KÜNDIGUNG DES MIETVERTRAGES BEI AUFLÖSUNG DES KONKUBINATS ODER DER WOHNGEMEINSCHAFT

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin, und M.A.HSG Fiona Sauer

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Wenn ein Konkubinatspaar sich trennt, entstehen oft zahlreiche Probleme. Auch in Bezug auf die gemeinsame Mietwohnung können sich schwierige Fragen stellen, insbesondere wenn beide Partner den Mietvertrag unterschrieben haben. Gleiches gilt bei der Auflösung einer Wohngemeinschaft, bei welcher mehrere Personen als Solidarmieter den Mietvertrag abgeschlossen haben. Aufgrund der solidarischen Haftung stellt sich die Frage, wie das Mietverhältnis möglichst rasch aufgelöst werden kann, auch wenn eine der Parteien ihre Unterschrift zur Kündigung verweigert. Als Alternative zur Solidarmiete kann das gemeinsame Wohnen auch in Form eines Untermietverhältnisses organisiert werden, wobei auch bei dieser Form einige Details zu beachten sind.

I. KONKUBINAT / WOHNGEMEINSCHAFT ALS EINFACHE GESELLSCHAFT

Lebt ein unverheiratetes Paar gemeinsam in einer Wohnung, stellt dies rechtlich in den meisten Fällen ein Konkubinat dar. Im Gesetz wird das Konkubinat an sich, d.h. die rechtlichen Wirkungen zwischen den Konkubinatspartnern, nicht speziell geregelt, sondern es werden die Regeln der einfachen Gesellschaft insoweit angewendet, als dass ein Bezug zur Gemeinschaft gegeben ist. Gleiches gilt für eine Wohngemeinschaft mehrerer Personen.

Die Auflösung einer einfachen Gesellschaft erfolgt gemäss Art. 545 Abs. 1 OR unter anderem dann, wenn der Zweck erreicht wurde oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist. Die Beendigung eines Konkubinats, d.h. die Trennung eines Paares, stellt nach Auffassung des Bundesgerichts eine Zweckunmöglichkeit dar, womit eine extra Kündigung des Konkubinats nicht erforderlich ist. Wird eine einfache Gesellschaft aufgelöst, so heisst dies jedoch nicht, dass sie ab diesem Zeitpunkt zu existieren aufhört. Die Gesellschaft besteht weiter, einzig jedoch mit dem geänderten Zweck, das Nettovermögen zu liquidieren. Erst wenn die Liquidation beendet ist, hört die Gesellschaft auf zu existieren. Können sich die Gesellschafter über die Liquidation nicht einigen, hat jeder Gesellschafter das Recht, die Durchführung der Liquidation mittels Klage zu verlangen, wobei die vom Richter verlangten Handlungen des Liquidators spezifiziert werden müssen.

II. AUFLÖSUNG DES MIETVERHÄLTNISSES

Haben beide Partner gemeinsam einen Mietvertrag unterschrieben, können sie diesen auch nur gemeinsam kündigen. Eine Kündigung nur eines Mieters ist nichtig und entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung. Dies bedeutet, dass bei einer Trennung zwar ein Partner aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen kann, er allerdings weiterhin solidarisch für die Verbindlichkeiten aus dem gemeinsamen Mietvertrag haftet. Die solidarische Haftung ergibt sich sowohl aus den Regeln der einfachen Gesellschaft (Art. 544 Abs. 3 OR) wie auch aus den Bestimmungen der Solidarschuldnerschaft (Art. 143 OR) und bedeutet, dass der Vermieter von beiden Mietern die gesamten Kosten wie Mietzins und Nebenkosten fordern kann. Auch nach dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung kann der ausziehende Partner somit für die ausstehenden Kosten belangt werden, wenn der andere Partner seinen Anteil nicht mehr bezahlt. Es stellt sich daher die Frage, wie das Mietverhältnis bei einer Trennung aufgelöst werden kann, um eine solche solidarische Haftung zu verhindern.

