KENNZEICHENVERLETZUNG IM INTERNET UND GEOBLOCKING

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Marken-, Firmen- und Namensrechte sind grundsätzlich territorial begrenzt. Sie sind also nur in dem Land geschützt, wo der entsprechende Schutz gewährt worden ist, was in der Regel durch die Registrierung des gewünschten Kennzeichens im betroffenen Land («Schutzland») erfolgt. Wurde beispielsweise eine Marke in der Schweiz registriert, kann einem deutschen Konkurrenten die Nutzung des selben Kennzeichens in Deutschland grundsätzlich nicht untersagt werden. Problematisch ist hingegen die Verwendung von geschützten Kennzeichen im Internet, zeichnet sich das Internet doch gerade durch die weltweite Abrufbarkeit von Informationen aus. Es stellt sich daher die Frage, ob der deutsche Konkurrent die in der Schweiz eingetragene Marke verletzt und die Nutzung durch den Schweizer Markeninhaber untersagt werden kann, wenn der deutsche Konkurrent dasselbe Kennzeichen auf seiner Website publiziert. Schliesslich kann die vom deutschen Konkurrenten betriebene Website auch in der Schweiz abgerufen werden und somit die in der Schweiz geschützte Marke verletzen.

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I. MARKENNUTZUNG IM INTERNET

Das Bundesgericht hat sich vor rund 18 Monaten zu dieser Frage geäussert (vgl. BGer 4A_335/2019 vom 20. April 2020). Allein die Nutzung des geschützten Kennzeichens auf der Website einer ausländischen Drittperson, die in der Schweiz abrufbar ist, genügt nicht, um eine Kennzeichenverletzung zu begründen. Dies würde schlussendlich zu einem uferlosen Kennzeichenschutz führen, der dem eingangs erwähnten Grundsatz der territorialen Begrenzung zuwiderlaufen würde. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt für die Bejahung einer Rechtsverletzung vielmehr, dass eine «räumliche Beziehung» bzw. eine «qualifizierte Beziehung der Zeichennutzung» zur Schweiz besteht. Zur näheren Erläuterung dieser «räumlichen Beziehung» griff das Bundesgericht auf die Joint Recommendation der WIPO und des Pariser Verbands zurück. Art. 2 der Joint Recommendation bestimmt, dass die Nutzung eines Kennzeichens im Internet nur dann eine Kennzeichenverletzung im Schutzland begründen kann, wenn diese dort eine wirtschaftliche Auswirkung (sog. «commercial effect») hat. Zur Beurteilung dieses wirtschaftlichen Bezugs können die in Art. 3 der Joint Recommendation beispielhaft aufgeführten Kriterien herangezogen werden, wie bspw. die Prüfung der geschäftlichen Tätigkeit des Kennzeichenverwenders im betroffenen Schutzland (findet eine solche überhaupt statt und falls ja, welches Ausmass nimmt sie an? Werden Kunden im Schutzland beliefert und in welcher Währung und Sprache werden die Produkte angeboten? Werden Wartungs- oder Nebenleistungen im Schutzland erbracht? Werden Kontaktdaten im Schutzland angegeben? etc.). Es kann hingegen nicht einfach auf die aufgeführten Kriterien abgestellt werden, sondern es ist stets eine Gesamtwürdigung der konkreten Umstände vorzunehmen, wobei insbesondere zwischen den Interessen des inländischen Schutzrechtsinhabers und denjenigen des ausländischen Kennzeichennutzers abzuwägen ist.

