CYBERATTACKEN – UND DEREN ARBEITSRECHTLICHEN FOLGEN FÜR DEN ARBEITGEBER

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt unter Mithilfe von MLaw Daniela Bächli

Die zunehmende Digitalisierung birgt viele neue Risiken für Arbeitgeber. Insbesondere sogenannte Cyberangriffe haben in den letzten Jahren zugenommen. Dabei sind vermehrt auch KMUs ins Visier der kriminellen Organisationen geraten. Kann im Betrieb aufgrund einer Cyberattacke mehrere Tage nicht gearbeitet werden, kann dies insbesondere für kleinere Unternehmen kaum verkraftbare finanzielle Folgen haben. Nachfolgend wird aufgezeigt, ob und inwiefern ein Arbeitgeber im Falle einer Cyberattacke eine Lohnfortzahlungspflicht trifft und den Bezug von Überstunden und Ferien anordnen kann.

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I. LOHNFORTZAHLUNG

Kann ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmenden aufgrund eines Cyberangriffs keine Arbeit anbieten, liegt ein sogenannter Arbeitgeberverzug vor. Nach Art. 324 OR ist der Arbeitgeber zur Entrichtung des Lohnes weiterhin verpflichtet, wenn die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden kann oder er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät. Die Arbeitnehmenden haben somit weiterhin Anspruch auf ihren Lohn, auch wenn der Arbeitgeber kein Verschulden trifft (z.B. indem letzterer technische und organisatorische Massnahmen ergriffen hat, um die Daten zu schützen). Darüber hinaus können Arbeitnehmende nach überwiegender Lehrmeinung nicht verpflichtet werden, die Arbeitsleistung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Dahingegen müssen Arbeitnehmende sich anrechnen lassen, was sie in der Zeit des Arbeitgeberverzugs eingespart bzw. hätten einsparen können oder was sie anderweitig verdient haben oder hätten verdienen können.

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II. NACHARBEIT OHNE GESONDERTE ENTSCHÄDIGUNG (EXKURS ZU EINER VEREINZELT ANZUTREFFENDEN LEHRMEINUNG)

In der Literatur wird vereinzelt die Lehrmeinung vertreten, dass Arbeitnehmende in Fällen «höherer Gewalt» zu einem entschädigungslosen Nacharbeiten der Minusstunden angehalten werden können sollen, weil den Arbeitgebern am Arbeitgeberzug kein Verschulden treffe. Nach dieser Lehrmeinung wären die nach der Wiederaufschaltung der IT-Systeme anfallenden Mehrstunden nicht zu entschädigen; und zwar im Umfang der nicht geleisteten Stunden während des Ausfalls. Dies natürlich unter der Bedingung, dass der Lohn während des Ausfalls weiterhin bezahlt wurde. Ob diese Meinung einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde, wird (stark) bezweifelt. Schliessen sich Arbeitgeber dieser Meinung an, gehen sie ein imminentes Risiko der Rückforderung durch ihre Arbeitnehmenden ein. Je nach Dauer des IT-Ausfalls (und damit je nach Volumen der potentiellen Rückforderung) könnte dies für das Unternehmen existentiell werden.

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III. ÜBERSTUNDENKOMPENSATION

Aus den oben gemachten Ausführung ergibt sich, dass während eines Cyberangriffs Lohn geschuldet ist. Um den finanziellen Schaden möglichst gering zu halten, stellt sich daher die Frage, ob während dieser Zeit gegenüber den Arbeitnehmenden die Kompensation von Überstunden angeordnet werden kann. Grundsätzlich setzt die Kompensation von Überstunden durch Freizeit die (stillschweigende) Zustimmung von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden voraus. Allerdings kann dem Arbeitgeber vertraglich das Recht eingeräumt werden, Kompensation einseitig anzuordnen, z.B. mit entsprechender Regelung im Arbeitsvertrag oder Personalreglement. Ohne Regelung beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit danach, ob die Arbeitnehmenden von der gewonnenen Freizeit noch sinnvoll Gebrauch machen können. Dies wird auch bei kurzfristigen Anordnungen regelmässig der Fall sein, weil beim Überstundenbezug (anders als bei Ferien, dazu nachfolgend) kein Anspruch darauf besteht, die Gestaltung der Freizeit vorab langfristig zu planen.

Wenn einzelne Mitarbeiter etwa ein Jahreszeitarbeitsmodell haben, liesse sich gegebenenfalls gar die Anordnung von Minusstunden rechtfertigen, welche dann durch Mehrarbeit zu kompensieren wäre, sobald die IT wieder funktioniert. Das wäre insbesondere dann (sofern im zumutbaren Mass) der Fall, wenn sich die Lage der Jahresarbeitszeit vertraglich explizit auch nach den betrieblichen Bedürfnissen richtet.

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IV. FERIENBEZUG

Der Zeitpunkt der Ferien bestimmt grundsätzlich der Arbeitgeber, wobei er aber auf die Interessen seiner Arbeitnehmenden Rücksicht zu nehmen hat. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmenden zur zeitlichen Lage anzuhören und auf deren Wünsche möglichst Rücksicht zu nehmen. In der Praxis hat sich eine Mindestankündigungsfrist der Ferienanordnung von drei Monaten etabliert, da den Arbeitnehmenden im Regelfall eine ausreichende Vorlaufzeit zur Planung der Ferien zu gewähren ist. Dies insbesondere deshalb, weil Ferien explizit einen Erholungscharakter haben müssen. Die Ferienanordnung von einem Tag auf den anderen wird dem Anspruch auf frühzeitige Anordnung kaum gerecht. Schliesslich wird bereits eine Ferienanordnung 14 Tage vor Ferienbeginn in der Lehre als zu kurzfristig erachtet. Anders liesse sich die Sachlage allenfalls dann beurteilen, wenn es dem Arbeitgeber gelingen würde, höherwertige Interessen des Betriebes auf Schadensabwendung gegenüber jenen Interessen des Arbeitnehmers auf frühzeitige Ferienplanung geltend zu machen, wenn der betroffene Arbeitnehmer einen Berg von angehäuften Ferien vor sich herschiebt. Schlussendlich wurde die Frage noch nicht höchstrichterlich beurteilt, weshalb u.E. von der Kompensation von Ferienguthaben abgesehen werden sollte. In der Praxis wird somit auf die Kooperationsbereitschaft der eigenen Arbeitnehmenden zu hoffen sein.

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V. FAZIT

Um den finanziellen Schaden eines Cyberangriffes möglichst gering zu halten, kann der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmenden für den Zeitraum, in welchem infolge des Angriffes keine Arbeit geleistet werden kann, die Kompensation von Überstunden anordnen. Idealerweise, befindet sich bereits im Arbeitsvertrag oder im Personalreglement eine entsprechende Regelung zur einseitigen Anordnung von Überstundenkompensation. Ist dies nicht der Fall, dürfte die kurzfristige Kompensationsanordnung in Ausnahmesituationen, wie einem Cyberangriff, aber dennoch zulässig sein. Auf eine einseitige und kurzfristige Ferienanordnung sollte hingegen verzichtet werden, da eine solche u.E. aus rechtlicher Sicht nicht zulässig ist.


10. Oktober 2022 / Dr. iur. Stephan Fröhlich unter Mithilfe von MLaw Daniela Bächli


ALLGEMEINE ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN – WORAUF ICH ALS ARBEITGEBER ACHTEN MUSS

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt

Oft wird in der Arbeitswelt ein detaillierter Arbeitsvertrag inklusive ausführlichen Anstellungsbedingungen noch immer als Misstrauensvotum gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei erachtet. Leider mündet die an sich pragmatische Einstellung „Der einfache Handschlag muss genügen” nur zu oft in äusserst unübersichtlichen Rechtsstreitigkeiten. Das müsste nicht sein und es lässt sich durchaus auch argumentieren, dass ein detaillierter Vertrag in Wahrheit vielmehr von Offenheit und Transparenz gegenüber dem Vertragspartner zeugt, weil die Karten damit vollständig und vorbehaltlos auf den Tisch gelegt werden. Eine solch transparente Vertragsausgestaltung lässt sich in der Regel am besten mit der Einführung allgemeiner Anstellungsbedingungen verwirklichen. Diese erlauben es dem Arbeitgeber, die einzelnen Arbeitsverträge schlank zu halten und dennoch sämtliche wichtigen Regeln für alle Angestellten einheitlich und verbindlich zu normieren. Dieser Newsletter soll aufzeigen, was der Arbeitgeber in Allgemeinen Anstellungsbedingungen regeln kann und was es bei der Einführung und Änderung solcher Anstellungsbedingungen zu beachten gibt.

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I. RECHTSNATUR VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN UND ABGRENZUNG ZUM WEISUNGSRECHT

Im schweizerischen Arbeitsrecht besteht keine besondere gesetzliche Reglung für Allgemeine Anstellungsbedingungen und damit auch keine formell zwingende Bezeichnung derselben. In der Praxis werden Allgemeine Anstellungsbedingungen häufig auch als Personal- oder Firmenreglement, Personalhandbuch, Dienstordnung oder Allgemeine Arbeitsbedingungen bezeichnet. Rechtsprechung und Rechtslehre erachten deren Einführung gestützt auf die Vertrags- und Formfreiheit ohne weiteres als zulässig.

Allgemeine Anstellungsbedingungen sind somit vertraglicher Natur und bilden Teil des Arbeitsvertrags. Wo die Allgemeinen Anstellungsbedingungen Regelungen enthalten, welche im Widerspruch zum konkreten Einzelarbeitsvertrag eines Mitarbeiters stehen, geht der Arbeitsvertrag vor. Die vertragliche Natur der Allgemeinen Anstellungsbedingungen bringt auch mit sich, dass diese nur einvernehmlich eingeführt und auch nur durch Zustimmung beider Parteien angepasst oder aufgehoben werden können; einseitige Anpassungen durch den Arbeitgeber sind damit in aller Regel ausgeschlossen.

Davon ausgenommen und abzugrenzen sind Reglemente, welche lediglich das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach Art. 321d OR konkretisieren (vgl. hierzu auch den Newsletter Weisungsrecht des Arbeitgebers – Wo liegen die Grenzen meines Weisungsrechts). Aber aufgepasst! Wer blosse Weisungen mittels Reglement konkretisiert, sollte dieses Reglement danach nicht als festen Bestandteil des Einzelarbeitsvertrages bezeichnen, da die Weisungen dadurch schnell zum zweiseitig verbindlich erklärten Vertragsinhalt werden, obschon sie ohne diesen Verweis durch den Arbeitgeber jederzeit einseitig abänderbar wären. Es empfiehlt sich deshalb auch sehr, blosse Weisungen nicht mit den zwingend zweiseitig zu regelnden Inhalten in den allgemeinen Anstellungsbedingungen zu vermischen sondern hierfür ein gesondertes Reglement abzufassen.

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II. MÖGLICHER INHALT VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

Aufgrund der vorerwähnten Vertragsfreiheit können die Parteien den Inhalt ihrer Allgemeinen Anstellungsbedingungen grundsätzlich frei bestimmen, wobei in der Praxis regelmässig der Arbeitgeber die Anstellungsbedingungen ausarbeiten und festlegen wird. In der Regel enthalten Allgemeine Anstellungsbedingungen namentlich unter anderem Bestimmungen über den Beginn und die Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmenden, die Arbeitszeit, den Lohn, die Spesen sowie die Ferien. Der konkrete Inhalt variiert hier natürlich nach den jeweiligen Ansprüchen von Unternehmen zu Unternehmen.

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III. FORM DER ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

Klar ist ganz grundsätzlich, dass arbeitsvertragliche Regelungen stets schriftlich vereinbart werden sollen, auch wenn die in Art. 320 Abs. 1 OR normierte Vertragsfreiheit selbstverständlich oft auch mündliche Absprachen erlauben würde. Komplexer und damit auch fehleranfälliger wird die Ausarbeitung von Allgemeinen Anstellungsbedingungen aber dort, wo das Obligationenrecht für bestimmte Regelungsbereiche ausdrücklich die Einhaltung der Schriftform voraussetzt. Dies gilt beispielsweise für Konkurrenzverbote nach Art. 340 Abs. 1 OR, vom Gesetz abweichende Kündigungsfristen nach Art. 335c Abs. 2 OR und Überstundenklauseln gemäss Art. 321c Abs. 3 OR. In diesen Fällen ist die Einhaltung der Schriftform Voraussetzung für die Verbindlichkeit dieser Regelungen. Ist die Schriftform nicht eingehalten, ist die entsprechende Vereinbarung unwirksam. Was nun oft vergessen geht: Schriftform bedeutet nicht nur die Niederlegung der Vereinbarung in einem Schriftstück sondern gleichzeitig auch die rechtsgültige Unterzeichnung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

In der Praxis führt das immer wieder zur Streitfrage, ob das Schriftformerfordernis auch dann erfüllt ist, wenn eine schriftformbedürftige Abrede lediglich in global übernommen Allgemeinen Anstellungsbedingungen aufgeführt wird und nicht im handschriftlich unterzeichneten Arbeitsvertrag selbst. Die Frage ist umstritten und nur in einzelnen Fällen auch wirklich höchstrichterlich beantwortet. Im Falle von Vereinbarungen zum Umgang mit Überstunden erachtete es das Bundesgericht etwa nicht als notwendig, dass die formbedürftigen Bestimmungen im Arbeitsvertrag selbst enthalten sein müssen. Gemäss dieser Rechtsprechung genügt es, wenn die fragliche Klausel in den Allgemeinen Anstellungsbedingungen enthalten ist und im von den Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag darauf verwiesen wird. Diese Rechtsprechung kann indes nicht unbesehen auf sämtliche Fragestellungen übernommen werden, wie die nachstehenden Ausführungen zweigen.

