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FIRMENSCHUTZ – VERWECHSLUNGSGEFAHR

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Die Firma ist der Namen des Unternehmens. Bei dessen Bildung sind verschiedene Gesetzesbestimmungen zu beachten. So muss der Inhalt der Firma der Wahrheit entsprechend, darf keine Täuschungen verursachen und keinem öffentlichen Interesse widersprechen (Art. 944 Abs. 1 OR). Darüber hinaus bestimmt Art. 951 OR, dass sich die Firma einer Handelsgesellschaft (insb. AG, GmbH, KolG, KomG) oder einer Genossenschaft von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden muss.

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Ist dies nicht der Fall, kann der Inhaber der älteren Firme wegen Verwechslungsgefahr auf Unterlassung des Gebrauchs der jüngeren Firma klagen (Art. 956 Abs. 2 OR). 

I. KRITERIEN ZUR DEUTLICHEN UNTERSCHEIDBARKEIT

Die Praxis hat unterschiedliche Kriterien entwickelt, nach welchen die deutliche Unterscheidbarkeit zweier sich gegenüberstehender Unternehmen beurteilt werden kann. Ob sich zwei Firmen deutlich unterscheiden, bestimmt sich immer nach dem Gesamteindruck, den sie bei einer normal unterscheidungsfähigen Person hinterlassen. Dabei müssen die Firmen nicht nur bei unmittelbarer Gegenüberstellung deutlich voneinander zu unterscheiden sein, sondern auch in der Erinnerung auseinandergehalten werden können. Dabei bleiben starke, kennzeichnungskräftige Firmenbestandteile, wie reine Fantasiebezeichnungen bzw. Wortneuschöpfungen, eher im Gedächtnis haften als kennzeichnungsschwache Elemente, wozu insbesondere für das Unternehmen beschreibende Inhalte, wie Hinweise auf die Tätigkeit oder die Rechtsform, oder gemeinfreie Sachbezeichnungen gehören. Zur Beurteilung der Ähnlichkeit werden die sich gegenüberstehenden Firmen in Schriftbild, Klang, Stellung und Sinngehalt miteinander verglichen. Grundsätzlich gilt, dass je geringfügiger die gesetzlichen und regulatorischen Auflagen zur Firmenbildung sind, desto höher die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit gegenüber älteren Firmen. Handelsgesellschaften und 

Genossenschaften können ihre Firma grundsätzlich frei wählen, weshalb das Bundesgericht bisher an deren Unterscheidbarkeit im Allgemeinen strenge Anforderungen stellt. Weiter bestanden bisher besonders hohe Anforderungen an die Unterscheidbarkeit, wenn zwei Unternehmen ihren Sitz in der gleichen Region haben, in der gleichen Geschäftsbranche / mit dem gleichen Zweck tätig sind, sich an denselben Kundenkreis richten oder die Unternehmen im Allgemeinen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.

Zur fehlenden Unterscheidbarkeit genügt die blosse Verwechslungsgefahr. Verlangt werden nicht tatsächlich eingetretene Verwechslungen, sondern es reicht aus, wenn die Firma eines Unternehmens für die eines anderen gehalten wird (sog. unmittelbare Verwechslungsgefahr) oder bei einem Aussenstehenden fälschlicherweise der Eindruck entsteht, die betreffenden Unternehmen seien wirtschaftlich oder rechtlich miteinander verbunden (sog. mittelbare Verwechslungsgefahr). Dabei sollen die firmenrechtlichen Schutzbestimmungen aber nur jene Verwechslungen verhindern, denen die normal unterscheidungsfähige Person mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit unterliegt.

II. KENNZEICHNUNGSKRAFT DER FIRMA

Das Gericht prüft die Verwechslungsgefahr im Einzelfall nach Recht und Billigkeit. Dabei kommen die vorstehend erwähnten Kriterien zur Anwendung. Besonderen Wert ist aber auf die Unterscheidbarkeit der Firmenkerne zu legen. Ist der Kern der älteren Firma schwach, also beispielsweise eine rein beschreibende Sachbezeichnung, so genügen bereits geringfügige Abweichungen bzw. Zusätze bei jüngeren Firmen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Das Bundesgericht rechtfertigt dies damit, dass allgemeine Sachbegriffe zum Gemeingut gehören würden und deshalb nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft hätten. Ist der Firmenkern hingegen besonders stark und besteht bspw. aus einer Wortneuschöpfung / einer reinen Fantasiebezeichnung, so kann eine fehlende Unterscheidbarkeit in den Firmenkernen nicht allein durch die Hinzufügung schwacher Elemente kompensiert werden. Das Bundesgericht begründet dies damit, dass wenig kennzeichnungskräftige Firmenbestandteile den Gesamteindruck nicht entscheidend zu prägen vermögen, weshalb sie für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ohnehin nur von untergeordneter Bedeutung seien. Bestehen die Kerne der zu beurteilenden Firmen also aus identischen oder sehr ähnlichen Fantasiebezeichnung und haben als Zusatz zwar unterschiedliche, aber einfache Sachbezeichnungen, wie bspw. «Kanalreinigung» oder «Informatikservice», so ist im Wesentlichen die Unterscheidbarkeit der Fantasiebezeichnungen und nicht die der Sachbezeichnungen zu beurteilen. 