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II. «COMMERCIAL EFFECT» UND GEOBLOCKING

Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung können gemäss Bundesgericht denn auch neuere technische Entwicklungen mitberücksichtigt werden, zumal die in der Joint Recommendation aufgeführten Kriterien vor rund 20 Jahren entwickelt wurden. Unter diesem Aspekt hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Beurteilung des «commercial effects» auch das sog. Geoblocking und Geotargeting von einer gewissen Relevanz sein können. Diese technischen Massnahmen erlauben es einem Websitebetreiber, die Zugriffsmöglichkeiten von Internetnutzern auf die Website territorial zu begrenzen. Darüber kann ein Websiteinhaber mit relativ geringem technischen Aufwand verhindern, dass die betroffene Website im Schutzland überhaupt aufgerufen werden kann. Gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts scheint dies folglich ein geeignetes Mittel zu sein, um einem «commercial effect» auf das Schutzland zu entgegnen und folglich einer allfälligen Kennzeichenverletzung zu entgehen (natürlich ist aber immer noch eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vorzunehmen). Offenbar unberücksichtigt geblieben ist hierbei, dass die EU bereits im Jahr 2018 ein Geoblocking-Verbot eingeführt hat (VO 2018/302 vom 28.02.2018). Nur wenige Monate später (im Mai 2019) hat der Bundesrat die Botschaft zur Fair-Preis-Initiative verabschiedet, die ebenfalls ein Geoblocking-Verbot vorsieht. Dieses soll verhindern, dass die Schweiz im Fernhandel ohne sachliche Rechtfertigung abgeschottet wird und Schweizer Kunden nicht zu ausländischen Preisen einkaufen können, indem diese erst gar nicht auf ausländische Webshops zugreifen können.

Eingang in die Gesetzgebung findet das Geoblocking-Verbot im Rahmen der anstehenden Revision des Bundesgesetzes über unlauteren Wettbewerb (kurz «UWG) im Jahr 2022. Gemäss dem neu einzuführenden Art. 3a UWG («Diskriminierung im Fernhandel») handelt unlauter und damit unzulässig, wer im Fernhandel ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund Schweizer Kunden aufgrund ihrer Nationalität, ihres (Wohn-)Sitzes, des Sitzes ihres Zahlungsdienstleisters oder des Ausgabeorts ihres Zahlungsmittels beim Preis und bei den Zahlungsbedingungen diskriminiert. Unlauter handelt zudem, wer ohne sachliche Rechtfertigung den Zugang von Kunden zu einem Onlineportal beschränkt oder wer Kunden ohne deren Einverständnis zu einer anderen als ursprünglich aufgesuchten Version des Portals weiterleitet (sog. «Redirecting»). Von diesem Verbot sind zwar gewisse Branchen ausgenommen, dennoch gilt es zeitnah unternehmensintern zu prüfen, ob inskünftig verbotene technische Massnahmen in Betrieb sind und ob allenfalls ein Ausnahmetatbestand vorliegt.

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III. WÜRDIGUNG

Das Bundesgericht hat noch vor einem Jahr festgehalten hat, dass das Unterlassen von Geoblocking- und Geotargeting-Massnahmen durchaus ein geeignetes Kriterium sein kann, das zur Bejahung einer Schutzrechtsverletzung führen kann. Dabei wurde allerdings nicht bedacht, dass genau diese technischen Massnahmen vom schweizerischen Gesetzgeber – bereits zum damaligen Zeitpunkt – offensichtlich als diskriminierend erachtet werden und ein entsprechendes Verbot bereits in der gesetzgeberischen Pipeline stand. Vor diesem Hintergrund dürfte fraglich sein, ob die Berücksichtigung von (diskriminierenden) Geoblocking-Massnahmen im Zusammenhang mit Kennzeichenverletzungen im Internet gerechtfertigt war bzw. hätte die Frage wohl weitergehen müssen: Wenn das Bundesgericht schon zum Schluss gelangt, dass die Möglichkeit von Geoblocking-Massnahmen für die Frage eines «commercial effects» mitentscheidend sein können, so wäre denn auch zu prüfen gewesen, ob die technischen Massnahmen im konkreten Fall sachlich gerechtfertigt gewesen wären. Schliesslich kann es nicht sein, dass das Unterlassen von diskriminierenden Massnahmen generell zum Nachteil eines Kennzeichennutzers ausgelegt wird.

