LOHNFORTZAHLUNG BEI KRANKHEIT – RECHTLICHE MÖGLICHKEITEN FÜR ARBEITGEBER

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin

Verhinderungen von Arbeitnehmern, gleich welcher Art, führen regelmässig zu Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Der häufigste Grund für eine Verhinderung des Arbeitnehmers an seiner Arbeitsleistung stellt jedoch weiterhin die Krankheit dar. Der vorliegende Artikel soll aufzeigen, welche Möglichkeiten für den Arbeitgeber bestehen, um seiner Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a Abs. 1 OR bei Krankheit nachzukommen und welche Besonderheiten es beim Abschluss einer Krankentaggeldversicherung zu beachten gilt.

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I. LOHNFORTZAHLUNGSPFLICHT BEI VERHINDERUNG DES ARBEITNEHMERS

Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so muss ihm der Arbeitgeber nach Art. 324a Abs. 1 OR in der Regel für eine beschränkte Zeit den darauf fallenden Lohn entrichten. Die Norm ist relativ zwingend. Verbesserungen zugunsten des Arbeitnehmers sind damit jederzeit und formlos gültig. Zuungusten des Arbeitnehmers darf hingegen nur durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertag oder Gesamtarbeitsvertrag abgewichen werden. 

Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bedingt, dass das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen worden ist. Bei einem unbefristeten Vertrag mit Probezeit oder mit anderer Kündigungsmöglichkeit auf einen Termin, der vor Ablauf der drei Monate liegt, beginnt die Lohnfortzahlungspflicht am ersten Tag des 4. Anstellungsmonats. Der Arbeitgeber kann auf die Karenzfrist aber auch verzichten und die Lohnfortzahlungspflicht mit dem ersten Arbeitstag beginnen lassen.

Der «darauf entfallende» Lohn (Abs. 1) umfasst nicht bloss den Lohn im engeren Sinn, sondern auch eine Entschädigung für den Naturallohn, soweit dieser nicht weiterhin in natura gewährt werden kann, ferner regelmässig wiederkehrende Zulagen wie Teuerungs-, Nacht-, Sonntags-, Schicht- und Sozialzulagen (insbes. Familien-/Kinderzulagen).

Was eine «beschränkte Zeit» im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR ist, bestimmt sich nach Art. 324a Abs. 2 OR. Sind durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und danach für eine angemessene längere Zeit zu entrichten (Art. 324a Abs. 2 OR). Zur Beantwortung der Frage, was eine «angemessene längere Zeit» darstellt, wurden von der Rechtsprechung und Literatur Skalen erarbeitet, welche als Regelfall gelten sollen:

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  Berner Skala Basler Skala Zürcher Skala
Dienstjahr 3 Wochen 3 Wochen 3 Wochen
Dienstjahr 1 Monat 2 Monate 8 Wochen
Dienstjahr 2 Monate 2 Monate 9 Wochen
Dienstjahr 2 Monate 3 Monate 10 Wochen
Dienstjahr 3 Monate 3 Monate 11 Wochen
Dienstjahr 3 Monate 3 Monate 12 Wochen
Dienstjahr 3 Monate 3 Monate 13 Wochen
Dienstjahr 3 Monate 3 Monate 14 Wochen
Dienstjahr 3 Monate 3 Monate 15 Wochen
Dienstjahr 4 Monate 3 Monate 16 Wochen
Dienstjahr 4 Monate 4 Monate 17 Wochen

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Diese Skalen dürfen jedoch nicht schematisch angewandt werden, da von Gesetzes wegen die Umstände des Einzelfalls, wie insbesondere die Häufigkeit früherer Krankheiten und Ausfälle sowie die besonderen Verdienste des Arbeitnehmers für die Dauer der Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a Abs. 2 OR stets zu berücksichtigen sind.

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II. VERSICHERUNGSLÖSUNG NACH ART. 324A ABS. 4 OR

Art. 324a Abs. 4 OR bietet Arbeitgebern die Möglichkeit, eine abweichende Ordnung der Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers zu vereinbaren, sofern sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist. Vorgeschrieben ist dafür die Schriftform, sofern die Regelung nicht in einem Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag getroffen wird. Zur Erfüllung des Schriftformerfordernisses müssen gemäss Bundesgericht insbesondere folgende Punkte vom Arbeitgeber genannt werden:

  • Die von der Versicherung abgedeckten Risiken; 
  • der Prozentsatz des versicherten Lohnes; 
  • die Dauer der Leistungen; 
  • die Modalitäten der Prämienfinanzierung. 

