Blog

MIETRECHTLICHE STOLPERSTEINE BEI UMBAU UND SANIERUNG

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Eigentümer von Mietliegenschaften wollen von Zeit zu Zeit eine Liegenschaft umbauen oder müssen diese (total-)sanieren und stehen vor der Frage, wie sie hinsichtlich der bestehenden Mietverhältnisse vorgehen. Sollen die Arbeiten etappenweise vorgenommen werden, so dass die Mieter oder zumindest ein Teil davon in der Liegenschaft bleiben kann oder wäre doch eine Leerkündigung besser, sodass uneingeschränkt gebaut werden kann? Die Entscheidung kann von individuellen Tatsachen abhängen. Welche Probleme sich bei der einen oder andere Variante stellen können und was beachtet werden sollte, wird in diesem Newsletter unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erläutert.

.

I. BAUARBEITEN BEI VERMIETETEN LIEGENSCHAFTEN

Art. 256 Abs. 1 OR verpflichtet den Vermieter, das Mietobjekt während der Vertragsdauer in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten. Der Vermieter ist damit verpflichtet, Störungen und Mängel zu beseitigen und das Mietobjekt so zu unterhalten, dass es von den Mietern vertragskonform genutzt werden kann. Solche Unterhaltsarbeiten sind vom Mieter jederzeit zu dulden.

Gemäss Art. 260 Abs. 1 OR kann der Vermieter Erneuerungen und Änderungen – im Gegensatz zu reinen Unterhaltsarbeiten – am Mietobjekt nur dann vornehmen, wenn sie für den Mieter zumutbar sind und wenn das Mietverhältnis nicht gekündigt ist. Eine Zustimmung durch den Mieter ist nicht erforderlich. Das Bundesgericht stellt hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit. Entsprechende Arbeiten müssen schonend ausgeführt werden (Abs. 2).

Eine klare Linie zwischen Unterhaltsarbeiten und Erneuerungen bzw. Änderungen zu ziehen, gestaltet sich regelmässig als schwierig. Arbeiten an der Liegenschaft, die zur Behebung von Mängeln oder zur Beseitigung oder Vermeidung von Schäden notwendig sind, wie beispielsweise das Ersetzen einer defekten Heizung, der Ersatz von Leitungen, die zu rosten drohen, der Service von technischen Geräten etc., sind Unterhaltsarbeiten. Von Erneuerungen und Änderungen spricht man häufig bei einer Umgestaltung von Mietobjekten, bei wertvermehrenden Investitionen, die nicht unbedingt nötig, aber nützlich sind, wie beispielsweise bei energetischen Sanierungen oder beim Einbau von neuen, bisher nicht vorhandenen Einrichtungen.

Sowohl bei Unterhaltsarbeiten als auch bei Erneuerungen und Änderungen können die Mieter grundsätzlich in der Liegenschaft verbleiben. Die Bedürfnisse der Mieter sind soweit als möglich zu berücksichtigen. Der Vermieter behält seinen Anspruch auf den Mietzins, wobei je nach Ausmass und Dauer der Arbeiten bzw. dem Grad an Immissionen mit Mietzinsherabsetzungs- und Schadenersatzbegehren (Art. 259a ff. OR) zu rechnen ist. Auch besteht das Risiko von Verzögerungen infolge von Einsprachen und Verfahren mit den Mietern.

.

II. LEERKÜNDIGUNG IN HINBLICK AUF EINEN UMBAU ODER EINE SANIERUNG

Namentlich im Falle von grösseren Umbau- oder Sanierungsprojekten sind diese nur bei Leerstand zeit- und kosteneffizient durchzuführen. Entsprechend müssen sämtliche Mietverhältnisse gekündigt werden. Die Inangriffnahme von Arbeiten wird in aller Regel mit Blick auf die hiervor zitierte Bestimmung von Art. 260 Abs. 1 OR vor dem Kündigungstermin unterbleiben müssen.

Bei Leerkündigungen besteht das Risiko, dass (einzelne) Mieter die Kündigung anfechten, sich auf Missbräuchlichkeit berufen bzw. eine Erstreckung verlangen. Damit zusammenhängende Gerichtsverfahren können mehrere Jahre dauern. Während hängigen Gerichtsverfahren geniessen die betroffenen Mieter eine sogenannte «kalte Erstreckung», d.h. sie können in der Mietwohnung mindestens solange verbleiben, wie das Verfahren andauert. Gerade bei grösseren Liegenschaften mit mehreren Mietobjekten gestaltet sich die Situation für den Eigentümer und Vermieter äusserst mühsam, wenn einzelne Mieter die Kündigung anfechten: Er verliert die Mietzinseinnahmen der Mieter, die das Objekt infolge Kündigung verlassen. Gleichzeitig kann er aber nicht über seine (ganze) Liegenschaft verfügen und die Sanierung vorantreiben, weil einzelne Objekte besetzt bleiben und währenddessen Erneuerungen und Änderungen mit Blick auf Art. 260 Abs. 1 OR nicht zulässig sind. Ausserdem muss die Liegenschaft weiterhin unterhalten, geheizt und gereinigt werden, auch wenn bloss noch wenige Mieter dort wohnen. Auch die Reputation kann unter diesem Umstand leiden. Leerkündigungen sind folglich für Vermieter sinnvoll, welche über einen langen Atem verfügen und welche auch das mit einer solchen Kündigung verbundene Leerstandsrisiko tragen können.