Inskünftig dürfte die Möglichkeit von Geoblocking- und Targeting-Massnahmen im Rahmen der Überprüfung eines «commercial effects» wohl nur noch berücksichtigt werden, wenn diese technischen Massnahmen im konkret zu überprüfenden Fall auch sachlich gerechtfertigt wären. Denn nur dann können die vom Gesetzgeber grundsätzlich als diskriminierend geltenden Massnahmen zulässig sein. Eine solche sachliche Rechtfertigung könnte bspw. gerade auch in der Verhinderung von Rechtsverletzungen liegen. Nachdem die Einführung des Geoblocking-Verbots allerdings erst auf das Jahr 2022 terminiert ist, bestehen diesbezüglich selbstredend noch keine höchstrichterlichen Urteile, weshalb derzeit nur Mutmassungen angestellt werden können. Gewissheit wird die Rechtsprechung in den kommenden Jahren bringen.



21. Oktober 2021 / MLaw Simone Küng


TRADE SECRETS – DER SCHUTZ VON FABRIKATIONS- UND GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse stellen für ein Unternehmen einen erheblichen Vermögenswert dar. Umso wichtiger ist deren Schutz vor unberechtigten Zugriffen durch Konkurrenten oder andere Drittpersonen. Bei patentierbaren Erfindungen stellt sich zudem die Frage, ob ein kostspieliges Patent angemeldet und das Geheimnis zwangsläufig mit der Patentanmeldung offenbart werden soll, welches dann schlussendlich mit Ablauf des Patentschutzes allgemein zugänglich wird, oder die Erfindung nicht vielmehr unter Verschluss gehalten werden soll. Auch bei austretenden Arbeitnehmern oder gescheiterten Geschäftsbeziehungen stellt sich regelmässig die Frage, wie Geheimnisse auch nach Beendigung der Zusammenarbeit geschützt sind. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend dargelegt, welchen Schutz die schweizerische Gesetzgebung Geschäftsgeheimnissen bietet.

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I. WAS FÄLLT UNTER DEN BEGRIFF FABRIKATIONS-/GESCHÄFTSGEHEIMNIS

Um die Verletzung eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses prüfen zu können, muss vorab geklärt werden, was genau unter den Begriff «Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis» fällt. Nicht jede geheime Tatsache ist ein Geheimnis im Sinne der Gesetzgebung und der Rechtsprechung. Der Geheimnisbegriff ist im Gesetz nicht umschrieben, weshalb die Lehre und Rechtsprechung vier Kriterien ausgearbeitet haben, die den Begriff «Geschäftsgeheimnis» definieren. Demnach gelten Tatsachen als «geheim», wenn diese (1) weder offenkundig noch allgemein zugänglich sind (relative Unbekanntheit) und (2) an deren Geheimhaltung der Geheimnisherr (i.d.R. Arbeitgeberin oder Auftragsgeberin) ein berechtigtes Interesse hat (Geheimhaltungsinteresse) und (3) diese geheim halten will (Geheimhaltungswille). Das Geheimnis muss schlussendlich einen (4) Bezug zum Unternehmen (Fabrikation oder Geschäft) aufweisen.

Darunter fallen insbesondere Pläne, Modelle und Konstruktionen, Forschungsergebnisse, Produktionsverfahren, Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie Preis- und Kalkulationsgrundlagen, Businesspläne und Software-Codes. Wesentlich ist insbesondere, dass der Geheimnisherr die betroffenen Informationen nicht publik machen möchte.

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II. GESCHÄFTSGEHEIMNISSE IM ARBEITS- ODER AUFTRAGSVERHÄLTNIS

Insbesondere nach Beendigung einer Zusammenarbeit stellt sich oftmals die Frage, ob und inwiefern der Arbeitnehmer / Auftragnehmer berechtigt ist, geheim zu haltende Informationen der Arbeitgeberin / Auftraggeberin öffentlich zu machen bzw. diese allenfalls einem Konkurrenzunternehmen weiterzugeben oder die entsprechenden Informationen gar selbst zu verwenden.