Dabei können die Grundzüge der abweichenden Regelung im vorstehenden Sinne auch in einem vom Arbeitsvertrag getrennten Reglement oder in den abgegebenen Versicherungsbedingungen, auf die im Arbeitsvertrag verwiesen wird, enthalten sein. Das unterzeichnete Schriftstück muss aber einen klaren Hinweis auf eine abweichende Regelung der Lohnfortzahlung enthalten und dem Arbeitnehmer abgegeben werden. Nichteinhaltung der Formvorschrift lässt die gesetzliche Regelung bestehen und führt dazu, dass der Arbeitgeber trotz bestehender Versicherung den vollen Lohn für die beschränkte Zeit gemäss Art. 324a Abs. 2 OR zu erbringen hat.

Was als gleichwertig im Sinne von Art. 324a Abs. 4 OR gilt, ist in der Praxis weiterhin nicht unumstritten. In der Regel gilt eine Versicherungslösung aber zumindest dann als gleichwertig, wenn maximal für drei Tage (Karenzfrist) keine Lohnfortzahlung erfolgt und die Leistungen der Versicherung mindestens 80% des bisherigen Lohnes abdecken und während 720 Tagen innerhalb 900 Tagen entrichtet werden. Zudem müssen die Prämien für die Versicherung zu mindestens 50% vom Arbeitgeber getragen werden.

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III. ARTEN VON KRANKENTAGGELDVERSICHERUNGEN

Es gibt zwei Arten von Krankentaggeldversicherungen zu unterscheiden: Die (eher seltene) soziale Taggeldversicherung, welche grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungsgesetz (KVG) untersteht, und die privatrechtliche Taggeldversicherung nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Bei der Gestaltung der Taggeldversicherung nach VVG existieren innerhalb des Rahmens der wenigen zwingenden Normen des VVG grosse Freiräume. Im Gegensatz dazu gelten bei Taggeldversicherungsverträgen nach KVG zahlreiche zwingende öffentlich-rechtliche Bestimmungen.

Zudem findet eine weitere Unterscheidung nach dem Kreis der Versicherten statt. Es wird differenziert zwischen Einzelversicherungen und Kollektivversicherungen. Bei Einzelversicherungen schliesst der Versicherungsnehmer eine Versicherung für sich selbst ab. Bei Kollektivversicherungen schliesst hingegen der Versicherungsnehmer für einen Dritten (Anspruchsberechtigter) einen Versicherungsvertrag ab. Arbeitgeber schliessen in der Regel für ihre Arbeitnehmer eine Kollektivtaggeldversicherung ab.

In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei der Kollektivtaggeldversicherung um einen Vertrag zugunsten Dritter (Arbeitnehmer). Dabei räumt Art. 87 VVG bzw. die Rechtsprechung zum KVG den Arbeitnehmern ein selbständiges Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer ein. Der Versicherte (Arbeitnehmer) ist also Gläubiger des Versicherers, ohne selbst Vertragspartei zu sein und hat einen eigenen gesetzlich geschützten Anspruch gegenüber der Versicherung. 

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IV. HAFTUNG UND INFORMATIONSPFLICHT DES ARBEITGEBERS

Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass der Krankentaggeldversicherungsvertrag korrekt abgeschlossen wurde und während des Arbeitsverhältnisses in Kraft bleibt. Wenn der Arbeitgeber sich im Arbeitsvertrag zum Abschluss einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung verpflichtet hat bzw., wenn er gemäss GAV dazu verpflichtet ist, und er seiner Pflicht nicht nachkommt, kann der Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber insbesondere Schadenersatz in der Höhe des entgangenen Taggelds verlangen.

Der Arbeitgeber haftet zudem dafür, dass er die versicherten Personen genügend über ihre Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag und über allfällige, nicht offensichtliche Leistungseinschränkungen verständlich aufklärt. Der Arbeitgeber hat zudem alle notwendigen und ihm vom Arbeitnehmer zugetragenen Informationen fristgerecht an die Krankentaggeldversicherung weiterzuleiten. Damit trägt der Arbeitgeber die Verantwortung für die rechtzeitige Information der Versicherung über den jeweiligen Krankheitsfall.

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V. ENDE DES VERSICHERUNGSSCHUTZES

Grundsätzlich endet der Versicherungsschutz mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Bei der Kollektivversicherung nach KVG erfolgt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei bestehender Arbeitsunfähigkeit keine Nachleistung aus dem Versicherungsvertrag. Wer als Arbeitsunfähiger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Versicherungsleistungen weiter beziehen will, muss somit in die Einzelversicherung übertreten. Dabei muss der KVG-Kollektivversicherer die Versicherten über ihr Recht zum Übertritt schriftlich aufklären und der Übertritt muss innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt der Mitteilung geltend gemacht werden.

