DATENSCHUTZ IM ARBEITSVERHÄLTNIS – WORAUF ALS ARBEITGEBER/IN ZU ACHTEN IST

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin und MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin

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Am 1. September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz sowie die dazugehörige Verordnung in Kraft. Damit verbunden sind insbesondere auch weitergehende Pflichten der Arbeitgeberinnen und neue Rechte für Mitarbeitende. Der aktuelle Newsletter behandelt daher insbesondere die Anforderungen, welche an die Arbeitgeberinnen als Datenbearbeiterinnen gestellt werden, und welche Daten in welchen Fällen bearbeitet werden dürfen.

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I. ÜBERBLICK

In jedem Arbeitsverhältnis werden personenbezogene Daten der Mitarbeitenden bearbeitet. Dies beginnt in der Regel beim Bewerbungsprozess, indem die eingehenden Bewerbungsunterlagen abgespeichert werden. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses werden die Personendaten der Mitarbeitenden im Rahmen der allgemeinen Personaladministration und der Lohnbuchhaltung verwendet und stetig aktualisiert. Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden die Daten der ausgetretenen Mitarbeitendenin der Regel nicht gleich gelöscht, sondern noch für eine gewisse Dauer aufbewahrt. Dabei handelt es sich stets um Datenbearbeitungen, die dem Schweizer Obligationenrecht und dem Datenschutzgesetz unterstehen.

Art. 328b OR bestimmt, dass die Arbeitgeberin Daten über Mitarbeitende nur bearbeiten darf, soweit sie deren Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder für die Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Gestützt auf das Datenschutzgesetz kann aber auch eine weitergehende Datenbearbeitung zulässig sein, wenn die betroffenen Mitarbeitenden explizit einwilligen oder die Arbeitgeberin oder ein Dritter ein überwiegendes Interesse daran hat (vgl. BGer 4A_5118/2020).

Dies vorangestellt, wird nachfolgend auf einzelne Arbeitgeberpflichten im Zusammenhang mit der schweizerischen Datenschutzgesetzgebung eingegangen.

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II. INFORMATIONSPFLICHTEN

Sobald planmässig Personendaten bearbeitet werden, müssen die hiervon betroffenen Personen in der Regel vorgängig informiert werden – dies betrifft insbesondere auch Personendaten der eigenen Mitarbeitenden und Bewerbenden. Im Arbeitsverhältnis erfolgen diese Informationen in der Regel über ein Mitarbeiterreglement oder über eine interne Mitarbeiterinformation, welche den nachfolgenden Mindestinhalt aufweisen sollten:

  • Wer ist für die Datenbearbeitung verantwortlich (inkl. Kontaktdaten)?
  • Welche Daten werden erhoben?
  • Weshalb werden diese Daten erhoben (Bearbeitungszweck)?
  • Wem werden die erhobenen Daten weitergegeben?
  • In welche Staaten können die Daten weitergegeben werden (Auslandsbekanntgabe) und gestützt auf welche rechtliche Grundlage?

Eine Ausnahme der Informationspflicht besteht hingegen dort, wo die Datenbeschaffung gesetzlich vorgeschrieben ist. Gerade im Arbeitsverhältnis bestehen diverse gesetzliche Pflichten, die die Bearbeitung von Personendaten von Mitarbeitenden erfordern (zu denken ist bspw. an Meldepflichten im Zusammenhang mit Sozialversicherungen und der beruflichen Vorsorge, aber auch die Pflicht zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses bringt die Notwendigkeit mit sich, die Leistungen der Mitarbeitenden zu erfassen). Vor diesem Hintergrund besteht für Personendaten, die zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten zwingend in einem Personaldossier geführt werden müssen, aller Voraussicht nach keine gesetzliche Informationspflicht. Da die Qualifikation als «notwendige Daten» aber unter Umständen schwierig sein kann, empfiehlt sich dennoch eine proaktive Information durch die Arbeitgeberin. Denn wird in Verletzung der Informationspflicht nicht transparent über die Datenbearbeitung informiert, kann eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeitenden oder Bewerbenden vorliegen. Die vorsätzliche Verletzung der Informationspflicht kann zudem mit Busse bis zu CHF 250’000.00 belegt werden.

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III. BEARBEITUNGSVERZEICHNIS

Für Unternehmen, die mind. 250 Mitarbeitende beschäftigen oder Daten bearbeiten, die ein hohes Risiko in sich bergen (bspw. umfassende Bearbeitung besonders schützenswerter Daten[1]/Hochrisiko-Profiling[2]), ist das Führen eines Datenbearbeitungsverzeichnisses Pflicht. Es soll der Nachvollziehbarkeit und Überprüfung sämtlicher Datenbearbeitungstätigkeiten dienen. Der Mindestinhalt wird durch Art. 12 revDSG festgelegt:

  • Identität des Verantwortlichen
  • Bearbeitungszweck
  • Kategorien von betroffenen Personen und der bearbeiteten Personendaten
  • Aufbewahrungsdauer (hierzu nachfolgend)
  • Beschreibung der Massnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit
  • Empfängerstaaten, falls die Personendaten ins Ausland gehen, sowie Garantien zum Datenschutzniveau der betroffenen Empfängerstaaten

Unternehmen, die weniger als 250 Beschäftigte haben und keine riskanten Datenbearbeitungen vornehmen, sind von dieser Pflicht hingegen ausgenommen.

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IV. AUFBEWAHRUNGSDAUER

Das Datenschutzgesetz sieht keine maximale Aufbewahrungsdauer vor, sondern bestimmt lediglich, dass Personendaten grundsätzlich nur so lange bearbeitet und aufbewahrt werden dürfen, als dies für den Bearbeitungszweck notwendig, gerechtfertigt und verhältnismässig ist. Anschliessend müssen die Daten entweder anonymisiert oder gelöscht werden. Eine pauschale Aussage, wonach sämtliche Personendaten erst nach einer gewissen Anzahl Jahre gelöscht werden müssten, ist folglich nicht möglich. Vielmehr bedarf es einer Einzelfallbeurteilung, wobei insbesondere gesetzliche Aufbewahrungspflichten und Verjährungsfristen berücksichtigt werden sollten. Allgemein festgehalten werden kann jedoch, dass eine Aufbewahrungsdauer von über 10 Jahren kaum zu rechtfertigen sein wird. Unterlagen von zurückgewiesenen Bewerbenden sind dahingegen unmittelbar zu retournieren oder zu löschen, sofern der Bewerber/die Bewerberin nicht explizit in eine längere Aufbewahrungsdauer eingewilligt hat (bspw. für potentielle andere in Zukunft entstehende Vakanzen).

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V. AUSKUNFTSRECHT

Während des laufenden Arbeitsverhältnisses hat jeder Mitarbeitende das Recht auf Auskunft über die eigenen Daten und insbesondere auf Einsicht in sein eigenes Personaldossier. Die Auskunft hat grundsätzlich kostenlos innert 30 Tagen zu erfolgen. Dabei zu beachten gilt, dass die Erteilung einer falschen oder unvollständigen Auskunft unter Strafandrohung steht (bei Vorsatz ebenfalls Busse bis zu CHF 250’000.00). Es sollte deshalb nicht der Eindruck erweckt werden, dass die Auskunft vollständig ist, geschweige denn eine Vollständigkeitserklärung abgegeben werden.

Das Auskunftsrecht gilt hingegen nicht absolut. Sprechen überwiegende Interessen Dritter oder eigene überwiegende Interessen (insbesondere Geschäftsgeheimnisse) dagegen, kann die Auskunft verweigert werden. Gleiches gilt, wenn das Auskunftsbegehren offensichtlich unbegründet oder querulatorisch ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Gesuch einen datenschutzwidrigen Zweck verfolgt.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedarf das Auskunftsgesuch grundsätzlich einer besonderen Rechtfertigung. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberin Dritten gegenüber nur Auskünfte erteilen darf, wenn der betroffene Mitarbeitende hiermit einverstanden ist. Ansonsten ist die Arbeitgeberin nicht dazu befugt, Auskunft über das Arbeitsverhältnis zu erteilen.

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VI. BERICHTIGUNGSRECHT

Die Arbeitgeberin darf über die Mitarbeitenden nur richtige Daten bearbeiten. Stellen Mitarbeitende fest, dass über sie falsche Daten erfasst wurden, haben sie ein Recht auf Berichtigung. Keiner Korrektur zugänglich sind allerdings rein subjektive Wertungen, da diese schlichtweg nicht auf deren Richtigkeit überprüft werden können. Ist nicht klar, ob die erfassten Daten nun korrekt sind oder nicht, so ist zumindest ein entsprechender Vermerk anzubringen.

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VII. PROFILING – AUTOMATISIERTE EINZELENTSCHEIDE

Besondere Vorschriften gelten sodann, wenn gestützt auf erstellte Persönlichkeitsprofile automatisierte Einzelentscheide getroffen werden. Führt ein so getroffener Entscheid für die betroffene Person zu einer Rechtsfolge oder wird sie dadurch erheblich beeinträchtigt, muss sie vorgängig darüber informiert werden. Gleichzeitig hat die betroffene Person ein Recht auf Stellungnahme und sie kann verlangen, dass der Entscheid von einer natürlichen Person überprüft wird (sog. Widerspruchsrecht). Klassisches Beispiel hierfür ist der Einsatz von Recruiting-Software, die eine Entscheidung vollautomatisiert auf der Basis einer durch Profiling erstellten Bewertung trifft.

Die vorgenannten Voraussetzungen gelten allerdings nicht, wenn die betroffene Person vorgängig explizit eingewilligt hat oder der Entscheid im Sinne der betroffenen Person ausgefallen ist.

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VIII. KONTROLLEN UND ÜBERWACHUNGEN AM ARBEITSPLATZ

Grundsätzlich ist die systematische Überwachung von Mitarbeitenden unzulässig (Art. 26 ArGV 3), da sie einen zu starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden darstellt. Werden im Betrieb dennoch Überwachungs- und Kontrollmassnahmen eingeführt, so bedarf es eines Rechtfertigungsgrundes (bspw. Sicherheitsgründe oder Leistungserfassung der Mitarbeitenden), wobei die ergriffenen Massnahmen auch in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen müssen. Die Mitarbeitenden sind vorgängig zu informieren. Werden Kontrollmassnahmen eingeführt, so sollten diese (verbunden mit der von der Arbeitgeberin erlassen Weisung) in einem Reglement festgehalten werden. Klassisches Beispiel wäre der Erlass eines IT-Reglements, welches insbesondere die Leitplanken für die Nutzung von Internet und E-Mail sowie die diesbezüglichen Kontrollrechte der Arbeitgeberin festlegt.

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IX. PUBLIKATION VON FOTOS

Sollen Fotos von Mitarbeitenden publiziert werden – sei es im Intranet oder im Internet –, so bedarf es der expliziten vorgängigen Einwilligung der betroffenen Mitarbeitenden (Recht am eigenen Bild). Dies gilt auch für Fotos, die bei Veranstaltungen wie Apéros oder Betriebsausflügen gemacht werden. Aus der entsprechenden Einwilligung sollten Art (Foto/Video/Tonaufnahmen etc.), Umfang (bspw. firmeneigene Website/Zeitschriften-Kolumne) und Zweck (bspw. zu Werbezwecken / Öffentlichkeitsarbeit) der Verwendung klar hervorgehen.

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X. BERUFSGEHEIMNIS

Abschliessend ist auf das mit der Datenschutzrevision neu einzuführende «kleine Berufsgeheimnis» hinzuweisen: Demnach müssen geheime Personendaten, die Mitarbeitende im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Rahmen ihrer Ausbildung anvertraut wurden, geheim gehalten werden (bspw. eine Kundin klärt den Coiffeur über ihre noch geheime Schwangerschaft auf, weil sie nicht jedes Haarfärbemittel verträgt). Wer vorsätzlich gegen das «kleine Berufsgeheimnis» verstösst, kann mit Busse bis zu CHF 250’000.00 bestraft werden. Es empfiehlt sich dringend, die Mitarbeitenden entsprechend für dieses Thema zu sensibilisieren.

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[1] Als besonders schützenswerte Personendaten gelten Informationen zu religiösen, weltanschaulichen, politischen, gewerkschaftlichen Ansichten oder Tätigkeiten, Angaben zur Ethnie, Gesundheit, Intimsphäre oder Rassenzugehörigkeit, Massnahmen der sozialen Hilfe, administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen sowie genetische und biometrische Daten.

[2] Ein hohes Risiko liegt vor, wenn die Persönlichkeit / die Grundrechte der betroffenen Person besonders gefährdet sind, indem das Profiling zu einer Verknüpfung von Daten führt, die eine Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit einer Person erlaubt.

