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DIE SICHERUNG EINER FORDERUNG MITTELS SICHERUNGSÜBEREIGNUNG VON AKTIEN

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Valentin Spahr

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

In der Schweiz gibt es eine Vielzahl an Privatpersonen und Unternehmungen, welche ihre Anschaffungen und Geschäfte fremdfinanzieren. Die häufigste Form der Fremdfinanzierung stellt die Hypothek dar. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Kontokorrentkredit und das Darlehen. Eine Hypothekarschuld wird durch das entsprechende Grundstück gesichert, wohingegen beim Darlehen und den übrigen Krediten in der Regel eine anderweitige Sicherheit zu bestellen ist. Als solche Sicherheit können unter anderem Aktien dienen. Nachfolgend werden die rechtlichen Voraussetzungen und Schwierigkeiten aufgezeigt, welche es bei der Sicherungsübereignung von Aktien zu beachten gilt. Dabei ist es nicht relevant, basierend auf welchem Vertragstypus die Fremdfinanzierung erfolgt, denn die in der Folge dargestellten rechtlichen Aspekte sind bei einer Sicherungsübereignung von Aktien stets zu beachten.

I. EINLEITUNG

Mit der Sicherungsübereignung wird grundsätzlich derselbe Zweck verfolgt wie mit einer gewöhnlichen Verpfändung. Der Sicherungsnehmer (Fiduziar) hat die Befugnis, im Falle der Nichtzahlung der Sicherungsforderung den zur Sicherung übertragene Sicherungsgegenstand zu verwerten und sich aus dem Erlös zu befriedigen. Der Sicherungsgeber (Fiduziant) überträgt somit dem Sicherungsnehmer den Sicherungsgegenstand fiduziarisch (treuhänderisch) zu Eigentum. Dies bedeutet, dass der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer zwar zu Eigentum übertragen wird, jedoch mit der Abrede (Sicherungsabrede), dass über diesen nur im Rahmen des Sicherungszweckes verfügt werden darf und bei Tilgung der Sicherungsforderung dem Sicherungsgeber zurück zu übertragen ist. Damit verfügt der Sicherungsnehmer im Vergleich zum Pfandrecht über eine stärkere Rechtsstellung. Er erhält ein absolutes Recht (Eigentum) am Sicherungsgegenstand, welches er gegenüber jedermann durchsetzen kann. Dieses absolute Recht ist nur im Innenverhältnis zwischen ihm und dem Sicherungsgeber durch eine relatives Recht (Sicherungsabrede) beschränkt. Der Sicherungsnehmer kann somit im Verhältnis zu Dritten mehr, als er gemäss Sicherungsabrede mit dem Sicherungsgeber darf. Man spricht diesbezüglich von «überschiessender Rechtsmacht» zu Gunsten des Sicherungsnehmers.

Als Sicherungsforderung kommen bestehende, bedingte, zukünftige oder bloss mögliche Forderungen in Betracht. In der Regel ist der Sicherungsgeber Schuldner der Sicherungsforderung, wobei ohne Weiteres auch eine Drittschuld mit der Sicherungsübereignung gesichert werden kann. Als Sicherungsobjekt kommen alle jene beweglichen Sachen in Frage, die Gegenstand des Faustpfandrechts (Art. 884 ff. ZGB) sein können. So können Inhaber- und Orderpapiere Gegenstand einer Sicherungsübereignung sein. Darunter fallen auch verbriefte Aktien (d.h. in einer Urkunde ausgestellte Namen- oder Inhaberaktien). Werden hingegen Forderungen, Rechte und unverbriefte Aktien zur Sicherung einer Forderung übertragen, spricht man von einer Sicherungszession, da diese Vermögenswerte mittels Zession (Art. 164 ff. OR) übertragen werden. Auf die Sicherungszession wird in diesem Artikel nur am Rande eingegangen.