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IV. EINFÜHRUNG VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

1) KENNTNISNAHME DURCH DEN ARBEITNEHMER

In der Regel werden allgemeine Anstellungsbedingungen durch eine sogenannte Globalübernahme vertraglich eingeführt. Eine typische Formulierung lautet: «Die beiliegenden Allgemeinen Anstellungsbedingungen bilden integrierenden Bestandteil des Arbeitsvertrages». Bei einer solchen Globalübernahme sind die Allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Arbeitnehmenden verbindlich, wenn sie vom Vertragskonsens der Parteien erfasst sind und die Arbeitnehmenden Gelegenheit hatten, sich in zumutbarer Weise Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen. Für die Frage, ob Arbeitnehmende Kenntnis vom Inhalt der Allgemeinen Anstellungsbedingungen nehmen konnten, ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Es empfiehlt sich daher, die Allgemeinen Anstellungsbedingungen im Vorfeld des Vertragsabschlusses den einzelnen Arbeitnehmenden jeweils physisch zu übergeben, beispielsweise im Rahmen der Zustellung der Vertragsdokumente zur Gegenzeichnung. Bereits kritisch kann die Übergabe der Allgemeinen Anstellungsbedingungen erst anlässlich der gemeinsamen Vertragsunterzeichnung sein. Dasselbe gilt, wenn die Allgemeinen Anstellungsbedingungen gar nicht physisch abgegeben werden, sondern den Arbeitnehmenden nur die Möglichkeit verschafft wird, diese beim Arbeitgeber einzusehen, beispielsweise am schwarzen Brett. Ungenügend ist schliesslich die Übergabe der Allgemeinen Anstellungsbedingungen erst nach erfolgtem Vertragsschluss.  

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2) PROBLEMFELD UNGEWÖHNLICHKEITSREGEL / KLAUSELN ZUM NACHTEIL DES ARBEITNEHMERS

Problematisch sind Allgemeine Anstellungsbedingungen auch dann, wenn sie einseitige Klauseln zum Nachteil der geschäftlich unerfahrenen Vertragspartei enthalten und mittels Globalübernahme zum Bestandteil des Arbeitsvertrags werden sollen. In diesen Fällen kommt die heute von der Praxis des Bundesgerichts und Lehre anerkannte Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung. Nach der Ungewöhnlichkeitsregel muss der lediglich global zustimmende Arbeitnehmende Klauseln nicht gegen sich gelten lassen, welche sich einseitig zu seinem Nachteil auswirken, wenn er nach dem Vertrauensprinzip nicht mit einer solchen Klausel rechnen musste. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn die in Frage stehende ungewöhnliche Klausel mit dem Arbeitnehmenden besprochen wurde oder der Arbeitnehmende vor der Unterzeichnung des Vertrags besonders auf die entsprechende Klausel hingewiesen wurde. In der Praxis ist es jedoch oft schwierig zu beweisen, ob ein Arbeitnehmender auf die ungewöhnliche Klausel besonders aufmerksam gemacht wurde bzw. ob diese vorgängig mit ihm besprochen wurde. Nach der Ungewöhnlichkeitsregel sind somit sogenannte ungewöhnliche Klauseln idealer Weise stets in den einzelnen Arbeitsvertrag aufzunehmen.  

Für Arbeitgeber stellt sich somit die Frage, welche arbeitsrechtlichen Regelungsbereiche als ungewöhnlich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel gelten und somit nicht in Allgemeinen Anstellungsbedingungen enthalten sein sollen, welche mittels Globalübernahme zum Vertragsbestandteil werden. Dabei muss stets eine Wertung der konkreten Umstände vorgenommen werden. Kriterien wie Branchenüblichkeit oder die Stellung des einzelnen Arbeitnehmenden und dessen Geschäftserfahrenheit fliessen in diese Wertung ein. Es kann daher auch keine generelle Aussage gemacht werden, welche Regelungen als ungewöhnlich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel beurteilt werden. In der Regel als ungewöhnlich gelten aber insbesondere Konkurrenzverbote nach Art. 340 Abs. 1 OR, Überstundenklauseln nach 321c Abs. 3 OR oder Erfinder- bzw. Designerklauseln nach Art. 332 Abs. 2 OR.

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V. ABÄNDERUNG VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

Für die Abänderung von allgemeinen Anstellungsbedingungen ist entscheidend, ob in den einzelnen Arbeitsverträgen festgehalten wurde, dass die jeweils aktuellen Allgemeinen Anstellungsbedingungen gelten sollen oder nicht. Mit der Formulierung «Die Allgemeinen Anstellungsbedingungen vom 1. Januar 2021 gelten als Vertragsbestandteil» handelt es sich um eine sogenannt statische Übernahme, bei welcher nur eben diese Allgemeinen Anstellungsbedingungen in der Form vom 1. Januar 2021 zum Vertragsbestandteil werden. Damit werden die Allgemeinen Anstellungsbedingungen zum zweiseitigen Vertrag und können nicht mehr einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden. Schweigt sich der Vertrag darüber aus, ob ein statischer Verweis oder ein Verweis auf die aktuell gültigen Allgemeinen Anstellungsbedingungen vorliegt, ist ebenfalls von einem statischen Verweis auszugehen.

Sofern die allgemeinen Anstellungsbedingungen für alle Arbeitnehmenden abgeändert werden sollten, braucht es somit grundsätzlich auch die Zustimmung sämtlicher Arbeitnehmender, für welche die Allgemeinen Anstellungsbedingungen Geltung haben sollen. Eine einvernehmliche Änderung ist dabei aber jederzeit möglich und es ist anzuraten, den Arbeitnehmenden eine schriftliche Erhalts- und Zustimmungserklärung zur Unterzeichnung vorzulegen. Einseitig können statistisch übernommene Allgemeine Anstellungsbedingungen hingegen nur durch eine Änderungskündigung abgeändert werden. Dabei ist Vorsicht geboten, da von einer solchen Änderungskündigung in der Regel eine Vielzahl von Arbeitnehmenden betroffen ist und unter Umständen die Bestimmungen über die Massenentlassung nach Art. 335d ff. OR berücksichtigt werden müssen.  

Sofern im Einzelarbeitsvertrag ein dynamischer Verweis auf die Allgemeinen Anstellungsbedingungen vereinbart wurde und damit die jeweils gültigen Anstellungsbedingungen Vertragsbestandteil des Arbeitsvertrages bilden, können diese in der Regel vom Arbeitgeber auch einseitig abgeändert werden. Doch auch bei dynamischen Übernahmen Allgemeiner Anstellungsbedingungen, kann der Arbeitgeber nicht sämtliche Regelungen einseitig abändern. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass die Arbeitnehmenden als schwächere Vertragsparteien zu schützen sind. Denn Arbeitnehmende können Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen nicht vorgängig pauschal annehmen. Das Bundesgericht hat entsprechend auch festgehalten, dass beispielsweise der Lohn eines Arbeitnehmenden nicht einseitig herabgesetzt werden könne, ohne dass dieser einverstanden ist oder eine Vertragsklausel dies erlaubt. Eine wesentliche Verschlechterung der Bedingungen erfordert deshalb stets die Zustimmung der Arbeitnehmenden und hier stossen auch dynamische Verweise in Allgemeinen Anstellungsbedingungen oft an ihre Grenzen.

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VI. FAZIT

Die Einführung von Allgemeinen Anstellungsbedingungen erlaubt es Arbeitgebern, die einzelnen Arbeitsverträge schlank zu halten und dennoch sämtliche wichtigen Regelungen für die einzelnen Arbeitsverhältnisse schriftlich festzuhalten. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelungen und des Fehlens von allgemein anwendbaren Mustern kann es durchaus empfehlenswert sein, in die Ausarbeitung von umfassenden, transparenten und den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Allgemeinen Anstellungsbedingungen zu investieren. Die Einführung ausgewogener und lückenloser Vertragswerke verkürzt in der Regel nicht nur den administrativen Prozess sondern führt auch zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit zwischen den Vertragsparteien. Die Erfahrung zeigt, dass sich dadurch spätere Rechtsstreitigkeiten vermeiden lassen, die in der Regel weit kostspieliger ausfallen als die Investition in ein solides Vertragswerk.


24. März 2021 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DIE ARBEITGEBERKÜNDIGUNG UND IHRE TÜCKEN

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt

Sieht sich der Arbeitgeber zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gezwungen, so lässt sich das kurz und bündig in einem einzigen Satz mitteilen. Nur zu oft unterschätzt werden aber die Begleiterscheinungen, welche selbst mit einer ganz normalen Arbeitgeberkündigung einhergehen. Wer sich von einem Mitarbeiter trennen muss, ist gut beraten, bezüglich der hiernach beschriebenen Punkte von Anfang an die richtigen Weichen zu stellen, damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt möglichst reibungslos abläuft. Das dient dem eigenen Schutz und ist letztlich auch im Interesse des betroffenen Arbeitnehmers. Widmen wir uns also den Stolpersteinen, welche in der arbeitsrechtlichen Beratung von Unternehmern immer wieder eine Rolle spielen:

I. STOLPERSTEIN FRISTLOSE KÜNDIGUNG

Allgemein bekannt dürfte sein, dass die fristlose Kündigung nur in Ausnahmefällen ausgesprochen werden darf und auch aus unternehmerischer Sicht nur dort sinnvoll ist, wo eine ordentliche Kündigung mit anschliessender Freistellung als Reaktion auf ein Fehlverhalten schlicht unangemessen erscheint. Zurückhaltung ist hier nur schon deshalb geboten, weil die fristlose Kündigung in einer Vielzahl der Fälle ein aufwändiges arbeitsgerichtliches Verfahren nach sich zieht, welches die finanzielle Belastung einer ordentlichen Kündigung mit Freistellung oft bei weitem übersteigt. Die fristlose Kündigung wurde bereits in einem separaten Artikel besprochen und steht daher nicht im Fokus der vorliegenden Publikation.

II. STOLPERSTEIN MISSBRÄUCHLICHE KÜNDIGUNG

Aber auch eine sachlich an sich gut begründbare
ordentliche Kündigung kann dem Arbeitgeber durchaus Kopfschmerzen bereiten,
wenn sie in einer ungünstigen Sachverhaltskonstellation ausgesprochen werden
muss. Selbst ein umsichtiger Arbeitgeber kann über Konstellationen stolpern, in
denen einer an sich sachlich erwogenen Kündigung später der Anschein der
Missbräuchlichkeit anhaftet. Zum einen kann das dort der Fall sein, wo der
Arbeitnehmer kurz vor der Kündigung (zu Recht oder zu Unrecht) Forderungen aus
dem Arbeitsvertrag geltend gemacht hat. Hier ist man besonders gut beraten, die
Vorgänge vor der Kündigung sauber zu dokumentieren, damit später auch die
Umstände bewiesen werden können, welche tatsächlich zur Kündigung geführt
haben. Es empfiehlt sich, das genaue Vorgehen und die saubere Redaktion der
Kündigungsbegründung mit einer fachkundigen Person zu beraten.

Besonders unerwartet – weil nicht explizit im Gesetz verankert – sind für viele Arbeitgeber die Folgen der sogenannten Konflikt- oder Alterskündigung. Es kommt immer wieder vor, dass die Situation zwischen zwei Mitarbeitern zwischenmenschlich derart verfahren ist, dass an produktive Teamarbeit nicht mehr zu denken ist und sich das Klima im Betrieb nachhaltig verschlechtert. Hier sieht sich der Arbeitgeber oft gezwungen, eine Konfliktsituation zwischen zwei Arbeitnehmern durch Kündigung eines der Beteiligten aufzulösen. Wird diese Massnahme unausweichlich, so auferlegt ihm die Rechtsprechung (quasi in Weiterentwicklung des eigentlichen Gesetzeswortlauts) eine besondere Fürsorgepflicht und verlangt ihm dabei einiges Fingerspitzengefühl ab. Bemüht sich der Arbeitgeber vor Aussprechen einer Kündigung nämlich nicht oder ungenügend um die eigentliche Lösung des Konflikts zwischen den Mitarbeitern, so kommt er seiner Fürsorgepflicht nach Ansicht des Bundesgerichts nicht hinreichend nach, weshalb sich eine aufgrund dieses Konflikts ausgesprochene Kündigung als missbräuchlich erweisen kann (BGer, Urteil 4A_430/2010 vom 15.11.2010). Je älter der betroffene Mitarbeiter ist, desto höhere Anforderungen setzen die Gerichte an die Bemühungen des Arbeitgebers, ehe er sich zur Kündigung entscheiden darf. Welche Massnahmen im Vorfeld einer Kündigung zu treffen und wie diese zu dokumentieren sind, ist vom Einzelfall abhängig und idealerweise mit einer Fachperson zu erörtern.

