AUSSERORDENTLICHE KÜNDIGUNG INFOLGE UNTERVERMIETUNG ÜBER AIRBNB UND BOOKING.COM

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Am 7. Februar 2024 urteilte das Mietgericht Zürich (MJ230070-L), dass die gewerbliche Untervermietung ohne Zustimmung der Vermieterin eine Vertragsverletzung darstellt, welche die Vermieterin nach einer Abmahnung berechtigt, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Anders zu beurteilen ist die bloss gelegentliche Vermietung von Mietwohnungen über Buchungsplattformen, welche vom vertraglich vereinbarten Wohnzweck gedeckt und damit (unter Berücksichtigung der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen) zulässig sind. Zum Zeitpunkt der Publikation dieses Newsletters ist ein allfälliger Weiterzug an die nächste Instanz noch offen.

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I. Sachverhalt

Der Mieter / Kläger mietete in Zürich zwei Wohnungen. Im Mietvertrag wurde die Benutzung der Wohnung auf eine Person begrenzt und die Verwendung zu Wohnzwecken festgelegt.

Der Mieter vermietete die beiden Wohnungen über Airbnb und Booking.com zu einem Preis von jeweils durchschnittlich ca. CHF 215.00 pro Nacht für bis zu vier Personen. Die Auslastung war jeweils hoch.

Kurze Zeit nach Beginn des Mietverhältnisses gingen bei der Vermieterin diverse Beschwerdeschreiben anderer Mietparteien ein, welche sich über die wechselnden und störenden Untermieter beschwerten. Es folgte eine Abmahnung der Vermieterin an den Mieter mit der Aufforderung, die Inserate abzuschalten. Der Mieter liess sich davon nicht beeindrucken und führte sein Geschäftsmodell weiter. Infolgedessen kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos.

Im Gerichtsverfahren betr. Anfechtung der Kündigung stellte sich der Mieter / Kläger auf den Standpunkt, die von ihm gewählte Nutzung und somit die Untervermietung sei ihm mündlich und konkludent gestattet worden. Mangels Beweis drang er mit diesem Argument nicht durch.

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II. Rechtliches / Gerichtliche Beurteilung

Bei dieser speziellen Form der Untervermietung kann man sich fragen, ob lediglich die Bestimmungen über die (Unter-) Miete zur Anwendung gelangen oder ob eventuell gar ein Beherbergungsvertrag oder Gastaufnahmevertrag vorliegt. Dies ist im Einzelfall je nach Ausgestaltung des Vertrages zu beurteilen. Jedenfalls wird in der Praxis die analoge Anwendung der Regeln zur Untermiete bei jeder Art der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung bejaht. Insofern kann ein Vermieter die Vermietung von Wohnungen über Buchungsplattformen verbieten, soweit der Mieter damit einen missbräuchlichen Ertrag erzielt, er die Bedingungen der Untervermietung nicht offenlegt oder die Grenzen des zulässigen Gebrauchs überschreitet. Wird eine dieser Pflichten durch den Mieter verletzt, kann die Vermieterin das Vertragsverhältnis kündigen.  Möchte die Vermieterin das Mietverhältnis ausserordentlich kündigen, so bedarf es grundsätzlich einer Abmahnung und mehrerer Pflichtverletzungen, sodass die Weiterführung für sie nicht mehr zumutbar ist.

Das Gericht kam im zu beurteilenden Fall zum Schluss, dass der Mieter mit seinem fortgesetzten Verhalten den Mietvertrag verletzt hat und dies auch nachdem er gemahnt worden ist nicht zu ändern beabsichtigte. Eine Fortführung war für die Vermieterin nicht zumutbar. Die ausserordentliche Kündigung war damit rechtens. 

Abschliessend bestätigte das Gericht die ständige Rechtsprechung, dass die Vermieterin im Falle einer widerrechtlichen Untervermietung berechtigt ist, den Gewinn gestützt auf die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach Art. 423 OR abzuschöpfen.

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15. April 2024  / MLaw Kim Attenhofer


SICHERHEITSLEISTUNG ZUR ABLÖSUNG EINES BAUHANDWERKERPFANDRECHTS

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Bauhandwerkerpfandrecht stellt für einen Unternehmer ein einflussreiches Druckmittel gegen den Grundeigentümer dar, wenn der Bauherr den Werklohn für Arbeiten auf einem Baugrundstück nicht bezahlt. Es kann gleichzeitig die Kreditwürdigkeit des Grundeigentümers erheblich beeinträchtigen und die Verfügung über das Grundstück erschweren. Das Gesetz gewährt dem Grundeigentümer die Möglichkeit, sich gegen ein Bauhandwerkerpfandrecht zu wehren, namentlich in dem er eine hinreichende Sicherheit leistet (Art. 839 Abs. 3 ZGB). Diese tritt an Stelle des Pfandrechts und soll dem Unternehmer gleichwertigen Schutz bieten.

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I. HINREICHENDE SICHERHEIT

Als mögliche Sicherheiten für die Pfandsumme kommen insb. die (Bank-/Versicherungs-) Garantie, die Hinterlegung eines Geldbetrages beim Gericht, einer Bank oder einem Notar oder die Bürgschaft in Frage.

In den allermeisten Fällen wird als Sicherheitsleistung die Garantie gewählt. Sie hat gegenüber den beiden anderen Sicherungsmitteln den Vorteil, dass nicht zwingend ein garantierter Höchstbetrag festgelegt werden muss, was angesichts der (noch) aktuellen Rechtslage / Rechtsprechung von grossem Vorteil ist (siehe hiernach).

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II. RECHTSPRECHUNG

Mit seinem Urteil vom 5. Oktober 2016 (BGE 142 III 738) stellte das Bundesgericht fest, dass eine Sicherheitsleistung nur dann hinreichend im Sinne des Gesetzes ist, wenn sie die gleiche Deckung (qualitativ und quantitativ) bietet wie das Bauhandwerkerpfandrecht. Gemäss Bundesgericht müssen auch die Verzugszinsen der Forderung zeitlich unlimitiert sichergestellt sein. Stellt eine Garantie zwar den Kapitalbetrag aber nicht zeitlich unlimitiert die Verzugszinsen sicher, genügt sie den Anforderungen an eine „hinreichende Sicherheit“ nicht. Mit diesem Entscheid stellte das Bundesgericht klar, dass eine Sicherstellung des Kapitalbetrages zuzüglich Verzugszinse für 10 Jahre, wie dies früher als ausreichend angesehen wurde, nicht mehr gilt. Ebenfalls darf eine Garantie keine terminliche Befristung der Gültigkeitsdauer aufweisen.

Eine Bankgarantie mit unlimitiertem Zinsenlauf und ohne konkrete Befristung dürfte in der Praxis schwer zu erlangen sein und insb. von der Liquidität des Grundeigentümers abhängen. Durch das zitierte Bundesgerichtsurteil verschärfte sich in der Praxis die Problematik der Ablösung von Bauhandwerkerpfandrechten.

Im Entscheid 5A_323/2022 vom 27. Oktober 2022 hatte das Bundesgericht erneut die Möglichkeit, sich mit dem Thema der hinreichenden Sicherheit und seiner früheren Rechtsprechung auseinanderzusetzen, die in der Lehre stark kritisiert worden ist, und Anlass für eine Gesetzesrevision gab (vgl. hiernach).

Die Vorinstanz des Bundesgerichts (Kantonsgericht Genf) hatte in ihrem Entscheid festgehalten, dass die von den Grundeigentümern geleistete Sicherheit im Umfang der Forderung des Unternehmers zuzüglich 5% Zins für eine Dauer von 10 Jahren den Anforderungen einer hinreichenden Sicherheit genüge und daher das provisorisch im Grundbuch eingetragene Bauhandwerkerpfandrecht zu löschen sei und wich damit von der geltenden Rechtsprechung ab.

Das Bundesgericht stützte diesen Entscheid und hielt fest, dass er nicht willkürlich sei. Es erwog, dass in bestimmten Fällen eine laufende Gesetzesrevision bei der Auslegung einer Norm berücksichtigt werden kann. Dies ist jedoch nur denkbar, wenn die anwendbare Regelung nicht grundlegend geändert wird und es lediglich darum geht, die bestehende Rechtslage zu konkretisieren oder Lücken im anwendbaren Recht zu schliessen.

Aufgrund der anstehenden Gesetzesrevision (vgl. hiernach) dürfte die unterschiedliche Rechtsprechung für die Praxis aber ohnehin nicht mehr von grundlegender Bedeutung sein.

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III. ALTERNATIVE HANDLUNGSMÖGLICHKEIT DES GRUNDEIGENTÜMERS

Das Handelsgericht Aargau hat in einem Entscheid vom 23. Februar 2023 (HSU.2022.41) festgehalten, dass für den Fall, dass der Unternehmer die von der sicherheitsleistenden Person angebotene Ersatzsicherheit anstelle des Bauhandwerkerpfandrechts akzeptiert, das Gericht nicht mehr zu überprüfen hat, ob die Sicherheitsleistung «hinreichend» im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB ist und entsprechend die Löschung des Bauhandwerkerpfandrechts anordnen kann. Somit besteht seitens Grundeigentümer die Möglichkeit, im Vorfeld einer Sicherheitsleistung, namentlich einer geplanten Hinterlegung das Einverständnis des Unternehmers einzuholen, dass die zu hinterlegende Summe eine hinreichende Sicherheit bietet und kann dadurch die Hürden der aktuellen Rechtsprechung umgehen. Praktisch gesehen, ist der Grundeigentümer auf diese Zustimmung angewiesen.

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IV. GESETZESREVISION

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts war Anlass für einen politischen Vorstoss Ende 2017 (Motion Burkhart 17.4079). Das Ziel war, Verzugszinse, die in den Sicherheiten nach Art. 839 Abs. 3 ZGB enthalten sind, auf zehn Jahre zu begrenzen.

