22. Mai 2024

Rechtliche Rahmenbedingungen für die Kündigung älterer Arbeitnehmender

MLaw Manuel Vogler, Rechtsanwalt

Ältere und langjährige Arbeitnehmende sind mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung eine wichtige Stütze für viele Unternehmen. Wenn sie jedoch von einer Kündigung betroffen sind, haben sie oft Mühe, eine neue Stelle zu finden und sind länger arbeitslos als jüngere Arbeitnehmende. Das Bundesgericht hat sich in den letzten Jahren häufig mit der Kündigung älterer Arbeitnehmender befasst und dabei einige Regeln aufgestellt, die von Arbeitgebenden zu beachten sind.

I. GRUNDATZ DER KÜNDIGUNGSFREIHEIT

In der Schweiz kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis von beiden Seiten jederzeit unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden. Ein sachlicher Grund ist dafür nicht erforderlich (es sei denn, er wurde vereinbart, was gelegentlich in Gesamtarbeitsverträgen der Fall ist).

Das Obligationenrecht (OR) sieht jedoch zeitliche und sachliche Grenzen der Kündigungsfreiheit vor. Die zeitlichen Schranken dienen dem Schutz der Arbeitnehmenden, z.B. bei Krankheit, Schwangerschaft, Militärdienst, etc. Der zeitliche Kündigungsschutz steht hier jedoch nicht im Vordergrund.

Die sogenannte Missbräuchlichkeit bildet die materielle Grenze der Kündigungsfreiheit. Das Gesetz sieht in Art. 336 OR einige Konstellationen von Missbräuchlichkeit vor. Eine Kündigung ist unter anderem missbräuchlich, wenn sie wegen einer Eigenschaft ausgesprochen wird, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht. Mit dieser Regelung sollen insbesondere diskriminierende Kündigungen verhindert werden. Das Gesetz sieht hiervon aber zwei Gegenausnahmen vor: Wenn die Eigenschaft im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht oder wenn sie die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt. Das Alter ist zweifelsohne eine solche Eigenschaft, aufgrund derer man nicht diskriminiert werden darf. Kündigungen älterer Arbeitnehmender sind jedoch nicht automatisch missbräuchlich. In vielen Fällen gibt es für die Kündigung einen Rechtfertigungsgrund. Einige Beispiele: Wenn ein Arbeitnehmer den Anforderungen des Arbeitsplatzes nicht mehr entspricht, kann ihm gekündigt werden, auch wenn er älter ist und schon viele Jahre im Betrieb gearbeitet hat. Auch bei einer Krankheit, die die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt, ist eine Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist zulässig. Und wenn eine ältere Arbeitnehmerin aufgrund ihres schwierigen Charakters das Betriebsklima erheblich stört, kann ihr ebenfalls gekündigt werden.

Auch ältere Arbeitnehmende mit vielen Dienstjahren sind somit nicht generell vor einer Kündigung geschützt.

II. ERHÖHTE FÜRSORGEPFLICHT GEGENÜBER ÄLTEREN ARBEITNEHMENDEN

Das Bundesgericht hat erkannt, dass ältere und langjährige Arbeitnehmende bei Kündigungen verletzlicher sind. Es hat deshalb eine erhöhte Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden statuiert. Im Rahmen der üblichen Fürsorgepflicht haben die Arbeitgebenden für ihre Arbeitnehmenden zu sorgen, auf deren Persönlichkeit und Gesundheit zu achten und sie zu schützen. Bei der Kündigung älterer Arbeitnehmender haben sie zudem die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Kündigung für die Betroffenen besonders zu berücksichtigen. Aus der erhöhten Fürsorgepflicht ergibt sich, dass bei älteren Arbeitnehmenden der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung geschenkt werden muss.

Was dies genau bedeutet, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Grundsätzlich sollten die Betroffenen zumindest frühzeitig über die geplante Kündigung informiert und dazu angehört werden. Sie sollten Vorschläge unterbreiten können, wie die Kündigung verhindert oder ihre Folgen gemildert werden können. Darüber hinaus sollten die Arbeitgebenden nach Lösungen suchen, wie das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann. Dies kann durch Einzel- und Gruppengespräche, Fristansetzungen und Zielvereinbarungen, Coaching, Schulungen, Vereinbarungen über konkrete Verhaltensweisen oder ähnliche Massnahmen geschehen.

Erst wenn diese Massnahmen nicht fruchten und die Arbeitgebenden ihrer erhöhten Fürsorgepflicht in angemessener Weise nachgekommen sind, sollte die Kündigung ausgesprochen werden. Generell muss somit mit älteren Arbeitnehmenden viel schonender und sorgfältiger umgegangen werden als mit jüngeren.

Das Bundesgericht hat bisher offengelassen, wer genau unter den Begriff „ältere und langjährige Arbeitnehmende“ fällt. Als „älter“ dürften jedoch Arbeitnehmende ab ca. 58 bis 60 Jahren gelten. Zudem kann eine Betriebszugehörigkeit von 12 bis 15 Jahren als lang bezeichnet werden.

III. FAZIT UND EMPFEHLUNG

Auch ältere Arbeitnehmende mit vielen Dienstjahren sind nicht generell vor einer Kündigung geschützt, weil sonst der Grundsatz der Kündigungsfreiheit untergraben würde. Arbeitgebende müssen diese Arbeitnehmenden mit der gebührenden Sorgfalt behandeln und vor einer Entscheidung eine vertiefte Interessensabwägung vornehmen. Um zu beurteilen, ob die Kündigung eines älteren Arbeitnehmenden missbräuchlich war, braucht es immer eine Gesamtwürdigung der Umstände. Wer rechtliche Probleme vermeiden möchte, kann versuchen, die folgenden Punkte einzuhalten.

Arbeitgebende sollten bei der Kündigung von älteren und langjährigen Arbeitnehmenden Zurückhaltung üben und die erhöhte Fürsorgepflicht beachten. Arbeitgebende sollten immer versuchen, Probleme mit älteren Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz frühzeitig anzugehen. Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, sollten mildere Massnahmen geprüft und dokumentiert werden. Dies können Weiterbildungen, Umschulungen oder Versetzungen sein. Eine sorgfältige Dokumentation zeigt, dass die Arbeitgebenden ihre Fürsorgepflicht ernst nehmen.

Es ist besser, ältere Arbeitnehmende einmal zu viel zu verwarnen, als direkt zur Kündigung zu schreiten. Verwarnungen geben den Betroffenen die Möglichkeit, ihr Verhalten zu ändern und sich zu verbessern. Vor dem Kündigungsentscheid ist eine möglichst objektive Abwägung der beidseitigen Interessen vorzunehmen.

Die Kündigung sollte nicht überraschend erfolgen. Die betroffenen Arbeitnehmenden sollten frühzeitig über die geplante Kündigung informiert und in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, eigene Vorschläge zur Vermeidung der Kündigung zu unterbreiten, gegebenenfalls andere Optionen zu prüfen und sich auf die Situation vorzubereiten.

Sollten Sie Fragen haben oder rechtliche Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen mit unserer Expertise jederzeit zur Verfügung.


22. Mai 2024 / MLaw Manuel Vogler