III. STOLPERSTEIN KÜNDIGUNGSBEGRÜNDUNG

In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist auch, dass viele Arbeitgeber fälschlicherweise davon ausgehen, im Kündigungszeitpunkt zwingend auch eine schriftliche Kündigungsbegründung abgeben zu müssen. Nicht selten führt das in der Hitze des Gefechtes zu missverständlichen Formulierungen, die vor Gericht die Vermutung einer Missbräuchlichkeit weiter befeuern. Weil Art. 335 Abs. 2 OR die schriftliche Kündigungsbegründung nur verlangt, soweit eine solche vom Arbeitnehmer auch verlangt wird, besteht zu dieser Eile überhaupt kein Grund. Vielmehr hat der Arbeitgeber das Recht, sich für die Kündigungsbegründung einige wenige Tage Zeit zu lassen und seine Worte sachlich und frei von missverständlichen Formulierungen zu Papier zu bringen.

IV. STOLPERSTEIN KRANKHEIT IN DER KÜNDIGUNGSFRIST

Es gehört zu den häufigen Beobachtungen
eines Arbeitsrechtlers, dass auf die Arbeitgeberkündigung in vielen Fällen eine
ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers folgt. Eine Kündigung
kann für den Arbeitnehmer unbestrittenermassen einen Stressmoment darstellen
und ist in vielen Fällen wohl auch der Höhepunkt einer belastenden
Vorgeschichte. Es kann daher sicher nicht pauschal angenommen werde, jede am
Kündigungstag auftretende Arbeitsunfähigkeit sei bloss vorgetäuscht. Es wäre zugegebenermassen
aber auch naiv anzunehmen, alle am Tag der Kündigung auftretenden
Arbeitsunfähigkeiten seien medizinisch fundiert begründbar. Ganz unabhängig
davon stellt sich für den Arbeitgeber regelmässig die Frage, wie er auf eine
solche Arbeitsunfähigkeit in der Kündigungsfrist reagieren soll. Ohnmacht und
Ärger ob der Situation verleiten viele Arbeitgeber dazu, umgehend Massnahmen zu
ergreifen. In der Hitze des Gefechts wird der Verdacht, das Arztzeugnis könnte
erschlichen sein, oft zur Gewissheit erhoben und umgehend der
Taggeldversicherung weitergeleitet. Das Wort des Arbeitgebers hat dort grosses
Gewicht, ist er doch – im Gegensatz zum Versicherer – direkt vor Ort und kennt
den Arbeitnehmer persönlich. Folge davon ist oft ein administratives und juristisches
Nachspiel, wie es sich der Arbeitgeber nie hätte träumen lassen. Der
Versicherer wird naturgemäss umgehend Vorbehalte bezüglich der eigenen
Leistungspflicht anbringen und die Leistung aufgrund der klaren Mitteilung des
Arbeitgebers vorerst verweigern. In der Regel erfolgt dann – früher als sonst –
eine vertrauensärztliche Begutachtung. Handelt es sich um ein medizinisch
schwer fassbares Krankheitsbild, so kann diese Begutachtung dazu führen, dass der
Versicherer die Leistung, auch gestützt auf die vom Arbeitgeber geschürten
Zweifel, vorsorglich verweigert. Den unter Umständen fundierten Arztzeugnissen
des Arbeitnehmers wird dann unter Verweis auf die bei ihm liegende Beweislast nicht
selten der Beweiswert abgesprochen und er wird zum Beweis seiner Erkrankung auf
ein langwieriges Gerichtsverfahren verwiesen. Je nach vertraglicher Ausgestaltung
der Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit gerät dann auch der Arbeitgeber
wieder in den Fokus der gerichtlichen Auseinandersetzung, ob nun eine Krankheit
vorlag oder nicht. Unannehmlichkeiten, die sich der Kläger bei einem
bedachteren Vorgehen wohl erspart hätte. Darum prüfe im eigenen Interesse
genau, wer den Arbeitnehmer voreilig und ohne konkrete Anhaltspunkte der
Erschleichung eines Arztzeugnisses bezichtigt.

V. STOLPERSTEIN FREISTELLUNG

In vielen Fällen drängt sich nach erfolgter
Arbeitgeberkündigung eine Freistellung des Arbeitnehmers während der
verbleibenden Kündigungsfrist auf. Breites Allgemeinwissen dürfte sein, dass im
Falle der Freistellung in der Regel vorsorglich auch der Bezug von Überstunden
und Ferien angeordnet werden sollte, andernfalls die Pflicht zur Auszahlung
derselben zum Ende des Arbeitsverhältnisses drohen kann. Ob mit der
Freistellung dann wirklich das volle Ferien- und Überstundenguthaben als bezogen
angesehen werden kann, hängt von diversen Faktoren ab (Dauer der Kündigungsfrist,
Situation auf dem Stellenmarkt, Erkrankung des Arbeitnehmers etc.).

Weniger bekannt ist eine Problematik, die sich daraus ergibt, dass die Freistellung oft vorbehaltlos ausgesprochen wird, sodass auf diese Freistellung meist auch nicht ohne weiteres zurückgekommen werden kann. Das birgt Tücken, die vermieden werden können. Wird nämlich der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase länger krank, so verweigern die Taggeldversicherungen neuerdings immer öfter die Taggeldleistung. Zur Begründung führen sie an, der Arbeitnehmer sei ohnehin freigestellt und damit von der Arbeitsleistung befreit worden. Daher könne die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auch nicht zu einer Verhinderung an der Arbeitsleistung führen, was aber Voraussetzung für die Ausrichtung von Krankentaggeldern wäre. Entsprechend sei auch während der Krankheit weiterhin der sogenannte Freistellungslohn zu entrichten; und zwar vom Arbeitgeber. Diese Ansicht ist in der juristischen Lehre umstritten und von den Gerichten soweit ersichtlich noch nicht abschliessend entschieden. Wer als Arbeitgeber also auf der sicheren Seite sein will, der sollte die Freistellung zumindest zeitlich bis zu dem Datum befristen, in dem das Arbeitsverhältnis ohne Krankheit enden würde und sich ggf. auch den Widerruf der Freistellung vorbehalten. Welche Variante sinnvoller ist (oder ob eine Kombination der beiden), hängt einerseits davon ab, wie lange das Arbeitsverhältnis durch auftretende Sperrfristen bei Krankheit überhaupt verlängert werden könnte und ob Ferien- und Überzeit kompensiert werden sollen oder nicht. Wer jederzeit mit einem Widerruf der Freistellung rechnen muss, der wird naturgemäss sehr eingeschränkt Ferien planen können.

VI. STOLPERSTEIN RÜCKZAHLUNGSVEREINBARUNGEN UND KONKURRENZVERBOT

Gelegentlich vergessen geht, dass mit einer
Arbeitgeberkündigung sowohl ein allfälliges Konkurrenzverbot als auch eine
Rückzahlungsvereinbarung über vom Arbeitgeber vorgeschossene
Weiterbildungskosten gänzlich verfallen. Diese Regelung ist im Falle des
Konkurrenzverbotes in Art. 340c Abs. 2 OR festgehalten und wird von der
Rechtsprechung auf Rückzahlungsverpflichtungen analog angewandt.
Konkurrenzverbot und Rückzahlungsvereinbarung bleiben nach der
Arbeitgeberkündigung nur dann verbindlich, wenn der Arbeitgeber einen
begründeten Anlass zur Kündigung hatte. Der Nachweis dafür, dass der
Arbeitnehmer einen Grund für die Kündigung gesetzt hat, ist vom Arbeitgeber zu
beweisen. Wer also seiner Rechte aus dem Konkurrenzverbot oder der
Weiterbildungsvereinbarung nicht verlustig gehen will, der sollte die
Kündigungsgründe vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gut dokumentieren.

VII. STOLPERSTEIN UNTERSCHRIFTSBERECHTIGUNG

Grundsätzlich ist die Arbeitgeberkündigung
formlos gültig. Viele Arbeitsverträge sehen indes vor, dass die Kündigung schriftlich
zu erfolgen hat. Übersehen wird in diesen Fällen oft, dass die unterzeichneten
Personen über eine im Handelsregister eingetragene Unterschriftsberechtigung verfügen
müssen. Wird die Kündigung von einer Person unterzeichnet, die nur zur
Kollektivunterschrift berechtigt wäre, so entfaltet diese Kündigung keine
Wirkung. Die spätere Genehmigung der Kündigung durch eine weitere
zeichnungsberechtigte Person kann diesen Mangel zwar unter Umständen heilen;
die Kündigung entfaltet gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Regel
aber erst ab dem Zeitpunkt dieser Genehmigung ihre Wirkung, sodass damit unter
Umständen ein späterer Kündigungstermin einhergeht (BGE 128 III 129). In einem noch strengeren
Entscheid hat das Bundesgericht eine Genehmigung gar ausgeschlossen, sodass es
in jedem Fall ratsam ist, die Bekräftigung der ursprünglichen Kündigung selbst
auch rechtsgenüglich durch zwei unterschriftsberechtigte Vertreter
unterzeichnen zu lassen.

VIII. STOLPERSTEIN INFORMATION ÜBER DIE VERSICHERUNGSRECHTLICHEN FOLGEN DER KÜNDIGUNG

Vielen Arbeitgebern unbekannt ist, dass sie gegenüber dem gekündigten Arbeitnehmer eine Informationspflicht bezüglich der versicherungsrechtlichen Folgen haben, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sich bringt. Zwingend zu informieren ist der Arbeitnehmer darüber, dass er ab dem 30. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört, nicht mehr gegen Unfall versichert ist (i.d.R. also 30 Tage nach Ende des Arbeitsverhältnisses), und dass mit Abschluss einer Abredeversicherung innert dieser Frist die Möglichkeit besteht, die Nichtberufsunfallversicherung für eine Dauer von bis zu 180 Tagen auf eigene Kosten zu verlängern. Weiter ist der Arbeitnehmer über den Wegfall der Krankentaggeldversicherung zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu informieren. Besteht sodann die Möglichkeit des Übertritts in eine Einzeltaggeldversicherung, so ist auch über diese Übertrittsmodalitäten- und Fristen zu informieren, weil die Taggeldversicherung diese gesetzliche Informationspflicht in aller Regel vertraglich auf den Arbeitgeber überbindet. Unterlässt der Arbeitgeber diese Information und entgehen dem Arbeitnehmer dadurch Versicherungsleistungen, so kann der Arbeitgeber unter Umständen mit empfindlichen Schadenersatzforderungen konfrontiert werden.

IX. WEITERE STOLPERSTEINE IM KURZÜBERBLICK

Besondere gesetzliche Anforderungen an die ordentliche Kündigung ergeben sich sodann im Falle einer Massenentlassung oder eines Betriebsüberganges. Eingehende Ausführungen hierzu würden den Rahmen der vorliegenden Publikation sprengen, und es empfiehlt sich, im Vorfeld solcher Vorhaben fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen.

X. STOLPERSTEINE MITTELS AUFHEBUNGSVEREINBARUNG UMGEHEN?

Viele Arbeitnehmer bevorzugen zur Regelung
bzw. Umgehung der vorstehenden Problempunkte zu Recht den Abschluss einer
Aufhebungsvereinbarung. Eine fachkundig aufgesetzte Aufhebungsvereinbarung kann
selbstverständlich viel Ärger, Zeit und Geld sparen. Zu beachten ist dabei
aber, dass die Redaktion einer solchen Vereinbarung auch einiger Rechtskenntnis
bedarf, um später ein böses Erwachen zu vermeiden. Weil es eine Reihe von
Ansprüchen gibt, auf die der Arbeitnehmer während des laufenden
Arbeitsverhältnisses gar nicht verzichten kann, ist eine solche Vereinbarung für
diesen nämlich nur dann auch tatsächlich bindend, wenn es sich dabei um einen
sog. echten Vergleich handelt, mit dem der Arbeitnehmer nicht übervorteilt
wird.

XI. FAZIT

Eine Arbeitgeberkündigung fällt dem verantwortungsbewussten Unternehmer in aller Regel von vorne herein nicht leicht. Um zu vermeiden, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zum Beginn eines kostenintensiven und nervenaufreibenden Rechtsstreits wird, empfiehlt sich im Zweifel vorab eine vergleichsweise kostengünstige Vorgehensberatung beim Spezialisten.


10. März 2020 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DAS VERSAGEN DER LINEAREN ARBEITSZEITERFASSUNG IN EIGENTLICHEN TEILZEITARBEITSVERHÄLTNISSEN: DER KRANKHEITSFALL

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt

Die lineare Arbeitszeiterfassung führt in vielen Unternehmen zu Fragen,
Unklarheiten und, nicht zuletzt, zur Unzufriedenheit der Arbeitnehmerschaft.
Vor diesem Hintergrund wird dieses Zeiterfassungsmodell nachstehend einer
kurzen Überprüfung unterzogen und es wird aufgezeigt, wo für den Arbeitgeber
unseres Erachtens dessen Anwendungsbereich bzw. dessen Grenzen liegen.

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I. DIE AUSGANGSLAGE

Das immer öfter anzutreffende Zeiterfassungsmodell der linearen Arbeitszeiterfassung sieht vor, dass die Zeitgutschrift nicht nach der tatsächlich geleisteten Arbeitsdauer an den vereinbarten Arbeitstagen erfolgt, sondern nach dem auf eine 5-Tagewoche entfallenden täglichen arbeitsvertraglichen Pensum. Konkret heisst dies, dass einem zu 50% beschäftigten Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die faktische Lage der Arbeitsleistung jeden Tag (ausgehend von einer 42-Stunden-Woche) 4:12 Stunden angerechnet werden. Wo liegt nun das Problem? Der Stein des Anstosses liegt oft dort, wo dasselbe System bei der Erfassung von krankheitsbedingten Absenzen angewandt wird; und zwar wiederum unabhängig davon, wie viel der Arbeitnehmer an diesen bestimmten Tag tatsächlich gearbeitet hätte. Daraus kann sich etwa die Problematik ergeben, dass einem Arbeitnehmer, der in einem 50%-Pensum beschäftigt ist und an einem Tag krankheitsbedingt ausfällt, an dem er ganztags gearbeitet hätte, im Zeiterfassungssystem nur 4:12 Stunden Arbeitszeit angerechnet werden, obschon er an diesem Tag 8:24 Stunden gearbeitet hätte.