Zwischenzeitlich wurde Art. 839 Abs. 3 ZGB (neu): «Sie (die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts) darf nur erfolgen, wenn die Pfandsumme vom Eigentümer anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist, und kann nicht verlangt werden, wenn der Eigentümer für die angemeldete Forderung zuzüglich Verzugszinse für die Dauer von zehn Jahren hinreichende Sicherheit leistet» von der Bundesversammlung angenommen. Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Die Änderung und damit im Gesetz niedergeschriebene Begrenzung verleiht der gesetzlichen Bestimmung wieder eine praktische Bedeutung. Der Umfang der Ersatzsicherheit kann wieder konkret beziffert werden. Im Sinne der Rechtssicherheit und der einheitlichen Rechtsanwendung ist dies zu begrüssen.


28. Februar 2024  / MLaw Kim Attenhofer


MIETRECHTLICHE STOLPERSTEINE BEI UMBAU UND SANIERUNG

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Eigentümer von Mietliegenschaften wollen von Zeit zu Zeit eine Liegenschaft umbauen oder müssen diese (total-)sanieren und stehen vor der Frage, wie sie hinsichtlich der bestehenden Mietverhältnisse vorgehen. Sollen die Arbeiten etappenweise vorgenommen werden, so dass die Mieter oder zumindest ein Teil davon in der Liegenschaft bleiben kann oder wäre doch eine Leerkündigung besser, sodass uneingeschränkt gebaut werden kann? Die Entscheidung kann von individuellen Tatsachen abhängen. Welche Probleme sich bei der einen oder andere Variante stellen können und was beachtet werden sollte, wird in diesem Newsletter unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erläutert.

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I. BAUARBEITEN BEI VERMIETETEN LIEGENSCHAFTEN

Art. 256 Abs. 1 OR verpflichtet den Vermieter, das Mietobjekt während der Vertragsdauer in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten. Der Vermieter ist damit verpflichtet, Störungen und Mängel zu beseitigen und das Mietobjekt so zu unterhalten, dass es von den Mietern vertragskonform genutzt werden kann. Solche Unterhaltsarbeiten sind vom Mieter jederzeit zu dulden.

Gemäss Art. 260 Abs. 1 OR kann der Vermieter Erneuerungen und Änderungen – im Gegensatz zu reinen Unterhaltsarbeiten – am Mietobjekt nur dann vornehmen, wenn sie für den Mieter zumutbar sind und wenn das Mietverhältnis nicht gekündigt ist. Eine Zustimmung durch den Mieter ist nicht erforderlich. Das Bundesgericht stellt hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit. Entsprechende Arbeiten müssen schonend ausgeführt werden (Abs. 2).

Eine klare Linie zwischen Unterhaltsarbeiten und Erneuerungen bzw. Änderungen zu ziehen, gestaltet sich regelmässig als schwierig. Arbeiten an der Liegenschaft, die zur Behebung von Mängeln oder zur Beseitigung oder Vermeidung von Schäden notwendig sind, wie beispielsweise das Ersetzen einer defekten Heizung, der Ersatz von Leitungen, die zu rosten drohen, der Service von technischen Geräten etc., sind Unterhaltsarbeiten. Von Erneuerungen und Änderungen spricht man häufig bei einer Umgestaltung von Mietobjekten, bei wertvermehrenden Investitionen, die nicht unbedingt nötig, aber nützlich sind, wie beispielsweise bei energetischen Sanierungen oder beim Einbau von neuen, bisher nicht vorhandenen Einrichtungen.

Sowohl bei Unterhaltsarbeiten als auch bei Erneuerungen und Änderungen können die Mieter grundsätzlich in der Liegenschaft verbleiben. Die Bedürfnisse der Mieter sind soweit als möglich zu berücksichtigen. Der Vermieter behält seinen Anspruch auf den Mietzins, wobei je nach Ausmass und Dauer der Arbeiten bzw. dem Grad an Immissionen mit Mietzinsherabsetzungs- und Schadenersatzbegehren (Art. 259a ff. OR) zu rechnen ist. Auch besteht das Risiko von Verzögerungen infolge von Einsprachen und Verfahren mit den Mietern.

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II. LEERKÜNDIGUNG IN HINBLICK AUF EINEN UMBAU ODER EINE SANIERUNG

Namentlich im Falle von grösseren Umbau- oder Sanierungsprojekten sind diese nur bei Leerstand zeit- und kosteneffizient durchzuführen. Entsprechend müssen sämtliche Mietverhältnisse gekündigt werden. Die Inangriffnahme von Arbeiten wird in aller Regel mit Blick auf die hiervor zitierte Bestimmung von Art. 260 Abs. 1 OR vor dem Kündigungstermin unterbleiben müssen.

Bei Leerkündigungen besteht das Risiko, dass (einzelne) Mieter die Kündigung anfechten, sich auf Missbräuchlichkeit berufen bzw. eine Erstreckung verlangen. Damit zusammenhängende Gerichtsverfahren können mehrere Jahre dauern. Während hängigen Gerichtsverfahren geniessen die betroffenen Mieter eine sogenannte «kalte Erstreckung», d.h. sie können in der Mietwohnung mindestens solange verbleiben, wie das Verfahren andauert. Gerade bei grösseren Liegenschaften mit mehreren Mietobjekten gestaltet sich die Situation für den Eigentümer und Vermieter äusserst mühsam, wenn einzelne Mieter die Kündigung anfechten: Er verliert die Mietzinseinnahmen der Mieter, die das Objekt infolge Kündigung verlassen. Gleichzeitig kann er aber nicht über seine (ganze) Liegenschaft verfügen und die Sanierung vorantreiben, weil einzelne Objekte besetzt bleiben und währenddessen Erneuerungen und Änderungen mit Blick auf Art. 260 Abs. 1 OR nicht zulässig sind. Ausserdem muss die Liegenschaft weiterhin unterhalten, geheizt und gereinigt werden, auch wenn bloss noch wenige Mieter dort wohnen. Auch die Reputation kann unter diesem Umstand leiden. Leerkündigungen sind folglich für Vermieter sinnvoll, welche über einen langen Atem verfügen und welche auch das mit einer solchen Kündigung verbundene Leerstandsrisiko tragen können.

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III. VORAUSSETZUNGEN SANIERUNGSKÜNDIGUNG

Grundsätzlich sind die Parteien in ihrer Entscheidung ein Mietverhältnis zu kündigen frei. Der Vermieter kann somit das Mietverhältnis kündigen, um sein Eigentum auf die für ihn günstige Weise zu nutzen, um grössere Renovationen durchzuführen, welche bei Auszug des Mieters rascher und günstiger ausgeführt werden können, um den Ertrag zu maximieren oder die Räumlichkeiten für sich selbst zu nutzen oder nahen Verwandten zur Verfügung zu stellen. Die Kündigung darf einzig und allein nicht missbräuchlich sein. Eine Kündigung kann durch einen Mieter erfolgreich angefochten werden, wenn sie missbräuchlich ist, d.h. gegen Treu und Glauben verstösst und somit ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse erfolgt (Art. 271 Abs. 1 OR). Im Zusammenhang mit einer Sanierung fallen in erster Linie folgende Fallgruppen in Betracht:

–     Kündigung als schonungslose Rechtsausübung, weil der Vermieter aus verschiedenen Optionen diejenige wählt, welche für den Mieter nachteiliger ist.

–     Widersprüchliches Verhalten, weil der Vermieter in der Kündigung angibt, dass diese infolge Totalsanierung erfolgt und in der Folge nur Malerarbeiten durchgeführt werden und somit ein Verbleib im Mietobjekt möglich wäre. Die Relevanz dieser Fallgruppe dürfte in der Praxis nicht sehr hoch sein, da bis zur Eruierung des wahren Grundes meist die Anfechtungsfrist von 30 Tagen bereits verstrichen ist.

–     Kündigung obwohl noch kein ausgereiftes Projekt vorliegt bzw. zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollzogen werden kann, dass die geplanten Arbeiten notwendig sind und der Auszug der Mieter erforderlich ist.

In der Praxis ist die letzte Fallgruppe wohl am häufigsten anzutreffen, weshalb auf diese ausführlich Bezug genommen wird.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss der Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung ein tatsächliches und aktuelles, schutzwürdiges Interesse haben. Ein solches wird verneint, wenn das Umbauprojekt noch zu wenig ausgereift ist bzw. noch keine greifbare Tatsache darstellt. Irrelevant ist, ob die geplanten Arbeiten notwendig oder gar dringlich sind und gleichermassen auch die Bereitschaft eines Mieters die Arbeiten zu dulden. Es ist hingegen wichtig, dass, wenn ein Umbau der Kündigungsgrund darstellt und dieser auch angegeben wird, das Umbauprojekt im Zeitpunkt der Kündigung bereits ausgereift und relativ detailliert geplant ist. Die feste Absicht zur Renovierung und zum Umbau eines Gebäudes genügt jedenfalls nicht. Idealerweise wurde bereits ein Baubewilligungsgesuch eingereicht oder es liegt sogar eine Baubewilligung vor. Dies stellt jedoch keine zwingende Voraussetzung dar. Weitere Unterlagen, welche zur Substantiierung eines ausgereiften Bauprojekts beitragen können (nicht müssen), sind beispielsweise: Machbarkeitsstudie eines Architekten, Pläne, konkreter Baubeschrieb, Offerten, Finanzierungsnachweis für das beabsichtigte Projekt u.Ä.

