehen sie dem IPRG vor.

II. STAATSVERTRÄGE

2.1. LuGÜ

Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen) ist bei Zuständigkeitsfragen betreffend Unterhalt anwendbar. So regelt Art. 5 LugÜ, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Abkommen gebundenen Staates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden kann.

Die Zuständigkeit der Gerichte wird unter Anwendung des LuGÜ damit unter bestimmten Voraussetzungen auf die Vertragsstaaten ausgedehnt (sog. besondere Zuständigkeiten).

2.2. HKsÜ

Das Haager Kindesschutzübereinkommen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ) sieht Bestimmungen insbesondere für das Aufenthaltsrecht und den persönlichen Verkehr (Besuchsrecht / Umgang) mit dem Kind vor und geht den Normen des LugÜ vor, sofern kindesrechtliche Nebenfolgen zu regeln sind.

Gemäss Art. 5 Abs. 1 HKsÜ sind die Behörden des Vertragsstaates, in welchem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, für Massnahmen zum Schutz des Kindes zuständig. Bei Minderjährigen befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt dort, wo das Kind familiär und schulisch eingegliedert ist. In der Regel begründet ein Aufenthalt von sechs Monaten einen gewöhnlichen Aufenthalt, jedoch kann dieser auch sofort begründet werden, wenn der Aufenthaltsort auf Dauer neu begründet wird und der bisherige Lebensmittelpunkt aufgegeben wurde. Lebt ein Kind erst seit wenigen Wochen in einem Vertragsstaat, ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes zu hinterfragen, mithin kann das Gericht am Wohnort des Kindes nur dann angerufen werden, wenn der neue Aufenthaltsort mit einer Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunktes verbunden ist. Hiervon wird man ausgehen können, wenn ein Kind einen Schulwechsel vorgenommen hat und die Betreuung des Kindes vollumfänglich an seinem Aufenthaltsort sichergestellt ist. Wohnen Eltern in verschiedenen Ländern und findet ein rechtmässiger Umzug des Kindes zum anderen Elternteil statt oder zieht ein Elternteil rechtmässig mit dem Kind ins Ausland, kann es so zu wechselnden Zuständigkeiten der Gerichte kommen, da die Zuständigkeit des bisherigen Gerichts auf die am neuen Ort zuständige Behörde übergeht. Eine Ausnahme besteht für den Kinderunterhalt nach schweizerischem Recht dann, wenn der Kinderunterhalt innerhalb eines Scheidungsprozesses beantragt wird, da sich die Zuständigkeit in diesem Fall nach der Hauptzuständigkeit richtet, womit der Unterhalt des Kindes dort einzuklagen ist, wo auch die Scheidung anhängig ist.

Für Unterhaltsfragen ist das HKsÜ nicht anwendbar. Wer für die Regelung des Unterhalts zuständig ist, richtet sich vielmehr nach dem LugÜ. Ziel ist es allerdings immer, einen Gleichlauf der Zuständigkeiten betreffend elterlicher Sorge, persönlicher Verkehr und Unterhalt zu erreichen, da ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten der Gerichts bzw. Behörden ein gewisses Mass an Rechtsunsicherheit birgt. Vor diesem Hintergrund hat dasjenige Gericht über den Unterhalt des Kindes zu befinden, welches aufgrund des Aufenthalts des Kindes auch über die Obhut und Besuchsregelung des Kindes zu entscheiden hat.

III. ANWENDBARES RECHT

Ist die Zuständigkeit geklärt, ist bei internationalen Fällen weiter zu prüfen, nach welchem Recht das Verfahren zu beurteilen ist. Das anzuwendenden Recht ist für jede Nebenfolge der Scheidung, mithin für die Kinderbelange, den Unterhalt, die güterrechtliche Auseinandersetzung und den Vorsorgeausgleich gesondert zu prüfen, wobei es durchaus vorkommen kann, dass auf die verschiedenen Nebenfolgen der Scheidung unterschiedliches Recht zur Anwendung gelangt.

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22. Oktober 2015 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher


KINDESUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. ANWENDBARES RECHT

In Fällen mit Auslandsbezug, in denen also das unterhaltsberechtigte Kind und der unterhaltspflichtige Elternteil in verschiedenen Ländern leben, richtet sich das auf Unterhaltspflichten gegenüber Kindern anwendbare Recht im EU-Raum nach der am 18. Juni 2011 in Kraft getretenen EuUntVO, soweit nicht vorrangige bilaterale Abkommen bestehen. Art. 15 EuUntVO verweist hinsichtlich des materiell anwendbaren Rechts auf das Haager Protokoll vom 23. November 2007. Nach Art. 3 Abs. 1 dieses Protokolls ist der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten Anknüpfungspunkt für das anzuwendende materielle Recht. Lebt das Kind beispielsweise in Deutschland, ist das deutsche Unterhaltsrecht massgeblich. Wechselt ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist ab dem Aufenthaltswechsel das innerstaatliche Recht am neuen gewöhnlichen Aufenthalt anwendbar.

II. KINDERUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

2.1 Allgemeines

In der Regel wird nach Deutschem Recht der Unterhalt Minderjähriger nicht individuell, sondern pauschal unter Heranziehung von Unterhaltstabellen ermittelt. Massgeblich ist hier die zweijährlich angepasste Düsseldorfer Tabelle, welcher im Anhang ein um das hälftige Kindergeld in Abzug gebrachten Zahlbetrag zu entnehmen ist. Massgeblich für die Einordnung in die zutreffende Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle ist das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen, welches um berufsbedingte Aufwendungen (5%) zu bereinigen ist. Zugeschnitten ist die Tabelle auf eine getrenntlebende, dreiköpfige Familie, in welcher der Unterhaltspflichtige den Barunterhalt für die gesamte Familie alleine aufbringt. Damit sind trennungsbedingte Mehrkosten bei der Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens nicht in Abzug zu bringen. Einer grösseren oder einer geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter wird durch die Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe Rechnung getragen. Schuldet beispielsweise ein Ehegatte nur einem Kind und nicht auch noch dem getrennt bzw. geschiedenen Ehegatten Unterhalt, so ist eine Höherstufung um mindestens eine, eventuell zwei Einkommensgruppen vorzunehmen. Besteht eine Unterhaltspflicht gegenüber drei oder mehr Personen, hat eine Herabstufung der Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle zu erfolgen.

Bei der Ermittlung des Unterhalts sind die Bedarfskontrollbeträge zu berücksichtigen, welche für die jeweilige Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle angegeben sind. Diese sollen eine ausgewogene Verteilung des verfügbaren Einkommens gewährleisten und rechtfertigen Korrekturen in Form von Herabstufungen in der Düsseldorfer Tabelle, sobald der Bedarfskontrollbetrag auf Seiten des Unterhaltspflichtigen unterschritten ist.

2.2 Unterhalt Volljährigkeit

Ein Unterhaltsanspruch für volljährige Kinder besteht nur, wenn sie sich in Ausbildung befinden oder aufgrund von Krankheit nicht im vollen Umfang dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Unterschieden wird hier zwischen den sogenannten privilegierten und nicht-privilegierten Kindern. Privilegiert sind diejenigen Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, noch im Haushalt mindestens eines Elternteils leben und sich in allgemeiner Schulausbildung befinden. Diese Kinder sind den minderjährigen Kindern weitegehend gleichgestellt.

Anders als bei minderjährigen Kindern wird bei einem volljährigen Kind – egal ob privilegiert oder nicht – das Kindergeld zunächst in voller Höhe von seinem Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle in Abzug gebracht. Auch stehen gegenüber volljährigen Kindern immer beide Elternteile in der unterhaltsrechtlichen Haftung, d.h. auch derjenige Elternteil, bei dem das Kind gegebenenfalls noch lebt, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine Betreuungsleistung ab Volljährigkeit nicht mehr erbracht werden muss.

Der Bedarf eines nicht-privilegierten Volljährigen, mithin eines Studierenden oder nicht im Haushalt lebenden Kindes, beläuft sich seit mehreren Jahren konstant auf EUR 670.00. Abweichungen ergeben sich nach den unterschiedlichen Unterhaltsleitlinien des jeweilig zuständigen Oberlandesgerichts, weshalb diese Beträge in Abhängigkeit des Wohnortes eines Kindes zu überprüfen sind. In diesem Bedarf sind die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung ebenso wenig enthalten wie Studiengebühren, welche gegebenenfalls zusätzlich zu zahlen sind.

2.3 Selbstbehalte

Die Selbstbehalte und damit der notwendige Eigenbedarf des Zahlungspflichtigen (in der Schweiz das Existenzminimum) hängt davon ab, wem gegenüber Unterhalt geschuldet wird. So beläuft sich der Selbstbehalt eines Kindes bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, welches sich in allgemeiner Schulausbildung befindet und zudem im Haushalt der Eltern lebt, bei einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich auf EUR 880.00, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen auf monatlich EUR 1‘080.00. Der angemessene Eigenbedarf gegenüber einem volljährigen Kind (nicht-privilegiert) beläuft sich aktuell auf EUR 1‘300.00. Die jeweils aktuellen Beträge sind der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen, welche in ihren Anmerkungen ergänzende Ausführungen enthält.

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16. Januar 2015 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher


KINDERBELANGE BEI TRENNUNG DER ELTERN

Dr. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin 

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. KINDERBELANGE ALLGEMEIN

Trennen sich Eltern, sind auch die Kinder betroffen. Die neue Situation, welche sich mit dem Auszug eines Elternteiles für ein Kind präsentiert, erfordert eine Regelung der Besuchskontakte zum ausgezogenen Elternteil, um einer Entfremdung vorzubeugen. Zu thematisieren ist des Weiteren, wie der Kontakt zum ausgezogenen Elternteil ausgestaltet werden soll und in welcher Höhe Unterhalt zu bezahlen ist.