II. DIE PFLICHT DES ARBEITGEBERS ZUR ARBEITSZEITERFASSUNG

Untersteht ein Arbeitsverhältnis dem Arbeitsgesetz, so ist
der Arbeitgeber nach Art. 46 ArG i.V.m. Art. 73 ArgV 1 verpflichtet, die
geleistete Arbeitszeit seiner Angestellten zu erfassen und eine entsprechende
Dokumentation für eine bestimmte Zeitdauer aufzubewahren. Verlangt wird vom
Arbeitgeber grundsätzlich eine möglichst genaue und präzise Zeiterfassung, sodass
eine von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit abweichende Fiktion unseres
Erachtens nur in Ausnahmefälle zur Anwendung kommen darf. Wo mit anderen Worten
ohne weiteres festgestellt werden kann, welche Arbeitszeit auf einen bestimmten
Krankheitstag entfällt, ist diese Arbeitszeit auch gutzuschreiben und nicht
eine davon abweichende fiktive Arbeitszeit. Wie weiter unten aufgezeigt wird,
kann es aber auch einzelne Konstellationen geben, in denen eine solche Fiktion
den bestmöglichen Kompromiss darstellt. Die Unterscheidung ist unseres
Erachtens aufgrund einer differenzierten Betrachtung von eigentlicher bzw.
uneigentlicher Teilzeitarbeit vorzunehmen.

III. LINEAREN ARBEITSZEITERFASSUNG BEI EIGENTLICHER TEILZEITARBEIT

Von«eigentlicher Teilzeitarbeit»spricht man, wenn der reduzierte Einsatz wiederholt aufgrund eines im Voraus festgelegten Arbeitsplans erfolgt,
wobei der Arbeitnehmer nicht notwendigerweise zu denselben Zeiten und
Wochentagen arbeiten muss (vgl. Streiff/von
Kaenel/Rudolf, in: Arbeitsvertrag, 7. Aufl., N 18 zu Art. 319).

Wenn ein Arbeitnehmer in
eigentlicher Teilzeitarbeit krankheitsbedingt für einen ganzen eingeplanten Tag
ausfällt, ist eine Zeitgutschrift von lediglich 4:12 Stunden (aufgrund seines
durchschnittlichen Tagespensums) nach der hier vertretenen Ansicht schwer zu
rechtfertigen. Dies deshalb, weil der Einsatzplan vom Arbeitgeber vorgegeben
wird und deshalb ganz klar ist, dass der Arbeitnehmer an diesem Tag 8:24 Stunden
gearbeitet hätte. Die Fiktion einer durchschnittlichen Tagesarbeitszeit von
4:12 Stunden steht hier im Widerspruch zu den tatsächlichen Gegebenheiten, weil
die Arbeitszeiten vom Arbeitgeber selber festgesetzt wurden und der
Arbeitnehmer davon nicht hätte abweichen dürfen bzw. können, wenn er an dem Tag
gesund gewesen wäre. Weil hier aufgrund des bestehenden Einsatzplanes keine
Zweifel an der für den jeweiligen Tag geschuldeten Arbeitsleistung bzw. der
zeitlichen Lage und Dauer der an dem Tag zu erbringenden Arbeitsleistung
bestehen, lässt sich eine von diesen Arbeitszeiten abweichende Fiktion nur
schwer rechtfertigen.

Würde man die Annahme einer solchen Fiktion erlauben, so würde das auch zur Generierung unverschuldeter Minusstunden führen, welche auf die Krankheit unmittelbar zurückgeführt werden könnten und welche sich früher oder später auch in einer Lohneinbusse niederschlagen würden. Eine Kompensation dieser Minusstunden wäre von vorne herein kaum möglich, weil ja ein vom Arbeitgeber vorgegebener fixer Einsatzplan besteht. Selbst wenn eine Kompensation dieser unverschuldeten Minusstunden ermöglicht würde, so müsste dies durch eine Mehrleistung an Arbeitsstunden geschehen, welche bei Ausbleiben der Krankheit nicht hätten geleistet werden «müssen» oder dann, wenn sie unabhängig davon geleistet worden wären, entschädigungsfähige Überstunden dargestellt hätten. Bei diesem Resultat läuft der Arbeitgeber Gefahr, den Vorgaben von Art. 324a OR nicht gerecht zu werden, wonach dem Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit keine Lohneinbusse entstehen darf, wenn er krankheitshalber an der Arbeitsleistung verhindert ist.

IV. SONDERFALL UNEIGENTLICHE TEILZEITARBEIT

Die Frage der Gesetzeskonformität
der linearen Arbeitszeiterfassung stellt sich aber nicht nur in Bezug auf die
eigentliche, sondern auch auf die uneigentliche Teilzeitarbeit. Diese Art von
Teilzeitarbeit wird nicht aufgrund eines im Voraus festgelegten Einsatzplanes,
sondern auf einseitigen Abruf
durch den Arbeitgeber  hin oder zu einem
im Belieben des Arbeitnehmers stehenden Einsatzzeitpunkt geleistet (vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolf, in: Arbeitsvertrag,
7. Aufl., N 18 zu Art. 319). Dies bedeutet aber noch nicht unbedingt, dass
der Arbeitnehmer in uneigentlicher Teilzeitarbeit unregelmässig arbeitet und somit,
dass eine genaue Bestimmung der Lage und der Dauer der Arbeitsleistung dem
Arbeitgeber nicht zugemutet werden darf. Es entspricht vielmehr der Lebensart
vieler Arbeitnehmer, regelmässig an bestimmten Tagen der Woche zu arbeiten, um an
den übrigen Tagen einer anderen Beschäftigung nachgehen zu können oder um sich beispielsweise
der Familienbetreuung zu widmen. Wenn es dem Arbeitgeber dementsprechend auch
hier möglich ist, die auf einen bestimmten
Krankheitstag entfallende Arbeitszeit zu eruieren, ergeben sich keine
Unterschiede zu den obigen Ausführungen zur eigentlichen Teilzeitarbeit.

Wird die Arbeitsleistung von einem Arbeitnehmer hingegen tatsächlich
unregelmässig geleistet, so stellt die lineare Arbeitszeiterfassung für den
Arbeitgeber eine grosse Erleichterung dar. Krankheitsfälle linear (ausgehend
von einer durchschnittlichen wöchentlichen Soll-Arbeitszeit) gutzuschreiben,
lässt sich in diesen Fällen unseres Erachtens rechtfertigen. Das, weil aufgrund
der Unregelmässigkeit der Arbeitsleistung im Nachhinein kaum mehr bestimmt (und
nötigenfalls auch kaum je bewiesen) werden kann, wie die Arbeitszeit des
Arbeitnehmers an den jeweiligen Krankheitstagen zu liegen gekommen wäre. Angesichts
der Autonomie des Arbeitnehmers, seine Arbeitszeit selbst festzulegen,
erscheint die Fiktion einer 5-Tagewoche im Teilzeitpensum hier
verhältnismässig. In diesem Fall hält die juristische Lehre aber richtiger
Weise fest, dass der Arbeitgeber auch Mehrstunden in Kauf nehmen muss, die nach
diesem System konsequenter Weise entstehen, wenn der Arbeitnehmer an einem
Krankheitstag tatsächlich nicht gearbeitet hätte. Dieser Fall entsteht, wenn
der Arbeitnehmer seine wöchentliche Sollarbeitszeit zu Beginn der Woche schon
geleistet hat und danach für den Rest der Woche krankheitsbedingt ausfällt.

V. FAZIT

Nach der hier vertretenen Auffassung findet die lineare Arbeitszeiterfassung ihre Grenze in den faktischen Gegebenheiten der Arbeitsleistung. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, die Arbeitszeiten seiner Angestellten möglichst genau und präzis zu erfassen. In dieser Hinsicht darf eine Fiktion nur dann angenommen werden, wo es auch Raum für diese gibt, weil die tatsächliche Lage und Dauer der für einen bestimmten Krankheitstag vorgesehenen Arbeitszeit nicht eruiert werden kann. Den Arbeitgebern wird somit empfohlen, sowohl bei der Abfassung von Einzelverträgen als auch bei der Ausarbeitung von Arbeitszeitreglementen den vorbeschriebenen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und die entsprechenden Dokumente im Zweifelsfall einem Fachexperten zur Prüfung zu unterbreiten.


10. März 2020 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DIE RECHTE DES VERMIETERS BEI KONKURS DES MIETERS

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Gabriel Hüni, MLaw

Fällt ein Unternehmen in Konkurs, tritt für dessen Vermieter regelmässig eine prekäre Situation ein: Der Konkurs des Mieters löst den Mietvertrag nicht von Gesetzes wegen auf; der Vertrag hat grundsätzlich weiterhin Bestand. Gleichzeitig ist die Zahlungsunfähigkeit des Mieters mit dem Konkurs unbestritten. Der Vermieter sorgt sich daher zu Recht um seine zukünftigen oder noch ausstehenden Mietzinsforderungen. Das Gesetz stellt dem Vermieter verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, seine finanziellen Interessen zu sichern.

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Um diese Möglichkeiten erfolgreich zu nutzen, muss der Vermieter allerdings präzise und mit Rechtskenntnis vorgehen. Wie der Vermieter seine Ansprüche bestmöglich sichern kann, wird nachfolgend dargestellt.

I. OFFENE MIETZINSFORDERUNGEN BEI KONKURSERÖFFNUNG

Fällt das mietende Unternehmen in Konkurs, nachdem es die Mieträumlichkeiten übernommen hat, empfiehlt es sich für Vermieter, erstmals eine genaue Bestandsaufnahme seiner offenen Forderungen zu erstellen. Dabei ist insbesondere zu unterscheiden zwischen Forderungen, welche vor der Konkurseröffnung entstanden sind, und Forderungen, welche danach entstanden sind bzw. monatlich weiter entstehen werden. Massgebender Stichtag ist hier der Zeitpunkt der Konkurserkenntnis bzw. des rechtskräftigen Konkursdekrets; nicht das Publikationsdatum.

Vor der Konkurseröffnung entstandene Mietzinsforderungen stellen Konkursforderungen dar. Mit anderen Worten müssen die Mietzinsforderungen dem Konkursamt eingegeben werden. Die eingegebenen Forderungen werden aus dem Konkurserlös in einer bestimmten Reihenfolge beglichen: vorab werden aus der Konkursmasse die Masseverbindlichkeiten beglichen sowie die pfandgesicherten Forderungen aus dem Verwertungserlös der Pfänder.

Soweit die vorhandenen Aktiven des Mieters noch reichen, werden danach der Reihe nach die Erst-, Zweitund Drittklasseforderungen beglichen. Erfahrungsgemäss ist die Deckung der Drittklasseforderungen zwischen gering und null. Grundsätzlich gehören offene Mietzinsforderungen des Vermieters jedoch genau in diese letzte Klasse. Eine bessere Kollokation ist aber über das gesetzliche Retentionsrecht des Vermieters an den beweglichen Sachen in den vermieteten Geschäftsräumen sowie über die Sicherung per Mietzinsdepot, möglich.

a. Das gesetzliche Retentionsrecht des Vermieters

Das Mietrecht gibt dem Vermieter von Geschäftsräumen ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen, die sich in den vermieteten Räumen befinden und zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören (Art. 268 OR). Der Vermieter kann diese Sachen mit Hilfe der zuständigen Amtsstelle zurückbehalten, notwendigenfalls mit Hilfe der Polizei zurückholen (Art. 268b) und, falls der Mieter zahlungsunfähig ist und nicht hinreichende Sicherheiten anbietet, nach vorgängiger Benachrichtigung wie ein Faustpfand verwerten. Kein Retentionsrecht besteht allerdings an Sachen, von denen der Vermieter wusste oder wissen musste, dass sie nicht dem Mieter gehören, verloren oder gestohlen wurden oder sonstwie dem rechtmässigen Besitzer abhanden gekommen sind. Ebenfalls vom Retentionsrecht ausgeschlossen sind natürlich auch Gegenstände, welche nicht pfändbar sind (Art. 92 SchKG). Bei der Geschäftsraummiete durch Unternehmen kann hier insbesondere das Kompetenzgut Anlass zu Diskussionen geben.

b. Das Mietzinsdepot

Die verbreitetste Sicherheit für Mietzinsforderungen ist das Mietzinsdepot. Bei der Geschäftsraummiete gelten betreffend Hinterlegung die Vorschriften von Art. 257e Abs. 1 OR (Spar- oder Depotkonto auf den Namen des Vermieters). Die Beschränkung auf maximal drei Monatszinsen gilt hingegen nur für Wohnräume. Entsprechend steht es dem Vermieter frei, die Sicherheitsleistung der konkreten Situation anzupassen. Da die Deckungschancen von offenen Mietzinsforderungen im Konkurs des Mieters generell eher schlecht stehen, und zugleich die Auflösung des Mietvertrags infolge von Fristen einige Zeit in Anspruch nehmen kann, empfiehlt sich in jedem Fall eine angemessene Sicherheitsleistung.

c. Verzugsrechte des Vermieters

Bei Zahlungsrückstand des Mieters kann der Vermieter ihm schriftlich eine Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen ansetzen, um die (genau zu benennenden) Mietzinsforderungen zu begleichen. Zugleich muss er ihm explizit androhen, dass ohne vollständige Zahlung bis zum Fristende die Kündigung erfolgen werde. Werden die Ausstände nicht innert Frist bezahlt, kann der Vermieter von Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Kündigungsfrist von 30 Tagen auf das Ende eines Monates kündigen (Art. 257d OR). Eine Kündigung wegen Zahlungsrückstand des Mieters lässt sich zudem nicht mit dem Argument anfechten, es laufe eine Kündigungssperrfrist während oder nach einem mietrechtlichen Verfahren. Da dieses Verfahren jedoch eine zweimalige Frist von 30 Tagen beinhaltet, lohnt es sich einerseits, die Kündigungsandrohung korrekt und konsequent anzuwenden; andererseits ist bei bereits erfolgter Konkurseröffnung zu beachten, dass Art. 266h OR ein unter Umständen schnelleres, fristloses Kündigungsrecht ermöglicht (vgl. unten).