Der Arbeitnehmer untersteht gestützt auf Art. 321a OR einer Treuepflicht. Demnach darf er geheim zu haltende Tatsachen, von denen er im Dienst Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen (Art. 321a Abs. 4 OR). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er die Geheimhaltungspflicht weiter zu beachten – dies allerdings nur soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen der Arbeitgeberin erforderlich ist. Analoges gilt für den Auftragnehmer (Art. 398 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 321a Abs. 4 OR).

Nach Beendigung des Arbeits-/Auftragsverhältnisses handelt es sich nur noch um eine abgeschwächte Geheimhaltungspflicht und je weiter das Arbeits- bzw. Auftragsverhältnis zurückliegt, desto geringer ist in der Regel das Geheimhaltungsbedürfnis der Arbeitgeberin / Auftraggeberin. Eine indirekte Schutzerweiterung der Geschäftsgeheimnisse lässt sich hingegen durch eine vertragliche Konventionalstrafe oder im Arbeitsverhältnis über ein nachvertragliches Konkurrenzverbot erreichen. Verstösst der Arbeitnehmer / Auftragnehmer gegen die Geheimhaltungspflicht, so kann er für den durch den Verrat / durch die unrechtmässige Nutzung der Geschäftsgeheimnisse entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.

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III. ANVERTRAUTE GESCHÄFTSGEHEIMNISSE AUSSERHALB EINES AUFTRAGS-/ ARBEITSVERHÄLTNISSES

Die vorstehenden Ausführungen beschränken sich auf Arbeits- und Auftragsverhältnisse. Was aber, wenn Geschäftsgeheimnisse bereits in einem früheren Stadium, bspw. im Rahmen einer sich erst anbahnenden Zusammenarbeit, ausgetauscht werden? Werden ausserhalb eines Arbeits- oder Auftragsverhältnisses Geschäftsgeheimnisse (freiwillig) offenbart, so sollte vorgehend eine Vertraulichkeitsvereinbarung (sog. Non-Disclosure-Agreement [NDA] / Confidential Disclosure Agreement [CDA]) unterzeichnet werden, welche den Geschäftspartner zur Verschwiegenheit verpflichtet. Denn von Gesetzes wegen besteht im Zivilrecht ausserhalb eines Arbeits- / Auftragsverhältnisses grundsätzlich keine explizite Geheimhaltungspflicht für anvertraute Geschäftsgeheimnisse. Abgesichert werden kann die vertraglich festzuhaltende Geheimhaltungspflicht über eine Konventionalstrafe. Hält sich der Geschäftspartner nicht an die Vereinbarung, so kann zum einen der daraus entstandene Schaden und zum andern die vereinbarte Konventionalstrafe eingeklagt werden. Darüber hinaus kann der Vertrauensbruch auch aus strafrechtlicher Sicht (insbesondere Art. 162 StGB) relevant sein.

Ein NDA / CDA sollte hingegen nicht leichtfertig unterzeichnet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Parteien in derselben Branche tätig sind und ähnliche Entwicklungsschritte aufweisen. Steht der Geschäftspartner selbst kurz vor dem entsprechenden Durchbruch, unterzeichnet aber ein NDA / CDA, so kann er sich hierdurch selbst blockieren. Er hätte diesfalls den Nachweis zu erbringen, dass der entsprechende Entwicklungsschritt ohne Kenntnis des Geschäftsgeheimnisses des Geschäftspartners erfolgt ist – was regelmässig mit einer erheblichen Beweisproblematik verbunden ist. Die Kenntnis anderer Geschäftsgeheimnisse kann also durchaus auch zu einem erheblichen unternehmensinternen Schaden führen.