a. Auflösung bei Einigkeit der Partner / Gesellschafter

Sind sich die Parteien einig, dass das Mietverhältnis mit möglichst baldiger Wirkung aufgelöst werden soll und keiner der Partner in der Wohnung verbleiben will, muss der Mietvertrag von beiden gemeinsam auf den nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin gekündigt werden. Je nach vertraglicher Regelung und Zeitpunkt der Trennung kann die ordentliche Kündigungsdauer mehrere Monate betragen. Um früher aus dem Mietvertrag entlassen zu werden, können die Parteien versuchen, einen zumutbaren und zahlungsfähigen Nachmieter gemäss Art. 264 OR zu finden. Sind sich die Parteien einig, dass einer von ihnen die Wohnung alleine übernehmen möchte, kann eine Übertragung des Mietverhältnisses auf eine Partei alleine angestrebt werden. Neben der Zustimmung beider bisheriger Mieter bedarf es dafür der Einwilligung des Vermieters. Dieser kann die Übertragung ohne Begründung ablehnen. Es empfiehlt sich für den Vermieter jedoch, eine einvernehmliche Lösung mit den bisherigen Mietern zu finden, sofern keine berechtigten Interessen wie die Zahlungsunfähigkeit des übernehmenden Mieters entgegenstehen.

b. Auflösung bei Uneinigkeit der Partner / Gesellschafter

Da in einer Trennungssituation die Kommunikation zwischen den Parteien oftmals schwierig ist, kann es zu Differenzen kommen, ob der Mietvertrag aufgelöst werden soll oder wer in der Wohnung verbleiben darf. Sind beide Partner resp. Gesellschafter Mieter, hat rechtlich gesehen keiner mehr Rechte als der andere, d.h. keiner hat ein Vorrecht auf Verbleib im Mietobjekt. Mit der Trennung, d.h. mit der Auflösung des Konkubinates oder der Wohngemeinschaft, besteht diese zum Zweck der Liquidation fort. In der Liquidation sind sämtliche Rechtsverhältnisse, worunter auch der Mietvertrag fällt, abzuwickeln. Weigert sich einer der Partner, die Kündigung des Mietvertrages zu unterschreiben, haben beide das Recht, beim Gericht die Durchführung der Liquidation zu verlangen. Es ist diesfalls eine Klage einzureichen mit dem Rechtsbegehren, es sei die andere Partei zu verpflichten, ihre Zustimmung zur Kündigung des Mietvertrages zu geben. Allenfalls kann in einem gerichtlichen Verfahren derjenige Partner / Gesellschafter, welcher sich weigert, die Kündigung zu unterschreiben, dazu verpflichtet werden, die gesamten Kosten des Mietverhältnisses ab dem erstmöglichen Kündigungstermin zu tragen, sofern ihm ein Auszug auf diesen Zeitpunkt zumutbar gewesen wäre. Da ein gerichtliches Verfahren jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen kann, ist eine einvernehmliche Lösung wenn immer möglich anzustreben.

III. ALTERNATIVE: UNTERMIETE

Wie oben dargestellt, kann die Auflösung eines Mietvertrages mit beiden Partnern als Mieter mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein, weshalb es für ein Paar sinnvoll sein kann, im Mietvertrag lediglich eine Partei als Mieter zu nennen und mit dem anderen Partner einen Untermietvertrag abzuschliessen. Das Untermietverhältnis ist dem Vermieter anzuzeigen. Kommt es zu einer Trennung, kann der Untermietvertrag mit der vereinbarten Kündigungsfrist gekündigt werden und der Hauptmieter kann das Mietverhältnis ohne Zustimmung des anderen Partners auflösen. Der Vorteil eines Untermietverhältnisses im Vergleich zur Solidarmiete besteht darin, dass die Auflösung weitaus unkomplizierter verlaufen kann, da für eine Kündigung nicht beide Unterschriften benötigt werden. Allerdings muss beachtet werden, dass in einem Untermietverhältnis der Hauptmieter alleine gegenüber dem Vermieter haftbar ist. Dies bedeutet, dass der Hauptmieter für die ganze Miete haftet, auch wenn der Untermieter seinen Anteil nicht bezahlt, was insbesondere bei einer Trennung bis zur Auflösung des Hauptmietvertrages problematisch sein kann. Weiter ist der Untermietvertrag vom Hauptmietvertrag abhängig. Derjenige Partner, welcher Untermieter ist, kann sich somit nicht gegen eine Kündigung des Hauptmietverhältnisses wehren. Allenfalls kann bei einer verspäteten Kündigung des Untermietvertrages Schadenersatz gefordert werden.