II. MIETZINSFORDERUNGEN NACH DER KONKURSERÖFFNUNG

Für die Mietzinsforderungen, welche nach Konkurseröffnung anfallen, kann der Vermieter eine Sicherheit verlangen. Dazu hat er der Konkursverwaltung und dem Mieter während dem Konkursverfahren schriftlich eine angemessene Frist anzusetzen (in der Regel mindestens zwei Wochen). Als Sicherheit kommen diverse Instrumente wie Hinterlegung, Bürgschaft, Bankgarantie, Pfandbestellung, Sicherungsübereignung, Sicherungszession, etc. in Frage.

Zwar hat der Vermieter keinen durchsetzbaren Anspruch auf eine Sicherheit für die Mietzinsforderungen; wird jedoch innert der gestellten Frist keine Sicherheit geleistet, hat er das Recht, den Mietvertrag vorzeitig und vor allem fristlos zu kündigen (Art. 266h OR). Die Konkursverwaltung kann sich entscheiden, in den Mietvertrag einzusteigen (Art. 211 Abs. 2 SchKG). Für den Vermieter ist dies wünschenswert, denn seine Mietzinsforderungen ab Konkurseröffnung werden damit zu Masseverbindlichkeiten. Zudem kann der Vermieter auch von der Konkursverwaltung die oben beschriebene Sicherheit verlangen.

Wird hingegen keine Sicherheit geleistet, und tritt die Konkursverwaltung nicht in den Vertrag ein, gelten die Mietzinsforderungen des Vermieters für die Zeit nach Konkurseröffnung grundsätzlich als Forderungen gegen den Konkursiten persönlich bzw. nicht als Konkursforderung. Während bei natürlichen Personen für diese Forderungen zumindest die Chance auf Deckung durch neues Vermögen besteht, bleiben solche Forderungen gegenüber juristischen Personen durch deren Untergang nach dem Konkurs regelmässig ungedeckt. Als Rettungschance bietet sich auch hier das gesetzliche Retentionsrecht für Vermieter von Geschäftsräumen an. Sofern das Retentionssubstrat nach Deckung der rückständigen, retentionsgesicherten Mietzinsen noch einen Resterlös aufweist, kann für die Mietzinsforderungen für die ersten sechs Monate ab Konkurseröffnung das Retentionsrecht beansprucht werden (Art. 268 Abs. 1 OR), womit die Mietzinsforderungen zu Konkursforderungen werden und zumindest eine Chance auf Deckung erhalten.

III. FAZIT

Fällt der Mieter in Konkurs, sind die Chancen des Vermieters auf volle Deckung seiner Mietzinsforderungen in der Regel schlecht. Als vorbeugende Massnahme empfiehlt es sich, ein den Umständen entsprechendes Mietzinsdepot zu verlangen. Im Verzugsfall sind die Rechte des Vermieters bei Zahlungsrückstand (Mahnung mit Kündigungsandrohung) umgehend und korrekt geltend zu machen. Im Konkursfall gilt es, die Forderungen fristgerecht und mit Hinweis auf sämtliche Pfand- und Retentionsrechte einzugeben, da die Kollokation für die Chancen auf eine zumindest teilweise Deckung entscheidend ist.

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27. Oktober 2014 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


ARBEITSZEITERFASSUNG – NEUES ZUM ALTEN ZOPF

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Matthias Meier, MLaw

.Am Morgen eine halbstündige Kaffeepause, am Mittag ein einstündiger Lunch, am Nachmittag erneut eine halbstündige Kaffeepause: Für viele Arbeitnehmer gehört das zum Alltag. In der Praxis ist Arbeitgebern jedoch oftmalsnicht bewusst, dass sie durch das Arbeitsgesetz und die dazugehörigen Verordnungen verpflichtet sind, bis auf wenige Ausnahmen die Arbeitszeiten sämtlicher Arbeitnehmer lückenlos – also auch die Pausen – zu erfassen.

Seit dem 1. Januar 2016 gelten neue Modalitäten; die Dokumentationspflicht wird für bestimmte Arbeitnehmer gelockert. Es kann für gewisse Kategorien von Angestellten vereinbart werden, vollständig oder zumindest teilweise auf die Aufzeichnung der Arbeitszeiten zu verzichten. Trotz diesen Erleichterungen stellt die Arbeitszeiterfassung für viele Arbeitgeber weiterhin ein notweniges Übel dar. Sie kann jedoch unter Umständen auch im Zusammenhang mit anderen Bereichen des Arbeitsrechts relevant werden, wie ein kürzlich vom Bundesgericht entschiedener Fall zeigt: Das höchste Gericht hat entschieden, dass auch ein nur leicht manipuliertes Zeiterfassungssystem durch den Arbeitnehmer einen massiven Treuebruch darstellt, welcher eine fristlose Entlassung rechtfertigt.

I. GRUNDLAGEN

In der Schweiz sind bis auf wenige Ausnahmen alle Arbeitnehmer verpflichtet, ihre Arbeitszeiten zu erfassen. Die Aufzeichnungen sollen sicherstellen, dass die im Arbeitsgesetz verankerten Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten werden. Ziel dieser Regeln ist der Schutz der Gesundheit der unselbstständig Erwerbstätigen.

Den gesetzlichen Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeiten liegt der Gedanke zugrunde, dass regelmässige Verstösse gegen diese bei den betroffenen Personen mittelfristig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können.

Die Arbeitszeiterfassung bezweckt indes nicht nur den öffentlich-rechtlichen Gesundheitsschutz. Die Dokumentationder Arbeitszeit kann für Arbeitnehmer auch eine disziplinierende Wirkung haben: Zu denken ist beispielsweise an das rechtzeitige Erscheinen zur sowie die Einhaltung der Pausen während der Arbeit. Wird auf die Zeiterfassung verzichtet, kann dies im Gegenzug unter Umständen einen unerwünschten Konkurrenzdruck und die gegenseitige Überwachung der Arbeitnehmer zur Folge haben. In diesem Sinne wirkt die Zeitaufzeichnung auch möglichen Konfliktsituationen am Arbeitsplatz entgegen. Neben der Kontrollfunktion hat die Arbeitszeiterfassung in der Praxis häufig auch eine Beweisfunktion. Die Arbeitszeiterfassung dient oftmals als Beweismittelfür Ansprüche im Zusammenhang mit der Arbeitszeit – insbesondere bei Forderungen aus Überstunden oder Überzeit.

Nach Art. 46 des Arbeitsgesetzes (ArG) hat der Arbeitgeber die Verzeichnisse oder andere Unterlagen, aus denen die für den Vollzug des Gesetzes und seiner Verordnungen erforderlichen Angaben ersichtlich sind, den Vollzugs- und Aufsichtsorganen (kantonale Arbeitsinspektorate) zur Verfügung zu halten. Dazu gehören gemäss Art. 73 Abs. 1 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) namentlich die geleistete (tägliche und wöchentliche) Arbeitszeit inklusive Ausgleichs- und Überzeitarbeit sowie ihre Lage (lit. c), die gewährten wöchentlichen Ruhe- oder Ersatzruhetage, soweit diese nicht regelmässig auf einen Sonntag fallen (lit. d), sowie die Lage und Dauer von Pausen von einer halben Stunde und mehr (lit. e). Die Aufbewahrungsfrist für diese Unterlagen beträgt mindestens fünf Jahre (Art. 73 Abs. 2 ArGV 1).

Die Form der Aufzeichnung ist dem Arbeitgeber freigestellt. Es ist insbesondere keine Formularpflicht vorgesehen.

Die Aufzeichnungen können beispielsweise von Hand (Kalendereintrag, Excel-Tabelle), durch elektronische Erfassung mit bestimmten Hilfsmitteln (IT-Login) oder durch die Dokumentation von Abweichungen zu vorgegebenen Fixzeiten geführt werden. In vielen Unternehmen wird eine spezifische Zeiterfassungssoftware verwendet. Die neuen Organisationsformen dürfen die Überprüfung der gesetzlichen Vorschriften durch die Kontrollorgane nicht beeinträchtigen. Auch bei elektronischer Datenverarbeitung müssen die Informationen schriftlich oder in zu vereinbarender Form den Behörden zur Verfügung gestellt werden. Letztlich muss für jeden Mitarbeitenden nachvollziehbar sein, wann er gearbeitet und die Pausen bezogen hat. Weil die Lage der Arbeitszeit und der Pausen von über einer halben Stunde erfasst werden muss, kommt jede Zeiterfassungsdokumentation dem klassischen Stempeln recht nahe – was auch von um Rechtskonformität bemühten Unternehmen oft unterschätzt wird.

II. NEUE MODALITÄTEN SEIT 1. JANUAR 2016

In den letzten Jahren hat die Diskrepanz zwischen der Arbeitszeiterfassungspflicht und der Rechtswirklichkeit zugenommen, namentlich bei Arbeitnehmern, die über erhöhte Zeitautonomie verfügen. Für eine Mehrzahl dieser sogenannten Fachkräfte gilt in der Praxis faktisch nicht die Prämisse «Lohn gegen Arbeitszeit», sondern «Lohn gegen Leistung». Gerade im Dienstleistungssektor kann die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Freizeit nicht immer scharf gezogen werden. Die Dokumentation der Arbeitszeiten wird insbesondere bei hochqualifizierten Angestellten oft als unnötiger bürokratischer Mehraufwand empfunden.

Die Politik hat die Problematik erkannt. Nach jahrelangem Seilziehen hat der Bundesrat am 4. November 2015 zwei neue Verordnungsbestimmungen verabschiedet (Art. 73a und 73b ArGV 1), die sowohl den veränderten Bedürfnissen der Praxis entsprechen als auch eine ausreichende Kontrolle der gesetzlichen Vorschriften sicherstellen sollen. Bestimmte Arbeitnehmer werden durch die neuen Regelungen vollständig oder teilweise von der gesetzlichen Erfassungspflicht befreit. Die von den Sozialpartnern ausgearbeitete Vorlage trat per 1. Januar 2016 in Kraft (vgl. im Einzelnen dazu MATTHIAS MEIER, Arbeitszeiterfassung – die Dokumentationspflicht wird teilweise gelockert, Jusletter vom 21. Dezember 2015).

Mit den neuen Vorschriften werden Ausnahmen zu Art. 73 ArGV 1 geschaffen, welcher eine detaillierte Erfassungspflicht für alle Erwerbstätigen vorsieht, die dem Arbeitsgesetz unterstellt sind. Durch die neuen Verordnungsartikel könnten bezüglich Zeiterfassungspflicht vier Gruppen unterschieden werden:

– Vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommene Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitszeiten nicht aufzeichnen. Ausgenommen vom Geltungsbereich sind insbesondere höhere leitende Angestellte, also Arbeitnehmer, welche auf Grund ihrer Stellung und Verantwortung sowie in Abhängigkeit von der Grösse des Betriebes über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügen oder Entscheide von grosser Tragweite massgeblich beeinflussen und dadurch auf die Struktur, den Geschäftsgang und die Entwicklung eines Betriebes oder Betriebsteils einen nachhaltigen Einfluss nehmen können (Art. 9 ArGV 1). Eine Erfassungspflicht kann für solche Arbeitnehmer allenfalls vertraglich vereinbart werden.

– Arbeitnehmer, die über grosse Autonomie verfügen und ihre Arbeitszeiten grösstenteils selber festsetzen können sowie über ein Bruttojahreseinkommen von mehr als CHF 120’000 verfügen (Art. 73a ArGV 1), können auf die Arbeitszeiterfassung verzichten, sofern die weiteren Voraussetzungen aus Art. 73a ArGV 1 erfüllt sind (namentlich eine entsprechende Regelung in einem Gesamtarbeitsvertrag, vgl. Tabelle sogleich) – Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeiten weitgehend selber festsetzen können (Art. 73b ArGV 1), müssen einzig die geleistete tägliche Arbeitszeit erfassen, sofern die weiteren Voraussetzungen aus Art. 73b ArGV 1 erfüllt sind (namentlich eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und einer Arbeitnehmer-Vertretung bzw. einem einzelnen Arbeitnehmer, vgl. Tabelle sogleich).