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IV. UNRECHTMÄSSIG ERLANGTE GESCHÄFTSGEHEIMNISSE

Die dritte Kategorie betrifft Geschäftsgeheimnisse, die sich eine Drittperson unrechtmässig angeeignet hat (bspw. Hacking, Betriebsspionage, Bestechung etc.). Erlangt ein Dritter auf unrechtmässigem Weg Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen, so kommen insbesondere die Bestimmungen des Lauterkeitsrechts (UWG) zur Anwendung. Das Lauterkeitsrecht schützt aber nicht die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse an sich, sondern nur deren Verwertung und Bekanntgabe, sofern das Geheimnis unrechtmässig in Erfahrung gebracht wurde. Die Pflicht zur Geheimhaltung (sei dies vertraglich, aus den Umständen ergebend oder gestützt auf eine Gesetzesbestimmung) wird vorausgesetzt.

Gemäss Art. 6 UWG handelt insbesondere unlauter, wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, die er ausgekundschaftet oder sonst wie unrechtmässig erfahren hat, verwertet oder andern mitteilt. Das Geheimnis muss der Verletzer in treuwidriger Weise bzw. unrechtmässig durch aktives Handeln erlangt haben (bspw. durch Bestechung / durch unberechtigtes Zugreifen auf die Geheimnisse). Durch das Beschaffen des Geheimnisses muss entsprechend eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht verletzt worden sein. Von Art. 6 UWG nicht erfasst sind also Fälle, in denen der Betroffene das Geheimnis in zulässiger Weise in Erfahrung gebracht hat.

Unter «Verwertung» fällt sodann jegliche gewerbliche, also auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichtet, Anwendung. Der Privatgebrauch von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen ist damit an sich zulässig – sie dürfen aber in keiner Weise weiterverbreitet bzw. einer Drittperson offenbart werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Geheimnis nur bruchstückhaft weitergegeben hat. Ebenso irrelevant ist, wie der Dritte mit den erlangten Geheimnissen weiter verfährt.

Gemäss Art. 4 lit. c UWG handelt zudem auch unlauter, wer Arbeitnehmer, Beauftragte oder andere Hilfspersonen zum Verrat oder zur Auskundschaftung von Geschäftsgeheimnissen ihres Auftraggebers oder Arbeitgebers verleitet. Unter Auskundschaftung fällt bereits der Versuch der verleiteten Person, die Geschäftsgeheimnisse, zu welchen sie grundsätzlich keinen Zugang hat, in Erfahrung zu bringen, um sie anschliessend dem Verleiter bekannt geben zu können.

Werden unrechtmässig erlangte Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse verwertet oder Drittpersonen mitgeteilt, so kann der Geheimnisherr eine Unterlassungs-, eine Beseitigungs- oder eine Feststellungsklage anhängig machen. Darüber hinaus kann der hierdurch entstandene Schaden eingeklagt sowie eine Genugtuung gefordert werden. Die Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen steht zudem unter Strafbewährung. Gestützt auf Art. 23 UWG kann der Verletzer mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.

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V. FAZIT

Die Gesetzesbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw. der Geheimnisbegriff an sich sind relativ offen formuliert und lassen Interpretationsspielraum zu, womit stets eine gewisse Rechtsunsicherheit einhergeht. Um sicher zu gehen, sollten Geschäftsgeheimnisse als solche gekennzeichnet werden und für jedermann identifizierbar sein. Im Weiteren sollte der Kreis der Zugriffsberechtigten klein gehalten werden und es sind entsprechende Schutzmechanismen (insbesondere im IT-Bereich) einzuführen. Die Geheimhaltungspflicht ist zudem vertraglich abzusichern – sei dies im Rahmen eines Arbeits-/ Auftrags- oder anderweitigen Kooperationsverhältnisses.



31. August 2021 / MLaw Simone Küng


WAS VERSTEHT MAN UNTER EINEM «GENERIKUM» UND INWIEFERN UNTERSCHEIDET ES SICH VOM ORIGINALPRÄPARAT?

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin, unter Mithilfe von MLaw Sara Sommer

Ein Generikum – auch Nachahmerpräparat genannt – verspricht dem Verbraucher dieselbe Wirkung wie das originale Arzneimittel. Der Preis eines Generikums liegt jedoch unter demjenigen des nachgeahmten Originalpräparats. Konsumenten könnten sich deshalb veranlasst sehen, die Qualität des Generikums zu hinterfragen – jedoch zu Unrecht, was nachfolgende Ausführungen zeigen.