Die vertragliche Grundlage der Sicherungsübereignung bildet die Sicherungsabrede. Sie beinhaltet die Verpflichtung des Sicherungsgebers gegenüber dem Sicherungsnehmer, diesem das Eigentum am Sicherungsgegenstand zu verschaffen. Weiter beinhaltet die Sicherungsabrede das relative Recht, welches den Sicherungsnehmer in der Ausübung seines absoluten Rechts (Eigentum) am Sicherungsgegenstand beschränkt. Weiter werden in der Sicherungsabrede die Voraussetzungen geregelt, unter denen der Sicherungsgegenstand zurückzugeben ist. Bei der Sicherungsabrede handelt es sich um einen Innominatkontrakt oder einen Vertrag sui generis, auf welchen, vorbehältlich anderer Vereinbarungen die Vorschriften über das Faustpfand (Art. 884 ff. ZGB), vornehmlich die Vorschriften über den einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR) sowie die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 1 ff. OR) Anwendung finden.

II. DIE ÜBERTRAGUNG VON AKTIEN

Wie erwähnt, hat der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer das Eigentum am Sicherungsgegenstand (vorliegend den Aktien) basierend auf den Vereinbarungen in der Sicherungsabrede zu verschaffen. Bei der Übertragung von Aktien muss unterschieden werden, ob es sich bei den fraglichen Aktien um Namenaktien oder Inhaberaktien handelt. Weiter ist von Bedeutung, ob die Aktien in verbriefter Form (als Wertpapier) oder in unverbriefter Form vorliegen. Je nach Ausgestaltung unterscheiden sich die Vorschriften der Übertragung. Werden Inhaberpapiere verbrieft und als Wertpapiere ausgegeben, findet eine Übertragung unmittelbar durch die Übergabe des Wertpapiers vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer statt. Sind die Inhaberpapiere nicht als Wertpapier verbrieft, liegt entweder eine unverbriefte Inhaberaktie oder ein Wertrecht vor. Beide werden durch Zession nach Art. 164 ff. OR übertragen. Als Wertpapier verbriefte Namenaktien werden durch die Übergabe des Wertpapiers und einen Übertragungsvermerk, dem sog. Indossament (z.B. auf der Rückseite des Aktientitels), übertragen. Beim Indossament handelt es sich um die Unterschrift des bisherigen Eigentümers, allenfalls ergänzt mit dem Namen des Erwerbers. Wird der Name des Erwerbers weggelassen, so handelt es sich um ein Blankoindossament, und die Namenaktie kann künftig wie eine Inhaberaktie allein durch Übergabe des Papiers übertragen werden. Jeder zukünftige Inhaber kann seinen Namen eigenhändig ergänzen und sich so zum ausgewiesenen Eigentümer der Aktie erklären. Sind die Namenaktien nicht als Wertpapier ausgegeben, handelt es sich entweder um unverbriefte Namenaktien oder um Wertrechte. Beide werden mittels schriftlicher Abtretung (Zession) übertragen. Bei Gesellschaften mit Namenaktien ist es üblich, dass eine Übertragungsbeschränkung (Vinkulierung) vorliegt, wonach die Übertragung der Aktien in der Regel zusätzlich noch der Zustimmung des Verwaltungsrates bedarf. Dieser Zustimmung bedarf es auch im Fall einer Sicherungsübereignung.