III. ABGRENZUNG: IDENTISCHE FIRMEN

Das Handelsregisteramt prüft nicht, ob eine neu einzutragende Firma einer älteren, bereits länger bestehenden Firma ähnlich ist. Es ist folglich ein Trugschluss, dass keine firmenrechtlichen Bestimmungen verletzt worden sein sollen, wenn die Firma in das Handelsregister eingetragen worden ist. Im Sinne des öffentlichen Interesses und des Schutzes vor einer offensichtlichen Verwechslungsgefahr prüft das Handelsregisteramt in Bezug auf die Unterscheidbarkeit von Firmen nämlich nur, ob bereits identischeFirmen eingetragen worden sind. Bereits geringfügige Abweichungen von einer älteren Firma reichen aber aus, damit die neue Firma dennoch rechtmässig eingetragen werden kann. Weiter geht die Kognition des Handelsregisterführers bezüglich der Beurteilung einer allfälligen Verwechslungsgefahr nicht. 

IV. JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN

Im September 2019 musste das Bundesgericht jüngst über die Verwechselbarkeit vierer Firmen von international ausgerichteten Unternehmen urteilen. Konkret klagten Archroma Management GmbH, Archroma IP GmbH und Archroma Consulting Switzerland GmbH gegen das jüngere Unternehmen, die accroma labtec AG. Die Unternehmen konkurrenzierten sich nicht unmittelbar, liegen aber in einem Umkreis von lediglich 10 km. Das Bundesgericht führte bezüglich der Unterscheidbarkeit der sich gegenüberstehenden Handelsgesellschaften aus, dass insbesondere die Firmenkerne, «Archroma» und «accroma», aufgrund deren Fantasiegehalt beim allgemeinen Publikum in Erinnerung bleiben würden. Die englischsprachigen Zusätze «Management», «IP», «Consulting Switzerland» und «labtec» seien weitgehend als beschreibend zu qualifizieren, womit sie nur von geringer Kennzeichnungskraft seien. Sie sind damit lediglich von geringer Bedeutung. 

Die Firmenzusätze würden sodann den Schluss zulassen, dass auch die Firmenbestandteile «Archroma» und «accroma» englisch auszusprechen seien, womit bei deren Aussprache erhebliche Unterschiede bestehen würden. Sie würden sich damit im Klang eindeutig voneinander abheben. Die Abweichungen am Wortanfang (Archroma und accroma) würden auch einen erheblichen Unterschied im Schriftbild machen – dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gross- und Kleinschreibung. Damit stimme bei den sich gegenüberstehenden Firmen lediglich der Bestandteil «roma» überein, währenddem sich die Zusätze und die Wortanfänge deutlich voneinander unterscheiden würden. Die geographische Nähe der Unternehmen (10 km) führe darüber hinaus nicht zu einer erhöhten Verwechslungsgefahr, zumal sie ihren Sitz nicht am gleichen Ort hätten und nicht in einem konkurrenzierenden Verhältnis stünden. Schlussendlich kam das Bundesgericht zum Schluss, dass sich die Firmen deutlich voneinander unterscheiden würden und damit keine Verwechslungsgefahr bestehe (vgl. BGer 4A_170/2019 vom 24. September 2019). 

V. FAZIT

Die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit von Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften waren bisher als hoch einzustufen. Mit dem jüngsten Entscheid des Bundesgerichts ist nun fraglich, ob die Tendenz des Bundesgerichts in Richtung Lockerung der Anforderungen an die deutliche Unterscheidbarkeit von Firmen geht – insbesondere wenn es sich nicht um unmittelbare Konkurrenzunternehmen handelt. Dies dürfte wohl auch mit der vermehrten Dichte an schweizerischen Unternehmen und dem zunehmenden internationalen Handel zusammenhängen. Jedenfalls hätte das Bundesgericht im jüngsten Fall einer firmenrechtlichen Auseinandersetzung m.E. auch ohne Weiteres anders entscheiden und damit eine deutliche Unterscheidbarkeit verneinen können. Der Entscheid des Bundesgerichts ist dennoch mit Vorsicht zu geniessen; schlussendlich zählt immer der Einzelfall! Bei der Gründung eines neuen Unternehmens ist man also (zumindest aus rechtlicher Sicht) nach wie vor gut beraten, wenn die Firma keine (oder wenigstens nicht nur) Sachbezeichnungen, sondern einen möglichst hohen Fantasiegehalt aufweist. Abschliessend ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bildung einer neuen Firma nicht nur das Handelsregister konsultiert werden sollte, sondern auch nationale und internationale Markenregister auf ähnlich lautende Kennzeichen geprüft werden sollte. Ansonsten droht dem Träger der neuen Firma eine Klage gestützt auf das Markenschutzgesetz (MSchG) oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).


8. Januar 2020 / MLaw Simone Küng,

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