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DER LIZENZVERTRAG (TEIL 4) – STOLPERSTEINE, INSBESONDERE UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DES WETTBEWERBSRECHTS

MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

Im vierten und letzten Teil der Lizenzvertrags-Reihe wird auf einige vertragliche Vereinbarungen eingegangen, die insbesondere im Hinblick auf das Kartellrecht problematisch sein können und die den Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien bei der Redaktion des Lizenzvertrags einschränken können. Im Weiteren gilt es auch bei der Vertragsdauer gewisse Kriterien zu beachten

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I. KARTELLRECHTLICHE EINSCHRÄNKLUNGEN

Grundsätzlich kommt das Kartellrecht zur Anwendung, wenn die involvierten Unternehmen einen gewissen Marktanteil haben (man kann von einer Grenze von rund 10% gemeinsamem Marktanteil ausgehen). Allerdings kommt den Wettbewerbsbehörden ein grosses Ermessen zu, weshalb auch ein Unternehmen mit einem sehr geringen Marktanteil ins Visier geraten kann. Zudem gibt es auch kartellrechtlich relevantes Verhalten, das keinen Mindestmarktanteil voraussetzt. Dies ist insbesondere bei Preis- und Gebietsabsprachen der Fall, weshalb durchaus auch KMU in den Fokus der Wettbewerbsbehörden geraten können. Und verstösst der Inhalt des Lizenzvertrags gegen kartellrechtliche Bestimmungen, so kann der Vertrag nichtig sein (Art. 20 OR). Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend auf die gängigsten kartellrechtlich heiklen Vertragsklauseln eingegangen, wobei jede Klausel einer Einzelfallbeurteilung bedarf und daher nicht pauschal als zulässig oder unzulässig qualifiziert werden kann:

1. Koppelungsgeschäfte

Marktbeherrschende Lizenzgeber dürfen keine Koppelungsgeschäfte erzwingen, d.h. sie dürfen den Lizenznehmer grundsätzlich nicht dazu verpflichten, zusätzlich zum Vertragsgegenstand weitere Produkte oder Leistungen zu beziehen. Eine Ausnahme liegt hingegen vor, wenn für die Koppelung sachliche Gründe vorliegen, was bspw. bei Wartungs- und Serviceleistungen der Fall sein kann. Weiter kann ein Koppelungsgeschäft zulässig sein, wenn die gekoppelten Produkte/Leistungen vom Endabnehmer als ein einziges Gut wahrgenommen werden.

2. Kundenkreisbeschränkungen

Mit einer Lizenzvereinbarung geht oftmals auch eine Gebietszuweisung einher. So können sich die Parteien bspw. darauf einigen, dass die Lizenz exklusiv für ein bestimmtes Vertragsgebiet gewährt wird, sprich kein anderer Händler bspw. in der Schweiz eine Lizenz erhält. Damit einher geht oftmals auch die Verpflichtung des Lizenznehmers, wonach er ausserhalb seines zugewiesenen Vertragsgebiets nicht tätig werden darf. Das ist aus kartellrechtlicher Sicht soweit grundsätzlich zulässig, sofern der aktive Verkauf untersagt wird. Passivverkäufe – also Verkäufe an Personen ausserhalb des Vertragsgebiets, die direkt auf den Lizenznehmer zukommen – müssen unter Umständen weiterhin erlaubt sein. Ansonsten kann ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegen. Vorsicht geboten ist hingegen, wenn sich die Parteien gegenseitig exklusive Lizenzen einräumen, denn das sog. «cross-licencing» von Exklusivlizenzen kann eine unzulässige Marktaufteilung darstellen und damit gegen das Kartellrecht verstossen.

Grundsätzlich unzulässig ist es zudem, dem Lizenznehmer den Vertrieb der lizenzierten Produkte über das Internet zu verbieten – es sei denn, sachliche Gründe (wie Gesundheitsschutz, Sicherheitsaspekte etc.) würden dafürsprechen. Inhaltliche Vorgaben, bspw. zur Produktpräsentation / Websitegestaltung, sind hingegen zulässig.