Bei Kollektivkrankentaggeldversicherungen nach VVG fehlt es hingegen an allgemeinen gesetzlichen Regelungen betreffend ein Übertrittsrecht des Arbeitnehmers. In der Regel ist jedoch in den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der vorbehaltlose Übertritt für die gleichen versicherten Leistungen geregelt. Die Modalitäten für den Übertritt sind sodann ebenfalls den jeweiligen AVB zu entnehmen. Im Unterschied zu den Kollektivversicherungen nach KVG können die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähigen Arbeitnehmer somit je nach AVB weiterhin Krankentaggelder beziehen. Die Leistungspflicht endet jedoch jeweils mit Erreichung der maximal vereinbarten Leistungsdauer von in der Regel 720 oder 730 Tagen.

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VI. FAZIT

Wie aufgezeigt, gibt es für Arbeitgeber verschiedene Möglichkeiten ihrer Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit des Arbeitnehmers gemäss 324a Abs. 1 OR nachzukommen. Entscheidet der Arbeitgeber sich für eine der genannten Versicherungslösungen nach KVG oder VVG, sind stets die jeweiligen Besonderheiten der gewählten Versicherung zu beachten. Wichtig ist, dass die Arbeitnehmer über die gewählte Versicherungslösung eingehend informiert werden und die Modalitäten auch schriftlich in den einzelnen Arbeitsverträgen oder in einem entsprechenden Reglement festgehalten werden. Dadurch lassen sich auch künftige Streitigkeiten mit den Arbeitnehmern besser vermeiden.


11. Oktober 2021 / MLaw Kim Wysshaar


DAS WEISUNGSRECHT DES ARBEITGEBERS – WO LIEGEN DIE GRENZEN MEINES WEISUNGSRECHTS?

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin

Nicht nur im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie müssen sich Arbeitgeber immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, wie weit ihr Weisungsrecht gegenüber ihren Arbeitnehmenden reicht und wie sie ihre Weisungen auch durchsetzen können. Darf ich als Arbeitgeber beispielsweise meinen Arbeitnehmenden vorschreiben, dass sie ihren Arbeitsplatz vorübergehend an einen anderen Ort versetzen? Darf ich meinen Arbeitnehmenden die Weisung erteilen, regelmässig einen COVID-19 Test zu machen oder sich sogar gegen COVID-19 impfen zu lassen? Wie reagiere ich als Arbeitgeber, wenn sich Arbeitnehmende nicht an die Weisungen halten? Dieser Newsletter soll aufzeigen, inwieweit der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmenden Weisungen erteilen darf und wie im Falle einer Verletzung der Weisungen durch die Arbeitnehmenden vorgegangen werden kann. Dies auch unter besonderer Berücksichtigung der neuen Herausforderungen für Arbeitgeber aufgrund der COVID-19 Pandemie.

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I. WEISUNGSRECHT NACH ART. 321D OR

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäss Art. 321d OR ist direkter Ausfluss des für den Arbeitsvertrag begriffsnotwendigen Unterordnungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, das sich namentlich in der persönlichen und betrieblichen Abhängigkeit des Arbeitnehmenden äussert. Der genaue Inhalt der Tätigkeit eines Arbeitnehmenden wird dabei im Arbeitsvertrag meist nur allgemein umschrieben. Die Einzelheiten, wie namentlich die Art, der Umfang, die Organisation und die Ausführung der Arbeit sowie das Verhalten des Arbeitnehmenden im Betrieb, müssen vom Arbeitgeber in der Regel noch näher umschrieben werden. Gestützt auf Art. 321d OR kann der Arbeitgeber deshalb allgemeine Anordnungen erlassen und seinen Arbeitnehmenden besondere Weisungen erteilen. Zudem kann sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch direkt aus seinem Eigentum am Unternehmen oder Arbeitsutensilien ergeben. Als Eigentümer kann der Arbeitgeber beispielsweise den Zutritt zu gewissen Räumen verbieten oder die Benützung seines Eigentums an bestimmte Bedingungen knüpfen. Der Arbeitgeber kann sein Weisungsrecht schliesslich auch delegieren, sei dies an Arbeitnehmende, wie namentlich an verschiedene Vorgesetzte oder an Dritte.   

Wenn eine Weisung zudem aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Schutz des Arbeitnehmenden erforderlich ist, geht mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers ausnahmsweise auch eine Weisungspflicht einher. Unterlässt es der Arbeitgeber in diesen Fällen entsprechende Weisungen zu erlassen, kann er sogar schadenersatzpflichtig werden.

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II. Form der Weisungen

Das Gesetz unterscheidet in Art. 321d Abs. 1 OR zwischen allgemeinen Anordnungen und besonderen Weisungen. Die allgemeinen Anordnungen wenden sich dabei an eine Mehrzahl von Arbeitnehmenden und enthalten Richtlinien für verschiedene Fälle, wie zum Beispiel die Kontrolle des Arbeitsganges sowie Gesundheits- und sicherheitspolizeiliche Massregeln. Die besonderen Weisungen hingegen wenden sich an einen bestimmten Arbeitnehmenden und haben ein ein- oder mehrmaliges Handeln oder Unterlassen in einer konkreten Situation zum Gegenstand. Der Übergang zwischen allgemeinen und besonderen Weisungen ist dabei fliessend, und zahlreiche Weisungen fallen unter beide Kategorien.