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15. August 2023 / MLaw Simone Kessler und MLaw Kim Wysshaar


REVISION DES SCHWEIZER DATENSCHUTZGESETZES – EIN ÜBERBLICK FÜR KMU

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Am 1. September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft. Worauf KMU im Wesentlichen achten müssen, wird im beiliegenden Merkblatt kurz und kompakt zusammengefasst – einsehbar unter folgendem: Link


2. August 2023 / MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin


DER LIZENZVERTRAG (TEIL 4) – STOLPERSTEINE, INSBESONDERE UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DES WETTBEWERBSRECHTS

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Im vierten und letzten Teil der Lizenzvertrags-Reihe wird auf einige vertragliche Vereinbarungen eingegangen, die insbesondere im Hinblick auf das Kartellrecht problematisch sein können und die den Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien bei der Redaktion des Lizenzvertrags einschränken können. Im Weiteren gilt es auch bei der Vertragsdauer gewisse Kriterien zu beachten

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I. KARTELLRECHTLICHE EINSCHRÄNKLUNGEN

Grundsätzlich kommt das Kartellrecht zur Anwendung, wenn die involvierten Unternehmen einen gewissen Marktanteil haben (man kann von einer Grenze von rund 10% gemeinsamem Marktanteil ausgehen). Allerdings kommt den Wettbewerbsbehörden ein grosses Ermessen zu, weshalb auch ein Unternehmen mit einem sehr geringen Marktanteil ins Visier geraten kann. Zudem gibt es auch kartellrechtlich relevantes Verhalten, das keinen Mindestmarktanteil voraussetzt. Dies ist insbesondere bei Preis- und Gebietsabsprachen der Fall, weshalb durchaus auch KMU in den Fokus der Wettbewerbsbehörden geraten können. Und verstösst der Inhalt des Lizenzvertrags gegen kartellrechtliche Bestimmungen, so kann der Vertrag nichtig sein (Art. 20 OR). Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend auf die gängigsten kartellrechtlich heiklen Vertragsklauseln eingegangen, wobei jede Klausel einer Einzelfallbeurteilung bedarf und daher nicht pauschal als zulässig oder unzulässig qualifiziert werden kann:

1. Koppelungsgeschäfte

Marktbeherrschende Lizenzgeber dürfen keine Koppelungsgeschäfte erzwingen, d.h. sie dürfen den Lizenznehmer grundsätzlich nicht dazu verpflichten, zusätzlich zum Vertragsgegenstand weitere Produkte oder Leistungen zu beziehen. Eine Ausnahme liegt hingegen vor, wenn für die Koppelung sachliche Gründe vorliegen, was bspw. bei Wartungs- und Serviceleistungen der Fall sein kann. Weiter kann ein Koppelungsgeschäft zulässig sein, wenn die gekoppelten Produkte/Leistungen vom Endabnehmer als ein einziges Gut wahrgenommen werden.

2. Kundenkreisbeschränkungen

Mit einer Lizenzvereinbarung geht oftmals auch eine Gebietszuweisung einher. So können sich die Parteien bspw. darauf einigen, dass die Lizenz exklusiv für ein bestimmtes Vertragsgebiet gewährt wird, sprich kein anderer Händler bspw. in der Schweiz eine Lizenz erhält. Damit einher geht oftmals auch die Verpflichtung des Lizenznehmers, wonach er ausserhalb seines zugewiesenen Vertragsgebiets nicht tätig werden darf. Das ist aus kartellrechtlicher Sicht soweit grundsätzlich zulässig, sofern der aktive Verkauf untersagt wird. Passivverkäufe – also Verkäufe an Personen ausserhalb des Vertragsgebiets, die direkt auf den Lizenznehmer zukommen – müssen unter Umständen weiterhin erlaubt sein. Ansonsten kann ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegen. Vorsicht geboten ist hingegen, wenn sich die Parteien gegenseitig exklusive Lizenzen einräumen, denn das sog. «cross-licencing» von Exklusivlizenzen kann eine unzulässige Marktaufteilung darstellen und damit gegen das Kartellrecht verstossen.

Grundsätzlich unzulässig ist es zudem, dem Lizenznehmer den Vertrieb der lizenzierten Produkte über das Internet zu verbieten – es sei denn, sachliche Gründe (wie Gesundheitsschutz, Sicherheitsaspekte etc.) würden dafürsprechen. Inhaltliche Vorgaben, bspw. zur Produktpräsentation / Websitegestaltung, sind hingegen zulässig.

3. Preis – und Mengenvorschriften

Absolut unzulässig ist es, dem Lizenznehmer eine Preisbindung aufzuerlegen. Die Festsetzung des Verkaufspreises muss dem Lizenznehmer völlig freistehen. Preisempfehlungen können in der Schweiz unter Umständen abgegeben werden, sofern es sich denn auch tatsächlich um eine Empfehlung handelt. Entsprechende Preisangaben sollten dann stets als «unverbindliche Preisempfehlung» bezeichnet werden.

Auch bei der Vorgabe von Mengenbezügen ist Vorsicht walten zu lassen. Als wettbewerbsbeschränkend und damit wettbewerbswidrig wird insbesondere qualifiziert, wenn der Lizenznehmer mit der Lizenz zu einer Bezugsmenge verpflichtet wird, die mehr als 80% seines Einkaufsbedarfs deckt oder mehr als fünf Jahre dauert. Analoges gilt für vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbote (das Verbot, die Waren/Dienstleistungen des Lizenzgebers zu konkurrenzieren), die sich de facto wie Mindestmengenbezüge auswirken. Darüber hinaus können auch Höchstproduktions-Beschränkungen unzulässig sein.

4. Nichtangriffsklauseln

Heikel können zudem vertragliche Bestimmungen sein, wonach der Lizenznehmer zusichert, dass er die Gültigkeit der Immaterialgüterrechte des Lizenzgebers nicht angreife. Als Alternative zur Nichtangriffsklausel kann dem Lizenzgeber hingegen ein ausserordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werden, wonach er berechtigt ist, den Lizenzvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn der Lizenznehmer den Bestand der Immaterialgüterrechte angreift.

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II. ÜBERMÄSSIGE DAUER DES LIZENZVERTRAGS

Lizenzverträge werden oftmals auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer abgeschlossen, um allfällige Investitionen der Vertragsparteien zu schützen. Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung darf ein Vertrag allerdings nicht auf die Ewigkeit abgeschlossen werden. Sie werden als sittenwidrig im Sinne von Art. 2 und 27 ZGB qualifiziert, da sie zu stark in die Handlungsfähigkeit der Parteien eingreifen. Auch «übermässig langandauernde» Verträge können als sittenwidrig eingestuft werden, was dazu führt, dass den Vertragsparteien nach einer gewissen Dauer ein Kündigungsrecht zusteht. Wann ein Vertrag als «übermässig lange» zu qualifizieren ist, ist einzelfallabhängig und hängt vom konkreten Vertragsinhalt ab. Die Verpflichtung, auf die Ausübung eines Rechts zu verzichten, kann grundsätzlich länger vereinbart werden, als die Pflicht zu einer bestimmten Leistungserbringung. Müssen Leistungen wiederholt und über eine lange Dauer erbracht werden, wird grundsätzlich von einer kürzeren zulässigen Vertragsdauer ausgegangen, als wenn lediglich eine einmalige Leistung erbracht werden muss. Einschränkungen in der wirtschaftlichen (kommerziellen) Handlungsfähigkeit werden sodann als weniger gravierend qualifiziert als Verpflichtungen im persönlich-ideellen Lebensbereich. Einen Einfluss hat sodann das Austauschverhältnis der Parteien: Stehen Leistung und Gegenleistung noch in einem angemessenen Verhältnis? Je grösser das Ungleichgewicht, desto stärker der Eingriff in die Handlungsfähigkeit und desto kürzer die zulässige Vertragsdauer. Vor diesem Hintergrund kann keine allgemeine Maximaldauer beziffert werden; jeder Lizenzvertrag ist nach seinem Inhalt und seinen Vertragsparteien individuell zu beurteilen.



28. Juni 2023 / MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin


AKTIENREVISION 2023 – EINIGE WESENTLICHE ÄNDERUNGEN KURZ ZUSAMMENGEFASST

Lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin und MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

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Am 1. Januar 2023 tritt die lang erwartete Revision des Aktienrechts in Kraft. Auch für KMU ergeben sich aus den neuen Gesetzesbestimmungen einige nützliche Chancen. Auf einzelne davon gehen wir nachstehend ein und zeigen auf, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben können. Gleichzeitig informieren wir darüber, welche Vorkehrungen gegebenenfalls auf gesellschaftsrechtlicher Ebene getroffen werden müssen, damit ein Unternehmen von den neu geschaffenen Möglichkeiten profitieren kann.

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I. DAS KAPITALBAND

Ein wichtiger Eckpfeiler der Aktienrechtsrevision ist das in Art. 653s-653v revOR neu geschaffene Institut des Kapitalbands. Grob zusammengefasst weitet das Kapitalband für Aktiengesellschaften – und zwar nur für diese, Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) können nicht davon profitieren – die unter geltendem Recht bestehende Möglichkeit zur Schaffung von genehmigtem Aktienkapital aus.

Unter dem neuen Recht kann die Generalversammlung den Verwaltungsrat ermächtigen, innerhalb einer Frist von 5 Jahren flexibel und nach eigenem Gutdünken neues Aktienkapital zu schaffen oder bestehendes Aktienkapital zu reduzieren. Im Unterschied zur heutigen genehmigten Kapitalerhöhung (Art. 651 ff. OR) schafft das Kapitalband neu also auch die Möglichkeit einer sozusagen genehmigten Kapitalherabsetzung. Weiter können Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen – stets im Rahmen des zeitlichen Limits von neu 5 Jahren – auch beliebig kombiniert werden. Der Verwaltungsrat erhält damit viel mehr Flexibilität bei der Kapitalbeschaffung oder -reduktion, was insbesondere bei Projektfinanzierungen oder bei Unternehmensübernahmen und Fusionen hilfreich sein kann.

Wichtig zu wissen ist, dass das Kapitalband einer statutarischen Ermächtigung in den Statuten bedarf. Wird diese nun nachträglich in die Statuten eingeführt, bedarf es, wie jeder Statutenänderung, einer öffentlichen Beurkundung. Zudem bedarf der Beschluss einer qualifizierten Mehrheit von 2/3 der Aktienstimmen, die zugleich die Mehrheit der Aktiennennwerte auf sich vereinen (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 5 revOR).

Weiter gilt es zu beachten, dass es Aktiengesellschaften, die im Rahmen eines Opting-outs auf die eingeschränkte Revision verzichtet haben, verwehrt ist, von den Möglichkeiten des Kapitalbands Gebrauch zu machen. Grund dafür ist der erweiterte Gläubigerschutz, der bei Kapitalherabsetzungen Platz greift. Auch wenn eine Kapitalherabsetzung generell (auch beim Kapitalband) nur erfolgen darf, wenn ein Revisor bestätigt hat, dass sämtliche Gläubigerforderungen gedeckt sind, soll sich der Revisor auf den Jahresabschluss verlassen dürfen. Und dieser weist nur dann eine erhöhte Glaubwürdigkeit aus, wenn er revidiert wurde.

Der Gestaltungsspielraum des Verwaltungsrats im Rahmen des Kapitalbands ergibt sich in den grundlegenden Zügen aus dem Gesetz. So darf die Erhöhung bspw. nicht unbeschränkt erfolgen, sondern nur um maximal 50% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals. Die gesetzliche Untergrenze des Aktienkapitals von mind. CHF 100’000.00 bleibt ebenfalls unangetastet. Aktiengesellschaften mit dem Mindestkapital von CHF 100’000.00 können damit nicht von einer Kapitalreduktion im Rahmen des Kapitalbands profitieren. Die Generalversammlung kann dem Verwaltungsrat indes weitere Regeln bei der Ausübung des Kapitalbands auferlegen. So hat die GV insb. die Möglichkeit, die Kapitalveränderungen nur einseitig, d.h. entweder im Sinne einer Kapitalerhöhung oder einer Kapitalherabsetzung, zu erlauben und eine flexible Gestaltung durch Kombination von Erhöhung und Herabsetzung auszuschliessen. Auch weitere Auflagen und Bedingungen sind möglich; die Generalversammlung ist hierbei weitgehend frei. Erforderlich ist aber, dass auch solche Auflagen und Bedingungen in den Statuten genau bezeichnet sind, sodass sie auch für eine Drittperson, bspw. das Handelsregisteramt bei der Eintragung der Kapitalveränderungen, überprüfbar sind. Missachtet der Verwaltungsrat diese statutarischen Bedingungen und Auflagen, ist sein Erhöhungs- oder Herabsetzungsbeschluss nichtig.