IV. FAZIT

Bei der Auflösung eines Konkubinates oder einer Wohngemeinschaft können sich in Bezug auf die Kündigung des Mietvertrages einige Schwierigkeiten ergeben. Sind beide Partner als Mieter im Mietvertrag aufgeführt, kann das Mietverhältnis nur mit Zustimmung und Unterschrift von beiden gekündigt werden. Aufgrund der solidarischen Haftung kann der Vermieter jedoch die Kosten des Mietverhältnisses bis zur Auflösung des Vertrages von beiden Partnern fordern, auch wenn der eine bereits ausgezogen ist. Verweigert ein Partner seine Unterschrift zur Kündigung, kann der andere die Kündigung des Mietvertrags im Sinne der Liquidation der einfachen Gesellschaft vom Gericht verlangen. Allenfalls kann es sinnvoll sein, das gemeinsame Wohnen nicht in der Form einer Solidarmiete, sondern als Untermietverhältnis zu gestalten. Welche Form am besten geeignet ist, hängt von den konkreten Bedürfnissen im Einzelfall ab. Wird die Form einer Solidarmiete gewählt, ist in jedem Fall sinnvoll, einen Konkubinatsvertrag zur Verhinderung von Konflikten bei der Trennung abzuschliessen, welcher die Auflösung des Konkubinates inklusive Kündigung des Mietvertrages zum Inhalt hat.

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13. August 2015 / lic. iur. Patricia Geissmann


FORMVORSCHRIFTEN FÜR BESTIMMTE KLAUSELN IM AKTIONÄRBINDUNGSVERTRAG

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages ist gerade bei Gesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis, wo ein Verkauf von Aktien an unbeteiligte Dritte wenn möglich verhindert werden soll, wichtig. Im Internet findet sich sodann eine Vielzahl von Mustervorlagen und Formulierungsvorschlägen, welche die gängigen Bestimmungen wie Vorhandrechte, Vorkaufsrechte und Kaufrechte aufnehmen und dem Anwender so die Möglichkeit verschaffen, selber einen Aktionärbindungsvertrag aufzusetzen.

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Häufig nur ungenügend erörtert bleibt darin jedoch die Frage nach der Formvorschrift für Aktionärbindungsverträge. Dabei stellen sich gerade dann, wenn Bestimmungen im Hinblick auf das Ableben eines oder mehrerer Aktionäre getroffen werden, diesbezüglich heikle Fragen.

I. AUF DEN TOD EINES AKTIONÄRS WIRKENDE BESTIMMUNGEN

Aktionärbindungsverträge beinhalten regelmässig zwei Arten von Bestimmungen – Bestimmungen zur Einflussnahme auf den Geschäftsgang der Aktiengesellschaft und Bestimmungen zur Regulierung der Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft. Unter die erste Kategorie (Einflussnahme auf den Geschäftsgang) fallen insbesondere Stimmbindungsklauseln, womit sich die unterzeichnenden Aktionäre verpflichten, ihre Stimme in der Generalversammlung in einer bestimmten Art und Weise oder nach einem vorgegebenen Konzept auszuüben. Unter die zweite Kategorie (Regulierung der Beteiligungsverhältnisse) fallen Vorhand-, Vorkaufs- und Kaufrechte, welche die Zusammensetzung des Aktionärskreises beeinflussen und die Aktionäre vor einer „Überfremdung“ schützen sollen.