3. Preis – und Mengenvorschriften

Absolut unzulässig ist es, dem Lizenznehmer eine Preisbindung aufzuerlegen. Die Festsetzung des Verkaufspreises muss dem Lizenznehmer völlig freistehen. Preisempfehlungen können in der Schweiz unter Umständen abgegeben werden, sofern es sich denn auch tatsächlich um eine Empfehlung handelt. Entsprechende Preisangaben sollten dann stets als «unverbindliche Preisempfehlung» bezeichnet werden.

Auch bei der Vorgabe von Mengenbezügen ist Vorsicht walten zu lassen. Als wettbewerbsbeschränkend und damit wettbewerbswidrig wird insbesondere qualifiziert, wenn der Lizenznehmer mit der Lizenz zu einer Bezugsmenge verpflichtet wird, die mehr als 80% seines Einkaufsbedarfs deckt oder mehr als fünf Jahre dauert. Analoges gilt für vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbote (das Verbot, die Waren/Dienstleistungen des Lizenzgebers zu konkurrenzieren), die sich de facto wie Mindestmengenbezüge auswirken. Darüber hinaus können auch Höchstproduktions-Beschränkungen unzulässig sein.

4. Nichtangriffsklauseln

Heikel können zudem vertragliche Bestimmungen sein, wonach der Lizenznehmer zusichert, dass er die Gültigkeit der Immaterialgüterrechte des Lizenzgebers nicht angreife. Als Alternative zur Nichtangriffsklausel kann dem Lizenzgeber hingegen ein ausserordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werden, wonach er berechtigt ist, den Lizenzvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn der Lizenznehmer den Bestand der Immaterialgüterrechte angreift.

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II. ÜBERMÄSSIGE DAUER DES LIZENZVERTRAGS

Lizenzverträge werden oftmals auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer abgeschlossen, um allfällige Investitionen der Vertragsparteien zu schützen. Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung darf ein Vertrag allerdings nicht auf die Ewigkeit abgeschlossen werden. Sie werden als sittenwidrig im Sinne von Art. 2 und 27 ZGB qualifiziert, da sie zu stark in die Handlungsfähigkeit der Parteien eingreifen. Auch «übermässig langandauernde» Verträge können als sittenwidrig eingestuft werden, was dazu führt, dass den Vertragsparteien nach einer gewissen Dauer ein Kündigungsrecht zusteht. Wann ein Vertrag als «übermässig lange» zu qualifizieren ist, ist einzelfallabhängig und hängt vom konkreten Vertragsinhalt ab. Die Verpflichtung, auf die Ausübung eines Rechts zu verzichten, kann grundsätzlich länger vereinbart werden, als die Pflicht zu einer bestimmten Leistungserbringung. Müssen Leistungen wiederholt und über eine lange Dauer erbracht werden, wird grundsätzlich von einer kürzeren zulässigen Vertragsdauer ausgegangen, als wenn lediglich eine einmalige Leistung erbracht werden muss. Einschränkungen in der wirtschaftlichen (kommerziellen) Handlungsfähigkeit werden sodann als weniger gravierend qualifiziert als Verpflichtungen im persönlich-ideellen Lebensbereich. Einen Einfluss hat sodann das Austauschverhältnis der Parteien: Stehen Leistung und Gegenleistung noch in einem angemessenen Verhältnis? Je grösser das Ungleichgewicht, desto stärker der Eingriff in die Handlungsfähigkeit und desto kürzer die zulässige Vertragsdauer. Vor diesem Hintergrund kann keine allgemeine Maximaldauer beziffert werden; jeder Lizenzvertrag ist nach seinem Inhalt und seinen Vertragsparteien individuell zu beurteilen.



28. Juni 2023 / MLaw Simone Kessler, Rechtsanwältin

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