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II. FLEXIBLERE GESTALTUNG VON GENERALVERSAMMLUNGEN

Bei der Durchführung von Generalversammlungen bringt die Aktienrechtsrevision ebenfalls eine grössere Flexibilität. Zugleich sollen dadurch die Teilnahmerechte der Aktionäre gestärkt werden.

Einerseits ermöglicht die Revision neu, dass Geschäftsbericht und Revisionsbericht den Aktionären lediglich «zugänglich gemacht» werden und nicht mehr am Geschäftssitz physisch zur Einsicht aufgelegt werden. Auch die Einberufung und die Versammlung selbst können neu elektronisch bzw. physisch erfolgen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Statuten eine entsprechende Grundlage enthalten.

Die elektronische Ausübung der Stimmen an der Generalversammlung (sog. «direct voting») ist ohne eine statutarische Grundlage möglich; die diesbezügliche Entscheidungskompetenz liegt beim Verwaltungsrat, wobei er die Sicherheitsvorschriften gem. Art. 701e Abs. 2 revOR zu wahren hat. Diese Bestimmungen beinhalten, kurz zusammengefasst, dass (i) die Identität der Aktionäre in jedem Fall feststellbar ist. Diesbezüglich geht das Spektrum von der Vorweisung einer Identitätskarte bis hin zur Anwendung einer Gesichtserkennungssoftware. Weiter ist an der virtuellen Generalversammlung sicherzustellen, dass (ii) eine unmittelbare Übertragung der Voten erfolgt (sog. Unmittelbarkeitsprinzip), (iii) jeder Aktionär aktiv teilnehmen und auch Anträge stellen kann, und (iv) das virtuell getroffene Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann. Diese Voraussetzungen zeigen, dass es neu auch möglich ist, eine Generalversammlung ohne Bildübertragung, d.h. bspw. lediglich per Telefon, durchzuführen.

Soll nicht nur die Stimmabgabe virtuell erfolgen, sondern die Generalversammlung als solche virtuell durchgeführt werden, ist eine statutarische Grundlage erforderlich. Der Verwaltungsrat hat aber auch dann vorzusehen, dass die technischen Anforderungen die Teilnahme auch einem durchschnittlich begabten und mit technischen Hilfsmitteln ausgerüsteten Aktionär ermöglichen.

Das Rede- und Fragerecht an der virtuellen Generalversammlung ist selbstverständlich zu wahren. Somit muss eine unmittelbare Kommunikation in jedem Fall gewährleistet sein. Eine Durchführung per E-Mail ist somit nicht möglich, da diese das Unmittelbarkeitsprinzip nicht wahrt. Das gleiche Problem stellt sich bei der Übermittlung von Audiodateien. Bei kleineren Generalversammlungen ist daher zu überlegen, ob nicht eine Telefonkonferenz das einfachste, und den gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich genügende, Mittel darstellt. Dies selbstverständlich vorausgesetzt, eine Identifizierung kann stattfinden, was bei kleineren Gesellschaften jedoch meist der Fall sein dürfte.

Kommt es bei der Durchführung einer virtuellen Generalversammlung zu grösseren technischen Problemen, muss die Versammlung, zumindest teilw., wiederholt werden. Denn unter technischen Problemen gefasste Beschlüsse sind ungültig. Hiervon zu unterscheiden sind Schwierigkeiten, die im Verantwortungsbereich der Aktionäre liegen. Diese machen die Beschlussfassung nicht ungültig. Zumindest dann nicht, wenn sie nicht einen Grossteil der Aktionäre betreffen, wie bspw. bei einem Stromausfall oder einem breitflächigen Ausfall / Unterbruchs des Internets. Die Abgrenzung zwischen Problemen im Verantwortungsbereich der Gesellschaft bzw. eben der Aktionäre dürfte im Einzelfall schwierig sein und die Gesellschaften vor neue Herausforderungen stellen.

Bei der physischen Durchführung einer Generalversammlung ist neu, dass diese nun auch an mehreren Orten gleichzeitig stattfinden darf. Die Lehre liess dies zwar bereits unter geltendem Recht zu, sofern sachliche Gründe vorlagen. Die Aktienrechtsrevision schafft nun die Rechtssicherheit, dass diese Möglichkeit auch ohne das Vorliegen sachlicher Gründe möglich ist. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Versammlungen alle gleichzeitig durchgeführt werden und sämtliche Voten von allen Teilnehmern unmittelbar in Bild und Ton übertragen werden können. Bedürfen so gefasste Beschlüsse der öffentlichen Beurkundung, reicht es aus, wenn sich der beurkundende Notar an einem der diversen physischen Tagungsorte befindet und von dort aus die Beschlüsse, die über virtuelle Übertragung auch an anderen Tagungsorten gefasst werden, beurkundet.

Der Tagungsort oder einer der Tagungsorte darf auch im Ausland liegen, soweit die Ausübung der Aktionärsrechte dadurch nicht in unsachlicher Weise erschwert wird. Voraussetzung ist auch hier, dass die Statuten diese Möglichkeit ausdrücklich vorsehen. Die betreffende Bestimmung bedarf der Zustimmung der Generalversammlung und zwar mit qualifizierter Mehrheit, d.h. mit 2/3 der Aktienstimmen und der Mehrheit der Aktiennennwerte. Weiter hat der Verwaltungsrat einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter zu bezeichnen, welcher auf Wunsch hin die Stimmen der nicht anwesenden Aktionäre ausübt. Weiter ist zu beachten, dass Beschlüsse, die der öffentlichen Beurkundung unterliegen, nicht von einem Schweizer Notar beurkundet werden können. Es gilt die Gesetzgebung am Tagungsort.

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III. WEITERE NEUERUNGEN IM ÜBERBLICK

Ebenfalls Teil der Gesetzesrevision sind Änderungen der Kompetenzen von Generalversammlung und Verwaltungsrats. Insbesondere wenn die Statuten lediglich Abschriften der bisherigen Gesetzesbestimmungen zu den Kompetenzen der Generalversammlung (Art. 698 OR) und/oder deren Abstimmungsquoren (Art. 704 OR) enthalten, empfiehlt es sich daher, die Statuten ans neue Gesetz anzupassen. Andernfalls könnten Unstimmigkeiten zwischen den Statuten und dem Gesetz zu Unklarheiten führen.

Neu hat die Generalversammlung folgende Kompetenzen (Art. 698 revOR):

  • Festsetzung der Zwischendividende und Genehmigung des dafür erforderlichen Zwischenabschlusses: Neu wird die Zulässigkeit einer Zwischendividende (sog. Interimsdividende) explizit im Gesetz verankert. Es gelten allerdings dieselben Voraussetzungen wie bei der ordentlichen Dividendenausschüttung. So müssen vorab Zuweisungen an die gesetzlichen und freiwilligen Reserven erfolgen. Weiter muss vor der Beschlussfassung durch die Generalversammlung ein Zwischenabschluss erstellt und von der Revisionsstelle geprüft werden, sofern die Gesellschaft der Revisionspflicht untersteht.

  • Beschlussfassung über die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve: Das Bundesgericht hat bereits festgehalten, dass Kapitalreserven unter gewissen Umständen an die Aktionäre ausgeschüttet werden dürfen. Die diesbezügliche Beschlussfassung obliegt nun der Generalversammlung.

  • Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft: Bisher konnte diese vom Verwaltungsrat beschlossen werden, neu liegt die Beschlussfassungskompetenz bei der Generalversammlung.

  • Genehmigung des Berichts über nichtfinanzielle Belange nach Art. 964c OR. Der Bericht über nichtfinanzielle Belange gibt Rechenschaft über Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie über die Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption. Es ist durch die Generalversammlung zu genehmigen.

Neu ist entsprechend auch der Katalog an Beschlüssen, die dem qualifizierten Mehr von 2/3 der vertretenen Aktionärsstimmen und der Mehrheit der Aktiennennwerte bedarf. Der Katalog wird um folgende Bestimmungen ergänzt (Art. 704 revOR):

  • Die Zusammenlegung von Aktien, soweit dafür nicht die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich ist: Bisher bedurfte die Zusammenlegung von Aktien der Zustimmung sämtlicher Aktionäre, was sich in der Praxis je nach Ausgestaltung des Aktionariats als nicht praktikabel erwiesen hat. Entsprechend wurde das Quorum von Einstimmigkeit auf die qualifizierte Stimmenmehrheit gesenkt.

  • Die Kapitalerhöhung durch Verrechnung mit einer Forderung (sog. Verrechnungsliberierung): Neu ist die Verwendung von Forderungen von Gläubigern, die nicht vollständig durch Aktiven der Gesellschaft gedeckt sind, explizit zugelassen (Art. 634a Abs. 2 revOR).

  • Die Einführung eines bedingten Kapitals oder die Einführung eines Kapitalbands: Diesbezüglich wird auf die vorstehenden Ausführungen in Ziff. I. verwiesen.

  • Die Umwandlung von Partizipationsscheinen in Aktien: Die Umwandlung von Partizipationsscheinen war bereits vor der Gesetzesrevision zulässig; eine entsprechende gesetzliche Bestimmung fehlte hingegen bis anhin, was nun nachgeholt wurde.

  • Der Wechsel der Währung des Aktienkapitals: Neu ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, das Aktienkapital der Gesellschaft in einer Fremdwährung festzulegen, wobei dieses dem Gegenwert von CHF 100’000.00 entsprechen muss. Dabei wird auf den Umrechnungskurs im Zeitpunkt der Beurkundung abgestellt.

  • Die Einführung des Stichentscheids des Vorsitzenden in der Generalversammlung: Diese Möglichkeit bestand auch ohne explizite gesetzliche Regelung und damit bereits vor der Aktienrechtsrevision. Gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Stichentscheid in Generalversammlungen bei bestimmten, für den Minderheitenschutz wichtigen Geschäften nicht zulässig (z.B. bei der Wahl der Revisionsstelle; vgl. BGE 143 III 120). Wie sich diese Rechtsprechung zum neu eingeführten Gesetzesartikel (Art. 703 Abs. 2 revOR) verhält, ist zum heutigen Zeitpunkt unklar. Sicherheitshalber sollte man bei Abstimmungen, die den Minderheitenschutz betreffen, nicht auf den Stichentscheid abstellen.

  • Die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft: Diesbezüglich wurde das Quorum erhöht – zuvor stand dieser Beschluss dem Verwaltungsrat zu, was nun neu von der Generalversammlung mit qualifiziertem Mehr beschlossen werden muss.

  • Die Einführung einer statuarischen Schiedsklausel: Neu kann in den Statuten vorgesehen werden, dass bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten der Gesellschaft ausschliesslich ein Schiedsgericht zuständig sein soll.

Weiter sieht die Aktienrechtsrevision auch einige Änderungen bei den Kompetenzen des Verwaltungsrats vor. Explizit im Gesetz kodifiziert ist ab dem 1. Januar 2023, dass auch der Verwaltungsrat elektronische Versammlungen abhalten kann. Weiter bedarf eine allfällige Übertragung der Geschäftsführung auf einzelne Mitglieder oder Dritte keiner statuarischen Grundlage mehr. Nach wie vor muss jedoch eine allfällige Delegation von Verwaltungsratsaufgaben in einem Organisationsreglement festgehalten werden.

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15. Dezember 2022  / lic. iur. Patricia Geissmann und MLaw Simone Kessler


DER LIZENZVERTRAG (TEIL 3) – AUSGEWÄHLTE KLAUSELN IM EINZELNEN

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Im zweiten Teil zur Lizenzvertrags-Reihe wurde auf die allgemeinen Rahmenbestimmungen des Lizenzvertrags eingegangen. Im Nachfolgenden wird nun insbesondere auf die einzelnen Pflichten der Vertragsparteien sowie auf vereinzelte Sonderbestimmungen eingegangen, die in vielen Lizenzverträgen zu finden sind. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung des Lizenzvertrags haben die Vertragsparteien auch hier erheblichen Gestaltungsspielraum, was eine offene Vertragsgestaltung und somit das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der Parteien ermöglicht.

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I. PFLICHTEN DES LIZENZNEHMERS

1) Bezahlen der Lizenzgebühr

Primär muss der Lizenzgeber natürlich die vertraglich vereinbarten Lizenzgebühren an den Lizenzgeber entrichten. Die diesbezügliche Vielfalt ist gross. So können die Gebühren bspw. in monatlichen oder jährlichen Pauschalzahlungen festgelegt werden. Andere Lizenzverträge sehen vor, dass die Gebühr vom durch den Lizenznehmer erwirtschafteten Umsatz abhängt oder sich bspw. nach der Anzahl verkaufter Produkte richtet. Oftmals werden die unterschiedlichen Vergütungsarten auch miteinander kombiniert, indem bspw. eine pauschale Anfangszahlung (sog. «Downpayment») geschuldet ist und anschliessend quartalsweise in Abhängigkeit vom Umsatz abgerechnet wird. Über die Lizenzgebühr hinaus sehen einige Lizenzverträge zudem ein Entgelt für vom Lizenzgeber zu erbringende Supportleistungen vor.