Die Weisungen können mündlich oder schriftlich, auch durch Zirkular oder Anschläge am schwarzen Brett, erfolgen und müssen klar und unmissverständlich abgefasst werden. Obwohl Weisungen auch mündlich erteilt werden können, ist Arbeitgebern vor allem bei allgemeinen Anordnungen oder bei besonderen Weisungen, die stark in die Stellung des Arbeitnehmenden eingreifen, jedoch zu empfehlen, diese stets schriftlich zu erteilen. Dies insbesondere auch, um widersprüchliche Weisungen und Unsicherheiten auf Seiten der Arbeitnehmenden zu vermeiden. In dringenden Fällen muss der Arbeitnehmende bei sich widersprechenden Weisungen nämlich nach Treu und Glauben selber entscheiden, was nicht zwingend im Interesse des Arbeitgebers liegt.

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III. Einschränkungen des Weisungsrechts

Das Weisungsrecht steht dem Arbeitgeber selbstverständlich nicht unbegrenzt zur Verfügung, sondern nur im Rahmen der betrieblichen Bedürfnisse. Es gilt zudem nur soweit, als die näheren Einzelheiten der Arbeitsleistung und des Verhaltens des Arbeitnehmenden nicht im Gesetz, einem Gesamtarbeitsvertrag, einem Normalarbeitsvertrag oder mittels einer schriftlichen oder mündlichen Abrede festgelegt werden. Dabei kann die eine Weisung ausschliessende oder einschränkende Abrede auch stillschweigend getroffen werden. Das blosse Dulden eines bestimmten Verhaltens des Arbeitnehmenden durch den Arbeitgeber darf aber nicht ohne weiteres als dessen Einverständnis gedeutet werden. Um Streitigkeiten zu vermeiden, ist daher auch in Bezug auf die Einzelheiten der Arbeitsleistung und das Verhalten des Arbeitnehmenden stets zu empfehlen, diese schriftlich festzuhalten.

Soweit die Einzelheiten der Arbeitsausführung vertraglich umfassend umschrieben sind, besteht für eine Konkretisierung durch Weisungen kein Raum mehr. Die Weisung ist kein Mittel, die Pflichten des Arbeitnehmenden zu erweitern. Die Weisung, eine von der vertraglich vereinbarten Tätigkeit abweichende Arbeit zu verrichten, ist daher grundsätzlich unzulässig, sofern nicht die Treuepflicht des Arbeitnehmenden in besonderen Fällen, namentlich aus dringenden betrieblichen Gründen, eine Ausnahme zulässt. Gestützt auf die Treuepflicht ist es insbesondere zulässig, den Arbeitnehmenden anzuweisen, vorübergehend den Arbeitsplatz zu wechseln und im Home Office zu arbeiten oder eine andere Tätigkeit auszuüben. Der Wechsel muss für den Arbeitnehmenden aber stets mit Blick auf sein Privatleben, wie namentlich auf den Arbeitsweg, zumutbar sein und darf nicht zu lange andauern. Aufgrund der andauernden COVID-19 Pandemie und dem damit verbundenen Gesundheitsrisiko ist es in der Regel jedoch zulässig bzw. sogar angezeigt, die Arbeitnehmenden vorübergehend von Zuhause aus arbeiten zu lassen oder eine andere Arbeit auszuführen.  

Unzulässig sind hingegen Weisungen, welche die dem Arbeitnehmenden vertraglich eingeräumte freie und selbstständige Stellung einschränken und in seinen vertraglich festgelegten Kompetenzbereich eingreifen. Wird eine unter diesem Gesichtspunkt unzulässige, aber nicht gegen zwingendes Recht verstossende Weisung vom Arbeitnehmenden jedoch widerspruchslos entgegengenommen und befolgt, so lässt sich daraus sein Einverständnis ableiten und in der Regel eine Änderung des Einzelarbeitsvertrages in gegenseitigem Einverständnis annehmen. Arbeitnehmende, die zum Beispiel für unbestimmte Zeit widerspruchslos auf Weisung des Arbeitgebers in einer anderen Stadt arbeiten, können sich später nicht darauf berufen, diese Weisung sei unzulässig.

