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DIE FRISTLOSE KÜNDIGUNG DES ARBEITSVERTRAGES

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt, und Sandra Berner, MLaw

Gemäss Art. 337 OR kann sowohl der Arbeitgeber wie auch der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen, sofern ein wichtiger Grund dafür vorliegt. Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt war, ist die von den Gerichten in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wohl am häufigsten zu beurteilende Frage.

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Eine zu Unrecht erfolgte fristlose Entlassung (sog. ungerechtfertigte fristlose Kündigung) kann vor allem für die Arbeitgeber erhebliche finanzielle Folgen haben. Im Wesentlichen wird nachfolgend daher ein Augenmerk auf die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber gelegt.

I. VORAUSSETZUNGEN FÜR EINE GERECHTFERTIGTE FRISTLOSE KÜNDIGUNG

Die fristlose Kündigung stellt die „ultima ratio“, also das letzte Mittel dar, um das Arbeitsverhältnis einseitig sofort aufzulösen. Sie ist jederzeit, also auch vor Stellenantritt, während der Probezeit, während Sperrzeiten (Krankheit, Militär, Schwangerschaft etc.) möglich, sowohl bei befristeten als auch unbefristeten Arbeitsverhältnissen. Auch im bereits ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnis kann fristlos gekündigt werden. Die fristlose Kündigung kann mündlich ausgesprochen werden, sofern der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich die Schriftlichkeit vorsieht. Auf Verlangen ist sie aber nachträglich schriftlich zu begründen (Art. 337 Abs. 1 OR).

Zwingende Voraussetzung für die sofortige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist, dass ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden unzumutbar macht.

Dieser Grund muss objektiv geeignet sein, das gegenseitige Vertrauen, welches die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet, zu zerstören oder schwer zu erschüttern. Gemäss geltender Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung nur dann zulässig, wenn entweder schwerwiegende Verfehlungen Anlass dazu geben oder wenn trotz Verwarnung weniger schwerwiegende Verfehlungen begangen wurden.

Schwere Verfehlungen rechtfertigen eine fristlose Kündigung nach einmaligen Vorkommen und ohne vorhergehende Verwarnung. Beispiele für besonders schwere Verfehlungen können sein: Strafbare Handlungen am Arbeitsplatz, Verrat von Geschäftsgeheimnissen, unzulässige Konkurrenzierung des Arbeitgebers, wiederholte oder generelle Arbeitsverweigerung usw. (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 5 ff.).

Bei weniger schweren Verfehlungen setzt eine fristlose Entlassung eine vorangehende Verwarnung voraus. Die Verwarnung muss dem Arbeitnehmer klar zu verstehen geben, dass das beanstandete Verhalten nicht mehr geduldet wird und im Wiederholungsfall mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen ist. Weniger schwerwiegende Verfehlungen liegen insbesondere bei unentschuldigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz, regelmässigem zu spätem Erscheinen am Arbeitsplatz, Missachtung von Arbeitgeberweisungen, übermässigem Missbrauch von Kommunikationsmitteln usw. vor (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 5 ff.).

Die Frage, ob eine schwere oder eine weniger schwere Verfehlung gegeben ist, liegt nach Würdigung sämtlicher Umstände im Ermessen des Richters und kann in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen führen. Die von den Gerichten geschaffene, reichhaltige Kasuistik dient immerhin als Orientierungsmithilfe.

Bei der Beurteilung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, spielt auch die Kündigungsfrist bzw. die Restdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses eine wichtige Rolle. Je kürzer die Bindung an das Arbeitsverhältnis ist, desto weniger ist der Rückgriff auf die fristlose Entlassung zugelassen. Mit anderen Worten werden fristlose Kündigungen bei eher kurzen Kündigungsfristen oder im bereits gekündigten Verhältnis nur zurückhaltend von den Gerichten anerkannt (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 16).