Wird die Kündigung aufgrund eines Projekts ausgesprochen, dessen Realisierung objektiv unmöglich ist, insb. weil es offensichtlich nicht mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts vereinbar ist, so ist abzuschätzen, ob zum Zeitpunkt der Kündigung die Bewilligung der geplanten Arbeiten deutlich auszuschliessen gewesen ist. Eine nicht vernachlässigbare Wahrscheinlichkeit genügt hierfür nicht. Eine Kündigung widerspricht nicht bereits dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn das ursprüngliche Projekt geändert werden muss, um durch die Behörde bewilligt zu werden. Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Bauvorhaben im Laufe der Planung freiwillig oder aufgrund von behördlichen Auflagen angepasst werden und das Projekt nicht genauso realisiert wird, wie ursprünglich angedacht. Nach dem Kündigungszeitpunkt eintretende Ereignisse führen nicht dazu, dass eine Kündigung nachträglich missbräuchlich werden kann. Diese Ansicht wurde kürzlich vom Bundesgericht bestätigt.

Abschliessend sei erwähnt, dass selbst wenn die Kündigung nicht ungültig ist oder wegen Missbräuchlichkeit angefochten wird, für den Vermieter infolge einer Kündigung immer noch das Risiko besteht, dass Mieter bei Gericht eine Erstreckung verlangen und ihnen diese vom Gericht unter bestimmten Voraussetzungen zugestanden wird. Auch dies führt konsequenterweise zur Verzögerung von Bauarbeiten. Würde die Klage um Erstreckung abgewiesen, kommt der Mieter zumindest während des hängigen Verfahrens in den Genuss der «kalten Erstreckung». Ein Mieter wird dem Vermieter gegenüber grundsätzlich nicht schadenersatzpflichtig, solange er seine Rechte gutgläubig ausübt, womit Ansprüche des Vermieters gegenüber dem unterliegenden Mieter im Gerichtsverfahren tendenziell ausgeschlossen sind.

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IV. VORGEHENSWEISE UND MASSNAHMEN IN HINBLICK AUF EINEN UMBAU ODER EINE SANIERUNG

Ein Umbau oder eine umfassende Sanierung wollen gut und frühzeitig geplant sein.

Je weiter ein Bauprojekt fortgeschritten ist, desto besser sind die Aussichten, dass eine Kündigung geschützt und dass keine oder keine allzu lange Erstreckung gewährt wird.

Weiss ein Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrages, dass in absehbarer Zeit eine Gesamtsanierung ansteht, ist er gut beraten, einen befristeten Mietvertrag abzuschliessen. In Mietverträgen, welche in Hinblick auf ein bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben geschlossen werden, können die Parteien ausnahmsweise vereinbaren, dass das Mietverhältnis nur für beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen wird (Art. 272a Abs. 1 lit. d OR). Die Erstreckung ist dann ausgeschlossen. Dies ermöglicht dem Vermieter für Mietobjekte, welche bereits gekündigt und zurückgegeben worden sind, wieder befristet zu vermieten, was namentlich dann zum Tragen kommt, wenn mit dem Umbau noch nicht begonnen werden kann, bspw. wegen anderer hängigen Gerichts- und Bewilligungsverfahren.

Im Vorfeld von Sanierungskündigungen haben Vermieter sodann darauf zu achten, dass es zu keinen unnötigen Schlichtungs- und Gerichtsverfahren mit den Mietern kommt, sodass Kündigungssperrfristen zum Tragen kommen. Insofern ist auch von Vorankündigungen abzuraten, andernfalls gewisse Mieter sich veranlasst sehen können, mietrechtliche Streitigkeiten zu provozieren, um so in den Genuss dieser Sperrfristen zu kommen.

Je nach Ausgangslage kann sich in Hinblick auf eine umfassende Sanierung statt einer Kündigung auch eine Vereinbarung mit den Mietern anbieten. In einer solchen Vereinbarung können die Details, abgestimmt auf den Einzelfall, geregelt werden. Damit gewinnt der Vermieter Rechtssicherheit. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die betroffenen Mieter ihre Zustimmung zur Auflösung des Mietverhältnisses geben, was sicherlich nicht immer einfach sein dürfte. Gewährt der Vermieter dem Mieter jedoch eine längere Auflösungsfrist bzw. eine einseitige kürzere Auszugsmöglichkeit, hilft ihm aktiv bei der Suche einer neuen Wohnung oder kann ihm eine solche gar zur Verfügung stellen und kommt ihm eventuell finanziell bezüglich Umzugskosten entgegen, so ist das Einigungspotenzial erfahrungsgemäss höher. Ein solches Vorgehen macht aber nur Sinn, wenn der Vermieter seine Mieter einschätzen kann und er eine einvernehmliche Lösung nicht per se ausschliesst.

Andernfalls besteht eine Garantie für die Vermeidung von Auseinandersetzungen mit Mietern auch bei guter und rechtzeitiger Analyse der Situation, sorgfältiger Planung und bei rücksichtsvollem Handeln gegenüber den Mietern leider nicht. Dennoch ist dies absolut zu empfehlen.


15. Februar 2023  / MLaw Kim Attenhofer


STOCKWERKEIGENTUM – WIE WEIT GEHT DAS GESTALTUNGSRECHT AUF DEM EIGENEN BALKON?

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

.I. EINLEITUNG

Im Gegensatz zu Eigentümern von Einfamilienhäusern besitzen Stockwerkeigentümer lediglich das Recht, die ihnen zu Sonderrecht ausgeschiedenen Teile (bspw. Wohnung, Keller) ausschliesslich zu gebrauchen und nach eigenem Belieben zu verändern. Voraussetzung für die Ausscheidung zu Sonderrecht ist, dass der Teil der Liegenschaft abgeschlossen ist, d.h. Boden, Decke, Wände und ein eigener Zugang bestehen.

Gemeinschaftliche Teile der Liegenschaft wie z.B. das Dach, die tragenden Mauern, die Fassade oder das Fundament gehören – wie der Name schon sagt – der Stockwerkeigentümergemeinschaft und entsprechend kann auch nur die Gemeinschaft darüber verfügen bzw. bauliche Massnahmen beschliessen und veranlassen.

Nun gibt es auch Bauteile, welche gefühlsmässig eher zur Wohnung und damit zum Sonderrecht eines Eigentümers gehören, rechtlich gesehen aber gemeinschaftliches Eigentum bilden. Diese Bauteile können mit entsprechender Regelung im Reglement einem einzelnen Stockwerkeigentümer lediglich zum alleinigen Gebrauch zugewiesen werden. Für die bauliche Ausgestaltung sind dem Eigentümer aber die Hände gebunden und er braucht hierfür die Zustimmung der Gemeinschaft. Es handelt sich hierbei um Gebäudeteile, welche die obgenannten Voraussetzungen des Sonderrechts nicht oder nur teilweise erfüllen wie beispielsweise der Garten, die Dachterrasse oder freiliegende Parkplätze (fehlende Abgeschlossenheit).

Die Abgrenzung ist nicht immer ganz einfach und das Bewusstsein für die rechtliche Handhabung teilweise nicht vorhanden, was in der Praxis regelmässig zu Diskussionen führt, wie gewisse Bauteile genutzt und vor allem verändert werden dürfen. Der vorliegende Newsletter konzentriert sich auf die Gestaltungsfreiheit auf dem eigenen Balkon und soll Aufschluss geben, inwiefern ein Stockwerkeigentümer bei entsprechenden baulichen Massnahmen die Gemeinschaft zu involvieren hat.

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II. RECHTLICHE WÜRDIGUNG

Nach der herrschenden Lehre ist das Innere eines Balkons grundsätzlich sonderrechtsfähig und kann durch einen Stockwerkeigentümer im Rahmen des Gesetzes bzw. des Reglementes individuell umgestaltet werden. Der äussere Teil des Balkons (z.B. Balkongeländer, Fundament, Boden-Isolierungsschichten, Aussenmauern) stellt hingegen zwingend ein gemeinschaftlicher Teil dar, weshalb für eine Umgestaltung oder Erneuerung ein Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft notwendig ist.

Soweit das Innere eines Balkons von aussen ersichtlich ist, dürfen individuelle bauliche Massnahmen nur durchgeführt werden, wenn dadurch kein Eingriff auf die äussere Erscheinung des Gebäudes erfolgt. Dies wird oftmals auch explizit durch das Reglement so festgehalten. Bei einer baulichen Massnahme, die zu einer Veränderung des äusserlichen Erscheinungsbildes führt, ist ein Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung einzuholen. Das erforderliche Mehrheitsquorum bestimmt sich nach dem Reglement oder subsidiär nach den gesetzlichen Bestimmungen.

Bei der Beurteilung, ob eine bauliche Massnahme tatsächlich zu einer Änderung der Erscheinung des Gebäudes führt, ist auf den Einzelfall abzustellen und eine individuelle Beurteilung erforderlich. Kleinste Änderungen der Erscheinung genügen nicht. Entscheidend ist der Gesamteindruck des Gebäudes und nicht jedes Detail.

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III. FALLBEISPIELE AUS DER GERICHTSPRAXIS

Das Bundesgericht hat beispielsweise in einem Urteil festgehalten, dass die Installation eines Klimagerätes, welches von aussen ohne weiteres gut sichtbar ist, keine untergeordnete optische Veränderung darstelle und das Aussehen der Fassade und damit des Gebäudes im äusseren Erscheinungsbild beeinträchtige. Damit ist für die Installation durch den Eigentümer ein Beschluss der Versammlung notwendig.

Für Balkonroste gilt nach Ansicht der Verfasserin, dass ein Eigentümer diese individuell auswechseln darf, solange die äussere Erscheinung des Gebäudes unverändert bleibt. Insbesondere bei Liegenschaften mit geschlossenen bzw. blickdichten Balkongeländern scheint dies keine Probleme zu bereiten. Bei Balkongeländern, welche eine Sicht auf den Balkonboden zulassen, sollte das Auswechseln des Balkonrostes individuell möglich sein, solange die Art, das Material und die Farbe gleichartig bleiben. Möchte jedoch ein Stockwerkeigentümer beispielsweise den bestehenden Holzrost durch rote Bodenplatten auf seinem Balkon ersetzen, so wird dadurch die äussere Erscheinung verändert und es bedarf ein Beschluss der Gemeinschaft.