Oftmals zielen die Aktionäre jedoch nicht nur darauf ab, den Aktionärskreis zu ihren Lebzeiten kontrollieren zu können, sondern es besteht auch das Bedürfnis, die Beschränkung des Aktionärskreises für die Zeit nach dem Tod sicherzustellen. Häufig sollen dabei die gesetzlichen und/oder eingesetzten Erben eines Aktionärs vom Erwerb der Aktienanteile ausgeschlossen werden. Rechtlich ist dies durch die Vereinbarung von Kaufrechten auf den Todesfall hin möglich, welche den übrigen Aktionären im Fall des Todes eines einzelnen Aktionärs das Recht einräumen, die Aktien von den Erben des verstorbenen Aktionärs zu erwerben. Ohne eine solche Bestimmung würden die Aktien des ablebenden Gesellschafters nämlich im Zeitpunkt des Todes ipso iure auf seine Erben übergehen (Art. 560, 652 ff. ZGB).

Rechtlich handelt es sich bei solchen Kaufrechten, die auf den Tod eines Aktionärs hin wirken, um doppeltbedingte Aktienkaufverträge. Die erste Bedingung besteht darin, dass der Aktienerwerb von der Ausübung des Kaufrechts abhängig ist. Die zweite Bedingung darin, dass das Kaufrecht erst bei Eintritt des Todes eines Aktionärs ausgeübt werden kann (Gloor/Flury, die Call Option an Aktien beim Tod eines Aktionärs, in: SJZ 101/2005, S. 305, 306).

II. FORMVORSCHRIFTEN FÜR AUF DEN ZEITPUNKT DES TODES EINES AKTIONÄRS WIRKENDE KAUFRECHTE

Fraglich und nachfolgend abzuklären ist, ob auf den Zeitpunkt des Todes eines Aktionärs hin wirkende Kaufrechte in einem Aktionärbindungsvertrag als Verfügungen von Todes wegen zu qualifizieren sind und daher der Form der öffentlichen Beurkundung bedürfen, oder ob es sich dabei – trotz der Wirkung auf den Zeitpunkt des Todes – um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt. Im letztgenannten Fall erübrigte sich die Einhaltung einer besonderen Form.

Wesentliches Kriterium zur Abgrenzung eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden von einer Verfügung von Todes wegen bildet der Wirkungszeitpunkt der Bestimmung. Wirkt das Rechtsgeschäft erst nach dem Tod des Erblassers oder verpflichtet es bereits das Vermögen des Erblassers vor seinem Tod? Das Bundesgericht nimmt bei der Beantwortung dieser Frage eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände vor. Folgende Kriterien sind heranzuziehen (vgl. zum Ganzen: Gloor/Flury, a.a.O., S. 305, 308 ff.):

(1) Entscheidend ist zum einen der Wille der vertragsschliessenden Parteien: War es die Absicht der Parteien, sich bereits vor dem Eintritt des Todes zu binden oder wollten sie erst den Nachlass verpflichten?

(2) Weiter stellt sich die Frage, ob sich das Rechtsgeschäft im Sinne der Liberalität als unentgeltliche Zuwendung auf das Ableben eines Aktionärs hin beurteilt oder nicht.

(3) Ebenfalls zu berücksichtigen ist der vom Bundesgericht bereits mehrfach beigezogene „favor negotii“. Demnach deuten die Nichtbeachtung von erbrechtlichen Formvorschriften sowie eine Vertragsformulierung ohne Bezugnahme auf das Erbrecht auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden hin.

Im Sinne des ersten Kriteriums, des eigentlichen Willens der Parteien (1), stellt sich bei der Beurteilung eines auf den Zeitpunkt des Todes bedingten Kaufrechts daher die Frage, in welchem Rahmen dieses vereinbart wurde.

Gliedert es sich ein in einen umfassenden Aktionärbindungsvertrag mit einer Vielzahl weiterer Bestimmungen zur Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen den Aktionären, bspw. der Vereinbarung gegenseitiger Vorhand- und Vorkaufsrechte, ist anzunehmen, dass die vertragsschliessenden Aktionäre primär ihre eigenen Interessen sowie die Interessen der Aktiengesellschaft optimieren wollten und nicht auf die Begünstigung einzelner Personen abzielten.

