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ABSICHERUNG VON RECHTEN UND PFLICHTEN IM AKTIONÄRBINDUNGSVERTRAG

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages ist heute Standard, insbesondere in Gesellschaften mit einem überschaubaren Aktionariat. Entsprechend sind im Internet auch einige Vorlagen zu finden, welche – so scheint es zumindest – durch ein, zwei Änderungen und Ergänzungen den eigenen Bedürfnissen angepasst werden können. Häufig beinhalten diese zwar die gängigen Standardformulierungen, welche den Parteien durchaus auch einen gewissen Schutz bieten und den betreffenden Aktionären angemessen und sinnvoll erscheinen. Häufig zeigt sich den betroffenen Parteien allerdings erst im Nachhinein, nämlich dann, wenn eine Partei den Vertrag verletzt, dass die Rechte und Pflichten zusätzlich auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene hätten abgesichert werden sollen. Durch eine Abstimmung des Aktionärbindungsvertrages mit anderen, gesellschaftsrechtlichen Dokumenten, namentlich mit den Statuten, ist dies nämlich möglich. Nachstehend wird aufgezeigt, wie auf diese Weise ein optimaler Schutz von Aktionärsrechten und -pflichten erreicht werden kann.

I. EINLEITUNG

Der Aktionärbindungsvertrag («ABV») ist ein Vertrag zwischen allen oder einzelnen Aktionären einer Gesellschaft. Er ist vorzugsweise schriftlich abzuschliessen, wäre grundsätzlich aber auch formfrei gültig. Allerdings gilt er lediglich inter partes, was bedeutet, dass er auf gesellschaftsrechtlicher Ebene keine Wirkung hat und ein Aktionär als Vertragspartei im Fall der Verletzung des ABV durch eine andere Vertragspartei vom Verwaltungsrat der Gesellschaft auch nicht verlangen kann, dass er der betreffenden Vertragsbestimmungen zum Durchbruch verhilft. Verletzt eine Partei den ABV, hat sich die dadurch in ihren Rechten verletzte Vertragspartei selbständig zur Wehr zu setzen und einen daraus allfällig entstandenen Schaden oder die Realerfüllung der betreffenden Pflichten selber geltend zu machen und notfalls gerichtlich einzuklagen. Auf die Hilfe des Verwaltungsrates kann dabei nicht gezählt werden. Zumindest dann nicht, wenn bei Abschluss des ABV nicht gleichzeitig auch ein Instrumentarium geschaffen wurde, welches auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene Wirkung entfaltet und womit gezielt auch der Verwaltungsrat in die Pflicht gefasst werden kann.

II. VERTRAGLICHE ABSICHERUNG

Bevor auf die bereits angesprochene Möglichkeit der statutarischen Absicherung eingegangen wird, gilt es an dieser Stelle zu erwähnen, dass dem Aktionär durchaus auch vom OR und ZGB gewisse Sicherungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. So ist es beispielsweise möglich, die Verletzung einer Pflicht aus ABV durch eine Konventionalstrafe abzusichern. Dies erlaubt dem in seinen Rechten verletzten Aktionär, einen bestimmten Betrag als Schaden einzuklagen, ohne dass er den mühsamen und oftmals schwierigen Nachweis erbringen muss, dass ihm in diesem Umfang auch effektiv ein Schaden im Rechtssinne entstanden ist. Weiter besteht die Möglichkeit, gerade im Hinblick darauf, vertragliche Vorhand- und Vorkaufsrechte abzusichern, die Aktien (am besten blanko indossiert) bei einer unabhängigen Drittperson (beispielsweise der Treuhandstelle, zu welcher alle Aktionäre eine ähnliche Beziehung pflegen) zu hinterlegen. Auch eine fiduziarische Übertragung der Aktien auf eine unabhängige Drittperson kann sich als sinnvoll erweisen. Dadurch wird sichergestellt, dass ein einzelner Aktionär seine Aktien nicht einfach in Verletzung des ABV und damit in Umgehung des Vorhand- oder Vorkaufsrechts eines anderen Aktionärs auf einen Dritten überträgt.