In der Schweiz unterliegt die Lizenzgebühr der Mehrwertsteuerpflicht (Art. 3 lit. e und Art. 25 Abs. 1 MWSTG). Zu entrichten ist sie durch den Lizenzgeber, was bei der Festlegung der Lizenzgebühr bedacht werden sollte.

Wurde eine umsatzabhängige oder eine von einer Stückzahl abhängige Lizenzgebühr vereinbart, so ist der Lizenznehmer in der Regel verpflichtet, dem Lizenzgeber (oder einem unabhängigen Dritten) Einsicht in die Geschäftsbücher zu gewähren, damit der Wahrheitsgehalt des gemeldeten Umsatzes / der Stückzahl verifiziert werden kann. Dasselbe gilt für den Fall, dass dem Lizenznehmer die Möglichkeit zur Erteilung von Unterlizenzen eingeräumt wurde. Auch hier muss der Lizenznehmer dem Lizenzgeber in der Regel Auskunft und entsprechende Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen erteilen.

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2) Erhaltungspflicht des Lizenzgegenstands

Die Erhaltungspflicht sieht i.d.R. die Pflicht des Lizenznehmers vor, bekannte Verletzungen des Lizenzgegenstands durch Dritte dem Lizenzgeber zu melden. Darüber hinaus hat der Lizenznehmer selbstredend sämtliche Handlungen zu unterlassen, die den Lizenzgegenstand schädigen könnten. Insbesondere mitlizenziertes Know-how hat er geheim zu halten und vor unberechtigten Zugriffen zu schützen.

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3) Benutzungspflicht des Lizenzgegenstands und Qualitätsvorgaben

Die Pflicht zur Nutzung des Lizenzgegenstands ist insbesondere bei ausschliesslichen Markenlizenzen von erheblicher Bedeutung. Wird die Marke nämlich nicht rechtserhaltend genutzt, wird diese angreifbar und kann gar gelöscht werden. Folglich wird der Markenlizenznehmer regelmässig verpflichtet, die Marke auch tatsächlich zu nutzen. Darüber hinaus werden insbesondere Markenlizenznehmer dazu verpflichtet, gewisse Qualitätsvorgaben des Lizenzgebers einzuhalten, um den guten Ruf der Marke respektive des Markeninhabers zu schützen. Sind gewisse Qualitätsmerkmale vorgesehen, so wird sich der Lizenzgeber zudem entsprechende Kontrollrechte einräumen lassen, um die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen überprüfen zu können.

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II. PFLICHTEN DES LIZENZGEBERS

1) Gewährung der vertraglich vereinbarten Nutzung

Hauptpflicht des Lizenzgebers ist selbstredend die Gewährung der vertraglich vereinbarten Nutzung des Lizenzgegenstands. Damit verbunden ist regelmässig auch die vertragliche Pflicht zur Übergabe von mit dem Lizenzgegenstand verbundenen Unterlagen, Auskünften und Unterstützungsleistungen (wie Schulungen, Einführungskurse, technischer Support etc.), die für die Nutzung des Lizenzgegenstands notwendig sind. 

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2) Erhaltung und Durchsetzung des Lizenzgegenstands

Der Lizenzgeber wird üblicherweise dazu verpflichtet, den Lizenzgegenstand aufrecht zu erhalten. Dies beinhaltet in der Regel die Pflicht, mitlizenziertes Know-how weiterhin geheim zu halten und allfällige Gebühren für registrierte Immaterialgüterrechte zu bezahlen. So wird bspw. bei Markenlizenzen vorgesehen, dass der Lizenzgeber die Verlängerungsgebühren der Marken bezahlen muss, damit der Markenschutz nicht ausläuft.

Darüber hinaus ist der Lizenzgeber dazu zu verpflichten, den Lizenzgegenstand von unliebsamen Trittbrettfahrern zu schützen und gegen unberechtigte Nutzer des Lizenzgegenstands vorzugehen. Lässt der Lizenzgeber zu viele Trittbrettfahrer zu und verteidigt er seine Immaterialgüterrechte nicht, so besteht die Gefahr, dass die Rechte verwässern und der Lizenzgegenstand dadurch massiv an Wert verliert. Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass es dem Lizenznehmer von Gesetzes wegen nur im Falle einer ausschliesslichen Marken-/Urheber-/Design-/Patentlizenz gestattet ist, selbst gegen Verletzer vorzugehen. Im Falle einer einfachen Lizenz steht ihm dieses Recht – sofern es ihm nicht vertraglich zugebilligt wurde – nicht zu, womit sich der Lizenznehmer vollends auf den Lizenzgeber verlassen können muss.

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3) Eintragung der Lizenz in Register

Für Patente, Marken und Designs sehen fast alle Länder Register vor, in welchen die immateriellen Rechte gelistet sind. Insbesondere in der Schweiz besteht sodann auch die Möglichkeit, erworbene Lizenzen im entsprechenden Register vermerken zu lassen. Dies sichert den Lizenznehmer insbesondere im Hinblick auf eine allfällig spätere Veräußerung des Lizenzgegenstands an einen Dritten ab. Ist die Lizenz nämlich im Register vermerkt, so kann der Erwerber sich nicht auf den Standpunkt stellen, dass er nichts von der Lizenz gewusst habe und diese deshalb nicht gegen sich gelten lassen müsse.

Soll die Lizenz im Register vermerkt werden, so wird hingegen dringend davon abgeraten, den Lizenzvertrag einzureichen, zumal die beim Amt eingereichten Informationen öffentlich einsehbar sind. Es besteht deshalb die Möglichkeit, dem Amt einen vom Lizenzvertrag losgelösten und vom Lizenzgeber unterzeichneten Antrag einzureichen, sodass Dritte die Konditionen des Lizenzvertrags nicht in Erfahrung bringen können.

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III. RECHTE AN WEITERENTWICKLUNGEN UND VERBESSERUNGEN

Wichtiger Bestandteil eines jeden Lizenzvertrags ist die Regelung der Rechte an Weiterentwicklungen und Verbesserungen. Vorab muss festgehalten werden, ob der Lizenzgeber dazu verpflichtet ist, den Lizenzgegenstand regelmäßig weiterzuentwickeln und/oder zu verbessern und dazu verpflichtet ist, den Lizenznehmer über entsprechende Neuerungen zu informieren. Ist dies der Fall, so muss geregelt werden, ob dem Lizenznehmer auch an den Weiterentwicklungen und Verbesserungen ein Nutzungsrecht zustehen soll oder nicht. Ist hingegen der Lizenznehmer dazu berechtigt, den Lizenzgegenstand weiterzuentwickeln und/oder zu verbessern, so sollten die Parteien vertraglich festhalten, wem die hierdurch allenfalls neu entstehenden Immaterialgüterrechte zustehen sollen und wer diese in welchem Umfang nutzen darf.  

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IV. ÜBERTRAGUNG DES LIZENZGEGENSTANDS

Abschliessend sollte sich der Lizenzvertrag auch zur Frage äussern, wie vorzugehen ist, wenn der Lizenzgeber den Lizenzgegenstand an einen Dritten veräussert. Denn nur, wenn die Lizenz auch in einem Register eingetragen ist, darf sich der Lizenznehmer darauf verlassen, dass der Lizenzvertrag auch nach Veräusserung des Lizenzgegenstands mit dem Dritten fortbesteht. Der Dritte muss sich Registereinträge nämlich entgegenhalten lassen. Ist die Lizenz hingegen in keinem Register eingetragen (sei es, weil es die Parteien schlichtweg unterlassen haben oder gar kein Register besteht wie bspw. bei Urheberrechten), und kann dem Dritten keine Kenntnis des Lizenzvertrags nachgewiesen werden, ist ein Rechtsstreit vorprogrammiert.

Den Parteien steht es sodann frei, allenfalls auch ein Kauf- und/oder Vorkaufsrecht zugunsten des Lizenznehmers vorzusehen. Diesfalls hätte der Lizenzgeber zuerst an den Lizenznehmer heranzutreten, bevor er den Lizenzgegenstand an einen Dritten veräussern darf (Vorkaufsrecht). Zusätzlich können die Parteien verschiedene Sachverhalte, wie bspw. die Insolvenz des Lizenzgebers, vorsehen, die den Lizenznehmer zum Kauf des Lizenzgegenstands berechtigen würden (Kaufrecht). Für solche Konstellationen ist es ratsam, insbesondere den Kaufpreis bzw. zumindest die Berechnungsweise vorab vertraglich zu regeln und eine neutrale Drittperson zu bestimmen, die bei Uneinigkeit über den Kaufpreis entscheidet.

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V. SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Die klassischen Schlussbestimmungen erschöpfen sich in der Regel in einer Geheimhaltungsverpflichtung der Parteien, der salvatorischen Klausel, welche die Vorgehensweise im Falle einer Vertragslücke bestimmt, einem Schriftlichkeitsvorbehalt sowie in der Wahl des Gerichtsstands und des anzuwendenden Rechts. Um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen, sollten gerade bei internationalen Vertragsverhältnissen die zuletzt genannten Klauseln keinesfalls ausgelassen werden und unbedingt das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht bestimmt werden.

Nachdem in Teil 2 und 3 der Lizenzvertragsreihe auf die üblichen Vertragsklauseln eines Lizenzvertrags eingegangen wurde, wird im vierten Teil der Lizenzvertrags-Reihe auf gesetzliche Bestimmungen hingewiesen, die den Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien einschränken können. Entsprechende Gesetzesbestimmungen finden sich insbesondere im Kartellrecht.

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3. November 2022 / MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin


DER LIZENZVERTRAG (TEIL 2) – GRUNDLAGEN

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Nachdem im Teil 1 der Lizenzvertrags-Reihe die Unterschiede zwischen einem Lizenzvertrag und einer Nutzniessung aufgezeigt wurden, wird nachfolgend auf den Inhalt eines Lizenzvertrags, namentlich die Basisbestimmungen, eingegangen, die in nahezu jedem Lizenzvertrag zu finden sind. Da es sich beim Lizenzvertrag nicht um eine gesetzlich geregelte Vertragsart handelt, sondern um einen sog. Vertrag sui generis, ist umso wichtiger, dass der Lizenzvertrag möglichst umfassend und klar formuliert ist. Enthält der Vertrag nämlich Lücken, besteht viel Spielraum für unterschiedliche Auffassungen und entsprechend unterschiedliche rechtliche Würdigungen. Unsichere Rechtslagen können wiederum zu langen Streitigkeiten mit ungewissem Ausgang führen, was es zu vermeiden gilt.

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I. LIZENZGEGENSTAND

In erster Linie muss bei jedem Lizenzvertrag genau definiert werden, was überhaupt lizenziert werden soll. In Frage kommen dabei insbesondere Immaterialgüterrechte (sog. «echter Lizenzvertrag») wie Patente, Marken, Urheberrechte und Designs, wobei oftmals auch das dazugehörige Know-how (bspw. Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse; sog. «unechter Lizenzvertrag») mitlizenziert wird. Dabei wird dem Lizenznehmer der Gebrauch und die Nutzung des vertraglich vereinbarten Lizenzgegenstands überlassen.

II. LIZENZARTEN

Exklusive (ausschliessliche) Lizenzen gewähren dem Lizenznehmer das ausschliessliche Recht, die lizenzierten Rechte während der vereinbarten Vertragsdauer und im vereinbarten Vertriebsgebiet zu nutzen – kein Dritter (auch nicht der Lizenzgeber) ist in diesem Fall noch berechtigt, den Lizenzgegenstand im vertraglich vereinbarten Umfang zu nutzen. Möchte der Lizenznehmer eine exklusive Lizenz erteilen, aber dennoch die Möglichkeit haben, den Lizenzgegenstand selbst zu nutzen, so liegt eine sog. Alleinlizenz vor. Wenn der Lizenznehmer aber mehreren Personen eine Lizenz erteilen und den Lizenzgegenstand gleichzeitig noch selbst nutzen möchte, so spricht man von einer einfachen Lizenz. Die Art der Lizenzerteilung hat sodann auch massgeblichen Einfluss auf die Höhe der Lizenzgebühr. Grundsätzlich sind für eine exklusive Lizenz höhere Gebühren geschuldet als dies bei einer einfachen Lizenz der Fall ist. 