Sollten sich die Eltern bezüglich der Kinderbelange nicht einig werden, obliegt es ihnen, die strittigen Punkte gemeinsam mit den gesamten bei der Trennung zu regelnden Nebenfolgen durch das Gericht regeln zu lassen. Sowohl in einem sogenannten Eheschutzverfahren als auch später bei einer Scheidung steht das Kindeswohl hierbei an vorderster Stelle, was von den Gerichten von Amtes wegen zu berücksichtigen ist. Stellt sich die Frage der Obhut bzw. des Sorgerechts isoliert, d.h. ohne die Frage, ob zugleich auch die Folgen einer Trennung zwischen den Eltern selbst zu regeln sind, ist neu die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zuständig, welche die Vormundschaftsbehörde (weitestgehend) abgelöst hat.

Die Behörden, namentlich das Gericht und die KESB, sind befugt, zum Schutz des Kindes einschneidende Massnahmen, wie den Entzug des Kindes durch Fremdplatzierung anzuordnen, sofern das Kindeswohl dies erfordert.  Um die Rechte des Kindes zu wahren, können auch weitaus weniger drastische Massnahmen angeordnet werden, wie beispielsweise die Bestellung eines Beistandes, welcher die Eltern in ihrer Sorge um das Kind unterstützt.

In schwierigen Fällen kann der Bedarf nach sogenannten Kinderanwälten bestehen, deren Aufgabe es ist,

das Bedürfnis des Kindes in ein anhängiges Verfahren mit einzubringen und das rechtliche Gehör des Kindes sicherzustellen.

II. KINDERBELANGE IM INTERNATIONALEN KONTEXT

Handelt es sich um Ehegatten unterschiedlicher Nationalität, folgen auch die Rechte der Kinder dem Internationalen Recht, welches einschlägig ist. Fehlen vorrangige Abkommen, ist das sogenannte Internationale Privatrecht (IPRG) einschlägig, welches immer dann anwendbar ist, wenn ein Sachverhalt einen wesentlichen Auslandsbezug aufweist. Dieser Auslandsbezug ist immer dann gegeben, wenn einer der Eltern seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat oder aber über eine andere Staatsangehörigkeit verfügt. Ist ein Bezug zum Ausland gegeben, sieht Art. 66 IPRG vor, dass für Klagen auf Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses die Schweizer Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder am Wohnsitz der Mutter oder des Vaters zuständig sind.

Zu berücksichtigen ist, dass das Minderjährigenschutzübereinkommen (MSA) und das Kindesschutzübereinkommen (HKsÜ) dem IPRG vorgehen, weshalb je nachdem, ob das entsprechende Abkommen in dem betroffenen Vertragsstaat ratifiziert wurde, dieses vorrangig zu prüfen ist.

Das MSA wie auch das HKsÜ ermöglichen Schutzmassnahmen zu Gunsten des Kindes wie die Anordnung bzw. Übertragung der Obhut und elterlichen Sorge auf einen der Elternteile. Die in den Abkommen geregelten Schutzmassnahmen gehen über die in Art. 307 ff ZGB geregelten hinaus, kann eine Massnahme nach MSA oder HKsÜ doch auch ohne eine Kindeswohlsgefährdung angeordnet werden. Zu berücksichtigen ist, dass weder das MSA noch das HKsÜ auf Unterhaltsfragen anwendbar sind.

Die beiden Abkommen dienen der erleichterten Durchsetzung von Massnahmen zum Kindeswohl, weshalb die in einem Konventionsstaat angeordneten Schutzmassnahmen in jedem anderen Konventionsstaat ohne spezielles Verfahren anerkannt werden. Folglich ist eine im Ausland getroffene Massnahme auch in der Schweiz bindend und kann dort – sollte diese nicht abgeändert oder aufgehoben worden sein – zwangsvollstreckungsrechtlich umgesetzt werden.

Im Unterschied zum MSA stützt sich das HKsÜ bei der Frage der Zuständigkeit massgeblich auf den Aufenthaltsort des Kindes (Art. 5 Abs. 1 HKsÜ), wobei Abweichungen vom Grundsatz des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes bei Ehescheidungs- und Trennungsverfahren vorgesehen sind. Dies ergibt sich aus Art. 10 HKsÜ, der eine Zuständigkeit von Gerichten am Scheidungsort unabhängig vom Aufenthalt des Kindes festhält. Dies gilt nicht für Eheschutzverfahren, für die Art. 10 HKsÜ keine Anwendung findet.

Zieht ein Kind während eines laufenden Prozesses ins Ausland, so fällt die Zuständigkeit der ursprünglich angerufenen Behörden/Gerichte dahin. Mit dem Umzug ins Ausland sind dann die Behörden vor Ort zuständig, welche jeweils ihr eigenes Recht anwenden (Art. 2 MSA / Art. 15 HKsÜ).

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1. Mai 2014 / Dr. Gesine Wirth-Schuhmacher 

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