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DER ARCHITEKT UND DAS URHEBERRECHT

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Vermehrt treten in der Praxis Fragen bezüglich der Urheberrechte im Zusammenhang mit Architektenleistungen auf. Diese betreffen nicht nur die vom Architekten entworfenen Bauten, sondern insbesondere auch die hierfür erstellten Pläne und Modelle. Sowohl an der Baute als auch den Plänen und Modellen können Urheberrechte entstehen, deren Nutzung unbedingt vertraglich geregelt werden sollte. Darüber hinaus können auch weitere immaterielle Rechte wie Marken- und Designrechte sowie das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb eine Rolle spielen.

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I. DAS URHEBERRECHT

Gemäss Art. 2 des Urheberrechtsgesetzes (kurz: URG) sind Werke urheberrechtlich geschützt, wenn sie eine (1) geistige Schöpfung der (2) Literatur und Kunst mit (3) individuellem Charakter darstellen. Dazu gehören insbesondere Werke mit wissenschaftlichem oder technischem Inhalt wie Zeichnungen, Pläne, Karten oder plastische Darstellungen und Werke der Baukunst. Damit Urheberrechte also überhaupt entstehen, bedarf es u.a. eines individuellen Charakters (eine Ausnahme kann einzig in Bezug auf gewisse Fotografien bestehen). Gemäss diesem Kriterium muss sich die Gestaltung des Werks vom Alltäglichen, dem allgemein Üblichen abheben. Sind die vorstehenden Kriterien erfüllt, entstehen die Urheberrechte von Gesetzes wegen immer bei dessen Schöpfer, der nur eine natürliche Person sein kann (sog. Schöpferprinzip gemäss Art. 6 URG). Wurde vertraglich also nichts Anderes geregelt, so stehen sämtliche Urheberrechte an einer Baute, einem Plan oder Modell dem Architekten zu, der sie geschaffen hat. Entsprechendes ist auch in der Ordnung für Leistungen und Honorare der Architekten (SIA 102) geregelt. Gemäss Art. 1.3.1 SIA 102 stehen sämtliche Rechte am Arbeitsergebnis und insbesondere auch alle Urheberrechte dem Beauftragten und damit i.d.R. dem Architekten zu.

Steht fest, dass das geschaffene Werk urheberrechtlich geschützt ist, so stehen dem Schöpfer sog. Urheberpersönlichkeitsrechte und Vermögensrechte zu. Die Urheberpersönlich­keits­rechte beinhalten im Wesentliche das Recht auf Erstveröffentlichung, Urhebernennung und Werkintegrität. Demnach darf also der Schöpfer bestimmen, wann das Werk erstmals veröffentlicht wird und er kann darauf bestehen, dass er als Schöpfer des Werks namentlich genannt wird. Darüber hinaus darf sein Werk nicht entstellt werden, was insbesondere im Zusammenhang mit Bauten von Interesse ist. Die Urheberpersönlichkeitsrechte können nicht an einen Dritten übertragen werden. Der Schöpfer kann aber (auch stillschweigend) darauf verzichten, diese Rechte auszuüben.

Die Vermögensrechte sichern dem Schöpfer zu, über die Vervielfältigung, die Verbreitung sowie die Wahrnehmbar- und Zugänglichmachung bestimmen zu können. Auch die Senderechte gehören zu den Vermögensrechten. Sie sind für Architekten aber i.d.R. nicht relevant. Die Vermögensrechte können ganz oder auch nur teilweise an Dritte übertragen werden, wobei dies grundsätzlich nicht schriftlich festgehalten werden muss. Verzichten Architekt und Bauherr aber auf eine vertragliche Regelung über die Vermögensrechte, kann dies zu langwierigen Streitigkeiten zwischen den Parteien führen.

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II. URHEBERRECHT AN BAUTEN

Unter Werken der Baukunst verstehen Lehre und Rechtsprechung gestaltete und gebaute Räume. Darunter fallen sowohl Hoch- als auch Tiefbauten, selbst Anlagen und besonders gestaltete Innenräume werden unter den Begriff «Werke der Baukunst» subsumiert. Erforderlich ist aber, dass die Bauten von individuellem Charakter sind. D.h. es braucht ein individuelles Gepräge oder die Baute muss als Ausdruck einer neuen originellen Idee zu werten sein. Ob dieser individuellen Charakter gegeben ist, ist schlussendlich eine Auslegungsfrage, die jeder Richter in seinem freien Ermessen würdigen kann. Nicht jede banale Baute geniesst Urheberrechtsschutz.