Ergänzend sind noch die sog. Unterlizenz und die Zwangslizenz zu erwähnen. Der Lizenzgeber kann dem Lizenzgeber die Erlaubnis zur Vergabe von Unterlizenzen an Dritte erteilen. Damit kann der Hauptlizenznehmer Dritten ebenfalls Nutzungsrechte am Lizenzgegenstand einräumen. Von einer Zwangslizenz spricht man, wenn die Lizenz von Gesetzes wegen vorgesehen ist (was nur in sehr vereinzelten Fällen vorgesehen ist oder die Lizenz gestützt auf ein richterliches Urteil / einer Verfügung erteilt werden muss).

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III. UMFANG

Wesentlicher Inhalt eines jeden Lizenzvertrages ist die Bestimmung des Umfangs des Lizenzgegenstands. Dieser kann örtlich, zeitlich als auch sachlich beschränkt werden.

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1) Sachlicher Umfang

Der sachliche Umfang definiert die Art und Weise, wie der Lizenzgegenstand konkret genutzt werden darf. Sachlich kann die Lizenz also bspw. nur auf den Vertrieb oder die Herstellung beschränkt werden. Möglich ist auch, dass der Lizenzgegenstand nur in einem bestimmten technischen Anwendungsbereich bzw. nur in einem bestimmten Wirtschaftszweig genutzt werden darf (sog. «field of use Klausel»).

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2) Örtlicher Umfang

Den Vertragsparteien steht es frei, die Lizenz weltweit oder nur für bestimmte territoriale Gebiete zu gewähren, wie bspw. nur die Deutschschweiz, einen Stadtgebietsteil oder nur für bestimmte Länder.

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3) Zeitlicher Umfang

Der zeitliche Umfang bestimmt schlussendlich auch die Vertragsdauer. Grundsätzlich sind beide Parteien an einer möglichst langen Vertragsdauer interessiert; der Lizenzgeber insofern, als er hierdurch eine sichere und langanhaltende Einkommensquelle hat; der Lizenznehmer, weil sich nur so die durch ihn getätigten Investitionen in den Lizenzgegenstand lohnen. Ein unkündbarer Lizenzvertrag kann hingegen nicht ewig abgeschlossen werden, da dies einen zu starken Eingriff in die persönliche Freiheit der Vertragsparteien darstellt. Es gibt aber keine gesetzlich bestimmte zulässige Maximaldauer für Lizenzverträge. Sie hängt vielmehr davon ab, wie intensiv die vertragliche Bindung ist resp. wie stark die Parteien sich durch den Vertrag in ihrer Wirtschaftsfreiheit einschränken und wie das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ausgestaltet ist. Je intensiver die vertraglichen Einschränkungen, desto kürzer ist die zulässige Maximaldauer. Darüber hinaus kann sich eine zeitliche Beschränkung auch aus kartellrechtlicher Sicht aufdrängen, worauf im letzten Teil der Lizenzvertragsreihe näher eingegangen wird. Schlussendlich ist die rechtlich zulässige Maximaldauer eines Lizenzvertrags in jedem Einzelfall individuell zu bestimmen.

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IV. Haftung und Gewährleistung

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1) Gewährleistung

Primär sichert der Lizenzgeber dem Lizenznehmer zu, dass er über den Lizenzgegenstand uneingeschränkt verfügen darf (sog. «Rechtsgewährleistung»). Dies bedeutet insbesondere, dass am Lizenzgegenstand keine Drittrechte bestehen, dieser auch keine Drittrechte verletzt und der Lizenzgeber dazu berechtigt ist, die vereinbarte Lizenz zu erteilen.

Damit verbunden wird in der Regel auch die Zusicherung des Lizenzgebers, wonach er den Lizenznehmer im Falle eines Prozesses materiell und finanziell unterstützen muss oder, dass der Lizenznehmer dem Lizenzgeber im Falle eines Prozesses gegen einen Dritten behilflich sein muss (bspw. durch Herausgabe von Unterlagen, die den Markengebrauch belegen). 

Je nach Lizenzgegenstand rechtfertigt es sich, vom Lizenzgeber auch in sachlicher Hinsicht Zusicherungen zu verlangen. Diese können sich beispielsweise auf die technische Verwertbarkeit des Lizenzgegenstands beziehen. Bei (mit-)lizenziertem Know-how sollte sich der Lizenznehmer sodann zusichern lassen, dass dieses nicht allgemein bekannt ist.

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2) Haftung

Wie in jedem Vertrag wird in der Regel auch beim Lizenzvertrag eine Haftungsbeschränkung vorgesehen. So wird die Haftung oftmals auf grob fahrlässig oder absichtlich verursachte Schäden beschränkt, oder es wird eine Haftungslimite vorgesehen. Auch Schäden infolge höherer Gewalt oder indirekte Schäden sind Bestandteil der klassischen Haftungs­bestimmungen. Ergänzend sollten die Vertragsparteien eine gegenseitige Informationspflicht im Falle eines Haftungs- oder Gewährleistungsanspruchs vorsehen, sofern nicht mit Sicherheit auszuschliessen ist, dass dieser die andere Vertragspartei tangiert.

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V. Kündigungsrecht

Wird der Lizenzvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen (vgl. vorstehend zum zeitlichen Umfang), so sieht der Vertrag in der Regel ein Kündigungsrecht der Vertragsparteien vor. Damit sich die Investitionen von Seiten des Lizenznehmers hingegen lohnen, wird das Kündigungsrecht oftmals mit einer vertraglichen Mindestdauer verbunden. Das heisst, dass der Vertrag bspw. mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines Jahres aufgelöst werden kann, erstmals per 31. Dezember eines bestimmten Jahres (bspw. 2030). So sieht der Vertrag eine mehrjährige Mindestlaufzeit vor, in welcher nicht (oder nur unter besonderen Umständen) gekündigt werden kann, bevor das ordentliche Kündigungsrecht überhaupt greift.

Von der ordentlichen Kündigung ist das ausserordentliche Kündigungsrecht zu unterscheiden. Dabei legen die Parteien üblicherweise einen Katalog mit wichtigen Gründen fest, die bei deren Eintritt eine vorzeitige (und zumeist eine fristlose) Kündigung zulassen. Selbst wenn der Vertrag kein ausserordentliches Kündigungsrecht vorsieht und nur für eine bestimmte Dauer abgeschlossen wurde, steht das ausserordentliche Kündigungsrecht beiden Parteien von Gesetzes wegen zu. Diesfalls sind die Gründe allerdings nicht vordefiniert, sondern es muss auf die allgemeine Umschreibung zurückgegriffen werden. Demnach ist eine ausserordentliche Kündigung zulässig, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Wann etwas für eine Partei (aus objektiver Sicht) unzumutbar ist, ist hingegen auslegungsbedürftig und bringt wiederum viel Raum für Rechtsstreitigkeiten mit sich. Die Parteien sind deshalb gut beraten, wenn sie das ausserordentliche Kündigungsrecht vorgängig vertraglich regeln.

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Bei den vorstehend beschriebenen Vertragsklauseln handelt es sich um absolute Basisbestimmungen. Um für genügend Rechtssicherheit zu sorgen, sollten die Vertragsparteien insbesondere auch die gegenseitigen Pflichten regeln, worunter insbesondere auch die Leistung der Lizenzgebühr, allfällige Erhaltungs- und Nutzungspflichten des Lizenzgegenstands sowie vertragliche Vereinbarungen zur Weiterentwicklung und Verbesserung am Lizenzgegenstand fallen.



19. September 2022 / MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin


DIE GEBRAUCHSÜBERLASSUNG EINER MARKE (TEIL 1) – LIZENZVERTRAG VS. NUTZNIESSUNG

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Silja Brüggemann

I. AUSGANGSLAGE

Marken sind in unserem Leben allgegenwärtig. Jeder kennt das farbige Google-Logo oder den roten Schriftzug von Coca-Cola. Nach der gesetzlichen Definition sind Marken Zeichen, welche geeignet sind, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Art. 1 Abs. 1 Markenschutzgesetz, kurz: MSchG). Doch wann darf jemand anderes als der Inhaber der Marke sie nutzen und wie geht man am besten vor, wenn man eine fremde Marke benützen oder die Benutzung der eigenen Marke mit jemandem teilen möchte, damit sie weiter verbreitet und bekannter wird?

Ein Markenrecht entsteht gemäss Art. 5 MSchG mit der Eintragung im Register. Die Registrierung für Schweizer Marken erfolgt beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE). Im Markenrecht zu berücksichtigen ist das Territorialitätsprinzip. Danach ist der Schutz von Schweizer Marken räumlich auf die Schweiz beschränkt. Der vorliegende Newsletter bezieht sich auf Schweizer Marken.

Gemäss Schweizer Recht ist eine Eintragung für 10 Jahre gültig und kann nach Ablauf dieser Zeit beliebig oft um 10 Jahre verlängert werden (Art. 10 MSchG). Nach Art. 13 Abs. 1 MSchG hat allein der Inhaber des Markenrechts das Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren und /
oder Dienstleistungen zu gebrauchen und darüber zu verfügen.

Das Recht zum Gebrauch der Marke kann durch die Erteilung einer Lizenz oder einer Nutzniessung an der Marke auf einen Dritten übertragen werden, dies in Form eines Lizenz- oder eines Nutzniessungsvertrags.

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II. LIZENZVERTRAG

Bei diesem Vertrag erteilt der Lizenzgeber dem Lizenznehmer das Recht, die Marke zu gebrauchen. Der konkrete Umfang des Gebrauchsrechts wird im Vertrag definiert. Im Gegenzug verpflichtet sich der Lizenznehmer in der Regel zur Bezahlung einer Lizenzgebühr. Für eine Marke kann der Lizenzgeber mehrere Lizenzen an unterschiedliche Lizenznehmer vergeben (sog. einfache Lizenz). Es kann jedoch auch im Vertrag festgelegt werden, dass dem Lizenznehmer der alleinige Gebrauch der Marke zusteht (sog. ausschliessliche / exklusive Lizenz).

Der Lizenzvertrag ist nicht im Gesetz geregelt. Dies hat zur Folge, dass die Parteien aufgrund der Vertragsfreiheit den Inhalt frei bestimmen und den Vertrag auf ihre eigenen Bedürfnisse zuschneiden können. Sie müssen sich lediglich an die allgemeinen vertragsrechtlichen (und kartellrechtlichen) Schranken halten.

Schliessen zwei Parteien einen Lizenzvertrag ab, so gelten die vertraglichen Bestimmungen selbstredend nur zwischen den Vertragsparteien. Dritte wissen weder über den Lizenzvertrag an sich noch über dessen Inhalt Bescheid. Der Vertrag hat damit keinerlei Auswirkungen auf Dritte. Der Lizenznehmer kann damit grundsätzlich nicht gegen einen Dritten vorgehen, wenn dieser eine Verletzung der lizenzierten Marke begeht. Schliesslich ist er nicht der Inhaber der Marke und der Lizenzvertrag zeitigt – wie vorstehend erwähnt – keine Wirkungen auf Dritte. Diese Problematik kann hingegen umgangen werden, indem bspw. die Lizenz im Markenregister vermerkt wird (Art. 18 Abs. 2 MSchG). Fehlt hingegen eine Eintragung der Lizenz im Register und wird die Marke später von einem Dritten erworben, verliert der Lizenznehmer seinen Anspruch auf Gebrauch der Marke, selbst wenn der Erwerber um den Lizenzvertrag wusste (also bösgläubig war). Ist die Lizenz im Markenregister eingetragen, gilt sie gegenüber Dritten und damit auch gegenüber späteren Erwerbern der Marke als allgemein bekannt. Eine Eintragung ist zwar nicht Voraussetzung für die Entstehung des Lizenzvertrags, aus den obgenannten Gründen aber dringend zu empfehlen.

Weil auf den Lizenzvertrag die allgemeinen Vertragsbestimmungen anwendbar sind, ist unter Einhaltung der Voraussetzungen eine Abtretung der Lizenz nach Art. 164 ff. OR grundsätzlich möglich. Der Handel mit der Lizenz gestaltet sich also relativ einfach.

Eine Lizenz ist wie die Miete ein Dauervertrag, weshalb die Vertragsdauer und Kündigungsfristen und -termine vertraglich vereinbart werden sollten. Die Vereinbarung einer Mindestdauer ist zu empfehlen, damit der Lizenznehmer seine für den Vertrag getätigten Investitionen amortisieren kann. Fehlt eine Vereinbarung über die Höchstdauer und Kündigungsmöglichkeiten, würde faktisch ein ewiger Vertrag vorliegen, welcher eine unzulässige übermässige Bindung nach Art. 27 ZGB darstellen kann. Gemäss Bundesgericht hängt die zulässige Höchstdauer eines Vertrags von dessen Inhalt ab. Relevant sind dabei die Intensität der vertraglichen Bindung sowie das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Die in der Rechtsprechung zugelassene Höchstdauer variiert je nach Vertragsart zwischen zehn und zwanzig Jahren. Eine klare Höchstgrenze kann beim Lizenzvertrag nicht gesetzt werden. In der Literatur wird bei einem nicht ausschliesslichen Markenlizenzvertrag eine Dauer von 50 – 100 Jahren als zulässig erachtet (vorbehalten bleiben kartellrechtliche Schranken). Mit der vertraglichen Vereinbarung von Kündigungsfristen und -terminen kann jedoch diese Problematik der übermässigen Bindung vermieden werden.

