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DATENSCHUTZRECHTLICHE GRENZEN DER VIDEOÜBERWACHUNG BEI MIETLIEGENSCHAFTEN

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt und MLaw Antonia Mästinger

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Das Bundesgericht hatte sich in einem kürzlich erschienenen Urteil mit der Frage der Rechtmässigkeit einer Videoüberwachungsanlage in einem Mehrfamilienhaus zu befassen. Beim Mehrfamilienhaus handelte es sich um ein dreiteiliges Gebäude mit insgesamt 24 Wohnungen, wobei jeder der drei Gebäudeteile über einen eigenen Eingang verfügte. Alle drei Teile waren durch einen internen Durchgang miteinander verbunden, welcher den Zugang zur gemeinsamen Autoeinstellhalle und zur Waschküche ermöglichte. In diesem Gebäude wurde durch die Vermieterschaft im Aussen- und Innenbereich des Wohngebäudes sowie in der Autoeinstellhalle eine Videoüberwachungsanlage mit insgesamt zwölf Kameras installiert. In der Folge wurden die Vermieter seitens eines Mieters dazu aufgefordert, die Überwachungskameras zu entfernen. Im Urteil 4A_576/2015 setzte sich das Bundesgericht daraufhin mit den datenschutzrechtlichen Grenzen der Videoüberwachung bei Mietliegenschaften auseinander.

I. RECHTLICHE GRUNDLAGEN

Das Bundesgericht hielt fest, dass das Mietrecht gemäss Art. 253 ff. OR keine besonderen Bestimmungen bezüglich der Bearbeitung von Personendaten des Mieters durch den Vermieter enthält, was bedeutet, dass auch im Rahmen eines Mietverhältnisses die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes Anwendung finden. Dieses ergänzt und konkretisiert den bereits durch das Zivilgesetzbuch (Art. 28 ff. ZGB) gewährleisteten Persönlichkeitsschutz.

Art. 15 Abs. 1 DSG bestimmt, dass gegen widerrechtliche Verletzungen der Persönlichkeit die Klage nach Art. 28 f. ZGB offensteht. Gemäss Art. 28a Abs. 1 ZGB kann die klagende Partei dem Gericht beantragen, eine drohende Verletzung zu verbieten, eine bestehende Verletzung zu beseitigen oder die Widerrechtlichkeit einer Verletzung festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt. Die Beweislast für die Persönlichkeitsverletzung trägt die klagende Partei, während die beklagte Partei als Urheberin der Verletzung diejenigen Tatsachen zu beweisen hat, welche einen Rechtfertigungsgrund darstellen.

Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass die Aufzeichnung von Bildern durch eine Videoüberwachungsanlage, welche es erlaubt, bestimmte Personen zu identifizieren, unbestreitbar in den Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes falle, welches in Art. 3 lit. e DSG festlegt, dass unter dem Bearbeiten von Personendaten jeder Umgang mit Personendaten zu verstehen ist, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten. Unter Personendaten sind gem. Art. 3 lit. a DSG alle Angaben, welche sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen, zu verstehen. Darunter fallen auch Bilder, ohne dass die Beschaffenheit des Datenträgers relevant ist. Entscheidend ist bloss, dass sich die Angaben einer Person zuordnen lassen.

Da somit die Aufzeichnung von Bildern durch eine Videoüberwachungsanlage unter das Datenschutzgesetz fällt, hat der Vermieter, welcher eine Videoüberwachungsanlage in einem Mietshaus betreiben möchte, insbesondere die allgemeinem Bearbeitungsgrundsätze gemäss Art. 4 DSG sowie die Vorgaben zur Bearbeitung von Personendaten durch Privatpersonen gemäss Art. 12 ff. DSG zu beachten. Art. 12 Abs. 1 DSG bestimmt, dass wer Personendaten bearbeitet, die Persönlichkeit der betroffenen Person nicht widerrechtlich verletzen darf. In Art. 13 Abs. 1 DSG sind die Rechtfertigungsgründe geregelt, welche vorsehen, dass eine Verletzung der Persönlichkeit widerrechtlich ist, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Grundsätzlich kann jedes Interesse von allgemein anerkanntem Wert berücksichtigt werden.

II. ABWÄGUNG DER MIETER- UND VERMIETERINTERESSEN

Anlässlich eines Augenscheins der Liegenschaft inkl. Vorplatz und Autoeinstellhalle stellte die Vorinstanz fest, dass die Videoüberwachungskameras geeignet seien, Straftaten zu verhindern. Die Kameras seien mit gut sichtbaren Hinweisschildern versehen und an zentralen Stellen auf dem Vorplatz zu den drei Hauseingängen der Liegenschaft, in den drei Hauseingangsbereichen, in den Durchgängen zwischen den Liegenschaftsteilen sowie bei den Zugängen zur Waschküche, in der Autoeinstellhalle sowie über dem Eingang zur Autoeinstellhalle montiert.

Um die Liegenschaften oder die Autoeinstellhalle zu betreten, müssten diese Kamerastandorte passiert werden. Eine gleich geeignete, mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg sei nicht ersichtlich, da eine Verbesserung der Beleuchtung nicht gleich wirkungsvoll sei. Weiter wurde festgestellt, dass die Aufnahmen auf 24 Stunden beschränkt seien und anschliessend überspielt würden, so dass die Massnahme auch unter diesem Blickwinkel massvoll erscheine.