– Die übrigen Arbeitnehmer müssen die Arbeitszeiten weiterhin lückenlos dokumentieren (Art. 73 ArGV 1).

III. FRISTLOSE KÜNDIGUNG BEI UNGENAUER ZEITERFASSUNG

Nach Art. 46 ArG ist der Arbeitgeber für die Arbeitszeiterfassung verantwortlich. Es ist jedoch grundsätzlich möglich (und in der Praxis verbreitet), die Dokumentation der Arbeitszeiten durch den Arbeitnehmer selber durchführen zu lassen (unechte Vertrauensarbeitszeit). Im Falle einer Delegation muss der Arbeitnehmer über die gesetzlichen Bestimmungen über die Zeiterfassung informiert werden, damit eine ausreichende Qualität der Aufzeichnungen bzw. der Daten sichergestellt ist.

Die Verantwortung für die Arbeitszeiterfassung kann der Arbeitgeber jedoch nicht delegieren: Echte Vertrauensarbeitszeit, d.h. der Verzicht auf die Zeiterfassung oder die vollständige Delegation der Kontrollpflicht an den Arbeitnehmer ist nicht mit Art. 46 ArG zu vereinbaren. Es genügt auch nicht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweist, ihm Arbeitszeitüberschreitungen zu melden, ohne je selbst – wenigstens stichprobenweise – die Einhaltung zu überprüfen. Ebenfalls nicht zulässig ist es, Arbeitnehmer nur die verrechenbaren Stunden erfassen zu lassen und die restlichen Stunden als Vertrauensarbeitszeit zu deklarieren.

Wurde die Dokumentation an einen Arbeitnehmer delegiert, muss dieser seine Arbeitszeiten stets korrekt erfassen.

Das Bundesgericht hat kürzlich entschieden, dass eine fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers gerechtfertigt sein kann, wenn dieser das Zeiterfassungssystem manipuliert hat (Entscheid vom 2. November 2015, 4A_395/2015). Im vorliegenden Fall zeigte das Protokoll des Zeiterfassungssystems an drei Tagen 20.41, 20.34 und 20.15 Uhr als Zeiten für das Ausstempeln an, obwohl der betreffende Mitarbeiter jeweils zwischen 16.00 und 17.00 Uhr nach Hause gegangen war. Ein «Vergessen» des Ausstempelns konnte ausgeschlossen werden, denn ohne Stempelung am Arbeitstag zeigte das System am Folgetag eine Fehlermeldung bei der Anmeldung an.

Das Bundesgericht betrachtet eine Stempeluhrmanipulation als schwerwiegenden Verstoss gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers, welcher eine fristlose Kündigung zur Folge haben kann. „Mildernde Umstände“ lagen im entschiedenen Fall insofern nicht vor, als das Arbeitsverhältnis lediglich knapp zehn Monate gedauert hatte und die Manipulation wiederholt vorkam. Dass die «erschlichene» Arbeitszeit nur wenige Stunden betrug und die daraus resultierende Lohnforderung geringfügig war, war nicht entscheidend. Ins Gewicht fiel also nicht die Höhe des Schadens, sondern der mit der Schädigung verbundene Treuebruch.

Das Bundesgericht bewertet Verfälschungen der Arbeitszeiterfassung durch einen Arbeitnehmer demnach als groben Treuebruch, welcher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar macht, sofern keine mildernden Umstände vorliegen. Es stellt ihn auf die gleiche Stufe wie strafbare Handlungen: So ist

anerkannt, dass Straftaten (z.B. Diebstahl), welche der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit oder auch im Privatleben zu Lasten der Mitarbeiter, des Arbeitgebers, aber auch von Kunden oder Dritten begeht, in der Regel einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung ohne vorgängige Verwarnung bilden können.

IV. FAZIT

Viele Arbeitgeber bleiben auch mit den am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Modalitäten zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter lückenlos zu dokumentieren. Neu ist, dass bei gewissen Kategorien von Arbeitnehmern unter Umständen vollständig oder teilweise auf die Zeitaufzeichnung verzichtet werden kann. Die Dokumentationen der Arbeitszeiten dienen dem Gesundheitsschutz, können aber auch in anderer Hinsicht von Relevanz sein. Die Bedeutung der korrekten Zeiterfassung findet zum Beispiel im Entscheid des Bundesgerichts vom 2. November 2015 ihren Niederschlag, wonach eine fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers gerechtfertigt sein kann, wenn er das Zeiterfassungssystem manipuliert – insbesondere wenn dies wiederholt geschieht.

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17. Februar 2016 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DIE FORMULIERUNG DES ARBEITSZEUGNISSES

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Matthias Meier, MLaw

Das Arbeitszeugnis geniesst im Bewerbungsprozess einen hohen Stellenwert – vor allem für die Erstausscheidung vor dem ersten Bewerbungsgespräch. Bei der Ausstellung des Zeugnisses sieht sich der Arbeitgeber immer wieder mit der Frage konfrontiert, welche Ausdrücke und Inhalte er verwenden soll und darf. Ein Zeugnis enthält oftmals sehr offene Formulierungen. Teilweise finden sich darin aus Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Arbeitnehmer wohlwollende Beurteilungen und Beschönigungen. Oft wählen Arbeitgeber aber auch positiv klingende Qualifikationen, denen zwischen den Zeilen eine negative Bedeutung zukommt (sogenannte codierte Zeugnisse). In der Folge bildet der Inhalt des Zeugnisses bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses oftmals einen Streitpunkt.

I. GRUNDLEGENDES

Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber jederzeit ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht (sogenanntes Vollzeugnis). Gemäss Art. 330a Abs. 2 OR kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses beschränkt (sogenanntes Teilzeugnis bzw. Arbeitsbestätigung).

Ein solches kann er auch zusätzlich zum Vollzeugnis verlangen, beispielsweise nachträglich, wenn er mit dem Vollzeugnis nicht zufrieden ist.

Das Zeugnis ist auf Wunsch des Arbeitnehmers jederzeitauszustellen, also während (sogenanntes Zwischenzeugnis, z.B. bei einem beabsichtigten Stellenwechsel, bei einem Wechsel innerhalb des Unternehmens oder bei einem Wechsel des Vorgesetzten) oder aber erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wenn ein Arbeitgeber um die Ausstellung eines Zeugnisses ersucht wird, muss es unter normalen Umständen möglich sein, eine Arbeitsbestätigung innert zweier Tage und ein Vollzeugnis innert ein bis zwei Wochen auszustellen (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, Art. 330a OR N 2). Kommt der Arbeitgeber dem Ersuchen auf Zeugnisausstellung nicht innert angemessener Frist nach, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch mittels Leistungsklage auf Ausstellung eines Zeugnisses durchsetzen (BGE 129 III 177, E. 3.3). Mit Vorteil ist hier gleich auf die Ausstellung eines konkreten Zeugnisses zu klagen (vgl. STEPHAN FRÖHLICH, Individuelle Arbeitsstreitigkeiten in der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, S. 228). Die Verjährungsfrist beträgt nach herrschender Lehre und Praxis 10 Jahre und läuft ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Legt der Arbeitgeber ein unrichtiges, unvollständiges oder zweideutiges Zeugnis vor, steht dem Arbeitnehmer ein Berichtigungsanspruch zu. Im Gegensatz zur Zeugnisklage muss der Arbeitnehmer einen neuen Text oder konkrete Abänderungsvorschläge in sein Rechtsbegehren aufnehmen. Im Berichtigungsprozess kommt bereits vorhandenen Zwischenzeugnissen und Mitarbeiterbeurteilungen grosses Gewicht zu. So setzen Verschlechterungen im Schlusszeugnis gegenüber einem kurz zuvor ausgestellten Zwischenzeugnis nach der Gerichtspraxis voraus, dass seit dem Zwischenzeugnis erhebliche Änderungen eingetreten sind, die eine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen (vorbehalten bleibt der Fall, dass das Zwischenzeugnis nachweislich falsch war).

II. INHALT DES ZEUGNISSES

Ein Vollzeugnis sollte folgende Angaben enthalten (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a OR N 3):

– Personalien des Arbeitnehmers und notwendige Angaben zum Arbeitgeber
– Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses
– detaillierte Auflistung der wichtigen Funktionen und der das Arbeitsverhältnis prägenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers und deren Zeitdauer
– aussagekräftige Bewertung der Leistung (Arbeitsqualität und -quantität) des Arbeitnehmers und seines Verhaltens
– rechtsgültige Unterschrift des Arbeitgebers samt Ausstellungsdatum (normalerweise wird das Arbeitszeugnis am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datiert).

Bei der Ausstellung des Zeugnisses muss der Arbeitgeber einige Grundsätze beachten. So ist er zwar grundsätzlich gehalten, das Zeugnis wohlwollend zu formulieren. Andererseits darf er seine Wahrheitspflichtnicht verletzen.

Die Leistung des Arbeitnehmers darf also nicht übermässig beschönigt werden. Negative Tatsachen dürfen im Zeugnis erwähnt werden, sofern sie für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers erheblich sind, es sich also nicht um völlig isolierte Vorfälle oder um unwichtige Kleinigkeiten handelt. Einzelne Differenzen, wie sie am Ende

eines Arbeitsverhältnisses (insbesondere bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber) nicht selten vorkommen, dürfen nicht überbewertet werden. Sodann hat sich der Inhalt auf Angaben zu beschränken, welche für die Beurteilung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers notwendig sind. Aussagen über Dinge, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, sind deshalb unzulässig.

Eine Krankheit bzw. eine dadurch bedingte Arbeitsverhinderung darf im Zeugnis nur erwähnt werden, wenn sie erheblichen Einfluss auf Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers hatte oder die Eignung für die Erfüllung der bisherigen Aufgaben infrage stellte. Das Arbeitsgericht Zürich hat in einem Entscheid den Hinweis „Herr X. verlässt uns zufolge gesundheitlicher Probleme“ für zulässig erachtet, nachdem ein manisch-depressiver Krankenpfleger unvermutet die Arbeit niederlegte und für knapp einen Monat unbekannt abwesend blieb (Entscheide 2005 Nr. 10 = JAR 2006 S. 565 = SAE 2007 S. 69). Wenn ein Mitarbeiter an Migräne leidet und deswegen regelmässig der Arbeit fernbleiben muss, darf diese Diagnose hingegen nicht in seinem Zeugnis zu lesen sein. Auch andere übliche krankheitsbedingte Abwesenheiten, auch wenn diese einige Wochen im Jahr ausmachen, gehören zum unternehmerischen Risiko (Signifikanz).

Ein strafrechtlich relevanter Fall darf bzw. muss sogar erwähnt werden, vor allem dann, wenn ein Mitarbeiter wegen eines schweren Vorfalls fristlos entlassen wurde. Zurückhaltung ist allerdings angebracht, falls der (ehemalige) Arbeitnehmer noch nicht rechtskräftig verurteilt wurde. Straftaten, die ausserdienstlich begangen wurden, dürfen im Arbeitszeugnis nur erwähnt werden, wenn sie für die Beurteilung der Leistungen und des dienstlichen Verhaltens von wesentlicher Bedeutung sind (z.B. erhebliche Vermögensdelikte bei einem Bankangestellten, nicht jedoch „Schwarzfahren“ oder Tätlichkeiten).

Bei der Schöpfung des Wortlauts steht dem Arbeitgeber ein breites Ermessen zu. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf bestimmte Formulierungen (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a OR N 3b). Der Arbeitgeber kann auswählen, ob der Arbeitnehmer „eine gute Leistung“ gezeigt oder die Arbeit „zur vollen Zufriedenheit“ ausgeführt hat. Zu vermeiden ist aus Sicht des Arbeitgebers insbesondere, dass wegen „Mitleids“ nach einer Kündigung ein (zu) gutes Arbeitszeugnis ausgestellt wird. Eine Diskrepanz zwischen einem guten Arbeitszeugnis und der ausgesprochenen Kündigung wird von früheren Arbeitnehmern oft im Rahmen einer Kündigungsanfechtung vorgebracht. Deshalb sind im Zweifel objektive Qualifikationen (z.B. „gute Arbeitsleistung“) subjektiven Einschätzungen („zu unserer Zufriedenheit“) vorzuziehen.

III. CODIERTE ZEUGNISSE

Bei Zeugnissen hat sich teilweise eine eigentliche Geheimsprache eingeschlichen, indem viele positiv klingende Qualifikationen eine wesentlich negativere Bedeutung besitzen (sogenannte codierte Zeugnisse). Die Verwendung solcher Codes verstösst gegen den Grundsatz der Zeugnisklarheit (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a OR N 9). Trotz des breiten Ermessenspielraums hat der Arbeitgeber demnach zweideutige Formulierungen, bei welchen in vordergründig neutralen oder positiven Formulierungen für Eingeweihte verdeckte Botschaften gegeben werden, zu vermeiden. Nachfolgend werden einige Formulierungsbeispiele (links) aufgezeigt, welche nicht in ein Arbeitszeugnis gehören, weil sie mittlerweile in breiten Kreisen eine verdeckte Bedeutung (rechts) erlangt haben:

IV. FAZIT

Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber jederzeit ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses stellt für einen Arbeitgeber meist eine schwierige Aufgabe dar. Er ist gehalten, das Zeugnis wohlwollend zu formulieren, darf jedoch keine unwahren Behauptungen aufstellen. Bei der Schöpfung des Wortlauts steht dem Arbeitgeber ein breites Ermessen zu; der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf bestimmte Formulierungen.