Ob der Lizenznehmer selbständig berechtigt ist, mit Klagen gegen Schutzverletzungen vorzugehen, ist abhängig von der Art der Lizenz. Der einfache Lizenznehmer kann sich ohne eine andere vertragliche Regelung einer Klage nur anschliessen, wenn der Markeninhaber sie erhoben hat. Der ausschliessliche Lizenznehmer hat das Recht, Klagen selbst zu erheben, sofern dies im Vertrag nicht ausgeschlossen wurde (Art. 55 Abs. 4 MSchG). Die prozessuale Verteidigung der Marke sollte im Vertrag thematisiert werden.

III. NUTZNIESSUNG

Im Unterschied zum Lizenzvertrag, welcher als Vertragskonstrukt nicht im Gesetz geregelt ist, finden sich gesetzliche Bestimmungen zur Nutzniessung in Art. 745 ff. Zivilgesetzbuch (ZGB). Ein Grossteil dieser Regeln ist allerdings dispositives Recht. Das heisst, dass sie im Gegensatz zu zwingendem Recht nur gelten, wenn nichts anderes vereinbart wurde.

Die Nutzniessung ist eine Dienstbarkeit, die den Eigentümer einer Sache zu einem Dulden oder Unterlassen verpflichtet. Allerdings darf die Nutzniessung in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung trotz des dispositiven Rechts nicht derart umfangreich abgeändert werden, dass sie nicht mehr dem Typ der Nutzniessung entspricht und / oder mehr einem anderen Typ zu gleichen beginnt (sog. Typengebundenheit).

Die gesetzliche Regelung der Nutzniessung bringt einerseits mit sich, dass man im Streitfall auf die Regelungen des ZGB zurückgreifen kann. Andererseits ist man in der Ausgestaltung der Nutzniessung nicht so frei wie in der Ausgestaltung eines Lizenzvertrags.

Mit der Nutzniessung erhält der Berechtigte den vollen Genuss, also eine vollumfängliche Rechteeinräumung an der Marke. Dem Eigentümer verbleibt nur das nackte Eigentum. Bei Marken bedeutet dies, dass der Nutzniesser beispielsweise das Recht erhält, Lizenzen zu erteilen und die Einnahmen davon zu behalten, sofern dies nicht vertraglich wegbedungen wurde. Es ist hingegen ausgeschlossen, das Markenrecht nur teilweise mit der Nutzniessung zu belasten. Dies bedeutet beispielsweise, dass die Nutzniessung an der Marke nicht nur für einzelne Regionen der Schweiz oder nur bestimmte Nutzungsarten eingeräumt werden kann, was den Markeninhaber erheblich einschränkt. Beim Lizenzvertrag sind sachliche oder regionale Einschränkungen hingegen ohne Weiteres möglich. Soweit nichts anderes vereinbart wurde, kann der Markeninhaber eine mit einer Nutzniessung belastete Marke auch selbst nicht mehr gebrauchen.

Zu beachten ist, dass der Berechtigte von Gesetzes wegen zur Erhaltung des Gegenstandes verpflichtet ist (Art. 746 Abs. 1 ZGB) und die Marke selbst gebrauchen oder durch Dritte gebrauchen lassen muss. Weiter muss er die Verwaltung der Sache besorgen (Art. 755 Abs. 2 ZGB). Dies bedeutet auch, dass der Berechtigte die Kosten für die Verlängerung eines Markenrechts tragen muss und für die Verlängerung des Markenschutzes besorgt sein muss. Formell bedarf der Nutzniessungsvertrag der einfachen Schriftlichkeit, während ein Lizenzvertrag grundsätzlich formlos abgeschlossen werden kann.

Die Nutzniessung hat sodann – im Gegensatz zum Lizenzvertrag, der nur zwischen den Vertragsparteien Wirkungen zeitigt – absolute Geltung. Die Nutzniessung gilt demnach gegenüber jedermann und nicht nur gegenüber dem Vertragspartner. Das heisst, jeder muss ein be-stimmtes Verhalten unterlassen oder ein Verhalten des Berechtigten dulden. Ist die Nutzniessung im Markenregister nicht eingetragen, kann sie jedoch nur einem bösgläubigen Dritten entgegengehalten werden. Einem gutgläubigen Dritten kann sie erst entgegengehalten werden, wenn sie im Markenregister eingetragen ist. Die Eintragung ist also auch hier dringend zu empfehlen.

Die Nutzniessung gehört sodann zu den unübertragbaren Dienstbarkeiten. Die Nutzniessung an einer Marke kann also nicht auf einen Dritten übertragen werden, während der Lizenznehmer grundsätzlich in der Lage ist, seine Lizenz an einen Dritten abzutreten. Mit einer Nutzniessung kann also von Beginn weg kein Handel betrieben werden. Die Unübertragbarkeit führt auch dazu, dass die Nutzniessung nicht vererbt und dem Berechtigten auch auf dem Weg der Zwangsvollstreckung nicht entzogen werden kann. Es ist jedoch möglich, die Ausübung der Nutzniessung, konkret also das Verwenden der Marke, auf eine andere Person beispielsweise mittels eines Lizenzvertrags zu übertragen (Art. 758 Abs. 1 ZGB). Dies kann unter anderem relevant werden, wenn der Nutzniesser seiner Pflicht, die Marke zu gebrauchen, nicht mehr nachkommen kann oder will, den Nutzniessungsvertrag aber aufgrund einer fehlenden vertraglichen Vereinbarung nicht kündigen kann und das Ende der Nutzniessung durch Zeitablauf abwarten muss. Gerade weil die Nutzniessung selbst nicht übertragbar ist, wird sie teilweise als «ewiges Recht» bezeichnet. Wie jedoch nachfolgend aufzuzeigen ist, ist diese Bezeichnung zu relativieren, zumal es diverse Beendigungsgründe gibt.

Die Dauer der Nutzniessung ist auf maximal 100 Jahre beschränkt (Art. 749 Abs. 2 ZGB) und endet mit dem Tod oder der Auflösung des Berechtigten (Art. 749 Abs. 1 ZGB). Weitere Beendigungsgründe sind der vollständige Untergang der Marke oder der im Vertrag vereinbarte Zeitablauf. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere der rechtserhaltende Gebrauch der Marke durch den Berechtigten von erheblicher Relevanz. Wird die Marke nicht genutzt, kann ein Dritter (nach Ablauf der fünfjährigen Gebrauchsschonfrist) die Löschung der Marke infolge Nichtgebrauchs verlangen (vgl. Art. 12 MSchG), was zum Untergang der Marke und damit zur Beendigung der Nutzniessung führt. Schliesslich ist bei der Nutzniessung kein gesetzliches Kündigungsrecht vorgesehen. Weil die Bestimmungen zur Nutzniessung jedoch überwiegend dispositiv sind, kann eine Kündigung aus bestimmten Gründen im Nutzniessungsvertrag vereinbart werden.

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IV. ZUSAMMENFASSUNG

Je nach Ausgestaltung des Lizenzvertrags (insbesondere bei der ausschliesslichen Lizenz) können sich die Lizenz und die Nutzniessung sehr ähnlich sein. Mit dem Lizenzvertrag können, wenn erwünscht, dieselben Rechte und Pflichten festgelegt werden, welche die Bestimmungen der Nutzniessung vorsehen. Die im Lizenzvertrag erworbenen Rechte können jedoch nicht als absolute Rechte festgelegt werden. Der Nutzniesser hat von Gesetzes wegen ein stärkeres (absolutes und gegenüber jedermann geltendes) Recht an der Marke, doch damit einher gehen auch extensive Pflichten, die dem Berechtigten von Gesetzes wegen auferlegt werden. Allerdings können diese Pflichten auch ohne Weiteres in einem Lizenzvertrag vereinbart werden. Ein Beispiel dafür wäre einerseits das Recht des Nutzniessers, die Marke zu verlängern, andererseits die Pflicht zur Bezahlung der Verlängerungsgebühr der Marke durch den Nutzniesser, basierend auf der Pflicht zum gewöhnlichen Unterhalt (Art. 765 Abs. 1 ZGB). Bei der Nutzniessung gilt es von Gesetzes wegen, beim Lizenzvertrag kann es, sofern gewünscht, vereinbart werden. Als weiteres Beispiel dafür, dass die Nutzniessung sehr weit geht, kann der Umstand genannt werden, dass der Markeninhaber die Marke grundsätzlich selbst nicht mehr gebrauchen kann, wenn er jemandem eine Nutzniessung eingeräumt hat. Bei einer einfachen Lizenz oder einer Alleinlizenz ist der Lizenzgeber hingegen nach wie vor berechtigt, seine eigene Marke weiterhin selbst zu nutzen.

Gemeinsam haben beide Vertragsarten, dass allfällige Kündigungsmöglichkeiten explizit vertraglich vereinbart werden müssen. Insgesamt ist die Nutzniessung aufgrund der Typengebundenheit nicht so flexibel wie der Lizenzvertrag. Gerade die grosse Gestaltungsfreiheit beim Lizenzvertrag macht diesen zum in der Praxis beliebteren Mittel. Weiter können mit der Eintragung der Lizenz im Markenregister und der vertraglichen Einräumung eines selbständigen Klagerechts dieselben Vorteile erzielt werden, die eine Nutzniessung von Gesetzes wegen aufweist. Schlussendlich eignet sich die Nutzniessung wohl vor allem für Markeninhaber, welche grundsätzlich ein geringes Interesse an der Marke haben und möglichst wenig Aufwand betreiben wollen.



25. August 2022 / MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Silja Brüggemann


ORGANISATION VON GEWINNSPIELEN UND VERLOSUNGEN – BRAUCHE ICH EINE BEWILLIGUNG?

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Wiederholt werden insbesondere im Internet Gewinnspiele und Verlosungen angeboten – oftmals verbunden mit dem Kauf eines Produkts oder dem Bezug einer Dienstleistung. Je nach Ausgestaltung des Wettbewerbs ist aufgrund des Geldspielgesetzes eine Bewilligung notwendig. Unter welchen Umständen eine solche zwingend ist und welche Ausnahmen bestehen, wird nachfolgend aufgezeigt.

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I. BEWILLIGUNGSPFLICHT

Wird im geschäftlichen Verkehr (nicht im privaten Kreis) ein Gewinnspiel angeboten, so müssen die Bestimmungen des Geldspielgesetzes (kurz: «BGS») eingehalten werden, welches im Jahr 2019 eingeführt wurde. Dieses stellt Lotterien, Verlosungen und Geschicklichkeitsspiele unter eine Bewilligungspflicht, wenn das Gewinnspiel an ein Rechtsgeschäft (also bspw. an einen Kauf oder an den Bezug einer Dienstleistung) oder einen Geldeinsatz (bspw. Kauf eines Loses) gebunden ist. Die Erlangung einer entsprechenden Bewilligung ist äusserst aufwendig und kann nach Gutdünken der Behörden auch einfach abgelehnt werden. Ein Verstoss gegen das Geldspielgesetz wird mit Busse bis zu CHF 500’000.00 bestraft (Art. 131 BGS). Nicht jede Art von Gewinnspielen untersteht hingegen dem Geldspielgesetz – es gibt Ausnahmen, die nachfolgend aufgezeigt werden.

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II. AUSNAHMEN VON DER BEWILLIGUNGSPFLICHT

Damit die Bewilligungspflicht überhaupt greift, muss das geplante Gewinnspiel selbstredend die Voraussetzungen eines Gewinnspiels im Sinne des Geldspielgesetzes erfüllen. Ist dies nicht der Fall, kommen die Bestimmungen des Gewinnspielgesetzes erst gar nicht zur Anwendung und es besteht keine Bewilligungspflicht. Dies ist insbesondere dann der Fall (vgl. Art. 3 lit. a BGS), wenn gar keine geldwerte Leistung gewonnen werden kann, sondern dem Gewinner nur «Ruhm und Ehre» zu Teil wird. Das Geldspielgesetz ist auch nicht auf Gewinnspiele anwendbar, die nicht an ein Rechtsgeschäft oder an einen Geldeinsatz gekoppelt sind, wenn also die Teilnahme ohne finanzielle Aufwendungen oder Verpflichtungen allen offensteht. Klassisches Beispiel hierfür ist das Teilen und/oder Kommentieren eines Posts auf Social Media oder das einfache Ausfüllen eines Fragebogens (die Datenbekanntgabe gilt nicht als geldwerter Einsatz). In diesen Fällen besteht folglich keine Bewilligungspflicht gemäss dem Geldspielgesetz.