Der Balkon darf sodann im Innenbereich und in den vorbestehenden und vorgesehenen Blumenkisten nach eigenem Belieben bepflanzt werden. Rankgitter sind erlaubt, solange die Kletterpflanzen nicht an der Fassade wachsen und sie die Bausubstanz des Gebäudes nicht übermässig belasten. Ohne Erlaubnis der Stockwerkeigentümergemeinschaft dürfen jedoch keine neuen Blumenkisten nach aussen gehängt werden, da dadurch das äussere Erscheinungsbild der Liegenschaft verändert wird. Gleiches gilt für Veränderungen am Balkongeländer.

Auch durch eine Balkonverglasung wird das Erscheinungsbild verändert, weshalb es auch diesbezüglich das Einverständnis der Gemeinschaft und nicht etwa nur der direkt betroffenen Nachbarn braucht. Dies gilt selbst dann, wenn der veränderungswillige Eigentümer bereit ist, für die gesamten Kosten der Umgestaltung aufzukommen. Hierzu sogleich.

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IV. KOSTENTRAGUNG

Jeder Stockwerkeigentümer trägt die Kosten für den Unterhalt, die Erneuerung und die Instandhaltung aller Einrichtungen und Installationen, die in seinem Sonderrecht stehen. Will somit ein Eigentümer den Boden in seiner Wohnung erneuern, hat er selbständig die Kosten zu tragen. Veränderungen oder Sanierungen von gemeinschaftlichen Teilen gehen zu Lasten der Gemeinschaft.

Wie hiervor beschrieben wurde, dienen bestimmte gemeinschaftliche Teile nur einzelnen Eigentümer (Sondernutzungsrecht). Das Stockwerkeigentümer-Reglement kann festlegen, dass der berechtigte Stockwerkeigentümer grundsätzlich für sämtliche Kosten und Lasten des von ihm beanspruchten gemeinschaftlichen Teils aufkommt, sofern eine solche Regelung nicht unzumutbar, unbegründet bzw. rechtsmissbräuchlich erscheint. Äussert sich das Reglement nicht zur Kostenverteilung für Gebäudeteile im Sondernutzungsrecht, so gilt zu unterscheiden, ob dieser Teil Funktionen erfüllt, welche zum Teil auch der Gemeinschaft zukommen oder nicht. Falls ein Teil auch für die Gemeinschaft von Nutzen ist, gibt es keinen Grund, dem Sondernutzungsberechtigten sämtliche Kosten zu überbinden. Dies gilt vor allem für strukturbildende Gebäudeteile (z.B. Dach). Der nutzende Stockwerkeigentümer hat hingegen für allfällige Mehrkosten aufzukommen, die sich aus seiner Nutzung oder seinen Sonderwünschen ergeben.

Zur Veranschaulichung: Bei einem Mehrfamilienhaus mit Flachdach, dient das Dach dem obersten Stockwerkeigentümer zugleich als Dachterrasse und diese ist ihm im Sondernutzungsrecht zugewiesen. Werden nun Beschädigungen am Flachdach bzw. an der Dachterrasse festgestellt, sind die Kosten für die Sanierung grundsätzlich von der Gemeinschaft zu tragen, dient doch das Dach dem ganzen Gebäude und schützt auch die darunterliegenden Wohnungen. Entscheidet sich der direkt betroffene (oberste) Stockwerkeigentümer nun, den Bodenbelag durch hochwertige Materialien zu ersetzen und entstehen dadurch Mehrkosten, sind diese Mehrkosten alleine von ihm und nicht von der Gemeinschaft zu tragen, da nur er als Sondernutzungsberechtiger der Dachterrasse davon profitiert.


6. Juli 2022  / MLaw Kim Attenhofer


AUSWIRKUNGEN VON CORONA-MASSNAHMEN AUF DIE MIETZINSE VON GESCHÄFTSMIETERN – neuer Entscheid des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 28. Januar 2022

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

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Die Ungewissheit für Geschäftsmieter und –vermieter, inwiefern sich die behördlich verordneten Massnahmen, namentlich die Betriebsschliessungen während der Lockdowns, auf die Mietzinszahlungspflicht des Mieters auswirken, hält an.

Im Nachgang an meinen Newsletter vom 13. August 2021, in welchem der Entscheid zu diesem Thema vom Mietgericht Zürich behandelt wurde, beziehe ich mich nachfolgend auf einen neuen Entscheid des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 28. Januar 2022 mit neuen Erkenntnissen.

Der erwähnte Entscheid des Mietgerichts Zürich wurde zwar von der Mieterin angefochten. Die Parteien schlossen jedoch während des Berufungsverfahrens am Obergericht einen Vergleich, weshalb das Gericht das Verfahren abschreiben konnte.

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I. SACHVERHALT / GRUNDLAGE URTEIL BASEL-STADT

Die Parteien schlossen einen Geschäftsmietvertrag mit einer Gesamtfläche von 540 m2 und 148 Sitzplätzen ab. Gemäss Mietvertrag dient das Objekt zum Betrieb eines Schnellimbiss-Restaurants oder eines gleichwertigen Betriebs und darf auch nur für den Betrieb eines solchen genutzt werden. Aufgrund des behördlich verordneten Lockdowns infolge Corona-Pandemie wurde der Betrieb von Restaurants vom 16. März 2020 bis am 11. Mai 2020 verboten. Take-Away-Betriebe blieben erlaubt. Die Mieterin beantragte vor Gericht für diese Zeit eine 100%- ige Herabsetzung des Mietzinses für die Zeit des Betriebverbotes.

Die Mieterin machte einen Mangel geltend. Sie begründete, dass für den Take-Away-Betrieb lediglich ein kleiner Teil, namentlich 90m2 der gemieteten 540m2, notwendig gewesen seien. Weit über 90% des Nettomietzinses würden für den Restaurant-Betrieb aufgewendet. Ohne Umsatz aus dem Restaurant-Betrieb sei ein gewinnbringender Betrieb nicht möglich, weshalb der gesamte Betrieb geschlossen wurde.

Die Vermieterin und Beklagte bestritt einen Mangel am Mietobjekt. Das Mietobjekt sei während der gesamten fraglichen Zeitspanne uneingeschränkt und mängelfrei zum Gebrauch überlassen worden und hätte stets zum mietvertraglich gestatteten Nutzungszweck gebraucht werden können. Ein Mangel am Mietobjekt setze in jedem Fall einen konkreten, objektbezogenen Sachverhalt voraus, was vorliegend nicht der Fall sei. Es habe vielmehr eine bundesbehördlich angeordnete Geschäftsschliessung vorgelegen, die in den Risikobereich der Mieterin falle. Ausserdem hätte ihrer Meinung nach die Mieterin jederzeit die Möglichkeit gehabt, mit Zustimmung der Beklagten den Nutzungsweck zu ändern. Die Parteien hätten sich im Mietvertrag zudem ausdrücklich darauf verständigt, dass auch bei einer unmöglichen oder eingeschränkten vertraglichen Nutzung der Mietvertrag weder aufgehoben noch geändert werden könne. Da der Take-Away-Betrieb nicht verboten gewesen sei, habe der Mieter den Betrieb freiwillig ganz geschlossen.

Die Klägerin führte darauf hin aus, das Mietobjekt sei ausdrücklich zum Betrieb eines bestimmten Restaurantkonzepts vermietet worden und eine Nutzungsänderung sei aufgrund der Kosten sowie der Dauer der Massnahmen nicht möglich gewesen.

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II. ENTSCHEID

Im Entscheid hielt das Gericht vorab fest, dass der Gebrauch des Mietobjektes ausdrücklich als Schnellimbiss-Restaurant oder eines gleichwertigen Betriebs vereinbart wurde. Durch die vom Bundesrat angeordnete Schliessung der Restaurants durfte die Klägerin den Take-Away weiterbetreiben. Die Fläche, die grundsätzlich für den Konsum zur Verfügung stehe, konnte jedoch nicht genutzt werden und der Betrieb des Restaurants mit Konsumation vor Ort war nicht möglich. Der tatsächliche Zustand wich somit während der Dauer der Schliessung vom vertraglich vereinbarten Zustand ab.

Die Argumentation der Vermieterin und Beklagten wurde vom Gericht abgelehnt. Aus der teilweise vertretenen und von der Vermieterin geltend gemachten Ansicht, dass lediglich objektbezogene (Beschaffenheit, Zustand, Lage des Mietobjektes etc.), nicht aber betriebsbezogene Einschränkungen einen Mangel im Sinne von Art. 259d OR darstellen, kann nach Ansicht des Gerichts nicht geschlossen werden, dass die durch eine an die Allgemeinheit gerichtete Massnahme bewirkte Einschränkung oder Verunmöglichung einer ausdrücklich vereinbarten Nutzung des Mietobjekts keinen Mangel am Mietobjekt darzustellen vermag. Auch die anderen Argumente liess das Gericht nicht gelten.

Das Gericht hiess die durch die Klägerin geltend gemachte Mietzinsreduktion gemäss Art. 259d OR gut. Zur Festsetzung der Höhe der Mietzinsreduktion hielt das Gericht fest, dass bei einem Rückgang der Gäste und Schliessung der für die Konsumation vorgesehen Fläche Personalstunden an der Kasse, bei der Reinigung und auch in der Küche Kosten eingespart werden. Der Bundesrat sah sodann erleichterte Möglichkeiten der Kurzarbeit vor. Unter diesen Umständen erscheinte bei einer vorübergehenden Schliessung der Konsumationsfläche während zwei Monaten im Frühling 2020 unter Annahme einer massgeblichen Kompensation des Restaurantsgeschäfts durch den Take-Away-Betrieb eine Herabsetzung des Mietzinses um 30% als angemessen.