Aufgrund der bestehenden Formalitäten geschehen in der Praxis bei der Übertragung von Aktien häufig Fehler. Sollen die Aktien jedoch als Sicherungsobjekt im Rahmen einer Sicherungsübereignung dienen, müssen sie gemäss der vertraglichen Verpflichtung in der Sicherungsabrede dem Sicherungsnehmer zu Eigentum übertragen werden. Zu beachten ist, dass wenn verbriefte Aktien vor der Eintragung der Aktiengesellschaft ins Handelsregister ausgegeben werden, dies die Nichtigkeit des Wertpapiers zur Folge hat. Dies kommt häufig vor, da zwischen der Gründung der Aktiengesellschaft beim Notar und der Eintragung im Handelsregister jeweils einige Tage vergehen. Aktien, die in dieser Zeit ausgegeben werden, sind nichtig. Weiter wird oft fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Übertragung der Aktien mit dem Abschluss des Kaufvertrags stattfindet. Diese geschieht jedoch erst mit der Einhaltung der relevanten Formvorschriften. Verbriefte Namenaktien müssen übergeben und indossiert werden. Unverbriefte Namen- und Inhaberaktien werden nur mit Einhaltung der Formvorschriften der Zession nach Art. 164 ff. OR gültig übertragen. Auch werden die anfallenden Veränderungen im Aktionariat oftmals unzureichend dokumentiert. Im Aktienbuch oder auf dem Aktientitel werden Fusionen, Erbgänge oder Spaltungen häufig nicht korrekt nachvollzogen. Sodann ist es auch denkbar, dass Aktientitel verloren gehen oder vernichtet werden. Die Folge fehlerhafter Übertragung ist, dass das Eigentum an den Aktien nicht vom Sicherungsgeber auf den Sicherungsnehmer übergeht, was zur Konsequenz hat, dass die zu sichernde Forderung gerade nicht gesichert ist.

III. DIE AUSÜBUNG DER AKTIONÄRSRECHTE

In Bezug auf die Ausübung der Aktionärsrechte an den per Sicherungsübereignung übertragenen Aktien steht es den Parteien grundsätzlich frei, im Rahmen der Sicherungsabrede zu vereinbaren, wer die Aktionärsrechte während der Sicherungsübereignung ausüben darf (z.B. Stimmrecht), wem der finanzielle Nutzen (z.B. Dividenden) aus den Aktien zusteht und ob dieser bei Rückübergabe des Sicherungsgegenstandes herauszugeben ist. Zu beachten ist, dass, wie oben dargestellt, der Sicherungsnehmer gegenüber Dritten als Eigentümer der Aktien gilt. Somit wird er von der Unternehmung, die die Aktien ausgestellt hat, als Eigentümer dieser Aktien betrachtet. Wurde nun vereinbart, dass trotzdem der Sicherungsgeber das Stimmrecht der Aktien ausüben darf, muss dieser vom Sicherungsnehmer gehörig bevollmächtigt werden. Auch denkbar wäre es, dass zwar der Sicherungsnehmer das Stimmrecht ausübt, sich jedoch an die Instruktionen des Sicherungsgebers zu halten hat. Weiter werden auch die Dividendenzahlungen an den Sicherungsnehmer geleistet. Diese sind jedoch, wenn nichts anderes in der Sicherungsabrede vereinbart wurde, dem Sicherungsgeber herauszugeben. Dies entspricht dem Sinn der Sicherungsübereignung, nur den Ausfall der Sicherungsforderung abzusichern. Deshalb wurde der Sicherungsgegenstand dem Sicherungsnehmer fiduziarisch zu Eigentum übertragen. Auf die dazu gehörenden Rechte und den daraus resultierenden Nutzen erstreckt sich das Sicherungseigentum nur bei entsprechender Vereinbarung in der Sicherungsabrede. Weiter sind bei einer kotierten Gesellschaft oder einer Bank die börsenrechtlichen Mel- depflichten, die Pflicht zur Bekanntgabe bedeutender Aktionäre und die Meldepflicht nach Bankengesetz zu beachten.

IV. DIE VERWERTUNG

Wird die Sicherungsforderung bei Fälligkeit nicht getilgt, so hat der Sicherungsnehmer Anspruch auf Befriedigung aus dem Sicherungsgegenstand. Die Verwertung erfolgt nicht durch eine Betreibung auf Pfandverwertung, sondern entsprechend den Regeln über die private Verwertung. Diesbezüglich braucht es keine besondere Vereinbarung in der Sicherungsabrede. Dem Sicherungsnehmer steht sowohl der «freihändige Verkauf», die «freiwillige Versteigerung» wie auch der «Selbsteintritt» zur Verfügung. Nach der Verwertung ist der Sicherungsnehmer gegenüber dem Sicherungsgeber zur Abrechnung verpflichtet. Bei der Abrechnung kann der Sicherungsnehmer nebst dem Kapitalbetrag seiner Forderung die Vertragszinsen, Verzugszinsen und Inkassospesen einschliesslich Verwertungskosten veranschlagen. Auf der anderen Seite sind dem Verwertungserlös Nutzungserträge (z.B. Dividenden) hinzuzurechnen. Ein allfälliger Überschuss ist dem Sicherungsgeber herauszugeben.