Weiter bestehen zwei gesetzlich geregelte Ausnahmen für Gewinnspiele, die zwar ein Geldspiel im Sinne des Geldspielgesetzes darstellen, die aber keiner Bewilligung bedürfen (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. d und lit. e BGS):

  • Detailhandelsausnahme (Art. 1 Abs. 2 lit. d BGS): Die Kopplung der Gewinnspielteilnahme an einen Kauf von Produkten/Dienstleistungen ist auch ohne Bewilligung zulässig, sofern das Gewinnspiel kurzzeitig (1) und zur Verkaufsförderung (2) durchgeführt wird und das Gewinnspiel keine Gefahr von exzessivem Geldspiel (3) schafft sowie (4) die Produkte / Dienstleistungen zu marktkonformen Preisen verkauft werden.

  1. Nach dem Kriterium «kurzzeitig» muss es sich beim Gewinnspiel um eine zeitlich befristete Marketingmassnahme handeln; die Rede ist von 1-3 Monaten.
  2. Der «Verkaufsförderungszweck» ist gegeben, wenn das Gewinnspiel an den Kauf eines Produkts oder an die Inanspruchnahme einer Dienstleistung gekoppelt ist oder anderweitig eine Kundenbindungsmassnahme darstellt. Das Gewinnspiel soll also in irgendeiner Form direkt oder auch indirekt den Absatz von Produkten / Verkauf von Dienstleistungen steigern (bspw. findet sich ein Talon zur Wettbewerbsteilnahme an einer vom Veranstalter zum Kauf angebotenen Getränkeflasche).
  3. Um keine «Gefahr von exzessivem Geldspiel» darzustellen, darf der Wettbewerb die Spielsucht nicht fördern oder unverhältnismässig hohe Einsätze erfordern. Vor diesem Hintergrund können Gewinnspiele problematisch sein, bei denen die Gewinnchancen und die Preise mit hohen Einsätzen unverhältnismässig steigen. Diese Problematik kann aber einfach umgangen werden, indem Mehrfachteilnahmen ausgeschlossen werden.
  4. Abschliessend darf der Kauf der Waren und/oder Dienstleistungen, an welche das Gewinnspiel gekoppelt ist, zu höchstens marktkonformen Preisen angeboten werden. Dies bedeutet, dass der Preis des Produkts und/oder der Dienstleistung für das Gewinnspiel nicht speziell verteuert werden darf.

Sind die vorstehenden Bedingungen erfüllt, spricht grundsätzlich nichts dagegen, die Wettbewerbsteilnahme an den Kauf eines Produkts oder an den Bezug einer Dienstleistung zu knüpfen. Konkret bedeutet dies, dass das Gewinnspiel lediglich über eine Zeitdauer von ein bis drei Monaten dauern darf, die Waren/Dienstleistungen, an welche das Gewinnspiel zu Verkaufsförderungszwecken gekoppelt werden soll, nur zu marktkonformen Preisen verkauft werden dürfen und damit kein exzessives Geldspiel gefördert werden darf.

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  • Ausnahme für Medienunternehmen (Art. a Abs. 2 lit. e BGS): Durch Medienunternehmen durchgeführte Gewinnspiele sind ohne Bewilligung zulässig, sofern das Gewinnspiel kurzzeitig (1) und zur Verkaufsförderung (2) durchgeführt wird und das Gewinnspiel keine Gefahr von exzessivem Geldspiel (3) schafft sowie (4) eine Gratis-Teilnahme möglich ist. Bezüglich der Bedingungen (1) – (3) kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Die vierte Voraussetzung (Gratis-Teilnahme) bedingt, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben müssen, gratis am Gewinnspiel teilnehmen zu können und diese Möglichkeit gleich leicht zugänglich sein muss wie die kostenpflichtige Teilnahme. Der Veranstalter muss zudem auf die Möglichkeit der Gratis-Teilnahme hinweisen. «Gratis» bedeutet hingegen nicht, dass für den Teilnehmer keine Standard-Gebühren (wie bspw. CHF 00.90 Porto für die Teilnahme per Briefpost) anfallen dürfen. Bietet der Veranstalter für die Teilnahme auch eine kostenpflichtige Variante an (bspw. Teilnahme per SMS für CHF 1.00), so muss darauf geachtet werden, dass die kostenpflichtige Teilnahmemöglichkeit nicht günstiger ist als die unentgeltliche Teilnahme. Unzulässig wäre also bspw. die kostenpflichtige Teilnahme via SMS für CHF 00.60, während die Gratis-Teilnahme nur via Post und damit für mind. CHF 00.90 möglich ist.

III. WEITER ZU BEACHTENDE BESTIMMUNGEN

Bei Gewinnspielen sind aber nicht nur die Bestimmungen des Geldspielgesetzes zu beachten, sondern insbesondere auch das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Datenschutzgesetz (DSG). Gemäss dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb dürfen Gewinnspiele bspw. keine irreführenden Angaben enthalten. Entsprechend sollte in den Teilnahmebedingungen darüber aufgeklärt werden, (1) wer das Gewinnspiel durchführt, (2) wer am Gewinnspiel (nicht) teilnehmen darf, (3) wie lange das Gewinnspiel dauert, (4) was es (5) wie zu gewinnen gibt und (6) wie die Ermittlung sowie (7) die Benachrichtigung der Gewinner erfolgen. Der Rechtsweg darf ausgeschlossen werden.

Um die Gewinner benachrichtigen zu können, ist der Veranstalter i.d.R. auf deren Daten angewiesen. Folglich gilt es auch das Datenschutzgesetz zu beachten, womit eine Datenschutzerklärung mitabgegeben werden muss (bzw. zumindest auf eine leicht zugängliche Datenschutzerklärung verwiesen werden muss). Umständlicher wird es hingegen, wenn auch Kunden im Ausland teilnehmen sollen. Dann sind die jeweiligen Gesetzesbestimmungen im Ausland zu prüfen.

Weiter gilt es die Nutzungsbedingungen der Social Media Plattformen zu beachten, auf denen das Gewinnspiel promotet werden soll. Im Wesentlichen sehen die gängigen Plattformen in ihren Nutzungsbedingungen vor, dass

  • die Plattform von jeglicher Haftung freigestellt wird und darauf hingewiesen werden muss, dass die Plattform diesbezüglich nicht mit dem Veranstalter kooperiert / das Gewinnspiel mitveranstaltet;
  • die Teilnahmebedingungen veröffentlicht werden müssen (wozu man gemäss den Bestimmungen des UWG ohnehin schon verpflichtet ist);
  • keine Aufrufe erlaubt sind, wonach die Social Media-Nutzer sich gegenseitig / sich selbst auf Bildern markieren sollen, auf welchen sie gar nicht zu sehen sind (Aufruf zu Kommentieren / Liken ist aber in der Regel in zulässig);
  • niemand vom Wettbewerb ausgeschlossen werden darf (also eine Gratisteilnahme möglich sein muss).

Bei der Durchführung von Gewinnspielen gilt es folglich diverse Gesetzesbestimmungen, aber auch die Nutzungsbedingungen der genutzten Plattformen, einzuhalten. Eine Durchführung von Gewinnspielen und Verlosungen ohne zeitraubende und kostspielige Bewilligung gemäss Geldspielgesetz ist aber – wie vorstehend ausgeführt – unter gewissen Umständen durchaus möglich. Nicht vergessen werden dürfen hingegen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, die insbesondere Transparenz gegenüber den Teilnehmern fordern.

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13. Juni 2022 / MLaw Simone Kessler


DER ARCHITEKT UND DAS URHEBERRECHT

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Vermehrt treten in der Praxis Fragen bezüglich der Urheberrechte im Zusammenhang mit Architektenleistungen auf. Diese betreffen nicht nur die vom Architekten entworfenen Bauten, sondern insbesondere auch die hierfür erstellten Pläne und Modelle. Sowohl an der Baute als auch den Plänen und Modellen können Urheberrechte entstehen, deren Nutzung unbedingt vertraglich geregelt werden sollte. Darüber hinaus können auch weitere immaterielle Rechte wie Marken- und Designrechte sowie das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb eine Rolle spielen.

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I. DAS URHEBERRECHT

Gemäss Art. 2 des Urheberrechtsgesetzes (kurz: URG) sind Werke urheberrechtlich geschützt, wenn sie eine (1) geistige Schöpfung der (2) Literatur und Kunst mit (3) individuellem Charakter darstellen. Dazu gehören insbesondere Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen und Werke der Baukunst. Damit Urheberrechte also überhaupt entstehen, bedarf es u.a. eines individuellen Charakters (eine Ausnahme kann einzig in Bezug auf gewisse Fotografien bestehen). Gemäss diesem Kriterium muss sich die Gestaltung des Werks vom Alltäglichen, dem allgemein Üblichen abheben. Sind die vorstehenden Kriterien erfüllt, entstehen die Urheberrechte von Gesetzes wegen immer bei dessen Schöpfer, der nur eine natürliche Person sein kann (sog. Schöpferprinzip gemäss Art. 6 URG). Wurde vertraglich also nichts Anderes geregelt, so stehen sämtliche Urheberrechte an einer Baute, einem Plan oder Modell dem Architekten zu, der sie geschaffen hat. Entsprechendes ist auch in der Ordnung für Leistungen und Honorare der Architekten (SIA 102) geregelt. Gemäss Art. 1.3.1 SIA 102 stehen sämtliche Rechte am Arbeitsergebnis und insbesondere auch alle Urheberrechte dem Beauftragten und damit i.d.R. dem Architekten zu.

Steht fest, dass das geschaffene Werk urheberrechtlich geschützt ist, so stehen dem Schöpfer sog. Urheberpersönlichkeitsrechte und Vermögensrechte zu. Die Urheberpersönlich­keits­rechte beinhalten im Wesentliche das Recht auf Erstveröffentlichung, Urhebernennung und Werkintegrität. Demnach darf also der Schöpfer bestimmen, wann das Werk erstmals veröffentlicht wird und er kann darauf bestehen, dass er als Schöpfer des Werks namentlich genannt wird. Darüber hinaus darf sein Werk nicht entstellt werden, was insbesondere im Zusammenhang mit Bauten von Interesse ist. Die Urheberpersönlichkeitsrechte können nicht an einen Dritten übertragen werden. Der Schöpfer kann aber (auch stillschweigend) darauf verzichten, diese Rechte auszuüben.

Die Vermögensrechte sichern dem Schöpfer zu, über die Vervielfältigung, die Verbreitung sowie die Wahrnehmbar- und Zugänglichmachung bestimmen zu können. Auch die Senderechte gehören zu den Vermögensrechten. Sie sind für Architekten aber i.d.R. nicht relevant. Die Vermögensrechte können ganz oder auch nur teilweise an Dritte übertragen werden, wobei dies grundsätzlich nicht schriftlich festgehalten werden muss. Verzichten Architekt und Bauherr aber auf eine vertragliche Regelung über die Vermögensrechte, kann dies zu langwierigen Streitigkeiten zwischen den Parteien führen.

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II. URHEBERRECHT AN BAUTEN

Unter Werken der Baukunst verstehen Lehre und Rechtsprechung gestaltete und gebaute Räume. Darunter fallen sowohl Hoch- als auch Tiefbauten, selbst Anlagen und besonders gestaltete Innenräume werden unter den Begriff «Werke der Baukunst» subsumiert. Erforderlich ist aber, dass die Bauten von individuellem Charakter sind. D.h. es braucht ein individuelles Gepräge oder die Baute muss als Ausdruck einer neuen originellen Idee zu werten sein. Ob dieser individuellen Charakter gegeben ist, ist schlussendlich eine Auslegungsfrage, die jeder Richter in seinem freien Ermessen würdigen kann. Nicht jede banale Baute geniesst Urheberrechtsschutz.

Im Zusammenhang mit urheberrechtlich geschützten Bauten steht oftmals das Recht auf Werkintegrität im Fokus. Grundsätzlich hat der Eigentümer der Baute zwar das Recht, diese abzuändern (Um- und Anbauten, Sanierung, Erweiterungen etc.), wobei sein Interesse an der Änderung im Zweifelsfalls dem Interesse des Architekten vorgeht (BGE 117 II 466). Dieses Recht findet seine Grenzen aber bei den Persönlichkeitsrechten des Schöpfers, die seine Ehre und sein berufliches Ansehen schützen sollen. Demnach darf die Baute auch bei einer Änderung nicht seine Integrität verlieren – sie darf nicht entstellt oder «verstümmelt» werden, wobei eine Verstümmelung nur bei erheblichen Veränderungen mit negativen Auswirkungen angenommen und von der Rechtsprechung nur in seltenen Fällen als gegeben erachtet wird.