Die Parteien verpflichten durch solche Bestimmungen somit nicht nur ihren Nachlass, sondern in erster Linie auch sich selber in ihrer heutigen Rechtsposition. Im Sinne des zweiten Kriteriums, der sogenannten Liberalität (2), wird entscheidend sein, zu welchem Preis das Aktienpaket von den Erben erworben werden kann, und ob der übernehmende Aktionär somit zu Lasten des Nachlasses begünstigt wird. Für den Fall, dass der Übernahmepreis gleich hoch oder gar höher liegt als der Verkehrswert der Aktien, ist dies sicher zu verneinen. Liegt der Übernahmepreis jedoch tiefer als der Verkehrswert, ist eine Begünstigung des erwerbenden Aktionärs zu Lasten der Erben gegeben, was eigentlich charakteristisches Merkmal für ein Rechtsgeschäft von Todes wegen ist. In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in BGE 113 II 270 ff. die in einem Gesellschaftsvertrag getroffene „Abfindungsklausel“, wonach den übrigen Gesellschaftern im Fall des Todes eines Gesellschafters eine Abfindung zu bezahlen ist, als Verfügung von Todes wegen qualifiziert.

Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung wird jedoch von einem beachtlichen Teil der Lehre kritisiert, und es wird die Ansicht vertreten, dass in Fällen, in denen Kaufrechte zu Vorzugspeisen eingeräumt werden, die aufwiegende Gegenleistung in der latenten Optionsbelastung liege, welche die übernehmenden Aktionäre aufgrund der gegenseitigen Vereinbarung von Kaufrechten treffe. Zudem wird in der Lehre auch dafür gehalten, dass – selbst wenn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt werden sollte – die teilweise Unentgeltlichkeit eines Kaufrechts nicht ausreiche, um das Argument der Einordnung in den Rahmen einer umfassenden gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung auszuhebeln. Folglich sei auch bei der Übernahme zu Vorzugspreisen von einem Rechtsgeschäft unter Lebenden auszugehen.

Im Sinne des dritten Kriteriums, des „favor negotii“ (3), deutet der Verzicht auf die öffentliche Beurkundung eines Aktionärbindungsvertrages sodann auf die Qualifikation eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden hin. Dies kann aber selbstverständlich nur gelten, wenn klar feststellbar ist, dass es sich dabei um den effektiven Wille der Vertragsparteien handelt und nicht nur um den vorgeschobenen Willen zur Umgehung von Formvorschriften.

III. FAZIT

Das Bundesgericht hat bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden, ob die in Aktionärbindungsverträgen vielfach enthaltenen, auf den Tod eines Aktionärs wirkenden, Kaufrechte als Rechtsgeschäfte unter Lebenden oder als Verfügungen von Todes wegen zu qualifizieren sind. Die überwiegende Rechtslehre beurteilt sie als Rechtsgeschäfte unter Lebenden. Folglich bedürfe es keiner öffentlichen Beurkundung solcher Aktionärbindungsverträge.

Aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Abfindungsklauseln rät die Lehre jedoch in jenen Fällen zu Zurückhaltung und folglich zur Einhaltung der erbvertraglichen Formerfordernisse, in denen der Preis, zu welchem die Aktien von den Erben eines verstorbenen Aktionärs gekauft werden dürfen, tiefer liegt als der Verkehrswert der Aktien. In diesem Sinne ist der Rechtsanwender gut beraten, die Bestimmungen eines Aktionärbindungsvertrages vor der finalen Ausfertigung von einem Spezialisten auf deren rechtliche Qualifikation und allfällige Formvorschriften hin untersuchen zu lassen und im Zweifelsfall von einem Notar öffentlich beurkunden zu lassen.

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4. Mai 2015 / lic. iur. Patricia Geissmann

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