Liegt ein wichtiger Grund vor, ist die fristlose Kündigung zudem sofort auszusprechen. Nach der Gerichtspraxis beträgt die Überlegungsfrist samt Einholen von allfälligen Rechtsauskünften für den Arbeitgeber maximal 2 – 3 Arbeitstage. Ein Hinauszögern dieser Zeitspanne ist nur gerechtfertigt, wenn es mit Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens als verständlich und berechtigt erscheint (bspw. Öffentliches Dienstrecht, Aussprechen einer fristlosen Kündigung durch ein Gremium etc.) (BGE 8C_294/2011, E. 6.3.2; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337 N 5 ff.). Wird unberechtigterweise länger zugewartet, ist das Recht auf die sofortige Vertragsauflösung verwirkt. Eine fristlose Kündigung würde dann als ungerechtfertigt taxiert.

Vorsicht ist bei Verdachtskündigungen geboten. Wird die fristlose Entlassung aufgrund eines blossen Verdachts ausgesprochen, zum Beispiel weil vermutet wird, der Arbeitnehmer habe eine Straftat begangen, und bestätigt sich der Verdacht nach durchgeführter Untersuchung nicht, liegt in der Regel eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung mit all ihren Folgen vor.

II. DIE FOLGEN EINER FRISTLOSEN KÜNDIGUNG

Bei gerechtfertigter fristloser Kündigung ist das Arbeitsverhältnis am Tag der fristlosen Kündigung beendet. Der Arbeitnehmer hat lediglich noch Anspruch auf den Lohn sowie auf die Ferien- und Überstundenentschädigung per Austrittstermin (vgl. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337c N 18.). Die Vertragspartei, welche die Auflösung schuldhaft durch vertragswidriges Verhalten herbeigeführt hat, kann unter Umständen zudem schadenersatzpflichtig werden (Art. 337b Abs. 1 OR). Liegt das Verschulden beim Arbeitnehmer, so hat der Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin. Darunter fallen insbesondere der nicht erzielte Gewinn, Mehrzahlungen für Überstunden anderer Arbeitnehmer, Konventionalstrafen wegen verspäteter Lieferung etc. (m.w.H. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337b N 4.).

Auch bei ungerechtfertigter fristloser Kündigung ist das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall mit Zugang der Kündigung beendet. Ein gesetzlicher Anspruch auf Weiterbeschäftigung resp. Wiedereinstellung besteht nicht. Der Arbeitnehmer hat jedoch Anspruch auf Ersatz dessen, was er bei ordentlicher Kündigung – unter Einhaltung der Kündigungsfrist – erhalten hätte (Art. 337c Abs. 1 OR). Er hat somit einen Ersatzanspruch im Umfang des Lohnes, wie er im Falle einer ordentlichen Kündigung auszubezahlen gewesen wäre. Hiervon sind die üblichen Sozialabzüge, nicht aber Beiträge an die Pensionskasse abzuführen (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337c N 15.). Hinzu kommen die durch die Kündigung entgangenen Arbeitgeberbeiträge an die berufliche Vorsorge sowie die Überstunden- und Ferienentschädigung, sofern und soweit der Arbeitnehmer bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nebst der Stellensuche nicht genügend Zeit für den Ferienbezug hat. Ausserdem kann der Arbeitgeber gemäss Art. 337c Abs. 3 OR zu einer Entschädigungszahlung im Umfang von maximal sechs Monatslöhnen verpflichtet werden. Über die Höhe dieser Entschädigung entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen unter Würdigung sämtlicher Umstände. Ins Gewicht fallen dabei insbesondere die Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Ausmass der Persönlichkeitsverletzung, welche die fristlose Entlassung beim Arbeitnehmer bewirkt (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, Art. 337c N 8 f.). Mit Zugang der fristlosen Kündigung sind sämtliche sich aus der fristlosen Kündigung ergebenden Forderungen aus Arbeitsvertrag fällig (BGer, Urteil vom 27.02.2006, 4C.321/2005, E. 8.3.).

III. FAZIT

Die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte fristlose Kündigung sind streng. Insbesondere wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes von den Gerichten sehr zurückhaltend angenommen. Im Zweifelsfall wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass es zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen. Eine Einzelfallbeurteilung ist daher in jedem Fall unabdingbar. Es empfiehlt sich daher, rechtliche Auskunft einzuholen, ehe die fristlose Kündigung ausgesprochen wird; denn auch eine zu Unrecht erfolgte fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis und kann erhebliche finanzielle Folgen (in der Regel für den Arbeitgeber) nach sich ziehen.

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29. Juli 2015 / Dr. iur. Stephan Fröhlich

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