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DER AUSGLEICH VON WEF-VORBEZÜGEN BEI SCHEIDUNG

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Nicht selten führt ein Scheidungsverfahren im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung dazu, dass eine in der Ehe erworbene und gemeinsam bewohnte Liegenschaft von einem Ehepartner nach der Scheidung alleine nicht mehr weiter gehalten werden kann und deshalb dem Verkauf zugeführt werden muss. Dies kann, sofern die Finanzierung der Liegenschaft teilweise mit Pensionskassengeldern, einem Wohneigentumsförderungs-Bezug, gemacht worden ist, dann zu Problemen führen, wenn die Liegenschaft mit Verlust verkauft werden muss. Es stellt sich insbesondere die Frage, wie sich der Verlust aus dem Verkauf der Liegenschaft auf diesen vorbezogenen Pensionskassenanteil bezüglich des Vorsorgeausgleichs auswirkt.

I. GRUNDSÄTZLICHE REGELUNG DES VORSORGEAUSGLEICHS

Art. 122 ZGB schreibt vor, dass die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge bei der Scheidung ausgeglichen werden. Damit legt das Gesetz den Berechnungszeitpunkt, zu welchem das seit Eheschluss angesparte Guthaben berechnet wird, fest: Massgebend ist das Datum der Einleitung des Scheidungsverfahrens, damit das Datum der Scheidungsklage oder eines gemeinsamen Scheidungsgesuchs. Diese Bestimmung gilt vorbehaltlos für alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung, dem 1. Januar 2017, hängigen Gerichtsverfahren und selbstverständlich für alle später eingeleiteten Scheidungsverfahren.

Art. 22a Abs. 3 FZG sieht vor, dass Vorbezüge während der Ehe für die Berechnung der Vorsorgeteilung hinzugezählt werden müssen, jedoch derart, dass der Kapitalabfluss und der Zinsverlust anteilsmässig dem vor der Eheschliessung und dem nach Eheschluss bis zum Bezug geäufneten Vorsorgeguthaben belastet werden. Mit anderen Worten: Der auf den Vorbezug fallende Verlust ist anteilsmässig auf den vorehelichen Vorsorgeanteil und den während der Ehe angesparten Anteil aufzuteilen.

Zu unterscheiden ist der Vorbezug stets von der blossen Verpfändung des Vorsorgeguthabens. Dies, da die lediglich verpfändete, aber immer im Vermögen der Vorsorgeeinrichtung unverändert vorhandene Austrittsleistungen problemlos jederzeit ermittelt werden kann. Insofern ist bezüglich eines bloss verpfändeten Anteils auch kein Verlust möglich – ausser das Pfandrecht wird eingelöst und der Vorgang (Verkauf) führt zu einem Verlust. In diesem Fall ist analog vorzugehen, wie nachfolgend umschrieben (Vorbezug für Finanzierung einer Liegenschaft und Verlust bei der Veräusserung derselben).

II. VERLUST BEIM VERKAUF DER LIEGENSCHAFT

Trotz der gesetzlichen Rückzahlungsverpflichtung und deren grundbuchlichen Sicherstellung kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wohneigentum, in das vorbezogene Mittel der beruflichen Vorsorge investiert (oder dafür verpfändet) wurden, an Wert verliert. Was geschieht nun mit dem investierten (verpfändeten) Vorsorgegeld, wenn die Liegenschaft mit Verlust verkauft werden muss und der Pensionskassenvorbezug nicht vollumfänglich an die betreffende Pensionskasseneinrichtung zurückgeführt werden kann (und damit die Rückzahlungspflicht in die Pensionskasse auch nicht mehr besteht)?

Das Bundesgericht hat sich bezüglich dieser Fragestellung dahingehend geäussert, dass damit einhergehend auch die Berücksichtigung dieses Vorbezugs, oder des nicht rückzahlbaren Teils des Vorbezugs, im Rahmen des Vorsorgeausgleichs entfalle (BGer 5A_407/2018). Im Umfang des eingetretenen Verlustes fallen die vorbezogenen (oder verpfändeten) Beträge aus dem System der beruflichen Vorsorge heraus. Sie sind für die Vorsorge verloren und bei der Ermittlung der zu teilenden Austrittsleistung nicht mehr zu berücksichtigen. Der Verlust ist von beiden Ehegatten gemeinsam (im Normalfall je hälftig) zu tragen, namentlich auch, weil das während der Ehe mithilfe des Vorbezugs (oder der Verpfändung) erworbene Wohneigentum in der Regel als gemeinsame Wohnung der Ehegatten gedient hat und diese Finanzierung nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten überhaupt möglich war und ist.