Weiter ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers durch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmenden begrenzt. Dabei ist immer eine Interessenabwägung vorzunehmen: je grösser das betriebliche Interesse ist, desto weiter darf in Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmenden eingegriffen werden. Umgekehrt müssen Weisungen, die in die Persönlichkeit des Arbeitnehmenden eingreifen, sich auf das betrieblich Notwendige beschränken. Aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmenden im Sinne von Art. 321a OR ist im Zweifel aber davon auszugehen, dass der Arbeitnehmende die ihm erteilten Weisungen auch befolgen muss. Enge Grenzen sind dem Weisungsrecht zudem im Bereich der verfassungsmässigen Rechte und politischen Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden gesetzt. Verfassungsmässige Rechte dürfen nur eingeschränkt werden, wenn dies durch berechtigte, überwiegende Interessen des Arbeitgebers, insbesondere zur erfolgreichen Durchführung des Arbeitsvertrages, geboten ist. Ausnahmen gibt es diesbezüglich insbesondere bei Tendenzbetrieben, das heisst Betrieben mit politischer, konfessioneller oder wissenschaftlicher Ausrichtung.

Schliesslich muss das Weisungsrecht nach Treu und Glauben ausgeübt werden. Willkürliche, ohne sachliche Begründung erlassene oder gar schikanöse Weisungen sind unzulässig, wie beispielsweise Weisungen, die sich ohne sachliche Gründe nur gegen einzelne Arbeitnehmende richten.

Aufgrund der gemachten Ausführungen kann es somit für Arbeitnehmende eines Spitals durchaus betrieblich als notwendig erachtet werden, dass sich die Arbeitnehmenden regelmässig einem COVID-19 Test unterziehen, obwohl dadurch in die persönliche Integrität und Freiheit der Arbeitnehmenden eingegriffen wird. Dies einerseits zum Schutz der Arbeitnehmenden selbst und andererseits zum Schutz der Patienten. Anders dürfte es jedoch in Bezug auf die Arbeitnehmenden eines Bürobetriebs beurteilt werden, bei welchen im Sinne einer milderen Massnahme auch die Möglichkeit besteht, von zu Hause aus zu arbeiten, womit das Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 eingeschränkt werden kann. Sofern es jedoch für einen Betrieb allgemein nicht möglich sein sollte, auf die körperliche Anwesenheit ihrer Arbeitnehmenden zu verzichten, wie beispielsweise bei Baufirmen oder Lebensmittelgeschäften, könnte aufgrund der Fürsorgepflicht eine Weisung, sich regelmässig einem COVID-19 Test zu unterziehen, sogar dringend angezeigt sein. Eine allgemeine Impfpflicht dürfte in der Regel jedoch aufgrund des schweren Eingriffs in die körperliche Integrität und die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmenden selten mit betrieblichen Interessen zu rechtfertigen sein. Dies ist jedoch stets im Einzelfall zu beurteilen, und für Arbeitnehmende in einem Spital kann die Interessenabwägung beispielsweise anders ausfallen als für Arbeitnehmende eines Lebensmittelgeschäfts. Sofern Arbeitgeber ihre Arbeitnehmenden somit zu einer Impfung verpflichten wollen, ist dies im Einzelarbeitsvertrag ausdrücklich festzuhalten. Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen sind dabei die besonderen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zu beachten.

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IV. Befolgungspflicht des Arbeitnehmenden

Dem Weisungsrecht des Arbeitgebers steht als Gegenstück die Treuepflicht des Arbeitnehmenden im Sinne von Art. 321a OR gegenüber. Er ist verpflichtet, den innerhalb der erwähnten Schranken erlassenen allgemeinen Anordnungen und speziellen Weisungen nach Treu und Glauben nachzukommen. Der Arbeitnehmende ist jedoch weder verpflichtet noch berechtigt, Weisungen zu befolgen, die vertragswidrig, widerrechtlich oder unsittlich sind. Bloss unzweckmässige Weisungen hat der Arbeitnehmende im Allgemeinen zu befolgen, denn es ist nicht seine Aufgabe, Weisungen auf ihre Zweckmässigkeit zu überprüfen. Dies gilt jedoch nicht für völlig unpraktikable Weisungen.

Hält sich ein Arbeitnehmender nicht an die innerhalb der gesetzten Schranken erlassenen allgemeinen Anordnungen und speziellen Weisungen, stellt dies grundsätzlich eine Vertragsverletzung dar. Mögliche Sanktionen der Verletzung der Befolgungspflicht sind dabei vor allem eine ordentliche oder fristlose Entlassung (Art. 337 OR), eine Schadenersatzpflicht (Art. 321e OR) sowie eine Herabsetzung des Lohnes, sofern die Verletzung der Befolgungspflicht in der Verweigerung der Arbeitsleistung besteht. Insbesondere für die fristlose Entlassung eines Arbeitnehmenden braucht es aber stets wichtige Gründe, welche die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen. Weigert sich beispielsweise ein Arbeitnehmender, im Betrieb eine Maske zum Schutz gegen COVID-19 trotz entsprechender Weisung zu tragen, kann dies aufgrund der Gesundheitsgefahr unter Umständen eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Jedoch ist dies stets im Einzelfall zu beurteilen.