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III. FAZIT

Während das Mietgericht Zürich im August des letzten Jahres (wie auch das Mietgericht Genf im Juni 2021) noch eine vermieterfreundliche Auffassung bezüglich dieser Thematik vertreten hat, gelangte das Mietgericht Basel-Stadt zu einer anderen, mieterfreundlichen Ansicht. Es bestätigte, dass die behördliche Betriebsschliessung durchaus einen Mangel darstellen kann. Obwohl die Rollenverteilung eine andere war (Zürich: Klägerin = Vermieterin (Begleichung offener Mietzinse); Basel-Stadt: Klägerin = Mieterin (Mietzinsherabsetzung)) und im Gerichtsverfahren jeweils der klagenden Partei die Beweislast obliegt, so kann m.E. für diese Fälle eine massgebliche Relevanz verneint werden.

Übereinstimmend kamen die Gerichte zum Schluss, dass die Bestimmungen zur nachträglichen Unmöglichkeit nach Art. 119 OR nicht zur Anwendung gelangen, weil die behördliche Schliessung nicht dauerhaft war und ebenfalls und dass die Anwendung der «clausula rebus sic stantibus» nicht generell ausgeschlossen ist.


31. März 2022  / MLaw Kim Attenhofer


AUSWIRKUNGEN VON CORONA-MASSNAHMEN AUF DIE MIETZINSE VON GESCHÄFTSMIETERN – ENTSCHEID DES MIETGERICHTS ZÜRICH VOM 02.08.2021

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

.Seit mehr als einem Jahr fragen sich Geschäftsmieter und -vermieter, inwiefern sich die behördlich verordneten Massnahmen, namentlich die Betriebsschliessungen während der Lockdowns, auf die Mietzinszahlungspflicht des Mieters auswirken. In der Politik ist eine Debatte darüber ausgebrochen und viele Juristen haben sich mit der Frage auseinandergesetzt (vgl. mein Newsletter vom 20. März 2020).

Nun hat das Mietgericht Zürich am 2. August 2021 sich erstmals zur heftig umstrittenen Frage geäussert und entschieden, dass eine Vertragskorrektur nach den Regeln der Teilunmöglichkeit oder eine Mietzinsherabsetzung infolge Mangelhaftigkeit der Mietsache grundsätzlich nicht in Frage kommt. Je nach dem kann aber eine richterliche Vertragsanpassung nach den Regeln der veränderten Umstände (clausula rebus sic stantibus) angezeigt sein.

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I. RECHTLICHES

1.1 Nachträgliche (Teil-)Unmöglichkeit

Bei nachträglicher objektiver unverschuldeter Unmöglichkeit ist der Schuldner nicht mehr verpflichtet, die Leistung zu erbringen (Art. 119 Abs. 1 OR). Das Bundesgericht hat in der Vergangenheit festgehalten, dass Unmöglichkeit nur in Betracht kommt, wenn diese mit Gewissheit bis zum Vertragende bestehen bleibt oder ihr Wegfall zumindest nicht abzusehen ist.

1.2 Mängel an der Mietsache

Falls an einer Mietsache Mängel bestehen oder der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache gestört wird, kann er vom Vermieter verlangen, dass der Mietzins verhältnismässig herabgesetzt wird (Art. 259a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 259d OR). Mangelhaft ist ein Mietobjekt, wenn ihm eine vertraglich zugesicherte oder eine sich aus dem vertraglichen Gebrauchs-zweck ergebende Eigenschaft fehlt. Dies ist in erster Linie anhand des konkreten Vertrages und den darin niedergeschriebenen Bestimmungen zu beurteilen. Dass auf Seiten des Vermieters ein Verschulden vorliegen muss, damit eine Mietzinsherabsetzung beantragt werden kann, wird vom Gesetz nicht vorausgesetzt.

1.3 Clausula rebus sic stantibus / Richterliche Vertragsanpassung

Dem Grundsatz pacta sunt servanda zufolge ist davon auszugehen, dass Verträge so zu halten sind, wie sie geschlossen wurden. Davon werden nur in beschränktem Umfang Ausnahmen zugelassen. Die Anpassung eines Vertrags rechtfertigt sich dann, wenn aufgrund einer Verhältnisveränderung die Erfüllung des Vertrages mit seinem ursprünglichen Inhalt mindestens einer Partei nicht mehr zumutbar ist. Dabei steht der Grundgedanke im Vordergrund, dass die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie nicht Fehlvorstellungen über die Zustände bei Vertragsschluss oder über die Entwicklung der Verhältnisse gehabt hätten.
Ein richterlicher Eingriff in einen Vertrag aufgrund veränderter Umstände setzt nach Rechtsprechung und herrschender Auffassung voraus, dass die Verhältnisänderung weder vorherseh-bar noch vermeidbar war, dass diese eine gravierende Äquivalenzstörung zur Folge hatte und dass der Vertrag nicht vorbehaltlos erfüllt wurde.

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II. SACHVERHALT

Dem Urteil des Mietgerichts Zürich lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Parteien schlossen 2013 einen Mietvertrag betr. Ladenlokal sowie betr. Lager ab. Aufgrund der behördlich verordneten Lockdowns infolge Corona-Pandemie bezahlte die Mieterin die Mietzinse für die Monate April und Mai 2020 nicht. Für die Monate Juni 2020 bis Januar 2021 bezahlte sie jeweils 1/3 des geschuldeten Bruttomietzinses. Für Februar 2021 stellte sie die Zahlung wiederum ganz ein.

Die Parteien standen aussergerichtlich im Kontakt und die Vermieterin bot der Mieterin vergleichsweise für die Zeit der beiden Lockdowns einen Mietzinserlass von 60% an. Dieses Angebot lehnte die Mieterin jedoch ab. Auch an der Schlichtungsverhandlung konnte keine Einigung erzielt werden. Infolgedessen klagte die Vermieterin im Februar 2021 den gesamten Mietzinsausstand ein.
Das Mietgericht Zürich hatte sich mit den Fragen zu befassen, ob die behördliche Schliessung zu einer nachträglichen Teilunmöglichkeit geführt habe, ob die Schliessung ein Mangel darstelle und ob ein Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus vorliege.

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III. ENTSCHEID

Im Entscheid hielt das Mietgericht zunächst fest, dass die Parteien keine spezifische Risikotragungsklausel, wie im Falle von behördlich angeordneten Betriebsschliessungen vorzugehen wäre, vereinbart haben.

Ebenfalls verneinte es, die Streitigkeit über die Bestimmung von Art. 119 OR, welcher die nachträgliche Unmöglichkeit zum Inhalt hat, zu lösen, da die behördliche Schliessung nur vorübergehend und nicht dauerhaft war und die Vermieterin ihre Hauptleistung mit der Gebrauchsüberlassung des Mietobjektes gehörig erbracht hat. Eine (Teil-)Unmöglichkeit fiele nach Ansicht des Gerichts nur dann in Betracht, wenn der Leistungserfolg, der zum Inhalt der geschuldeten Leistung gehört, nicht mehr eintreten kann (Zweckverfehlung). Bei einer blossen Verwendungsunmöglichkeit liege das Risiko beim Mieter, sofern und soweit dies nicht ausdrücklich anders vereinbart worden sei.

In Bezug auf die wohl interessanteste Frage, ob die behördliche Betriebsschliessung einen Mangel darstellen würde, setzte sich das Mietgericht zuerst mit den verschiedenen Lehrmeinungen auseinander. Während ein Teil der Lehre die Meinung vertritt, dass ein Mangel vorliege, wenn die gemieteten Räumlichkeiten wegen eines öffentlich-rechtlichen Verbotes nicht mehr genutzt werden können, ist die herrschende Lehre der Ansicht, dass in der Regel die vereinbarte Beschaffenheit des Mietobjektes nur objektbezogene und nicht auch betriebsbezogene Eigenschaften betreffe. Das Mietgericht schloss sich der herrschenden Lehre an. Gemäss Begründung des Gerichts gehen die Parteien ein Dauerschuldverhältnis ein, in dessen Rahmen der Vermieter dem Mieter verspricht, ihm gegen Entgelt Räumlichkeiten zu überlassen, in denen der Mieter seine Geschäftstätigkeit ausüben kann. Dieses Geschäft ist – sofern nicht anders vereinbart – nicht Bestandteil des Mietvertrages, sondern besteht unabhängig davon und gehört zur Rechtssphäre des Mieters. Eine Mitübernahme des unternehmerischen Risikos des Mieters durch den Vermieter bedarf einer besonderen Abrede. Es ist zwar korrekt, dass ein Mieter von der Mietsache nicht den Gebrauch machen kann, den er will bzw. seinem Geschäft nicht wie gewollt nachgehen kann, im Gebrauch selbst aber nicht gestört ist, solange die überlassenen Räumlichkeiten sachlich für das taugen, was von den Parteien vereinbart wurde. Nur wenn der Vermieter dem Mieter explizit zusichert, dass er die Räume stets dem Zweck entsprechend gebrauchen könne, kann davon gesprochen werden, dass der Vermieter sich bewusst am unternehmerischen Risiko des Mieters beteiligt hat. Es lag vorliegend keine Zusicherung der Möglichkeit der Betriebstätigkeit, keine Gebrauchsverpflichtung und auch keine Umsatzmiete vor, die zu anderen Schlüssen hätten führen können. Die Qualität des Mietobjekts und dessen Eigenschaften entsprachen also zu jedem Zeitpunkt dem vertraglich Vereinbarten. Das betreffende Mietobjekt taugte jederzeit als Ladenlokal bzw. als Lager. Die weggefallene bzw. die in Folge der allgemeinen Schutzmassnahmen, wie Hygiene- und Abstandsregeln, reduzierte Nutzungsmöglichkeit ist nicht Folge eines Mangels an der Mietsache, sondern ein Umstand, der den geführten Betrieb der Mieterin angeht und damit das unternehmerische Risiko derselben. Eine Mietzinsherabsetzung schied daher aus.

