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VERTRAGSANPASSUNGEN UND ÄNDERUNGSKÜNDIGUNGEN – WAS GILT ES ZU BEACHTEN?

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin und MLaw Joshua Minder, Anwaltspraktikant

Arbeitgeberinnen passen ihre Arbeitsverträge und/oder Reglemente an neue Gegebenheiten oder gesetzliche Grundlagen regelmässig mit Wirkung auf den 1. Januar an. In diesem Zusammenhang müssen sich Arbeitgeberinnen mit der Frage auseinandersetzen, ob es sich bei den geplanten Änderungen lediglich um Änderungen handelt, welche einseitig im Rahmen des Weisungsrechts umgesetzt werden können oder, ob es sich um wesentliche Vertragsänderungen handelt, welche die Zustimmung der Arbeitnehmer voraussetzen. Im Folgenden sollen die Voraussetzungen und Möglichkeiten für Vertragsänderungen deshalb kurz für Sie zusammengefasst werden.

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I. VERÄNDERUNGEN WÄHREND DES ARBEITSVERHÄLTNISSES

Verändern sich die Umstände oder die Bedürfnisse, die einem Arbeitsverhältnis zugrunde liegen, besteht oftmals die Notwendigkeit, bereits bestehende Arbeitsverträge und/oder Reglemente anzupassen. Sind die Arbeitnehmer mit einer Anpassung ihrer Arbeitsverträge oder den geltenden Reglementen einverstanden, sind Änderungen grundsätzlich problemlos möglich. Oftmals sind die Arbeitnehmer mit den Anpassungen ihres Arbeitsvertrages und/oder der Reglemente im Unternehmen jedoch nicht gänzlich einverstanden, insbesondere, wenn sich die Vertragsbedingungen durch die Anpassungen verschlechtern. In diesen Fällen muss das Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin einseitig angepasst werden.

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II. WEISUNG ODER WESENTLICHE ÄNDERUNG

Bei einseitigen Anpassungen des Arbeitsverhältnisses bzw. der Vertragsbedingungen ist vorab in Erfahrung zu bringen, ob es sich dabei um wesentliche Änderungen des Arbeitsverhältnisses handelt, welche eine Vertragsänderung darstellen und die Zustimmung der Arbeitnehmer voraussetzen, oder um Änderungen, welche gestützt auf das gesetzlich verankerte Weisungsrecht der Arbeitgeberin einseitig angeordnet werden können.

Weisungen sind allgemeine oder individuelle Anordnungen, die die Ausführung der Arbeit und das Verhalten im Betrieb regeln. Das Weisungsrecht der Arbeitgeberin gemäss Art. 321d OR ist direkter Ausfluss des für den Arbeitsvertrag begriffsnotwendigen Unterordnungsverhältnisses zwischen der Arbeitgeberin und den Arbeitnehmern. Das Weisungsrecht der Arbeitgeberin ergibt sich sowohl direkt aus Art. 321d OR als auch indirekt aus der allgemeinen Treuepflicht der Arbeitnehmer nach Art. 321a OR.  Weisungen der Arbeitgeberin können sich sowohl an die Mehrheit der Arbeitnehmer (z.B. Rauchverbot im Betrieb) als auch direkt an einen einzelnen Arbeitnehmer richten (z.B. Weisung an einen Kurier, eine bestimmte Sendung auszuliefern) (vgl. hierzu ausführlicher auch den Newsletter vom 24.03.2021 «Das Weisungsrecht des Arbeitgebers – Wo liegen die Grenzen meines Weisungsrechts»).

Handelt es sich nicht mehr um Weisungen, sondern um wesentliche Anpassungen des Arbeitsverhältnisses, wie z.B. in den Bereichen Lohn, Arbeitszeiten, Überstunden, Kündigungsfristen etc., können diese ohne Zustimmung der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht umgesetzt werden. In Arbeitsverträgen findet man deshalb häufig Klauseln, welche der Arbeitgeberin ein Gestaltungsrecht einräumen, damit die Arbeitgeberin auch während des Arbeitsverhältnisses wesentliche Vertragsänderungen einseitig vornehmen kann. Solche Klauseln sind jedoch nicht unbeschränkt zulässig. Vielmehr verstossen unbeschränkte einseitige Änderungsklauseln betreffend wesentliche Aspekte des Arbeitsverhältnisses gegen das gesetzliche Verbot der übermässigen Bindung (nach Art. 27 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 20 OR).