Dieser Beitrag geht folgenden Fragen auf den Grund: Welche Gemeinsamkeiten mit dem Originalpräparat muss das Generikum zwingend aufweisen? Welche Unterschiede können zwischen den beiden Präparaten bestehen? Bedarf ein Generikum vor dessen Vertrieb einer Zulassungsprüfung?

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I. RECHTLICHE DEFINITION DES BEGRIFFS «GENERIKUM»

Der Begriff «Generikum» wird im Schweizerischen Heilmittelgesetz in Art. 4 Abs. 1 lit. asepties HMG und in der Verordnung über die Krankenversicherung in Art. 64a Abs. 2 KVV definiert. Als Generikum gilt demnach:

«ein vom Institut zugelassenes Arzneimittel, das im wesent­lichen gleich ist wie ein Originalpräparat und das mit diesem aufgrund identischer Wirkstoffe sowie seiner Darreichungsform und Dosierung austauschbar ist.»
Hinweis: Im Originaltext sind keine Textstellen unterstrichen. Diese Hervorhebungen wurden durch die Autorinnen angebracht.

Bereits angesichts dieser Begriffsdefinition wird klar, dass ein Präparat gewissen Anforderungen genügen muss, damit es als – mit dem Originalarzneimittel gleichwertiges – Generikum vertrieben werden darf. Auf die Voraussetzungen der identischen Wirkstoffe, der (bloss) wesentlichen Gleichheit sowie der Zulassung durch entsprechendes Institut wird nachfolgend eingegangen.

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II. ZWINGENDE ÜBEREINSTIMMUNG MIT DEM ORIGINALPRÄPARAT

Gesetzesgemäss muss ein Generikum die identischen Wirkstoffe wie das Originalpräparat enthalten. Als Wirkstoff bezeichnet man die pharmakologisch aktiven Substanzen in einem Arzneimittel. Wirkstoffe sind also diejenigen Bestandteile eines Arzneimittels, die für seine eigentliche Wirksamkeit (z.B. Schmerzlinderung) verantwortlich sind.

Zwei Wirkstoffe gelten dann als identisch, wenn sie in ihrer chemischen Zusammensetzung – also in ihrem Aufbau aus Salzen, Ester, Ether, Isomeren etc. – vollkommen übereinstimmen. Demgegenüber gelten zwei Wirkstoffe lediglich als gleich, wenn sie zwar dieselbe Wirkung, Qualität und Sicherheit aufweisen, sich aber in ihrer chemischen Zusammensetzung – auch nur marginal – unterscheiden.

Der Gesetzgeber setzt die Anforderungsschwelle in Bezug auf die im Generikum enthaltenen Wirkstoffe entsprechend auf die höchstmögliche Stufe: Er verlangt die vollkommene chemische Übereinstimmung mit den Wirkstoffen des Originalpräparats, obwohl chemisch lediglich gleiche Wirkstoffe bereits dieselbe Wirkung beim Verbraucher des Arzneimittels in derselben Qualität und Sicherheit herbeiführen.

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III. ERLAUBTE ABWEICHUNG VOM ORIGINALPRÄPARAT

.Arzneimittel enthalten nebst Wirkstoffen auch noch sogenannte Hilfsstoffe, dies sind pharmakologisch nicht aktive Bestandteile. Hilfsstoffe dienen beispielsweise der Wirkungsverstärkung, der Formgebung, der Färbung oder der Geschmacksgebung eines Arzneimittels.

Die in einem Generikum enthaltenen Hilfsstoffe dürfen sich von den Hilfsstoffen des Originalpräparats unterscheiden. Diese erlaubte Abweichung ist jedoch indirekt begrenzt, da das Generikum gemäss gesetzlicher Definition hinsichtlich seiner Darreichungsform (z.B. Tablette, Flüssigkeit) und Dosierung (Wirkungsstärke) mit dem Originalpräparat austauschbar sein muss.