Bevor einem Arbeitnehmenden sogleich gekündigt wird, können auch Disziplinarmassnahmen, wie eine Verwarnung oder ein Verweis, ausgesprochen werden. Im Falle des Vorliegens einer Betriebsordnung können bei Verstössen gegen dieselbe zudem auch Bussen und andere Ordnungsstrafen verhängt werden. Ausserhalb der Betriebsordnung besteht jedoch keine Rechtsgrundlage zur Verhängung von Bussen. Hingegen können durch besondere Regelung im Einzel-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag eine Konventionalstrafe (Art. 160 ff. OR) oder andere Sanktionen wie etwa Lohnkürzungen wegen Verletzung der Befolgungspflicht festgelegt werden. Die Sanktionen müssen aber vertraglich festgelegt und im Vergleich zur Schwere der Vertragsverletzung verhältnismässig sein. Zudem dürfen sie nicht gegen zwingendes Recht verstossen.

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V. Fazit

Dem Arbeitgeber steht im Rahmen der betrieblichen Bedürfnisse und in den gesetzlichen sowie vertraglichen Schranken ein weitgehendes Weisungsrecht zu. Allgemein und auch bei Weisungen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie sind aber stets die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmenden zu beachten, und es ist abzuwägen, ob die Weisungen betrieblich auch tatsächlich notwendig sind. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann auch eine Weisungspflicht bestehen, wie namentlich die Weisung zum Tragen einer Maske am Arbeitsplatz zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden. Bei Nichtbefolgung der Weisungen oder allgemeinen Anordnungen kann der Arbeitgeber schliesslich verschiedene Sanktionen ergreifen, wobei eine fristlose Kündigung stets die ultima ratio sein sollte.


24. März 2021 / MLaw Kim Wysshaar


RECHTLICHE HERAUSFORDERUNGEN BEI ENTSENDUNGEN VON ARBEITNEHMERN INS AUSLAND

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin

Mit zunehmender Globalisierung und Mobilität steigt auch die Anzahl KMU, welche ihre Mitarbeiter regelmässig für gewisse Einsätze ins Ausland senden. Diese Auslandeinsätze können sich dabei entweder auf einzelne Projekte beschränken oder über mehrere Jahre andauern. Dabei stellen Entsendungen ins Ausland den Arbeitgeber stets vor komplexe arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Herausforderungen. Dieser Newsletter befasst sich deshalb näher mit den rechtlichen Besonderheiten für Arbeitgeber bei Entsendungen Schweizer Arbeitnehmer ins Ausland sowie ausländischer Arbeitnehmer in die Schweiz und zeigt auf, worauf der Arbeitgeber unserer Meinung nach besonders achten sollte.    

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I. AUSGANGSLAGE

Der Begriff der «Entsendung» ist ein Oberbegriff für alle Fälle, in denen ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer für eine begrenzte Zeit in einen anderen Staat schickt, um dort zu arbeiten, beispielsweise für Arbeiten im Rahmen eines Montageauftrages beim ausländischen Kunden. Dabei gilt es bei jeglichen Entsendungen verschiedene rechtliche Grundlagen zu beachten, wie in der Schweiz insbesondere das Entsendegesetz (EntsG, SR 823.20) und die dazugehörige Verordnung (EntsV, SR 823.201). Die Gründe für eine Entsendung von Schweizer Arbeitnehmern ins Ausland sind vielfältig und reichen von kurzfristigen Entsendungen für einen befristeten Projekteinsatz bis hin zu langjährigen Entsendungen wegen fehlender Fachkräfte im Ausland. Damit noch von einem befristeten Einsatz die Rede sein kann, geht insbesondere das Bundesamt für Sozialversicherungen von einer Maximaldauer einer Entsendung von fünf Jahren aus.

Damit von einer Entsendung gesprochen werden kann, ist entscheidend, dass vor dem Auslandeinsatz bereits ein inländisches Arbeitsverhältnis bestand, welches nach Beendigung des Auslandeinsatzes auch fortgesetzt werden soll. Es bedarf damit also sowohl eines ausdrücklichen Wiederbeschäftigungswillens auf Seiten des Arbeitgebers als auch eines offensichtlichen Rückkehrwillens des Arbeitnehmers. Die blosse Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach Rückkehr des Arbeitnehmers reicht nicht aus, um von einer Entsendung zu sprechen.

Bei Entsendungen beschränkt sich die Bindung des Arbeitnehmers zum Ausland sodann in aller Regel auf den tatsächlichen Arbeitsort, während der gewöhnliche Arbeitsort weiterhin im Inland liegt. Im Rahmen der Entsendung bleibt der entsandte Arbeitnehmer auch für denselben Arbeitgeber tätig bzw. untersteht zumindest weiterhin dessen Weisungen. Damit unterscheidet sich die Entsendung vor allem vom Personalverleih, bei welchem der Verleiher dem Einsatzbetrieb wesentliche Weisungsbefugnisse abtritt. 