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III. URHEBERRECHT AN PLÄNEN UND MODELLEN

Nicht nur das fertiggestellte Bauwerk kann Urheberrechtsschutz geniessen, sondern auch die zuvor erstellten Pläne, Modelle und Visualisierungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Projekt schlussendlich realisiert worden ist oder nicht. Der Plan, das Modell oder die entsprechende Visualisierung geniessen für sich bereits urheberrechtlichen Schutz. Im Gegensatz zur Baute dürfen erstellte Pläne nicht ohne Einwilligung des Schöpfers abgeändert werden. Hier liegt das Änderungsrecht allein beim Architekten, sofern sich die Parteien diesbezüglich nicht vorab geeinigt haben. Es gilt demnach auch für Architekten Vorsicht walten zu lassen, sollten sie mit der Änderung oder Weiterverarbeitung anderer architektonischer Pläne beauftragt werden.

Bei in Auftrag gegebenen Plänen und Visualisierungen führt oftmals das Vervielfältigungsrecht zum Streitpunkt. Lässt der Bauherr vom Architekten die Planung eines bestimmten Projekts ausarbeiten, so darf er die hierfür erstellten Pläne grundsätzlich nicht für ein weiteres Projekt verwenden. Dies ist Ausfluss der sog. «Zweckübertragungstheorie». Sie kommt zum Zuge, wenn unklar ist, was die Parteien bezüglich der Urheberrechte vertraglich geregelt haben. Bestehen also Zweifel über den Umfang einer Rechtseinräumung, so ist davon auszugehen, dass der Schöpfer all diejenigen Urheberrechte überträgt, die zur Erfüllung des Vertragszwecks erforderlich sind. Beruht der Auftrag also auf der Planung eines Einfamilienhauses für die Familie Müller, so berechtigt dies den Auftraggeber nicht, dasselbe Einfamilienhaus auch für die Familie Meier zu erstellen. Die Zweckübertragungstheorie ist im Übrigen auch sinngemäss in Art. 1.5.3 SIA 102 geregelt.

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IV. WEITERE RECHTE

Im Zusammenhang mit Architektenleistungen sind nicht nur Urheberrechte zu beachten. Insbesondere an Bauten können auch Bestimmungen des Design- und des Markenschutzgesetzes relevant sein. So hinterlassen Architekten vermehrt ein Gebäude-Branding, indem sie am Gebäude ein Kennzeichen anbringen, welches sie markenrechtlich schützen lassen. Darüber hinaus kann auch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Schutz vor unrechtmässiger Verwendung von Plänen und Bauten bieten.

Um sich vor unangenehmen Auseinandersetzungen zu schützen, sollten sich Bauherren und Architekten vorab über die immateriellen Rechte, also über die Urheber-, Marken- und Designrechte an den Plänen, Modellen und insbesondere der Baute, vertraglich einigen und den Umfang allfälliger Nutzungsrechte unmissverständlich regeln. Für den Bauherrn ist es sicherlich von Vorteil, wenn der Architekt sämtliche Rechte abtritt und auf die Durchsetzung seiner Urheberpersönlichkeitsrechte verzichtet. Regeln die Parteien die Urheberrechte überhaupt nicht, so stehen diese grundsätzlich dem Architekten zu, wobei der Bauherr die Baute erst nach deren Erstellung ändern darf, sofern die Änderung keine Entstellung darstellt. Die hierfür erstellten Pläne darf er aber weder eigenhändig überarbeiten noch für andere Projekte nutzen.



17. Februar 2022 / MLaw Simone Küng


DAS AUSTRITTSRECHT DES GESELLSCHAFTERS AUS DER GMBH

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Uneinigkeiten zwischen Gesellschaftern sind keine Seltenheit. In der Regel können sich die Gesellschafter aber im Sinne der Gesellschaft auf eine sachgemässe Lösung einigen. Vereinzelt ist die Situation allerdings dermassen verfahren, dass sich die Gesellschafter gar nicht mehr untereinander verständigen können und wollen. In diesen Fällen bleibt oftmals nur der Austritt eines Gesellschafters aus der GmbH. Dies geschieht in der Regel über den Verkauf seiner Stammanteile an seinen Mitgesellschafter / einen Dritten. In der Praxis tritt hingegen oftmals die Konstellation auf, dass für die Stammanteile schlichtweg kein Käufer gefunden werden kann und auch allfällige Mitgesellschafter kein Interesse daran haben (oder es mangelt am entsprechenden Kapital), die Stammanteile des austretungswilligen Gesellschafters zu erwerben. Welche Möglichkeiten hier bestehen und wie vorgegangen werden kann, wird nachfolgend aufgezeigt.

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I. DAS AUSTRITTSRECHT

Das Gesetz gewährt den Gesellschaftern einer GmbH in Art. 822 OR ein Austrittsrecht, welches gerichtlich eingeklagt werden kann. Die Klage richtet sich dabei gegen die Gesellschaft. Beim gesetzlich normierten Austrittsrecht handelt es sich um ein zwingendes und unentziehbares Recht. Das heisst, die Gesellschafter können das Recht auf Austritt aus der Gesellschaft also nicht wegbedingen oder durch zusätzliche Anfordernisse erschweren.

Das Austrittsrecht ist allerdings an wichtige Gründe gekoppelt (Art. 822 Abs. 1 OR), es sei denn, die Statuten der GmbH sehen ein eigens definiertes Austrittsrecht vor (Art. 822 Abs. 2 OR). In erster Linie sind also die Statuten zu konsultieren und es gilt zu prüfen, ob diese unter bestimmten Bedingungen ein Austrittsrecht vorsehen und möglicherweise sogar eine Verpflichtung der verbleibenden Gesellschafter, wonach sie die Stammanteile des austrittswilligen Gesellschafters abzukaufen haben (sog. Kaufpflicht), beinhalten. Enthalten die Statuten allerdings keine entsprechende Regelung, so bleibt nur noch das gesetzliche Austrittsrecht aus wichtigem Grund.

Die Lehre hat solch «wichtige Gründe» u.a. bei schweren Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern oder der Gesellschaft, bei ruinöser Geschäftsführung, bei schweren Vertrauensbrüchen wie der Verschleierung von Geschäftszahlen oder willkürlicher Zusammenarbeitsverweigerung und fortgesetzten Interessenkonflikten bejaht. Die Messlatte liegt hoch – einfache Meinungsdifferenzen zwischen den Gesellschaftern reichen nicht aus. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gesellschaft muss nachhaltig gestört sein, so dass es dem austrittswilligen Gesellschafter nicht mehr zuzumuten ist, in der Gesellschaft zu verbleiben. Dabei werden sämtliche Umstände berücksichtigt, wobei sowohl persönliche als auch sachliche Gründe eine Rolle spielen können.

Aber selbst wenn wichtige Gründe vorliegen und dem austrittswilligen Gesellschafter der Austritt gerichtlich gewährt werden würde, stellt sich die Frage, wie mit den Stammanteilen des ausscheidenden Gesellschafters zu verfahren ist. Schliesslich lösen sich diese mit dem Austritt der Gesellschaft nicht einfach in Luft auf. Diese sind vielmehr mit dem Austritt auf einen Dritten oder die Gesellschaft selbst zu übertragen. Das Bundesgericht hat in seinem erst kürzlich publizierten Entscheid vom 19. Juni 2021 festgehalten, dass das Gericht nicht die Kompetenz hat, die Stammanteile des austretenden Gesellschafters zwangsweise auf einen/mehrere Mitgesellschafter zu übertragen bzw. fehlt es hier schlichtweg an der gesetzlichen Grundlage. Es bleibt damit nur die Möglichkeit, die Stammanteile auf die Gesellschaft zu übertragen. Hingegen sieht Art. 783 OR vor, dass die Gesellschaft maximal 10% des Gesamtnennwerts eigener Stammanteile halten darf. Nur in Ausnahmefällen – wenn im Zusammenhang mit einem Austritt oder Ausschluss Stammanteile erworben werden – liegt die Grenze bei 35% (Art. 783 Abs. 2 OR). Diesbezüglich hat das Bundesgericht klargestellt, dass die Grenze von 35% des Stammkapitals absolut gilt. Hält der austretungswillige Gesellschafter also mehr als 35%, so können die Stammanteile auch nicht auf die Gesellschaft übertragen werden – dem Gericht sind die Hände gebunden und der Austritt kann nicht bewilligt werden. Liegen also wichtige Austrittsgründe vor und hält der austretungswillige Gesellschafter mehr als 35% der Anteile, bleibt ihm als sicherer Ausweg nur noch die Auflösungsklage nach Art. 821 OR.

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II. AUFLÖSUNG DER GESELLSCHAFT

Gemäss Art. 821 Abs. 3 OR kann jeder Gesellschafter (unabhängig von seiner Beteiligung) beim Gericht die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund verlangen. Auch diese Klage richtet sich gegen die Gesellschaft. Bezüglich des wichtigen Grundes kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Das Gesellschaftsverhältnis muss für den Gesellschafter auch hier absolut unzumutbar sein. Anders als bei der Austrittsklage nach Art. 822 OR sieht die gesetzliche Grundlage der Auflösungsklage allerdings vor, dass das Gericht auch eine andere sachgemässe und den Beteiligten zumutbare Lösung vorsehen kann, als die Gesellschaft von vorneweg aufzulösen. Das Gericht hat hier also einen gewissen Spielraum und kann – so zumindest gemäss der herrschenden Lehre – u.a. auch vorsehen, dass die Anteile des austrittswilligen Gesellschafters auf einen Mitgesellschafter übertragen wird und er unter den gegebenen Umständen eine Abfindung zum wirklichen Wert seiner Stammanteile erhält (nach Art. 825 OR).

Die Auflösungsklage ist hingegen subsidiär und damit stets das letzte Mittel. Es muss aufgezeigt werden können, dass der austrittswillige Gesellschafter keine andere Wahl hat, als die Gesellschaft gerichtlich auflösen zu lassen. Hierzu gehört insbesondere auch die Darlegung, dass eine Austrittsklage, welche ein milderes Mittel als die Auflösung der Gesellschaft wäre, im vorliegenden Fall nicht in Frage kommt.

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III. ABFINDUNG

Für die vom austretenden Gesellschafter ursprünglich geleisteten Einlagen auf die Stammanteile hat dieser nach Art. 825 OR Anspruch auf eine Abfindung zum wirklichen Wert seiner Stammanteile («innerer Wert» bzw. Verkehrswert). Der Abfindungsanspruch kann in den Statuten zwar abweichend geregelt werden, dies allerdings nur im Zusammenhang mit einem statutarischen Austrittsrecht. Sind in den Statuten also keine separat definierten Austrittsgründe enthalten, so ist auch keine abweichende Abfindung möglich, und es ist grundsätzlich der wirkliche Wert der Stammanteile geschuldet. Es gilt dabei zu bedenken, dass eine statutarisch abweichende Abfindungsbestimmung nicht willkürlich festgelegt werden darf und sie nicht unangemessen sein darf. Der Abfindungsanspruch im Zusammenhang mit einem statutarischen Austrittsrecht muss also stets einer objektiven Betrachtung standhalten können.

Der Anspruch auf Abfindung wird grundsätzlich mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig. Dies bedingt allerdings, dass die Gesellschaft über genügend verwendbares Eigenkapital verfügt / die Stammanteile an einen Dritten veräussern kann / ihr Stammkapital unter Beachtung der entsprechenden Vorschriften herabsetzen darf (Art. 825a OR). Ist die Gesellschaft nicht in der Lage, die Abfindung zu begleichen, so erwirbt der ausscheidende Gesellschafter eine unverzinsliche Forderung gegen die Gesellschaft. Sobald wieder verfügbares Eigenkapital vorhanden ist, ist die Abfindung auszuzahlen.

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IV. WÜRDIGUNG

Stehen Gesellschafter einer GmbH in einer fortwährenden Konfliktsituation, die zu einem unzumutbaren Dauerzustand führt, so stehen den austrittswilligen Gesellschaftern durchaus Mittel zur Verfügung, um aus der Gesellschaft austreten zu können – auch wenn kein Käufer für seine Stammanteile gefunden werden kann. Der Weg führt allerdings über das Gericht und ist mit einer Klage gegen die Gesellschaft verbunden, welche sowohl finanziell als auch zeitlich aufwendig ist.



27. Oktober 2021 / MLaw Simone Küng

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