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WAS VERSTEHT MAN UNTER EINEM «GENERIKUM» UND INWIEFERN UNTERSCHEIDET ES SICH VOM ORIGINALPRÄPARAT?

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin, unter Mithilfe von MLaw Sara Sommer

Ein Generikum – auch Nachahmerpräparat genannt – verspricht dem Verbraucher dieselbe Wirkung wie das originale Arzneimittel. Der Preis eines Generikums liegt jedoch unter demjenigen des nachgeahmten Originalpräparats. Konsumenten könnten sich deshalb veranlasst sehen, die Qualität des Generikums zu hinterfragen – jedoch zu Unrecht, was nachfolgende Ausführungen zeigen.

Dieser Beitrag geht folgenden Fragen auf den Grund: Welche Gemeinsamkeiten mit dem Originalpräparat muss das Generikum zwingend aufweisen? Welche Unterschiede können zwischen den beiden Präparaten bestehen? Bedarf ein Generikum vor dessen Vertrieb einer Zulassungsprüfung?

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I. RECHTLICHE DEFINITION DES BEGRIFFS «GENERIKUM»

Der Begriff «Generikum» wird im Schweizerischen Heilmittelgesetz in Art. 4 Abs. 1 lit. asepties HMG und in der Verordnung über die Krankenversicherung in Art. 64a Abs. 2 KVV definiert. Als Generikum gilt demnach:

«ein vom Institut zugelassenes Arzneimittel, das im wesent­lichen gleich ist wie ein Originalpräparat und das mit diesem aufgrund identischer Wirkstoffe sowie seiner Darreichungsform und Dosierung austauschbar ist.»
Hinweis: Im Originaltext sind keine Textstellen unterstrichen. Diese Hervorhebungen wurden durch die Autorinnen angebracht.


Bereits angesichts dieser Begriffsdefinition wird klar, dass ein Präparat gewissen Anforderungen genügen muss, damit es als – mit dem Originalarzneimittel gleichwertiges – Generikum vertrieben werden darf. Auf die Voraussetzungen der identischen Wirkstoffe, der (bloss) wesentlichen Gleichheit sowie der Zulassung durch entsprechendes Institut wird nachfolgend eingegangen.

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II. ZWINGENDE ÜBEREINSTIMMUNG MIT DEM ORIGINALPRÄPARAT

Gesetzesgemäss muss ein Generikum die identischen Wirkstoffe wie das Originalpräparat enthalten. Als Wirkstoff bezeichnet man die pharmakologisch aktiven Substanzen in einem Arzneimittel. Wirkstoffe sind also diejenigen Bestandteile eines Arzneimittels, die für seine eigentliche Wirksamkeit (z.B. Schmerzlinderung) verantwortlich sind.

Zwei Wirkstoffe gelten dann als identisch, wenn sie in ihrer chemischen Zusammensetzung – also in ihrem Aufbau aus Salzen, Ester, Ether, Isomeren etc. – vollkommen übereinstimmen. Demgegenüber gelten zwei Wirkstoffe lediglich als gleich, wenn sie zwar dieselbe Wirkung, Qualität und Sicherheit aufweisen, sich aber in ihrer chemischen Zusammensetzung – auch nur marginal – unterscheiden.

Der Gesetzgeber setzt die Anforderungsschwelle in Bezug auf die im Generikum enthaltenen Wirkstoffe entsprechend auf die höchstmögliche Stufe: Er verlangt die vollkommene chemische Übereinstimmung mit den Wirkstoffen des Originalpräparats, obwohl chemisch lediglich gleiche Wirkstoffe bereits dieselbe Wirkung beim Verbraucher des Arzneimittels in derselben Qualität und Sicherheit herbeiführen.

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III. ERLAUBTE ABWEICHUNG VOM ORIGINALPRÄPARAT

.Arzneimittel enthalten nebst Wirkstoffen auch noch sogenannte Hilfsstoffe, dies sind pharmakologisch nicht aktive Bestandteile. Hilfsstoffe dienen beispielsweise der Wirkungsverstärkung, der Formgebung, der Färbung oder der Geschmacksgebung eines Arzneimittels.