Auch für den Fall eines zum Berechnungszeitpunkt noch nicht realisierten, jedoch absehbaren Wertverlustes gelten diese Grundsätze (BGE 137 III 49 E. 3.3). Bei einem absehbaren Wertverlust des Wohneigentums ist nur derjenige Teil des Vorbezuges zur teilbaren Austrittsleistung hinzuzurechnen, der im Falle einer Veräusserung des Wohneigentums an die Vorsorgeeinrichtung zurückbezahlt werden müsste bzw. könnte. Der verlorene Teil des WEF-Vorbezugs wird nicht ausgeglichen. Dessen Höhe muss mit einer Schätzung des Verkehrswertes im Rahmen der Scheidung ermittelt und bewiesen werden. Diesbezüglich muss regelmässig eine Schätzung des Wohneigentums im Rahmen der Scheidung gemacht werden.

Dieses Prinzip gilt gemäss aktuellem Entscheid des Bundesgerichts auch dann, wenn der Verlust des Vorbezugs des Pensionskassenguthabens erst nach dem massgeblichenen Stichtag, also erst während des Scheidungsverfahrens eintritt, weil die Liegenschaft erst nach dem Stichtag (mit Verlust) verkauft wird.

III. EXKURS: EIN EHEGATTE VERBLEIBT NACH DER SCHEIDUNG ALLEIN-EIGENTÜMER DER LIEGENSCHAFT – MÖGLICHKEITEN DES AUSGLEICHS (MIT ODER OHNE VERLUST)

Übernimmt ein Ehegatte nach der Scheidung die Liegenschaft, kann dies auch einhergehen mit der zuvor ausgeführten Problematik, nämlich dann, wenn der ermittelte Liegenschaftspreis (Anrechnungswert) unter demjenigen liegt, welchen die Eheleute einmal investiert hatten und es deshalb zu einem «Verlust» kommt. Für die Ausgleichung des dem anderen Ehegatten dennoch in einem gewissen Umfange zustehenden Ansprüche bestehen folgende Möglichkeiten:

1.

Wurden nicht sämtliche Mittel der beruflichen Vorsorge vorbezogen, ist die Ausgleichsforderung des anderen Ehegatten durch die noch vorhandene Freizügigkeitsleistungen auf Seiten des übernehmenden Ehegatten zu tilgen. Dies setzt aber voraus, dass noch ausreichende Guthaben der beruflichen Vorsorge auf Seiten des übernehmenden Ehegatten vorhanden sind.

2.

Verfügt der ausgleichungspflichtige Ehegatte über genügend Vermögen (freies Vermögen, nicht Pensionskassenguthaben), kann er den geschuldeten Betrag an seine Vorsorgeeinrichtung zurückzahlen, welche danach den Anspruch des anderen Ehegatten durch Übertragung einer Freizügigkeitsleistung auf ein Freizügigkeitskonto desselben oder an dessen Pensionskasse erfüllt (damit ist der Vorsorgekreislauf geschlossen bzw. eingehalten).

3.

Möglich ist auch, durch ein Gestaltungsurteil zu erwirken, dass der Vorsorgeeinrichtung des ausgleichungsberechtigen Ehegatten die bedingte Forderung auf Rückzahlung des Vorbezugs der Pensionskasse gegenüber dem übernehmenden Ehegatten übertragen wird.

4.

Im Falle einer Scheidungskonvention bestünden die Möglichkeit, den Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausgleichungsforderung für eine bestimmte Zeit aufzuschieben und mittels Grundpfand auf dem übertragenen Wohneigentum zu sichern. In bescheidenem Umfang und als Ausnahme kann wohl auch die Abgeltung des nicht gedeckten/zahlbaren Teils des Ausgleichungsbetrages mit Gegenansprüchen güterrechtlicher Natur vereinbart werden, wobei gegenüber dem Gericht mit Vorteil nachgewiesen wird, dass im Alter die Gefahr, von Sozialleistungen abhängig zu werden, nicht gegeben ist.

Bei den vorgenannten Lösungsansätzen gilt es bei verpfändeten Guthaben der beruflichen Vorsorge zu beachten, dass der Pfandinhaber (in der Regel die Vorsorgeeinrichtung) je nach Situation sein Einverständnis zu solchen Vereinbarungen erteilen muss.

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12. Juni 2019 / lic. iur. Stephan Hinz

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