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II. ANWENDBARES RECHT

Liegen grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse vor, ist für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer von zentraler Bedeutung, welches Recht auf dieses Verhältnis zur Anwendung kommt. Bei der klassischen Entsendung ändert sich, wie bereits erwähnt, in der Regel nur der tatsächliche Arbeitsort des entsandten Arbeitnehmers, der sich für eine begrenzte Zeit im Ausland befindet. Der gewöhnliche Arbeitsort befindet sich folglich weiterhin im jeweiligen Land, in dem der Arbeitgeber domiziliert ist. Der starke Inlandsbezug der Entsendung führt auch dazu, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber in der Regel bestehen und damit zunächst auch das jeweilige inländische Recht anwendbar bleibt. Je länger der Einsatz aber dauert, desto eher kann ein gewöhnlicher Arbeitsort am ausländischen Einsatzort angenommen werden und somit das Risiko steigen, dass die lokalen Gerichte am Einsatzort bei Streitigkeiten lokales Recht anwenden. Es empfiehlt sich deshalb, das anwendbare Recht (hierzulande mithin das Schweizerische Recht) mittels Rechtswahlklausel vertraglich festzuhalten, soweit dies die internationale Rechtslage erlaubt.  

Unabhängig davon, welches Recht auf das Arbeitsverhältnis (ggf. auch durch vertragliche Abrede) grundsätzlich anwendbar ist, muss darauf geachtet werden, dass es in jedem Einsatzstaat arbeitsrechtliche Normen geben kann und wird, die zwingend anzuwenden sind und welche die vorerwähnte Rechtswahl damit durchbrechen. Bei Entsendungen ins Ausland gilt es daher vorab auch die im Einsatzstaat zwingend auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechtsnormen (z.B. betreffend Höchstarbeitszeit etc.) zu eruieren, um die Bedingungen des geplanten Auslandseinsatzes vollständig überblicken zu können.

Zusätzlich empfiehlt es sich gerade bei längerfristigen Entsendungen ins Ausland, den inländischen Arbeitsvertrag durch eine Entsendungsvereinbarung zu ergänzen, welche die konkreten Modalitäten des Auslandeinsatzes regelt und den schweizerischen Arbeitsvertrag befristet anpasst. Zentrale Elemente einer Entsendungsvereinbarung sind namentlich der Einsatzort, die konkreten Aufgaben des Arbeitnehmers, die Weisungsrechte des Arbeitgebers und die Rückkehrbedingungen. Mit einer Entsendungsvereinbarung lassen sich insbesondere allfällige künftige Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Parteien besser vermeiden.

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III. BESONDERHEIT IN SOZIALVERSICHERUNGSRECHTLICHER HINSICHT

In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht gilt bei Entsendungen ins Ausland die Besonderheit, dass der Entsandte grundsätzlich der Sozialversicherungsgesetzgebung des Heimatlands unterstellt bleibt. Dies jedoch nur, sofern zwischen den beteiligten Staaten ein Abkommen über die soziale Sicherheit besteht. Für Fragen der sozialen Sicherheit bei Entsendungen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der EU ist beispielsweise gestützt auf das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 massgebend. In Art. 12 Abs. 1 der (EG) Nr. 883/2004 ist eine Sonderregelung für Entsendungen enthalten, wonach ein Entsandter weiterhin in seinem Heimatland sozialversichert bleiben kann. Der Arbeitgeber des Heimatlandes muss dafür aber immer eine Bewilligung bei der zuständigen Sozialversicherungsbehörde einholen.

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IV. BESONDERHEITEN BEI ENTSENDUNGEN AUSLÄNDISCHER ARBEITNEHMER

Wie soeben dargelegt, gilt bei Entsendungen ausländischer Arbeitnehmer in die Schweiz in der Regel der bestehende Arbeitsvertrag mit dem ausländischen Arbeitgeber weiter. Unabhängig davon, ob auf das Arbeitsverhältnis ausländisches Recht anwendbar ist, gibt es aber auch im schweizerischen Arbeitsrecht Schutznormen, wie namentlich betreffend Höchstarbeits- und Ruhezeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, die Mindestdauer der Ferien sowie den Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlung bei Krankheit, Schwangerschaft und Niederkunft, die bei Entsendungen in die Schweiz zwingend anzuwenden sind. 