Die in einem Generikum enthaltenen Hilfsstoffe dürfen sich von den Hilfsstoffen des Originalpräparats unterscheiden. Diese erlaubte Abweichung ist jedoch indirekt begrenzt, da das Generikum gemäss gesetzlicher Definition hinsichtlich seiner Darreichungsform (z.B. Tablette, Flüssigkeit) und Dosierung (Wirkungsstärke) mit dem Originalpräparat austauschbar sein muss.

Nebst unterschiedlichen Hilfsstoffen darf das Generikum im Vergleich mit dem Originalpräparat zudem Abweichungen beim Herstellungsprozess aufweisen.

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IV. ZULASSUNGSPRÜFUNG EINES GENERIKUMS

Die Swissmedic (Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte) entscheidet jeweils in einem umfassenden Verfahren über die Zulassung eines Originalpräparats und prüft in dessen Rahmen die darin enthaltenen Wirkstoffe genauestens.

Auch ein Generikum, das – wie oben erläutert – die identischen Wirkstoffe enthält, bedarf zu dessen Vertrieb einer Zulassung durch die Swissmedic. Es unterliegt jedoch einer vereinfachten Zulassung, weil die Swissmedic auf bereits vorhandene Unterlagen und Prüfergebnisse des Originalpräparats zurückgreifen kann.

Geprüft wird im Rahmen der Zulassung des Generikums deshalb nur die sogenannte therapeutische Äquivalenz zum Originalpräparat.

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1. Therapeutische Äquivalenz

Unter therapeutischer Äquivalenz versteht man ein identisches Wirksamkeitsprofil zweier Arzneimittel. Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz erfolgt für gewöhnlich mittels klinischer Studien (Test mit Patienten und gesunden Probanden) in einem statistischen Verfahren (ausreichende Fallzahlen).

Der Nachweis der therapeutischen Äquivalenz ist entsprechend aufwändig und darf deshalb – bei der Zulassungsprüfung von Generika – ersatzweise durch den Nachweis der Bioäquivalenz geführt werden.

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2. Bioäquivalenz

Zwei Arzneimittel mit identischem Wirkstoff gelten nach Verabreichung der gleichen Dosen als bioäquivalent, wenn die Geschwindigkeit und das Ausmass der Arzneistoffresorption beider Mittel nahezu gleich sind.

Mit anderen Worten muss der menschliche Körper die Wirkstoffe des Generikums in der gleichen Menge und gleich schnell aufnehmen können, wie dies beim Originalpräparat der Fall ist. Verhält sich das Generikum entsprechend bioäquivalent zum Originalpräparat, kann die Swissmedic die Zulassung erteilen.

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V. Privatrechtliche Hindernisse

Die vorstehenden Ausführungen befassen sich mit den öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zur Zulassung eines Generikums. Abgesehen hiervon muss selbstverständlich vor der Markteinführung eines Generikums auch darauf geachtet werden, dass keine Patente, erweiterten Schutzzertifikate (kurz: ESZ) oder anderweitige Exklusivrechte anderer Marktteilnehmer verletzt werden.

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VI. FAZIT

Die Wirkstoffe – also jene Stoffe, die eine Wirkung im Körper herbeiführen – eines Generikums und des nachgeahmten Originalpräparats sind stets identisch. Hinsichtlich Hilfsstoffen und Herstellungstechnologie können sich die beiden Präparate unterscheiden.

Die im Generikum enthaltenen Wirkstoffe wurden von der Swissmedic schon anlässlich der Zulassung des Originalpräparats umfassend geprüft. Deshalb genügt zur Zulassung eines Generikums die Feststellung, dass die bereits bekannten Wirkstoffe bei der Einnahme des Generikums vom menschlichen Körper gleich gut aufgenommen werden können wie bei der Einnahme des Originalpräparats.

Dass ein Generikum zu einem tieferen Preis als das originale Präparat angeboten werden kann, ist auf den kostengünstigeren Zulassungsprozess bei der Swissmedic sowie auf viel tiefere Forschungs- und Entwicklungskosten beim Pharmaziehersteller zurückzuführen. Zur Förderung eines breiten Zugangs zu Arzneimitteln bzw. zur Regulierung von Krankenkassenkosten ist der Preis für Generika gesetzlich sogar plafoniert. Der günstigere Preis von Generika lässt folglich keineswegs auf eine minderwertige Qualität derselben schliessen.



14. Juni 2021 / MLaw Simone Küng

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