Betreffend der vom Mieter vorgebrachten Anwendung des Grundsatzes clausula rebus sic stantibus führte das Mietgericht aus, dass die Verhältnisänderung zu bejahen war und die Mieterin den Vertrag nicht vorbehaltlos erfüllt hat (Einstellung Mietzinszahlung), was ebenfalls eine Voraussetzung darstellt. Die Parteien mussten zwar grundsätzlich jederzeit mit dem Ausbruch einer Pandemie rechnen. Die infolge der Corona-Pandemie getroffenen behördlichen Massnahmen waren je-doch bei Vertragsschluss nicht voraussehbar, da es selbst bei schwererwiegenden Pandemien wie beispielsweise der Spanischen Grippe nicht zu derart einschneidenden Beschränkungen gekommen ist. Eine weitergehende Prüfung hat das Mietgericht aber dennoch nicht vorgenommen und insofern die Frage offengelassen, da die beklagte Mieterin es unterlassen hat, die genauen Umstände darzulegen, inwiefern sich die Massnah-men auf ihren Geschäftsbetrieb ausgewirkt haben (z.B. Umsatzzahlen) und was sie unternommen hat, um die Auswirkungen zu überwinden. Durch die Veränderung der Verhältnisse muss eine schwerwiegende Störung des Vertragsäquivalentes ausgelöst werden. Der Übergang zwischen einer «noch im Rahmen liegenden» und einer «gravierenden» Äquivalenzstörung lässt sich ausschliesslich aufgrund einer Beurteilung aller Umstände des konkreten Einzelfalls bestimmen, was vorliegend mangels Substantiierung der Mieterin für das Gericht nicht möglich war.

Im Endeffekt wurde die Klage der Vermieterin auf Bezahlung der offenen Mietzinse vollumfänglich gutgeheissen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und es wird sich zeigen, ob sich die höheren Instanzen, namentlich das Zürcher Obergericht und allenfalls sogar das Schweizerische Bundesgericht mit der Thematik befassen müssen. Falls nicht, wird es interessant sein zu sehen, ob die Gerichte in anderen Kantonen die gleiche Auffassung wie das Mietgericht Zürich vertreten oder ob sie davon abweichen werden.


13. August 2021  / MLaw Kim Attenhofer


DIE WICHTIGSTEN (RECHTS-)FRAGEN RUND UM DEN EIGENHEIMKAUF

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich
Lic. iur. Christoph Schärli

MLaw Kim Attenhofer

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Am 28. Mai 2021 erschien im Tagesanzeiger die Beilage «Fokus Familie», die sich mit diversen Fragen zum Thema Familienrecht, Erbrecht und Vertragsrecht befasste. Unsere beiden Baurechtsspezialisten, MLaw Kim Attenhofer und lic. iur. Christoph Schärli, haben in ihrem Beitrag die wichtigsten Rechtsfragen rund um den Erwerb von Eigenheim aufgegriffen und beantwortet.

Dieser Beitrag ist unter folgendem Link einsehbar.

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28. Mai 2021 / MLaw Kim Attenhofer und lic. iur. Christoph Schärli


RÜCKGABE MIETOBJEKT – STRENGE ANFORDERUNGEN AN DIE PRÜF- UND RÜGEPFLICHT DER VERMIETER

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

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Bei der Rückgabe eines Mietobjektes muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden. So simpel die Gesetzesbestimmung von Art. 267a Abs. 1 OR tönt, mit so vielen Tücken kann sie in der praktischen Umsetzung behaftet sein.

Dieser Newsletter befasst sich mit den strengen rechtlichen Anforderungen, die an die Prüf- und Rügepflicht von Vermietern bei Vertragsbeendigung gestellt werden und soll aufzeigen, auf was besonders zu achten ist.

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I. RÜCKGABE WOHNUNG / SCHLÜSSEL

Bei Wohnräumen erfolgt die Rückgabe der Mietsache durch die ausdrückliche Willenserklärung des Mieters sowie durch die Rückgabe aller Wohnungsschlüssel (inkl. Nebenobjekte wie z.B. Parkplatz). Kommt der Mieter seiner Rückgabepflicht nicht rechtzeitig nach, gerät er ohne Weiteres in Verzug und wird dem Vermieter gegenüber entschädigungspflichtig. Dies gilt natürlich nicht für den Fall, dass ein Schlüssel während der Mietdauer verloren ging. Diesfalls ist der Verlust als Mangel zu werten.

Der Vermieter ist grundsätzlich verpflichtet, die Mietsache und die dazugehörenden Schlüssel zurückzunehmen. Selbst wenn seiner Meinung nach, die Wohnung nicht oder nur ungenügend gereinigt ist oder andere Mängel aufweist und sie damit nicht dem vertragsgemässen Zustand entspricht, kann er die Rückgabe bzw. die Entgegennahme der Schlüssel nicht verweigern, sofern der Mieter diese zurückgeben möchte. Verweigert er dies doch, gerät er selbst in Annahmeverzug mit den entsprechenden Konsequenzen: Eine Haftung des Mieters wegen verspäteter Rückgabe ist dann ausgeschlossen. Mit der verweigerten Rücknahme der Schlüssel fängt auch die kurze Frist für die Mängelrüge (vgl. hiernach) an zu laufen. Nimmt der Vermieter die Schlüssel nicht an, besteht für den Mieter die Möglichkeit, diese per Einschreiben an den Vermieter zu senden. Dies sollte wiederum aus Beweiszwecken umgehend nach der verweigerten Rückgabe geschehen.

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II. MÄNGELRÜGE

Bei der Rückgabe des Mietobjekts prüft der Vermieter oder ein beauftragter Vertreter den Zustand des Mietobjektes und hält dies idealerweise in einem Protokoll fest. Er hat zu überprüfen, ob sich die Mietsache in dem Zustand befindet, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Wurde das Mietobjekt bzw. dessen Einrichtungen durch den Mieter übermässig abgenutzt, fehlen Bestandteile, gingen solche im Laufe des Mietverhältnisses kaputt oder wurde die Wohnung am Schluss einfach nicht ordentlich gereinigt, so hat der Vermieter diese Mängel beim Mieter zu rügen.

Die Mängelrüge des Vermieters unterliegt keiner Formvorschrift. Aus Beweisgründen drängt sich aber klar die schriftliche Form auf. Die Mängelrüge muss klar, präzis und detailliert sein, eine Aufzählung der einzelnen Mängel enthalten und erkennbar zum Ausdruck bringen, dass der Mieter für die angezeigten Mängel haftbar gemacht wird. Die Mängelrüge ist verständlich zu formulieren und darf sich nicht mit allgemeinen Bemerkungen wie «Flecken in der Küche», «Löcher in den Wänden» oder «Reinigung mangelhaft» begnügen. Es muss anhand der Mängelrüge erkennbar sein, was genau der Mangel ist, wie er sich äussert bzw. aussieht und auf welche Einrichtung und welchen Raum der Wohnung er sich bezieht. Eine solche Rüge könnte beispielsweise folgendermassen lauten: «Wand Küche, drei braune Flecken links neben der Türe, Haftung Mieter 70%»

Mängelrügen des Vermieters können frühestens bei der Rückgabe erfolgen. Sie sind dem Mieter dann aber sofort zu melden. Die Frist ist nach Lehre und aktuell geltender Rechtsprechung sehr kurz und beträgt gerade mal 2-3 Arbeitstage, d.h. Samstag und Sonntag werden nicht mitgerechnet. Diese Frist läuft ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe der Mietsache, unabhängig davon, ob diese vorzeitig, verspätet oder rechtzeitig erfolgt. Die Frist beginnt auch dann zu laufen, wenn der Vermieter in pflichtwidriger Weise die Rücknahme der Sache bzw. der Schlüssel verweigert. Entscheidend für die Fristwahrung ist die Aussprache der Rüge innert der genannten Frist und nicht die Zustellung an den Mieter.

Die Beweispflicht der formgerechten und rechtzeitigen Mängelrüge liegt beim Vermieter. Die Folgen einer ungenügenden Mängelrüge sind verheerend: Erfolgt die Mängelrüge zu spät, gar nicht oder ungenügend, verliert der Vermieter sämtliche Ansprüche gegenüber dem Mieter auf Schadenersatz wegen Mängel.

Eine Ausnahme besteht für sogenannte «verdeckte Mängel». Es handelt sich um Mängel, die bei übungsgemässer Untersuchung, nicht erkennbar sind, z.B. ein defekter Ablauf in der Badewanne oder Motten im Teppich. Solche verdeckten Mängel sind sofort nach deren Entdeckung beim (früheren) Mieter anzubringen. Im Übrigen gelten die Ausführungen hiervor zur Mängelrüge und zur Beweislast gleichermassen für die verdeckten Mängel.

Abschliessend sei betreffend Mängel darauf hingewiesen, dass der Mieter nicht zwingend für alle Mängel aufzukommen hat, die korrekt gerügt werden. Der Mieter hat lediglich für den kleinen Unterhalt und für die übermässige Abnutzung (inkl. Beschädigung) aufzukommen und nur, sofern die Lebensdauer der Einrichtung noch nicht abgelaufen ist. Da aber wie gesehen, die Rügefrist äusserst kurz ist und der Vermieter seine Mängelrechte nach Verstreichen dieser Frist verwirkt, kann Vermietern nur geraten werden, im Zweifel lieber einen Mangel mehr als einen weniger zu rügen.

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III. RÜCKGABEPROTOKOLL

Der gängigen Praxis entspricht es, bei Einzug sowie Auszug zwischen den Parteien ein Übergabe- und Rückgabeprotokoll zu erstellen, um den jeweiligen Zustand und damit einhergehend auch allfällige Mängel des Mietobjektes festzustellen. Es werden grundsätzlich vorgedruckte, standardisierte Formulare verwendet, welche die Abnahme erleichtern und eine gute Übersicht verschaffen.