III. STATUTARISCHE ABSICHERUNG

Die sinnvollste Art der Absicherung von aktionärbindungsvertraglichen Rechten und Pflichten besteht darin, Dokumente mit gesellschaftsrechtlicher Wirkung, die gegenüber allen Aktionären wirken und auch von den Organen der Gesellschaft (insbesondere dem Verwaltungsrat oder der Geschäftsführung) durchgesetzt werden können, mit dem ABV abzustimmen. Im Fokus stehen hier die Stauten der Gesellschaft. Durch Einführung einer sinnvollen Vinkulierungsordnung ist es möglich, die Übertragung von Aktien zu verhindern, indem für eine gültige Übertragung der Verwaltungsrat der Gesellschaft seine Zustimmung dazu erteilen muss. Aus welchen Gründen die Zustimmung verweigert werden darf, kann ebenfalls in den Stauten festgehalten werden. Der Grund der Ablehnung durch den Verwaltungsrat kann freilich nicht völlig willkürlich gewählt werden. Vielmehr muss er der Erhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Unternehmens oder des Gesellschaftszwecks dienen. Unter Bezugnahme auf diese Gründe ist es aber beispielsweise möglich, sicherzustellen, dass eine Übertragung von Aktien nur innerhalb der Familie möglich ist. Ebenso ist es erlaubt, in den Stauten festzuhalten, dass der Verwaltungsrat den Verkauf an einen Dritten ablehnen kann, wenn dadurch eine Bestimmung des unter den Aktionären abgeschlossenen Aktionärbindungsvertrages verletzt würde. Verstösst ein Aktionär, der sich in einem ABV verpflichtet hat, seine Aktien vor einem allfälligen Verkauf an einen Dritten den anderen Aktionären (welche ebenfalls Partei des ABV sind) zum Kauf anzubieten, gegen diese Pflicht und verkauft er seine Aktien an einen beliebigen Dritten, hat der Verwaltungsrat die Möglichkeit (und je nach Statutenbestimmung sogar die Pflicht) diese Übertragung zu verhindern mit der Folge, dass der Dritte nicht Aktionär wird. Dieses im Rahmen der Vinkulierungsordnung statuierte Verhalten des Verwaltungsrates hat, wie erwähnt, gesellschaftsrechtliche Wirkung. Das bedeutet also, dass es grundsätzlich von jedem Aktionär oder Organ der Gesellschaft verlangt werden kann und nicht nur von jenen Parteien, die durch den ABV verletzt worden sind.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, in den Statuten nicht nur die Möglichkeit der Ablehnung eines Dritterwerbers für den Fall, dass dadurch ein allfälliger ABV verletzt wird, vorzusehen, sondern darüber hinaus sogar die Pflicht des Verwaltungsrates, dass dieser alle Aktionäre über das Vorliegen eines neues Gesuchs um Aufnahme eines Dritterwerbers ins Aktienbuch informieren muss. Der Verwaltungsrat kann namentlich verpflichtet werden, den anderen Aktionären Mitteilung eines solchen Gesuchs eines Dritten zu machen und ihnen Frist anzusetzen, innert welcher sie sich dazu äussern sollen, ob sie sich für einen Ablehnungsgrund aussprechen oder ob – sollte dem nicht so sein – sie von ihrem (gesetzlichen) Recht Gebrauch machen wollen, die Aktien anstelle des Dritterwerbers zum wirklichen Preis vom Veräusserer zu übernehmen.

Freilich ist es häufig so – gerade in Gesellschaften mit überschaubarem Aktionariat –, dass sich der Verwaltungsrat aus Personen zusammensetzt, die selber auch Aktionäre sind. Insofern kann die Unabhängigkeit des Verwaltungsrates natürlich fraglich sein. Nicht vergessen werden darf allerdings, dass der Verwaltungsrat immer, unabhängig davon, ob er selber Aktionär ist, Organ der Gesellschaft ist und in seinem Handeln den gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen untersteht. In seiner Funktion als Verwaltungsrat hat er immer zugunsten der Gesellschaft zu handeln und die Gleichbehandlung aller Aktionäre zu gewährleisten. Er ist damit in seiner Funktion als Verwaltungsrat nicht gleich frei, wie wenn er als Aktionär handelt.

IV. FAZIT

Aktionärbindungsverträge können bei richtiger und sinnvoller Abfassung den Vertragsparteien wesentliche Rechte einräumen, welche sie insbesondere davor schützen, dass sie sich nach Ausscheiden einer anderen Vertragspartei aus dem Vertrag oder aus dem Aktionariat mit einem unliebsamen Mitaktionär konfrontiert sehen. Aufgrund der inter-partes-Wirkung des ABV ist eine umfassende Absicherung dieser vertraglichen Rechte und Pflichten durch das Abfassen von zusätzlichen Dokumenten, welchen gesellschaftsrechtliche Wirkung zukommen, zu empfehlen. Es ist damit entscheidend, dass nicht nur ein Aktionärbindungsvertrag abgeschlossen, sondern ein sinnvolles und gezielt aufeinander abgestimmtes Gesamtkonstrukt an vertraglichen- und gesellschaftsrechtlichen Dokumenten entworfen wird.

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10. September 2019 / lic. iur. Patricia Geissmann

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