Zudem findet auf ausländische Arbeitnehmer, welche in die Schweiz entsandt werden, das EntsG Anwendung.  Nach Art. 2 Abs. 1 EntsG müssen die Arbeitgeber den in die Schweiz entsandten Arbeitnehmern mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrats, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von 360a OR, insbesondere in den Bereichen der Arbeits- und Ruhezeit, der minimalen Entlohnung sowie des Gesundheitsschutzes vorgeschrieben sind. Zudem muss der Arbeitgeber den entsandten Arbeitnehmern eine Unterkunft garantieren, die dem üblichen Standard am Einsatzort bezüglich Hygiene und Komfort genügt (Art. 3 EntsG). Die ausländischen Arbeitgeber sind ausserdem verpflichtet, spätestens acht Tage vor Einsatzbeginn eine schriftliche Meldung des Einsatzes in der Amtssprache des Einsatzortes bei der zuständigen kantonalen Behörde einzureichen. Die Meldung muss insbesondere Angaben über die Identität, den Lohn der entsandten Personen sowie die ausgeübte Tätigkeit enthalten und dient der Überprüfung, ob die Bestimmungen des Entsendgesetzes eingehalten werden. 

Weiter ist vor dem befristeten Einsatz des ausländischen Arbeitnehmers in der Schweiz abzuklären, ob eine Bewilligung nötig ist. Handelt es sich beim Entsandten um einen Angehörigen aus einem EU-/EFTA Staat und um eine Erwerbstätigkeit von maximal 90 Tagen, besteht lediglich eine Meldepflicht, welche mittels Onlinemeldeverfahren abgewickelt werden kann. Für längere Entsendungen stehen namentlich die 120-Tage-Bewilligung, die Kurzaufenthaltsbewilligung für bis zu einem Jahr (Ausweis L EU/EFTA) und die Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B EU/EFTA) zur Verfügung.  Handelt es sich beim Entsandten jedoch nicht um einen Staatsangehörigen eines EU/EFTA-Staat, sondern kommt dieser aus einem Drittstaat, ist es in der Regel schwieriger, eine Bewilligung für den Arbeitseinsatz zu erhalten, weil das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) dann keine Anwendung findet.

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V. BESONDERHEITEN BEI ENTSENDUNGEN SCHWEIZER ARBEITNEHMER INS AUSLAND

In Bezug auf Entsendungen von Schweizer Arbeitnehmern ins Ausland fehlen im Gegensatz zu Entsendungen in die Schweiz konkrete rechtliche Grundlagen, zumal insbesondere das Entsendegesetz keine Anwendung findet. Auch bei Entsendungen Schweizer Arbeitnehmer ins Ausland gilt das auf den Arbeitsvertrag anwendbare schweizerische Recht nicht in jeder Hinsicht weiter. Dies lässt sich insbesondere am Beispiel des Arbeitsgesetzes (ArG, SR 822.11) aufzeigen: Die Bestimmungen des ArG über die Höchstarbeitszeit, Ruhepausen sowie Nacht- und Sonntagsarbeit sind nämlich auf Arbeitnehmer schweizerischer Betriebe, die im Ausland beschäftigt werden, gerade nicht anwendbar. Bei Entsendungen Schweizer Arbeitnehmer ist somit insbesondere in Bezug auf besondere Schutznormen zugunsten des Arbeitnehmers nicht das schweizerische Recht, sondern das ausländische Recht relevant. Wird somit zum Beispiel ein Mitarbeiter für drei Wochen nach Deutschland entsandt, ist namentlich betreffend Höchstarbeitszeit, Ruhepausen sowie Nacht- und Sonntagsarbeit das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) von rechtlicher Bedeutung.

Bei Entsendungen von Schweizer Arbeitnehmern in einen EU-Mitgliedstaat gibt es zudem zahlreiche Richtlinien mit arbeitsrechtlichem Bezug zu beachten, wie beispielsweise die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Diese Richtlinien sind für die EU-Mitgliedstaaten zwar nur hinsichtlich ihres zu erreichenden Ziels verbindlich, müssen aber von den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden und enthalten demnach immerhin arbeitsrechtliche Mindestvorschriften. Zusätzlich sind aber stets auch die nationalen Normen des Einsatzstaates heranzuziehen, welche strenger ausgestaltet sein können als die Bestimmungen in den EU-Richtlinien.

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VI. FAZIT

Wie aufgezeigt, birgt die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland verschiedene rechtliche Herausforderungen, zumal in der Regel nicht ganz einfach zu ermitteln ist, welche rechtlichen Grundlagen nun zur Anwendung gelangen. Aufgrund dieser rechtlichen Komplexität bei Entsendungen ins Ausland ist unerfahrenen Arbeitgebern anzuraten, für die rechtliche Ausgestaltung der Entsendungsmodalitäten eine Fachperson zur Hilfe zu nehmen. Dadurch lassen sich insbesondere auch allfällige künftige Streitigkeiten mit den entsandten Arbeitnehmern besser vermeiden.


23. März 2021 / MLaw Kim Wysshaar

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