Das Rückgabeprotokoll allein ist an und für sich noch keine Mängelrüge. Es kann aber zur Mängelrüge dienen, sofern es den genannten inhaltlichen Voraussetzungen genügt und dem Mieter beidseitig unterzeichnet ausgehändigt oder umgehend zugestellt wird.

Das Rückgabeprotokoll beinhaltet idealerweise folgende Angaben:

  • Präzise Mangelbezeichnung, Lokalisierung;
  • Feststellung, wer Mangel behebt bzw. Kosten trägt und in welchem Umfang;
  • Betrag des Minderwertes, den der Mieter bezahlen muss, falls der Mangel nicht behoben wird;
  • Feststellung, dass der Mieter einen Mangel behebt und bis wann;
  • Allfällige Vorbehalte oder sonstige Bemerkungen.

Was passiert, wenn der Mieter die Unterzeichnungen des Rückgabeprotokolls verweigert? Dies ist sein gutes Recht, sofern er mit dem Inhalt des Protokolls nicht einverstanden ist und diesen bestreitet. Die bestehenden Mängel sind in diesem Fall durch den Vermieter sofort in der erforderlichen Form zu dokumentieren (z.B. Fotodokumentation) und zu rügen (vgl. hiervor).

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IV. AMTLICHER BEFUND

Weigert sich ein Mieter das Rückgabeprotokoll zu unterzeichnen oder erscheint er erst gar nicht zum Rückgabetermin, besteht für den Vermieter ebenfalls die Möglichkeit, die Mängel im Rahmen eines amtlichen Befundes aufnehmen zu lassen. Nach Art. 9 ZGB gilt die gesetzliche Vermutung, dass der Inhalt des Befundes richtig ist. Der mit der Befundaufnahme beauftragte Vollzugsbeamte nimmt den Zustand des Mietobjektes auf und vermerkt im Befund das, was er auf Ersuchen bzw. Hinweis des Vermieters selber wahrnehmen kann. Da der amtliche Befund für sich alleine noch keine konkrete Erklärung an den Mieter beinhaltet, für welche Mängel dieser einzustehen hat, stellt er alleine noch keine rechtsgenügliche Mängelrüge dar. Möglich ist allerdings, dass der Vermieter dem Mieter den amtlichen Befund zustellt und im Begleitschreiben erwähnt, dass der Mieter für alle im amtlichen Befund aufgeführten Mängel haftbar gemacht wird. Damit ist den Anforderungen an eine Mängelrüge genüge getan.

Die Kosten des amtlichen Befundes hat diejenige Partei zu tragen, welche dies veranlasst, mithin der Vermieter. In einem Gerichtsfall besteht je nachdem die Möglichkeit, den entsprechenden Betrag beim Mieter geltend zu machen, sofern diese durch ihr Verhalten (objektiv betrachtet) Anlass zur Aufnahme des Befundes gegeben hat.

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V. FAZIT

Werden bestehende Mängel den strengen Anforderungen entsprechend bereits im Rückgabeprotokoll festgehalten und geht daraus ebenfalls hervor, inwiefern und in welchem Umfang der Mieter für diese Mängel aufzukommen hat und ist dieses durch beide Parteien unterzeichnet und dem Mieter übergeben worden, so bedarf es grundsätzlich keiner nachträglichen, separaten Mängelrüge.

Ist dies nicht der Fall oder möchte der Vermieter einfach auf Nummer sicher gehen, so ist ihm zu empfehlen, Mängelrügen nicht nur rechtzeitig, sondern auch mit der notwendigen Präzision, schriftlich und eingeschrieben an den Mieter zu versenden. Idealerweise erfolgt dies in einem Schreiben unter Beilage des Rückgabeprotokolls (unabhängig davon, ob unterzeichnet oder nicht) und Fotos oder eines amtlichen Befundes, welche die Mängel sichtbar dokumentieren.

Hilfreich gestaltet sich für unerfahrene Vermieter der Beizug einer Fachperson, welche sich mit den formellen Anforderungen der Rückgabe sowie der Mängelrüge auskennt. So wird sichergestellt, dass dem Vermieter nicht bereits die Grundlage zur Durchsetzung seiner Forderung entzogen wird.


27. Januar 2021  / MLaw Kim Attenhofer


LADESTATION FÜR ELEKTROFAHRZEUGE IN DER MIETWOHNUNG?

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Interesse an Elektromobilität und die Nachfrage für Elektroautos bzw. das Bedürfnis nach entsprechenden Ladestationen haben in den vergangenen Jahren zugenommen und dieser Trend wird sich halten.

Nachdem im letzten Newsletter die Regelungsgrundlagen im Stockwerkeigentum beleuchtet wurden, befasst sich vorliegender Newsletter mit derselben Thematik im Mietrecht.

I. ANSPRUCHSGRUNDLAGE?

Interessierte Mieter können die Installation einer Ladestation zwar beim Vermieter anfragen, aber nicht verlangen. Die Entscheidung, ob der Wunsch erfüllt wird, trifft alleine der Vermieter. Selbst wenn Mieter bereit sind, auf eigene Kosten eine Ladestation zu installieren, benötigen sie dafür zunächst die Einwilligung des Vermieters.

Lehnt ein Vermieter einen solchen Antrag ab, so ist dies sein gutes Recht. Er riskiert allerdings, dass ein Mieter mit Elektroauto oder mit Wunsch nach einem Elektroauto bald eine neue Bleibe suchen wird.

II. VARIANTEN

Es besteht die Möglichkeit, dass ein Mieter die Installation auf eigene Rechnung vornehmen lässt (sog. Mieterbaute). Hierfür benötigt ein Mieter die schriftliche Zustimmung des Vermieters (Art. 260a Abs. 1 OR). Eine mündliche Zusage genügt nicht. Hat der Vermieter einer Erstellung durch den Mieter zugestimmt, so sollte er gleichzeitig sicherstellen bzw. ebenfalls verschriftlichen, dass die Installation durch einen Fachmann zu erfolgen hat. So können mangelhafte oder fehleranfällige Anlagen am eigenen Gebäude vermieden werden. Hat der Vermieter seine schriftliche Zusage einmal erteilt, so kann er bei Auszug des Mieters die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nur verlangen, wenn dies ebenfalls schriftlich vereinbart worden ist (Abs. 2). Im Gegensatz zu anderen Mieterbauten, welche für den Vermieter allenfalls nutzlos oder sogar hinderlich sein können, wird dies bei einer fachmännisch erstellten Ladestation kaum der Fall sein. Einigen sich die Parteien darauf, dass die Ladestation nach Auszug des Mieters belassen werden darf, so stellt sich die Frage einer finanziellen Entschädigung des Mieters. Wird dies vereinbart, so sollte unbedingt auch bereits im Vorfeld festgelegt werden, nach welchen Kriterien die Entschädigung zu bemessen ist. Aus Vermietersicht empfiehlt sich, dass sich diese auf den Zeitwert beschränkt.

Nebst der Variante Mieterbaute ist ebenfalls denkbar – und dies wird in Zukunft vermutlich immer mehr zu sehen sein – dass der Vermieter eine vollends ausgebaute Ladestation (Endausbau) von sich aus zur Verfügung stellt. Hiervon zu unterscheiden ist die Grundinstallation, eine Art Vorleistung des Vermieters, welche dem Mieter zum Ausbau der eigentlichen Ladestation dient. Ein Endausbau durch den Mieter bedarf wiederum der schriftlichen Zustimmung des Vermieters (vgl. hiervor).

Wird eine zentrale Ladestation erstellt, die von mehreren Mietern genutzt werden kann, so empfiehlt sich, in einer Nutzungsvereinbarung die Modalitäten klar zu regeln.

III. KOSTENREGELUNG

Auch die Kostenverteilung sollte schriftlich geregelt sein. Damit ist letztlich allen Beteiligten gedient und es werden Missverständnisse und spätere Streitigkeiten (bestmöglich) verhindert.

Die Mieterbaute, also die Installation durch den Mieter, ist wie der Name vermuten lässt, durch den Mieter zu finanzieren. Ihm steht es aber offen, mit dem Vermieter eine Entschädigung, namentlich im Falle des Auszugs, zu vereinbaren. Bei grösseren Änderungen am Mietobjekt oder falls die Zahlungsfähigkeit eines Mieters in Frage gestellt wird, kann es sich für den Vermieter empfehlen, eine Sicherstellung der zu erwartenden Kosten (Sperrkonto, Bankgarantie etc.) vom Mieter zu verlangen. Dies namentlich in Hinblick auf allfällige Eintragungen von Bauhandwerkerpfandrechten, welche konsequenterweise auf dem Grundstück des Vermieters erfolgen würden.

Beim Endausbau durch den Vermieter, namentlich der vollständigen Installation der Ladestation, handelt es sich um eine wertvermehrende Investition, die dem Mieter als Nutzer gemäss Überwälzungssatz über den Mietzins überbunden werden kann. Eine allenfalls daraus resultierende Mietzinserhöhung während des laufenden Mietverhältnisses kann erst auf den nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt durchgesetzt werden und ist dem Mieter zwingend mit dem amtlichen Formular anzuzeigen, sofern der Parkplatz zusammen mit einem Wohn- oder Geschäftsraum vermietet wird. Ohne Verwendung dieses Formulars ist die Erhöhung rechtlich nicht durchsetzbar und es besteht für den Vermieter das Risiko, dass ein Mieter noch Jahre später die geleisteten Zahlungen zurückfordert.

Stellt ein Vermieter eine Grundinstallation zur Verfügung, mit welcher z.B. fünf Parkplätze bedient werden können, so hat er diese natürlich auch selbst zu berappen. Er darf – sollte lediglich ein Mieter davon profitieren wollen –diesem auch lediglich 1/5 der Kosten überbinden. Die restlichen Kosten hat er (einstweilen) selbst zu tragen.