.

III. VORAUSSETZUNGEN SANIERUNGSKÜNDIGUNG

Grundsätzlich sind die Parteien in ihrer Entscheidung ein Mietverhältnis zu kündigen frei. Der Vermieter kann somit das Mietverhältnis kündigen, um sein Eigentum auf die für ihn günstige Weise zu nutzen, um grössere Renovationen durchzuführen, welche bei Auszug des Mieters rascher und günstiger ausgeführt werden können, um den Ertrag zu maximieren oder die Räumlichkeiten für sich selbst zu nutzen oder nahen Verwandten zur Verfügung zu stellen. Die Kündigung darf einzig und allein nicht missbräuchlich sein. Eine Kündigung kann durch einen Mieter erfolgreich angefochten werden, wenn sie missbräuchlich ist, d.h. gegen Treu und Glauben verstösst und somit ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse erfolgt (Art. 271 Abs. 1 OR). Im Zusammenhang mit einer Sanierung fallen in erster Linie folgende Fallgruppen in Betracht:

–     Kündigung als schonungslose Rechtsausübung, weil der Vermieter aus verschiedenen Optionen diejenige wählt, welche für den Mieter nachteiliger ist.

–     Widersprüchliches Verhalten, weil der Vermieter in der Kündigung angibt, dass diese infolge Totalsanierung erfolgt und in der Folge nur Malerarbeiten durchgeführt werden und somit ein Verbleib im Mietobjekt möglich wäre. Die Relevanz dieser Fallgruppe dürfte in der Praxis nicht sehr hoch sein, da bis zur Eruierung des wahren Grundes meist die Anfechtungsfrist von 30 Tagen bereits verstrichen ist.

–     Kündigung obwohl noch kein ausgereiftes Projekt vorliegt bzw. zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollzogen werden kann, dass die geplanten Arbeiten notwendig sind und der Auszug der Mieter erforderlich ist.

In der Praxis ist die letzte Fallgruppe wohl am häufigsten anzutreffen, weshalb auf diese ausführlich Bezug genommen wird.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss der Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung ein tatsächliches und aktuelles, schutzwürdiges Interesse haben. Ein solches wird verneint, wenn das Umbauprojekt noch zu wenig ausgereift ist bzw. noch keine greifbare Tatsache darstellt. Irrelevant ist, ob die geplanten Arbeiten notwendig oder gar dringlich sind und gleichermassen auch die Bereitschaft eines Mieters die Arbeiten zu dulden. Es ist hingegen wichtig, dass, wenn ein Umbau der Kündigungsgrund darstellt und dieser auch angegeben wird, das Umbauprojekt im Zeitpunkt der Kündigung bereits ausgereift und relativ detailliert geplant ist. Die feste Absicht zur Renovierung und zum Umbau eines Gebäudes genügt jedenfalls nicht. Idealerweise wurde bereits ein Baubewilligungsgesuch eingereicht oder es liegt sogar eine Baubewilligung vor. Dies stellt jedoch keine zwingende Voraussetzung dar. Weitere Unterlagen, welche zur Substantiierung eines ausgereiften Bauprojekts beitragen können (nicht müssen), sind beispielsweise: Machbarkeitsstudie eines Architekten, Pläne, konkreter Baubeschrieb, Offerten, Finanzierungsnachweis für das beabsichtigte Projekt u.Ä.

Wird die Kündigung aufgrund eines Projekts ausgesprochen, dessen Realisierung objektiv unmöglich ist, insb. weil es offensichtlich nicht mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts vereinbar ist, so ist abzuschätzen, ob zum Zeitpunkt der Kündigung die Bewilligung der geplanten Arbeiten deutlich auszuschliessen gewesen ist. Eine nicht vernachlässigbare Wahrscheinlichkeit genügt hierfür nicht. Eine Kündigung widerspricht nicht bereits dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn das ursprüngliche Projekt geändert werden muss, um durch die Behörde bewilligt zu werden. Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Bauvorhaben im Laufe der Planung freiwillig oder aufgrund von behördlichen Auflagen angepasst werden und das Projekt nicht genauso realisiert wird, wie ursprünglich angedacht. Nach dem Kündigungszeitpunkt eintretende Ereignisse führen nicht dazu, dass eine Kündigung nachträglich missbräuchlich werden kann. Diese Ansicht wurde kürzlich vom Bundesgericht bestätigt.