Zu vermeiden sind codierte Ausdrücke, welche verdeckte (negative) Botschaften enthalten, weil dies dem Grundsatz der Zeugnisklarheit zuwiderläuft.

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6. November 2015 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DIE FRISTLOSE KÜNDIGUNG DES ARBEITSVERTRAGES

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Sandra Berner, MLaw

Gemäss Art. 337 OR kann sowohl der Arbeitgeber wie auch der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen, sofern ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt war, ist die von den Gerichten in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wohl am häufigsten zu beurteilende Frage.

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Eine zu Unrecht erfolgte fristlose Entlassung (sog. ungerechtfertigte fristlose Kündigung) kann vor allem für die Arbeitgeber erhebliche finanzielle Folgen haben. Im Wesentlichen wird nachfolgend daher ein Augenmerk auf die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber gelegt.

I. VORAUSSETZUNGEN FÜR EINE GERECHTFERTIGTE FRISTLOSE KÜNDIGUNG

Die fristlose Kündigung stellt die „ultima ratio“, also das letzte Mittel dar, um das Arbeitsverhältnis einseitig sofort aufzulösen. Sie ist jederzeit, also auch vor Stellenantritt, während der Probezeit, während Sperrzeiten (Krankheit, Militär, Schwangerschaft etc.) möglich, sowohl bei befristeten als auch unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Auch im bereits ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnis kann fristlos gekündigt werden. Die fristlose Kündigung kann mündlich ausgesprochen werden, sofern der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich die Schriftlichkeit vorsieht. Auf Verlangen ist sie aber nachträglich schriftlich zu begründen (Art. 337 Abs. 1 OR).

Zwingende Voraussetzung für die sofortige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist, dass ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden unzumutbar macht.

Dieser Grund muss objektiv geeignet sein, das gegenseitige Vertrauen, welches die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet, zu zerstören oder schwer zu erschüttern. Gemäss geltender Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung nur dann zulässig, wenn entweder schwerwiegende Verfehlungen Anlass dazu geben oder wenn trotz Verwarnung weniger schwerwiegende Verfehlungen begangen wurden.

Schwere Verfehlungen rechtfertigen eine fristlose Kündigung nach einmaligen Vorkommen und ohne vorhergehende Verwarnung. Beispiele für besonders schwere Verfehlungen können sein: Strafbare Handlungen am Arbeitsplatz, Verrat von Geschäftsgeheimnissen, unzulässige Konkurrenzierung des Arbeitgebers, wiederholte oder generelle Arbeitsverweigerung usw. (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 5 ff.).

Bei weniger schweren Verfehlungen setzt eine fristlose Entlassung eine vorangehende Verwarnung voraus. Die Verwarnung muss dem Arbeitnehmer klar zu verstehen geben, dass das beanstandete Verhalten nicht mehr geduldet wird und im Wiederholungsfall mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen ist. Weniger schwerwiegende Verfehlungen liegen insbesondere bei unentschuldigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz, regelmässigem zu spätem Erscheinen am Arbeitsplatz, Missachtung von Arbeitgeberweisungen, übermässigem Missbrauch von Kommunikationsmitteln usw. vor (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 5 ff.).

Die Frage, ob eine schwere oder eine weniger schwere Verfehlung gegeben ist, liegt nach Würdigung sämtlicher Umstände im Ermessen des Richters und kann in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen führen. Die von den Gerichten geschaffene, reichhaltige Kasuistik dient immerhin als Orientierungsmithilfe.

Bei der Beurteilung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, spielt auch die Kündigungsfrist bzw. die Restdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses eine wichtige Rolle. Je kürzer die Bindung an das Arbeitsverhältnis ist, desto weniger ist der Rückgriff auf die fristlose Entlassung zugelassen. Mit anderen Worten werden fristlose Kündigungen bei eher kurzen Kündigungsfristen oder im bereits gekündigten Verhältnis nur zurückhaltend von den Gerichten anerkannt (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 16).

Liegt ein wichtiger Grund vor, ist die fristlose Kündigung zudem sofort auszusprechen. Nach der Gerichtspraxis beträgt die Überlegungsfrist samt Einholen von allfälligen Rechtsauskünften für den Arbeitgeber maximal 2 – 3 Arbeitstage. Ein Hinauszögern dieser Zeitspanne ist nur gerechtfertigt, wenn es mit Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens als verständlich und berechtigt erscheint (bspw. Öffentliches Dienstrecht, Aussprechen einer fristlosen Kündigung durch ein Gremium etc.) (BGE 8C_294/2011, E. 6.3.2; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 5 ff.). Wird unberechtigterweise länger zugewartet, ist das Recht auf die sofortige Vertragsauflösung verwirkt. Eine fristlose Kündigung würde dann als ungerechtfertigt taxiert.

Vorsicht ist bei Verdachtskündigungen geboten. Wird die fristlose Entlassung aufgrund eines blossen Verdachts ausgesprochen, zum Beispiel weil vermutet wird, der Arbeitnehmer habe eine Straftat begangen, und bestätigt sich der Verdacht nach durchgeführter Untersuchung nicht, liegt in der Regel eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung mit all ihren Folgen vor.

II. DIE FOLGEN EINER FRISTLOSEN KÜNDIGUNG

Bei gerechtfertigter fristloser Kündigung ist das Arbeitsverhältnis am Tag der fristlosen Kündigung beendet. Der Arbeitnehmer hat lediglich noch Anspruch auf den Lohn sowie auf die Ferien- und Überstundenentschädigung per Austrittstermin (vgl. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337c N 18.). Die Vertragspartei, welche die Auflösung schuldhaft durch vertragswidriges Verhalten herbeigeführt hat, kann unter Umständen zudem schadenersatzpflichtig werden (Art. 337b Abs. 1 OR). Liegt das Verschulden beim Arbeitnehmer, so hat der Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin. Darunter fallen insbesondere der nicht erzielte Gewinn, Mehrzahlungen für Überstunden anderer Arbeitnehmer, Konventionalstrafen wegen verspäteter Lieferung etc. (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337b N 4.).

Auch bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung ist das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall mit Zugang der Kündigung beendet. Ein gesetzlicher Anspruch auf Weiterbeschäftigung resp. Wiedereinstellung besteht nicht. Der Arbeitnehmer hat jedoch Anspruch auf Ersatz dessen, was er bei ordentlicher Kündigung – unter Einhaltung der Kündigungsfrist – erhalten hätte (Art. 337c Abs. 1 OR). Er hat somit einen Ersatzanspruch im Umfang des Lohnes, wie er im Falle einer ordentlichen Kündigung auszubezahlen gewesen wäre. Hiervon sind die üblichen Sozialabzüge, nicht aber Beiträge an die Pensionskasse abzuführen (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337c N 15.). Hinzu kommen die durch die Kündigung entgangenen Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge sowie die Überstunden- und Ferienentschädigung, sofern und soweit der Arbeitnehmer bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nebst der Stellensuche nicht genügend Zeit für den Ferienbezug hat. Ausserdem kann der Arbeitgeber gemäss Art. 337c Abs. 3 OR zu einer Entschädigungszahlung im Umfang von maximal sechs Monatslöhnen verpflichtet werden. Über die Höhe dieser Entschädigung entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen unter Würdigung sämtlicher Umstände. Ins Gewicht fallen dabei insbesondere die Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Ausmass der Persönlichkeitsverletzung, welche die fristlose Entlassung beim Arbeitnehmer bewirkt (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337c N 8 f.). Mit Zugang der fristlosen Kündigung sind sämtliche sich aus der fristlosen Kündigung ergebenden Forderungen aus Arbeitsvertrag fällig (BGer, Urteil vom 27.02.2006, 4C.321/2005, E. 8.3.).

III. FAZIT

Die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte fristlose Kündigung sind streng. Insbesondere wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes von den Gerichten sehr zurückhaltend angenommen. Im Zweifelsfall wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass es zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen. Eine Einzelfallbeurteilung ist daher in jedem Fall unabdingbar. Es empfiehlt sich daher, rechtliche Auskunft einzuholen, ehe die fristlose Kündigung ausgesprochen wird; denn auch eine zu Unrecht erfolgte fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis und kann erhebliche finanzielle Folgen (in der Regel für den Arbeitgeber) nach sich ziehen.

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29. Juli 2015 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DAS ARBEITSVERTRAGLICHE KONKURRENZVERBOT

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Sandra Berner, MLaw

Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot ist in der Praxis nicht mehr nur auf Topmanager bzw. leitende Angestellte beschränkt. Vielmehr ist es vermehrt auch als Bestandteil des Arbeitsvertrages von gewöhnlichen Arbeitnehmern in nahezu allen Branchen zu finden. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Gerichte in zunehmendem Masse mit Fragen rund um das Konkurrenzverbot befasst werden. Dies zunächst, weil das Konkurrenzverbot oft als Instrument verwendet wird, um fähige Arbeitnehmer vor späterer Konkurrenzierung abzuhalten, ohne dass aber die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden, bzw. gegeben sind. Dann, weil manche Arbeitnehmer ein Konkurrenzverbot bei Stellenantritt leichthin unterschreiben, da sie die Stelle unbedingt haben wollen und erst bei einem Stellenwechsel seine (unter Umständen) grosse Tragweite erfassen. Mit den nachfolgenden Ausführungen sollen sowohl die Arbeitgeber wie die Arbeitnehmer für das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot sensibilisiert und über dessen Chancen und Grenzen aufgeklärt werden.

I. GEGENSTAND DES KONKURRENZVERBOTES

Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot nach Art. 340 ff. OR verbietet dem Arbeitnehmer, einer Tätigkeit nachzugehen, die mit der Tätigkeit des Arbeitgebers im wirtschaftlichen Wettbewerb steht. Das Konkurrenzverbot soll verhindern, dass ein ehemaliger Arbeitnehmer unternehmensinterne, geheimhaltungswürdige Informationen zu seinen Gunsten oder zu Gunsten eines neuen Arbeitgebers verwertet und damit den ehemaligen Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte. Daraus ergibt sich implizit, dass nur die Kenntnis von Betriebsgeheimnissen, nicht aber persönliche Fähigkeiten des Arbeitnehmers, seine Berufserfahrung oder seine Branchenkenntnisse allein Grund für die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes sein kann (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., 2012, Art. 340 N 12 ff.).

II. VORAUSSETZUNGEN EINES GÜLTIGEN KONKURRENZVERBOTES

Die Voraussetzungen für die Gültigkeit eines arbeitsvertraglichen Konkurrenzverbotes können wie folgt zusammengefasst werden (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., 2012, Art 340 N 4 ff.):

1. Das Konkurrenzverbot ist nur schriftlich gültig und muss damit mindestens die Unterschrift des handlungsfähigen Arbeitnehmers aufweisen.

2. Das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in die Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse gewährt hat

Zu dem durch das Konkurrenzverbot geschützten Kundenkreis des Arbeitgebers zählen nur diejenigen Geschäftspartner, die in mehr oder weniger regelmässigen Abständen Geschäfte mit dem Arbeitgeber tätigen, und zwar über längere Zeit. Der Einblick in eine Kundenliste allein, ohne weitere Informationen oder Kundenkontakte, genügt nicht, um mit dem Arbeitnehmer ein Konkurrenzverbot zu vereinbaren. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt, dass der Arbeitnehmer persönlichen Kontakt zu den Kunden hat, der es ihm erlaubt, deren Eigenschaften und Bedürfnisse kennenzulernen, so dass er den Kunden leicht gleiche Leistungen anbieten und sie so für sich gewinnen kann (BGE 138 III 67, 81 II 152, 4C.360/2004). Bei den Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen muss es sich um geheimhaltungswürdige Informationen handeln, d.h. um Informationen, welche einerseits geheim sind und die der Arbeitgeber andererseits auch tatsächlich geheim halten will. Nicht geheim und daher auch nicht schützbar ist allgemeines Branchen- und Berufswissen sowie betriebswirtschaftliches Know-how.

3. Voraussetzung für die Gültigkeit des Konkurrenzverbotes ist ferner, dass die Verwendung der geheimhaltungswürdigen Informationen den ehemaligen Arbeitgeber erheblich schädigen könnte.

Der Schaden muss nicht bereits eingetreten sein, es genügt, wenn ein solcher droht. Als Schaden kommt grundsätzlich jeder wirtschaftliche Nachteil in Frage, wobei eine Umsatzeinbusse oder ein Kundenverlust nicht unbedingt vorliegen müssen. Das Bundesgericht bezeichnet „ernsthafte geschäftliche Schwierigkeiten“ als genügend, um das Vorliegen einer erheblichen Schädigung zu bejahen (BGE 103 II 127).

4. Das Konkurrenzverbot darf das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers zudem nicht unbillig erschweren, namentlich ist das Verbot nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu begrenzen.