Nebst unterschiedlichen Hilfsstoffen darf das Generikum im Vergleich mit dem Originalpräparat zudem Abweichungen beim Herstellungsprozess aufweisen.

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IV. ZULASSUNGSPRÜFUNG EINES GENERIKUMS

Die Swissmedic (Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte) entscheidet jeweils in einem umfassenden Verfahren über die Zulassung eines Originalpräparats und prüft in dessen Rahmen die darin enthaltenen Wirkstoffe genauestens.

Auch ein Generikum, das – wie oben erläutert – die identischen Wirkstoffe enthält, bedarf zu dessen Vertrieb einer Zulassung durch die Swissmedic. Es unterliegt jedoch einer vereinfachten Zulassung, weil die Swissmedic auf bereits vorhandene Unterlagen und Prüfergebnisse des Originalpräparats zurückgreifen kann.

Geprüft wird im Rahmen der Zulassung des Generikums deshalb nur die sogenannte therapeutische Äquivalenz zum Originalpräparat.

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1. Therapeutische Äquivalenz

Unter therapeutischer Äquivalenz versteht man ein identisches Wirksamkeitsprofil zweier Arzneimittel. Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz erfolgt für gewöhnlich mittels klinischer Studien (Test mit Patienten und gesunden Probanden) in einem statistischen Verfahren (ausreichende Fallzahlen).

Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz ist entsprechend aufwändig und darf deshalb – bei der Zulassungsprüfung von Generika – ersatzweise durch den Nachweis der Bioäquivalenz geführt werden.

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2. Bioäquivalenz

Zwei Arzneimittel mit identischem Wirkstoff gelten nach Verabreichung der gleichen Dosen als bioäquivalent, wenn die Geschwindigkeit und das Ausmass der Arzneistoffresorption beider Mittel nahezu gleich sind.

Mit anderen Worten muss der menschliche Körper die Wirkstoffe des Generikums in der gleichen Menge und gleich schnell aufnehmen können, wie dies beim Originalpräparat der Fall ist. Verhält sich das Generikum entsprechend bioäquivalent zum Originalpräparat, kann die Swissmedic die Zulassung erteilen.

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V. Privatrechtliche Hindernisse

Die vorstehenden Ausführungen befassen sich mit den öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zur Zulassung eines Generikums. Abgesehen hiervon muss selbstverständlich vor der Markteinführung eines Generikums auch darauf geachtet werden, dass keine Patente, erweiterten Schutzzertifikate (kurz: ESZ) oder anderweitige Exklusivrechte anderer Marktteilnehmer verletzt werden.

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VI. FAZIT

Die Wirkstoffe – also jene Stoffe, die eine Wirkung im Körper herbeiführen – eines Generikums und des nachgeahmten Originalpräparats sind stets identisch. Hinsichtlich Hilfsstoffen und Herstellungstechnologie können sich die beiden Präparate unterscheiden.

Die im Generikum enthaltenen Wirkstoffe wurden von der Swissmedic schon anlässlich der Zulassung des Originalpräparats umfassend geprüft. Deshalb genügt zur Zulassung eines Generikums die Feststellung, dass die bereits bekannten Wirkstoffe bei der Einnahme des Generikums vom menschlichen Körper gleich gut aufgenommen werden können wie bei der Einnahme des Originalpräparats.

Dass ein Generikum zu einem tieferen Preis als das originale Präparat angeboten werden kann, ist auf den kostengünstigeren Zulassungsprozess bei der Swissmedic sowie auf viel tiefere Forschungs- und Entwicklungskosten beim Pharmaziehersteller zurückzuführen. Zur Förderung eines breiten Zugangs zu Arzneimitteln bzw. zur Regulierung von Krankenkassenkosten ist der Preis für Generika gesetzlich sogar plafoniert. Der günstigere Preis von Generika lässt folglich keineswegs auf eine minderwertige Qualität derselben schliessen.



14. Juni 2021 / MLaw Simone Küng

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