Abschliessend sei erwähnt, dass selbst wenn die Kündigung nicht ungültig ist oder wegen Missbräuchlichkeit angefochten wird, für den Vermieter infolge einer Kündigung immer noch das Risiko besteht, dass Mieter bei Gericht eine Erstreckung verlangen und ihnen diese vom Gericht unter bestimmten Voraussetzungen zugestanden wird. Auch dies führt konsequenterweise zur Verzögerung von Bauarbeiten. Würde die Klage um Erstreckung abgewiesen, kommt der Mieter zumindest während des hängigen Verfahrens in den Genuss der «kalten Erstreckung». Ein Mieter wird dem Vermieter gegenüber grundsätzlich nicht schadenersatzpflichtig, solange er seine Rechte gutgläubig ausübt, womit Ansprüche des Vermieters gegenüber dem unterliegenden Mieter im Gerichtsverfahren tendenziell ausgeschlossen sind.

.

IV. VORGEHENSWEISE UND MASSNAHMEN IN HINBLICK AUF EINEN UMBAU ODER EINE SANIERUNG

Ein Umbau oder eine umfassende Sanierung wollen gut und frühzeitig geplant sein.

Je weiter ein Bauprojekt fortgeschritten ist, desto besser sind die Aussichten, dass eine Kündigung geschützt und dass keine oder keine allzu lange Erstreckung gewährt wird.

Weiss ein Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrages, dass in absehbarer Zeit eine Gesamtsanierung ansteht, ist er gut beraten, einen befristeten Mietvertrag abzuschliessen. In Mietverträgen, welche in Hinblick auf ein bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben geschlossen werden, können die Parteien ausnahmsweise vereinbaren, dass das Mietverhältnis nur für beschränkte Zeit bis zum Baubeginn oder bis zum Erhalt der erforderlichen Bewilligung abgeschlossen wird (Art. 272a Abs. 1 lit. d OR). Die Erstreckung ist dann ausgeschlossen. Dies ermöglicht dem Vermieter für Mietobjekte, welche bereits gekündigt und zurückgegeben worden sind, wieder befristet zu vermieten, was namentlich dann zum Tragen kommt, wenn mit dem Umbau noch nicht begonnen werden kann, bspw. wegen anderer hängigen Gerichts- und Bewilligungsverfahren.

Im Vorfeld von Sanierungskündigungen haben Vermieter sodann darauf zu achten, dass es zu keinen unnötigen Schlichtungs- und Gerichtsverfahren mit den Mietern kommt, sodass Kündigungssperrfristen zum Tragen kommen. Insofern ist auch von Vorankündigungen abzuraten, andernfalls gewisse Mieter sich veranlasst sehen können, mietrechtliche Streitigkeiten zu provozieren, um so in den Genuss dieser Sperrfristen zu kommen.

Je nach Ausgangslage kann sich in Hinblick auf eine umfassende Sanierung statt einer Kündigung auch eine Vereinbarung mit den Mietern anbieten. In einer solchen Vereinbarung können die Details, abgestimmt auf den Einzelfall, geregelt werden. Damit gewinnt der Vermieter Rechtssicherheit. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die betroffenen Mieter ihre Zustimmung zur Auflösung des Mietverhältnisses geben, was sicherlich nicht immer einfach sein dürfte. Gewährt der Vermieter dem Mieter jedoch eine längere Auflösungsfrist bzw. eine einseitige kürzere Auszugsmöglichkeit, hilft ihm aktiv bei der Suche einer neuen Wohnung oder kann ihm eine solche gar zur Verfügung stellen und kommt ihm eventuell finanziell bezüglich Umzugskosten entgegen, so ist das Einigungspotenzial erfahrungsgemäss höher. Ein solches Vorgehen macht aber nur Sinn, wenn der Vermieter seine Mieter einschätzen kann und er eine einvernehmliche Lösung nicht per se ausschliesst.

Andernfalls besteht eine Garantie für die Vermeidung von Auseinandersetzungen mit Mietern auch bei guter und rechtzeitiger Analyse der Situation, sorgfältiger Planung und bei rücksichtsvollem Handeln gegenüber den Mietern leider nicht. Dennoch ist dies absolut zu empfehlen.


15. Februar 2023  / MLaw Kim Attenhofer

Sorry, the comment form is closed at this time.