Bei der Beurteilung über die Angemessenheit des Konkurrenzverbotes sind die Interessen des Arbeitgebers an der Unterlassung einer konkurrenzierenden Tätigkeit gegen die Interessen des Arbeitnehmers auf seine wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit abzuwägen. Die örtlicheAusdehnung des Konkurrenzverbotes ist in jedem Fall durch den geografischen Geschäftsbereich des ehemaligen Arbeitgebers beschränkt. Ausserhalb dieses Gebietes fehlt es per se an einer Konkurrenzierung und den erforderlichen Interessen des Arbeitgebers. Innerhalb dieses Kreises muss derjenige Teil ausgeschieden werden, in welchem der Arbeitnehmer nicht effektiv tätig war. In Bezug auf die Zulässigkeit der Grösse des Sperrgebiets findet sich bei KMU häufig die Regelung, wonach das Konkurrenzverbot für die ganze Schweiz gelten soll. Diese Ausdehnung ist grundsätzlich unzulässig, wenn die Unternehmung nicht in der gesamten Schweiz tätig ist, da dies faktisch zu einem Berufsverbot führen würde. Zeitlich darf das Konkurrenzverbot gemäss Gesetz nur unter besonderen Umständen die Dauer von drei Jahren überschreiten (Art. 340a Abs. 1 OR). Solche besonderen Umstände liegen insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer Einblick in Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse hatte, deren Verwertung den Arbeitgeber auch nach Ablauf von drei Jahren noch erheblich schädigen würde. Hatte der Arbeitnehmer nur Einblick in den Kundenkreis, nimmt das Interesse des Arbeitgebers am Verbot relativ rasch ab. Es besteht nur, bis der Arbeitgeber einen neuen Arbeitnehmer bei der Kundschaft eingeführt hat. Üblicherweise wird in solchen Fällen von einer maximalen angemessenen Dauer von 6 Monaten bis zu einem Jahr gesprochen. Der Gegenstand des Konkurrenzverbotes betrifft die Art der verbotenen konkurrenzierenden Tätigkeit. Konkurrenzierend ist nur eine Tätigkeit, welche der Arbeitnehmer beim ehemaligen Arbeitgeber ausübte bzw. über die er entsprechende Kenntnisse besass. Somit ist die Tätigkeit auf direkte Konkurrenzunternehmen beschränkt.

5. Das Konkurrenzverbot darf nicht wegen Wegfall des erheblichen Interesses, infolge der Kündigungsumstände oder Verzichts dahingefallen sein. Im Gesetz sind die Gründe des Wegfalls eines Konkurrenzverbotes in Art. 340c OR festgehalten. Ein Grund kann das mangelnde Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung des Konkurrenzverbotes sein. Dies kann dann vorliegen, wenn geheime Informationen nicht mehr geheim sind, weil sie veraltet oder sonst wie allgemein bekannt sind oder weil deren Verwendung den Arbeitgeber nicht mehr schädigen kann. Des Weiteren fällt das Konkurrenzverbot dahin, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ohne begründeten Anlass kündigt oder der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem begründeten, vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass auflöst. Ein begründeter Anlass liegt etwa vor, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch ungebührliches Verhalten, Verletzung von Sorgfalts- und Treuepflichten oder ähnlichen Illoyalitäten bei vernünftiger Betrachtungsweise eine Kündigung rechtfertigt. Das Verschulden muss aber nicht derart schwerwiegend sein, dass dies eine fristlose Kündigung begründen würde. Liegt ein beidseitiges Verschulden vor, muss der überwiegende Beitrag ermittelt und so entschieden werden, ob das Konkurrenzverbot bestehen bleibt oder nicht.

Sind die oben genannten Voraussetzungen 1 – 3 nicht erfüllt, ist das Konkurrenzverbot nicht zulässig und nicht weiter zu berücksichtigen. Liegt lediglich ein in örtlicher, zeitlicher und/oder sachlicher Hinsicht übermässiges Konkurrenzverbot vor, ist dieses nicht ungültig. Es kann im Streitfall aber durch den Richter auf das zulässige Mass herabgesetzt werden.

Zu beachten ist, dass Gegenleistungen des Arbeitgebers, wie bspw. eine Karenzentschädigung zur Abdeckung der Folgen eines Konkurrenzverbotes, bei der Beurteilung der Angemessenheit des Konkurrenzverbotes besonders zu berücksichtigen sind. Eine Karenzentschädigung, etwa in Form einer bestimmten Summe oder eines höheren Lohns, entbindet jedoch nicht von der Einhaltung der oben aufgeführten Voraussetzungen (m.w.H. STREIFF/ VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., 2012, Art 340a N 6).

III. FOLGEN DER VERLETZUNG EINES KONKURRENZVERBOTES

Verletzt der ehemalige Arbeitnehmer ein gültiges Konkurrenzverbot, so hat er dem Arbeitgeber den ihm daraus erwachsenen Schaden zu ersetzen. Falls eine Konventionalstrafe schriftlich vereinbart wurde, so kann sich der Arbeitnehmer mangels anderer Abrede durch Zahlung dieser Strafe vom Verbot befreien (Art. 340b Abs. 2,

Art. 160 Abs. 1 OR). Ob die vereinbarte Höhe der Konventionalstrafe tatsächlich angemessen ist, kann der Arbeitnehmer gerichtlich überprüfen lassen. In jedem Fall bleibt der Arbeitnehmer aber für den die Konventionalstrafe übersteigenden Schaden ersatzpflichtig, sofern ihn ein Verschulden trifft (Art. 161 Abs. 2 OR). Sofern dies im Arbeitsvertrag schriftlich und unzweideutig vereinbart wurde, kann der Arbeitgeber mittels Unterlassungsklage auch die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes verlangen, sofern die verletzten oder bedrohten Interessen des Arbeitgebers und das Verhalten des Arbeitsnehmers dies rechtfertigen. Dies stellt das stärkste Instrument des Arbeitsgebers dar und führt im Erfolgsfall dazu, dass das Gericht den Arbeitnehmer unter Strafandrohung anweist, eine konkurrenzierende Tätigkeit zu unterlassen. In der gerichtlichen Praxis greift eine solche Realexekution jedoch nur in seltenen Fällen (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl., 2012, Art. 340b N 8 f.).

IV. FAZIT

Das Konkurrenzverbot im Arbeitsrecht ist ein Instrument, welches die unerlaubte Verwertung unternehmensinterner, geheimhaltungswürdiger Informationen verhindern und so die Interessen des Arbeitgebers schützen soll.

Dieses Ziel widerspricht grundsätzlich den Interessen des Arbeitnehmers, welcher nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses darauf angewiesen ist, seine Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt anbieten zu können.

Die Gültigkeit eines Konkurrenzverbotes hängt daher von einer Reihe von Voraussetzungen ab. Das Gesetz sieht diverse Fälle vor, in denen es entweder ganz dahinfällt oder in denen es durch das Gericht auf ein für den Arbeitnehmer erträgliches Mass herabgesetzt werden kann, damit einher geht ein enormer Ermessensspielraum der Gerichte bei der Beurteilung eines Konkurrenzverbotes.

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22. April 2015 / Dr. iur. Stephan Fröhlich


DIE ZULÄSSIGKEIT DER ZAHLUNG DES LOHNES IN EURO

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Fiona Sauer, M.A.HSG

Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1.20 durch die Schweizerische Nationalbank am 15. Januar 2015 hat die Wirtschaftslage in der Schweiz spürbar verschlechtert. Der Eurokurs (CHF-EUR) bewegt sich aktuell zwischen 0.99 und 1.02, was für die Exportindustrie grosse Ausfälle bedeutet. Um diese Ausfälle auszugleichen, wird nach Möglichkeiten zur Kosteneinsparung gesucht, unter anderem bei den Personalkosten. Es stellt sich deshalb für Unternehmen die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Löhne in Euro ausbezahlt werden dürfen.

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I. VORAUSSETZUNGEN

Das Gesetz schreibt in Art. 323b Abs. 1 OR vor, dass Geldlöhne dem Arbeitnehmer in gesetzlicher Währung auszurichten sind, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist. Dies heisst, dass der Lohn grundsätzlich in Schweizer Franken auszuzahlen ist, jedoch wird die Auszahlung in einer anderen Währung nicht vollständig ausgeschlossen und kann insbesondere für Grenzgänger gerechtfertigt sein. Bereits 2011 wurde in zwei Motionen an den Bundesrat und das Parlament gefordert, dass Schweizer Löhne ausschliesslich in Schweizer Franken auszuzahlen sind. Der Nationalrat hat diese Forderung aber abgewiesen und so deutlich gemacht, dass die Auszahlung in Euro nicht per se unzulässig ist (Amtliches Bulletin Nr. 11.3608 vom 20.09.2011).

Löhne können gemäss Gesetz dann in Euro ausbezahlt werden, wenn entweder eine Vereinbarung vorliegt oder dies üblich ist. Wird in einem Arbeitsvertrag geregelt, dass die Auszahlung des Lohnes in Euro stattfindet, ist der Wechselkurs zur Zeit der Fälligkeit des Lohnes massgebend (BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 323b OR, N 1). Die Üblichkeit der Lohnzahlung in Euro darf nicht ohne Weiteres angenommen werden (GREMPER PHILIPP, Frage der Zulässigkeit der Zahlung des Lohes in Euro, Anwaltsrevue 2/2012, S. 74). Wurde keine Auszahlung in Euro vereinbart und besteht auch keine Übung, so empfiehlt es sich, mit dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Situation direkt zu besprechen. Der Arbeitgeber kann zwar die Änderung der Zahlungswährung des Lohnes einseitig mittels einer Änderungskündigung durchsetzen, jedoch ist gemäss Bundesgericht eine Änderungskündigung nur dann rechtens, wenn veränderte wirtschaftliche oder betriebliche Bedürfnisse und somit eine betriebliche Notwendigkeit vorliegen (BGE 123 III 246 E. 3b). Dies hängt vom konkreten Einzelfall ab.

Diejenigen Unternehmen, welche ihre Löhne in Euro ausbezahlen, müssen dabei beachten, dass die Prämien für die schweizerischen Sozialversicherungen weiterhin in der gesetzlichen Währung, somit in Schweizer Franken, zu bezahlen sind. Dies kann zu einigem administrativen Aufwand führen. Zudem müssen auch bei der Auszahlung in Euro die Mindestlöhne der Gesamtarbeitsverträge (GAV) eingehalten werden. Ist dabei der Mindestlohn in Schweizer Franken definiert und liegt die Auszahlung des Lohns in Euro, umgerechnet mit dem Tageskurs, tiefer als der Mindestlohn, ist dies nicht zulässig.

II. PROBLEMBEREICHE

Bei der Auszahlung von Löhnen in Euro bestehen einige Probleme, welche vom Arbeitgeber bei der Auszahlung des Lohnes in Euro beachtet werden müssen:

a. Verbot der Überwälzung des Unternehmerrisikos

Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz gemäss Art. 324 OR, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer überwälzen darf, sondern dieses selbst zu tragen hat. Zum unternehmerischen Risiko gehören auch Währungsschwankungen, weshalb der Arbeitgeber als Folge des starken Schweizer Frankens den vereinbarten Lohn weiterhin zu bezahlen hat (GREMPER, S. 75). Es ist somit nicht möglich, die Lohnhöhe wechselkursabhängig zu vereinbaren.

b. Diskriminierungsverbot gemäss Freizügigkeitsabkommen

Das Freizügigkeitsabkommen (FZA) schreibt in Art. 2 FZA i.V.m. Art. 9 des Anhangs I vor, dass ausländische Arbeitnehmer gegenüber inländischen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht diskriminiert werden dürfen. Falls ein Unternehmen nur die Grenzgänger in Euro auszahlen will, stellt sich deshalb die Frage, ob dies mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist. Diese Frage wird in der Lehre unterschiedlich beantwortet. Einige sprechen sich dafür aus, dass die Auszahlung der Löhne an Grenzgänger in Euro bei Weiterzahlung der Löhne für die übrigen Arbeitnehmer in Schweizer Franken diskriminierend ist. Dagegen spricht, dass die Grenzgänger bei einem starken Franken auch tiefere Lebenshaltungskosten und eine höhere Kaufkraft haben (GREMPER, S. 77). Das Bezirksgericht Arlesheim entschied in einem Urteil vom 31. Januar 2012 in einem ähnlichen Fall, dass eine Diskriminierung vorlag. Es bleibt somit offen, ob die unterschiedliche Kaufkraft die unterschiedliche Auszahlung der Löhne rechtfertigt.

c. Massenentlassungen

Wenn weder eine Übung besteht noch die ursprünglichen Arbeitsverträge eine Auszahlung des Lohnes in Euro beinhalten, bedarf es für eine Umstellung auf Eurolöhne einer Änderungskündigung. Ist eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern von den Änderungskündigungen betroffen, müssen die Bestimmungen zur Massenentlassung (Art. 335d – 335g OR) zusätzlich berücksichtigt werden. Dabei muss insbesondere beachtet werden, dass die Arbeitnehmer zu konsultieren und das zuständige Arbeitsamt zu informieren sind (vgl. auch Newsletter vom 28. Januar 2013).

III. FAZIT

Die Diskussion um die Zulässigkeit von Eurolöhnen wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrmals geführt und hat gezeigt, dass grundsätzlich die Auszahlung des Lohns in Euro unter besonderen Bedingungen zulässig sein kann. Damit ein Unternehmen die Löhne in Euro auszahlen kann, muss dies entweder vereinbart oder üblich sein. Besonders beachtet werden müssen dabei das Verbot der Überwälzung des Währungsrisikos, das Diskriminierungsverbot und die Vorschriften bei Massenentlassungen im Falle von Änderungskündigungen. Sicherlich dürfen jedoch Arbeitgeber nicht einfach einseitig auf die Auszahlung des Lohnes in Euro wechseln, wenn dies wegen des Wechselkurses interessanter ist.

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4. Februar 2015 / Dr. iur. Stephan Fröhlich

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