Das Bundesgericht hielt fest, dass ein allgemeines Interesse der Eigentümer und der einer Überwachungsmassnahme zustimmenden Mieter an der Verhinderung von Vandalenakten und Einbrüchen nicht ohne Weiteres jede Videoüberwachung im Innern eines Wohnhauses rechtfertige. Genau so wenig geht jedoch der Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV), der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) oder der Schutz auf körperliche Unversehrtheit (Art. 10 Abs. 2 BV) in der Weise vor, dass eine Videoüberwachung in Räumen, welche für alle Bewohner zugänglich sind, ohne die Zustimmung sämtlicher Betroffener stets als unzulässig zu erachten wäre. Stets ist also eine konkrete Interessenabwägung unter Einbezug sämtlicher Umstände vorzunehmen. Handelt es sich um einen anonymen Wohnblock, in welchem eventuell sogar ein Risiko von Übergriffen besteht, kann eine Videoüberwachung im Eingangsbereich durchaus angemessen und für sämtliche Betroffenen zumutbar sein, wogegen dies in einem kleinen Mehrfamilienhaus, in welchem sich alle Nachbarn kennen, eher nicht der Fall sein dürfte.

Im vorliegenden Fall lag ein erhebliches Interesse der Vermieterschaft an der Verhinderung von Einbrüchen und Vandalenakten vor. Auch begrüssten die Mieter das eingerichtete Videoüberwachungssystem mehrheitlich. Das Bundesgericht stimmte jedoch der Vorinstanz zu und entschied, dass eine dauerhafte Überwachung im Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre darstelle, da diese eine systematische Erhebung des Verhaltens des Mieters ermögliche, da dieser diese Bereiche für den Zugang zu seiner Wohnung regelmässig passieren müsse. So würden die Tageszeiten erfasst, zu denen er die Liegenschaft betrete oder verlasse sowie Personen, die ihn allenfalls begleiten würden. Angesichts nur weniger Mietparteien und somit überschaubarer Verhältnisse sowie fehlender Hinweise auf eine konkrete Gefährdung stelle die Überwachung des Eingangsbereichs und der internen Durchgänge zur Waschküche eine übermässige Beeinträchtigung der Privatsphäre dar, welche durch die Ziele der Überwachung, wie Prävention und Aufklärung von Vandalismus und Einbrüchen, nicht ausreichend gerechtfertigt sei. Dies weil das, was sich im Innern der Mietliegenschaft zutrage, zumindest in den Bereichen der Durchgänge der Privatsphäre unterliege. Mit den in Frage stehenden Kameras wäre es möglich, Lebenssituationen des Mieters festzuhalten, welche dem Einblick der Vermieterschaft entzogen bleiben müssten. Die Videoüberwachung innerhalb des Mietobjekts führe zu einer übermässigen Beeinträchtigung des Beschwerdegegners in der unbeobachteten Nutzung, insbesondere des Waschküchenvorraums, und lasse sich mit den Zielen der Videoüberwachung, der Prävention und Aufklärung von Einbrüchen und Vandalismus, nicht ausreichend rechtfertigen. Ausserdem werde das Interesse der Vermieterschaft und der einverstandenen Mieter an einer wirksamen Verhinderung und Aufklärung von Straftaten auch ohne die als unzulässig erklärten Videobilder mit den übrigen Kameras, unter anderem den Aussenkameras auf dem Vorplatz zu den drei Hauseingängen, gewahrt. Diese Kamerastandorte, vor allem derjenige über dem Eingang zur Autoeinstellhalle und in der Halle selbst, liessen sich mit den Zielen der Überwachung vereinbaren und die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Beschwerdegegners erscheine als zumutbar, da bei einem rechtswidrigen Betreten der Autoeinstellhalle durch Unbefugte Sachwerte unmittelbar bedroht würden.

III. FAZIT

Ob die Persönlichkeit eines Mieters durch eine Videoüberwachungsanlage verletzt wird, ist durch umfassende Abwägung der Interessen des Mieters sowie des Vermieters und allfälliger der Kameraüberwachung zustimmender Mitmieter zu beurteilen. In Bereichen, die der Privatsphäre unterliegen, wie beispielsweise dem Hauseingang sowie dem Durchgang zur Waschküche, beurteilt das Bundesgericht die Beeinträchtigung der Privatsphäre durch eine Videoüberwachung als übermässig. Zulässig sind Überwachungsanlagen jedoch auf dem Vorplatz zum Hauseingang oder über dem Eingang zur Autoeinstellhalle, da die Persönlichkeitsrechte des Mieters durch Kameras an diesen Standorten weniger beeinträchtigt werden, da Kameras an diesen Standorten keine systematische Erhebung des Verhaltens des Mieters ermöglichen, wie dies bei Kameras im Hauseingang der Fall ist. Folglich kann der Mieter vorliegend gestützt auf Art. 15 DSG die Beseitigung der Kameras im Hauseingang und im Durchgang zur Waschküche verlangen.
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25. April 2016 / lic. iur. Stephan Hinz

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