Die resultierenden Stromkosten sind in jedem Fall verursachergerecht abzurechen. Die regelmässige Nutzung von Allgemeinstrom zum Laden für das eigene Fahrzeug ist nicht zulässig. Sofern keine separate Abrechnung durch das zuständige Elektrizitätswerk an den / die betroffenen Mieter erfolgt, ist in einer Zusatzvereinbarung mit diesem der durch die Ladestation verursachte Stromverbrauch zusätzlich als Nebenkosten auszuscheiden, sofern der Strom nicht bereits allgemein erfasst ist. Auch hier ist für die Einführung / Erhöhung der Kosten das amtliche Formular zu verwenden, sofern dies in Zusammenhang mit einer Wohnraum- bzw. Geschäftsraummiete erfolgt.  

IV. UNTERHALT / MÄNGEL

Für Unterhalt, Reparatur sowie Ersatz einer Ladestation im Mieterausbaus hat der Mieter selbst aufzukommen. Für die Vornahme solcher Arbeiten wird i.d.R. keine Zustimmung des Vermieters mehr benötigt. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass die Arbeiten Eingriffe in die Mietsache in einer Weise erforderlich machen, welche zu einer Beeinträchtigung des Vermieters oder von Mitmietern führen. Für Vermieter kann es sich aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlen, vertraglich festzuhalten, dass der Mieter zur Vornahme von notwendiger Unterhalts- und Reparaturarbeiten sowie zum Ersatz von Teilen des Mieterausbaus verpflichtet ist, verbunden mit der Möglichkeit einer Ersatzvornahme durch den Vermieter.

Wird die Ladestation durch den Vermieter erstellt und wird sie zum Bestandteil des Mietobjektes erklärt, so ist der Vermieter für Unterhalt, Reparatur und Ersatz nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich. Der Mieter hat einen Mangel, den er nicht selbst zu verantworten hat, dem Vermieter zu melden und ihm für die Beseitigung eine angemessene Frist einzuräumen. Kommt der Vermieter seinen Instandstellungspflichten nicht nach, stehen dem Mieter die gesetzlichen Mängelrechte gemäss Art. 259 ff. OR (Mietzinsherabsetzung, Schadenersatz, Kündigungsmöglichkeit) zur Verfügung.


21. Oktober 2020  / MLaw Kim Attenhofer


LADESTATION FÜR ELEKTROFAHRZEUGE IM STOCKWERKEIGENTUM

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Interesse an Elektromobilität und die Nachfrage für Elektroautos bzw. das Bedürfnis nach entsprechenden Ladestationen haben in den vergangenen Jahren zugenommen und dieser Trend wird sich halten.

Gerade bei Liegenschaften im Stockwerkeigentum stellen sich Fragen rund um die Errichtung. Hat ein Stockwerkeigentümer Anspruch auf eine Ladestation? Wie muss er vorgehen? Mit diesen und weiteren Themen befasst sich dieser Newsletter.

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I. AUSGESTALTUNG

Zu unterscheiden ist vorderhand, ob es sich bei den Garagenplätzen um eine gemeinsame Einstellhalle mit verschiedenen Parkplätzen oder um einzelne Garagenboxen handelt.

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A) GARAGENBOXEN

Weil Garagenboxen räumlich geschlossen sind und je einen eigenen Zugang haben, können sie im Stockwerkeigentum zu Sonderrecht ausgeschieden werden. In der Nutzung und Ausgestaltung solcher Garagenboxen sind die Stockwerkeigentümer frei. Wie in den ihnen zugewiesenen Wohnungen können sie die Garagenboxen nach Belieben ausgestalten und damit auch eine Ladevorrichtung erstellen. Erfordert die Erschliessung der Garagenbox bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Anlageteilen, muss die Stockwerkeigentümergemeinschaft notwendige Durchleitungen gegen Entschädigung dulden (Art. 691 ZGB).

B) EINSTELLHALLEN

Anders verhält es sich bei Einstellhallen. Die einzelnen, frei zugänglichen Parkplätze sind nicht sonderrechtsfähig, weil sie nicht in sich geschlossen sind. Sie bilden gemeinschaftliches Eigentum. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Parkplätze den einzelnen Stockwerkeigentümern mittels ausschliesslichen Nutzungsrechten sog. Sondernutzungsrechten zuzuteilen. Dem berechtigten Stockwerkeigentümer wird dann quasi an einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums (Einstellhalle samt Leitungen, Einrichtungen und Anschlüssen) in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung ein exklusives Gebrauchsrecht zugeteilt. Meist erfolgt dies im Begründungsakt oder aber im Reglement. Da diesfalls kein Sonderrecht am Parkplatz besteht, sondern dieser gemeinschaftliches Eigentum bleibt, ist der berechtigte Stockwerkeigentümer in der Ausgestaltung nicht frei und er braucht das Einverständnis der Stockwerkeigentümergemeinschaft (vgl. hiernach).

Würde ein
Stockwerkeigentümer eigenmächtig eine Ladestation auf seinem Parkplatz
erstellen (lassen), so könnte die Stockwerkeigentümergemeinschaft jederzeit
deren Beseitigung bzw. die Wiederherstellung des ursprünglichen und
rechtmässigen Zustandes auf Kosten des erstellenden Stockwerkeigentümers
verlangen.

C) ERSCHLIESSUNGSARTEN

Haushaltssteckdosen sind nicht für das Laden von Elektroautos ausgelegt und daher auch nicht geeignet. Das Laden würde nicht nur sehr lange dauern, man riskiert bei Mehrfachbelastung auch, dass die Sicherung rausfliegt bzw. dass die Anlagensicherheit gefährdet wird.

Die Lösung ist eine speziell errichtete Ladestation. Die Ausgestaltung kann als Einzelerschliessung d.h. mit einer Zuleitung von der Hausverteilungsanlage zum entsprechenden Garagenplatz, oder als Grundausbau zu einem smarten Ladesystem, d.h. mit ganzheitliche Einrichtung mit uleitungsmöglichkeit zu allen Garagenplätzen, erfolgen. Da angesichts der vergangenen Entwicklung von einer Zunahme von Elektrofahrzeugen ausgegangen wird und die gleichzeitzeitige Erschliessung mehrerer Parkplätze im Vergleich zu einer Einzelerschliessung jedes Parkplatzes preisgünstiger ist, ist Zweiteres wohl in den allermeisten Fällen zu empfehlen. Wenn sich ein weiterer Stockwerkeigentümer ein Elektroauto beschafft, muss nur noch die Ladestation montiert werden und über eine kurze Kabelverbindung an die vorhandene Grundinstallation angeschlossen werden.

II. ANTRAG / QUORUM

Ein bedingungsloses Recht zur Installation einer Ladestation gehört nicht zu den Ansprüchen eines Stockwerkeigentümers. Möchte ein Stockwerkeigentümer eine Ladestation auf seinem Parkplatz einrichten, der sich im gemeinschaftlichen Eigentum befindet, so muss er einen Antrag an die Eigentümerversammlung stellen bzw. zwecks Traktandierung an die Verwaltung richten.

Sinnvollerweise
sollte der beantragende Stockwerkeigentümer seinem Antrag bereits ein
Fachbericht mit Realisierungsmöglichkeiten bzw. ein technisches Dossier
beilegen. Dies um niemanden zu überfordern, die Ausführungschancen zu steigern
und die Angelegenheit möglichst beförderlich zu bearbeiten.

Die Errichtung einer Ladestation für Elektrofahrzeuge stellt eine bauliche Massnahme nach dar. Das Gesetz setzt je nach Art der Massnahme (notwendig, nützlich, luxuriös) unterschiedliche Anforderungen für die Zustimmung der Eigentümerversammlung fest. Nach Ansicht der Verfasserin (Gerichtsentscheide stehen soweit ersichtlich noch aus) stellt die Errichtung einer Ladestation eine nützliche bauliche Massnahme dar, für welche nach Art. 647d Abs. 1 ZGB die Zustimmung der Mehrheit der Stockwerkeigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt, dar, andere reglementarische Bestimmungen vorbehalten. Es ist durchaus denkbar, dass angesichts der wachsenden Bedeutung der Elektromobilität in einigen Jahren von einer notwendigen baulichen Massnahme auszugehen ist, welche durch Zustimmung der Mehrheit der Stockwerkeigentümer realisiert werden kann.

III. KOSTENREGELUNG

Wer in welchem Umfang die Erstellungs-, Unterhalts,-und Betriebskosten zu tragen hat, ist idealerweise klar zu definieren und schriftlich festzuhalten.

Es bestehen ganz
unterschiedliche Regelungsmöglichkeiten, welche auf die spezifischen
Bedürfnisse im Einzelfall abzustimmen sind. Vorstellbar ist, dass die Gemeinschaft
den Gesamtausbau und den Endausbau zu den einzelnen Garagenplätzen übernimmt
oder aber dass sämtliche Kosten der Antragsteller alleine zu tragen hat. Für
diesen Fall scheint nicht mehr als fair, wenn sich später Anschliessende auch
an den Initialkosten zu beteiligen.

Die Unterhalts- und
Betriebskosten können entweder gesamthaft als Gemeinschaftskosten getragen (und
teilweise auf den Endverbraucher überwälzt) werden oder die Gemeinschaft
übernimmt die Kosten nur für den Grundausbau und der jeweilige Bezüger direkt
für den Endausbau. Unabhängig des gewählten Vorgehens dürfte klar sein, dass
der Bezüger für seine Stromkosten aufzukommen hat.

Mit der
Kostenregelung einher geht natürlich auch die Verantwortung bzw. Haftung, was
ebenfalls schriftlich zu dokumentieren ist.


16. September 2020  / MLaw Kim Attenhofer

GEISSMANN RECHTSANWÄLTE AG
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