Im Zusammenhang mit urheberrechtlich geschützten Bauten steht oftmals das Recht auf Werkintegrität im Fokus. Grundsätzlich hat der Eigentümer der Baute zwar das Recht, diese abzuändern (Um- und Anbauten, Sanierung, Erweiterungen etc.), wobei sein Interesse an der Änderung im Zweifelsfalls dem Interesse des Architekten vorgeht (BGE 117 II 466). Dieses Recht findet seine Grenzen aber bei den Persönlichkeitsrechten des Schöpfers, die seine Ehre und sein berufliches Ansehen schützen sollen. Demnach darf die Baute auch bei einer Änderung nicht seine Integrität verlieren – sie darf nicht entstellt oder «verstümmelt» werden, wobei eine Verstümmelung nur bei erheblichen Veränderungen mit negativen Auswirkungen angenommen und von der Rechtsprechung nur in seltenen Fällen als gegeben erachtet wird.

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III. URHEBERRECHT AN PLÄNEN UND MODELLEN

Nicht nur das fertiggestellte Bauwerk kann Urheberrechtsschutz geniessen, sondern auch die zuvor erstellten Pläne, Modelle und Visualisierungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Projekt schlussendlich realisiert worden ist oder nicht. Der Plan, das Modell oder die entsprechende Visualisierung geniessen für sich bereits urheberrechtlichen Schutz. Im Gegensatz zur Baute dürfen erstellte Pläne nicht ohne Einwilligung des Schöpfers abgeändert werden. Hier liegt das Änderungsrecht allein beim Architekten, sofern sich die Parteien diesbezüglich nicht vorab geeinigt haben. Es gilt demnach auch für Architekten Vorsicht walten zu lassen, sollten sie mit der Änderung oder Weiterverarbeitung anderer architektonischer Pläne beauftragt werden.

Bei in Auftrag gegebenen Plänen und Visualisierungen führt oftmals das Vervielfältigungsrecht zum Streitpunkt. Lässt der Bauherr vom Architekten die Planung eines bestimmten Projekts ausarbeiten, so darf er die hierfür erstellten Pläne grundsätzlich nicht für ein weiteres Projekt verwenden. Dies ist Ausfluss der sog. «Zweckübertragungstheorie». Sie kommt zum Zuge, wenn unklar ist, was die Parteien bezüglich der Urheberrechte vertraglich geregelt haben. Bestehen also Zweifel über den Umfang einer Rechtseinräumung, so ist davon auszugehen, dass der Schöpfer all diejenigen Urheberrechte überträgt, die zur Erfüllung des Vertragszwecks erforderlich sind. Beruht der Auftrag also auf der Planung eines Einfamilienhauses für die Familie Müller, so berechtigt dies den Auftraggeber nicht, dasselbe Einfamilienhaus auch für die Familie Meier zu erstellen. Die Zweckübertragungstheorie ist im Übrigen auch sinngemäss in Art. 1.5.3 SIA 102 geregelt.

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IV. WEITERE RECHTE

Im Zusammenhang mit Architektenleistungen sind nicht nur Urheberrechte zu beachten. Insbesondere an Bauten können auch Bestimmungen des Design- und des Markenschutzgesetzes relevant sein. So hinterlassen Architekten vermehrt ein Gebäude-Branding, indem sie am Gebäude ein Kennzeichen anbringen, welches sie markenrechtlich schützen lassen. Darüber hinaus kann auch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Schutz vor unrechtmässiger Verwendung von Plänen und Bauten bieten.

Um sich vor unangenehmen Auseinandersetzungen zu schützen, sollten sich Bauherren und Architekten vorab über die immateriellen Rechte, also über die Urheber-, Marken- und Designrechte an den Plänen, Modellen und insbesondere der Baute, vertraglich einigen und den Umfang allfälliger Nutzungsrechte unmissverständlich regeln. Für den Bauherrn ist es sicherlich von Vorteil, wenn der Architekt sämtliche Rechte abtritt und auf die Durchsetzung seiner Urheberpersönlichkeitsrechte verzichtet. Regeln die Parteien die Urheberrechte überhaupt nicht, so stehen diese grundsätzlich dem Architekten zu, wobei der Bauherr die Baute erst nach deren Erstellung ändern darf, sofern die Änderung keine Entstellung darstellt. Die hierfür erstellten Pläne darf er aber weder eigenhändig überarbeiten noch für andere Projekte nutzen.



17. Februar 2022 / MLaw Simone Küng

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