Werden die Änderungsvorbehalte zugunsten der Arbeitgeberin statt im Arbeitsvertrag in einem Personalreglement festgehalten, stellt sich die Frage nach deren Zulässigkeit. Wird einzig der Bereich erfasst, der ohnehin unter das Weisungsrecht fällt, sind solche Vorbehalte zweifellos zulässig, aber in praktischer Hinsicht auch redundant. Eine einseitige Änderung des Personalreglements wäre in diesem Fall auch keine Vertragsänderung und damit jederzeit zulässig. Viele Personalreglemente enthalten jedoch für alle Vertragsverhältnisse einheitlich geltende vertragliche Bestimmungen, z.B. das Verbot einer Nebenbeschäftigung neben der Haupterwerbstätigkeit. Auch wenn in solchen Personalreglementen Änderungsvorbehalte zulässig sein können, sind diese in aller Regel ungewöhnlich und müssen durch den Arbeitnehmer ausdrücklich akzeptiert werden.

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III. DURCHSETZUNG VON VERTRAGSÄNDERUNGEN MITTELS ÄNDERUNGSKÜNDIGUNGEN

Fallen wesentliche Änderungen in den Bereich, in dem eine einseitige Vertragsanpassung unzulässig ist (z.B. bei einer Lohnanpassung), verbleibt der Arbeitgeberin bei fehlender Zustimmung der Arbeitnehmer einzig das Aussprechen einer Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist eine ordentliche Kündigung unter Geltung der vertraglichen und gesetzlich verankerten Kündigungsregeln (insb. Kündigungsfrist, Verbot der missbräuchlichen Kündigung), die mit einer Offerte zur Vertragsänderung kombiniert wird. Die Kündigung kann erst nach Ablehnung der Offerte ausgesprochen werden oder, wenn die Kündigung in jedem Fall gelten soll, auch vor oder zusammen mit der unterbreiteten Offerte. Wird die neue Offerte angenommen, führt dies nicht zu einem neuen Arbeitsverhältnis (auch nicht bei vorsorglich ausgesprochener Kündigung), sondern stellt einzig eine Vertragsänderung dar.

In diesem Zusammenhang stellt sich für Arbeitgeberinnen regelmässig die Frage, welche Bedenkzeit den Arbeitnehmern eingeräumt werden soll und, wie lange die Arbeitgeberin an ihr eigenes Angebot gebunden ist. Im Gesetz nicht festgehalten ist, was als angemessene Bedenkzeit gilt. Es müssen somit stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. In der Regel empfiehlt sich aber, dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit von mindestens einer Woche einzuräumen.

Mit der Frage, wie lange die Arbeitgeberin an ihr neues Vertragsangebot gebunden ist, hat sich das Bundesgericht zuletzt im Juni 2023 befasst (Urteil des Bundesgerichts 8C_637/2022 vom 2. Juni 2023) und festgehalten, dass das Vertragsangebot für die Arbeitgeberin so lange verpflichtend sei, bis die eingeräumte Bedenkfrist abgelaufen ist. Wird die ursprünglich angesetzte Bedenkzeit nicht abgewartet und die Offerte vor deren Ablauf zurückgezogen, sei die Kündigung als missbräuchlich im Sinne von Art. 336a OR zu qualifizieren (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_637/2022 vom 2. Juni 2023, E. 7.4.).

Ganz allgemein sind Änderungskündigungen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zulässig, wenn die Arbeitgeberin dabei die gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften wie bei einer ordentlichen Kündigung einhält und wenn das Vorgehen nicht zur Durchsetzung von unbilligen, sprich unbegründeten, ungünstigen Änderungen der Lohn und Arbeitsbedingungen missbraucht wird (BGE 123 III 246 E. 3b). Es müssen somit zumindest betriebliche oder marktbedingte Gründe für das Aussprechen einer Änderungskündigung vorliegen, andernfalls sie als missbräuchlich zu qualifizieren ist. Klar missbräuchlich ist eine Änderungskündigung, wenn sie beispielsweise während der Schwangerschaft ausgesprochen wird, um mit der Anpassung des Vertrages den Lohn der Mutter an die möglicherweise zu erwartende Leistungsminderung anzupassen.

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IV. FAZIT

Für Arbeitgeberinnen bestehen verschiedene Möglichkeiten, die Arbeitsverträge ihrer Arbeitnehmer oder Reglemente mit oder ohne Zustimmung der Arbeitnehmer zu ändern. Ist die angestrebte Änderung vom gesetzlichen Weisungsrecht umfasst, ist die Anpassung in der Regel problemlos möglich. Soll jedoch einseitig eine wesentliche Vertragsänderung vorgenommen werden, besteht das Risiko, dass die Arbeitnehmer mit der Änderung nicht einverstanden sind und Änderungskündigungen ausgesprochen werden müssen. Anpassungen von Arbeitsverträgen und Reglementen sollten deshalb wohl überlegt sein und frühzeitig geplant werden. 

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21. Dezember 2023 / MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin und MLaw Joshua Minder, Anwaltspraktikant

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