Bei der privaten Verwertung muss der Sicherungsnehmer den Verwertungsvorgang rechtzeitig ankündigen und damit den Sicherungsgeber über die bevorstehende Änderung der Rechtslage ins Bild setzen, damit der Sicherungsgeber Gelegenheit hat, die angedrohte Verwertung durch Befriedigung des Sicherungsnehmers abzuwenden. Im Regelfall hat die Androhung zu erfolgen, wenn die gesicherte Forderung fällig wird. Gleichzeitig wird eine angemessene Nachfrist auf Erfüllung der Forderung angesetzt. Die Pflicht zur Androhung ist jedoch dispositiver Natur und kann folglich wegbedungen werden. Der Sicherungsnehmer übt sein Selbstverkaufsrecht durch Abschluss und Erfüllung eines Kaufvertrages mit dem Erwerber des Sicherungsgegenstandes aus. Hat der Sicherungsgegenstand einen Börsen- oder Marktwert, ist auch ein Selbsteintritt, d.h. die Übernahme des Sicherungsgegenstandes vom fiduziarischen Eigentum zu normalem Eigentum, zulässig. Verfügt der Sicherungsgegenstand nicht über einen Börsen- oder Marktwert, steht dem Sicherungsnehmer der Selbsteintritt nur zur Verfügung, wenn das Einverständnis des Sicherungsgebers vorliegt. Nachdem der Selbsteintritt erfolgt ist, ist das Eigentum des Sicherungsnehmers am Sicherungsgegenstand nicht mehr durch die Sicherungsabrede begrenzt.

Es empfiehlt sich, sowohl die Voraussetzungen der Verwertung wie auch deren Modalitäten in der Sicherungsvereinbarung vorab zu vereinbaren.

V. SONDERFALL: EIGENE AKTIEN

Werden einer Aktiengesellschaft, welche als Sicherungsnehmerin fungiert, eigene Aktien als Sicherungsgegenstand angeboten, hat sie zusätzliche rechtliche und wirtschaftliche Aspekte zu beachten. Vorrangig stellt sich dem Verwaltungsrat die Frage der Risikoeinschätzung und der Bewertung der Sicherheit. Im Zweifelsfall darf er die eigenen Aktien nicht als vollwertige Sicherheit qualifizieren, da bei einer Verwertung des Sicherungsgegenstandes das plötzliche Angebot der Aktien auf den Markt drücken kann, insoweit als die Gesellschaft nicht selber als Erwerberin auftreten kann oder darf. Ferner muss diesbezüglich berücksichtigt werden, dass bei nicht kotierten Aktien sich die Suche nach einem Käufer schwieriger gestalten kann, da die Aktien nicht an einer Börse gehandelt werden. Dies kann so weit gehen, dass bei der Verwertung der eigenen Aktien kein Erlös mehr erzielt werden kann und sich die gesichert geglaubte Forderung als ungesichert herausstellt. Weiter sind die gesetzlichen Limitierungen in Bezug auf das Halten eigener Aktien nach Art. 659 Abs. 1 OR zu beachten. Eine Unternehmung darf grundsätzlich nicht mehr als zehn Prozent ihres Aktienkapitals selber halten, und zum Kauf der eigenen Aktien darf nur frei verwendbares Eigenkapital eingesetzt werden.

VI. FAZIT

Bei der Sicherungsübereignung von Aktien stellen sich sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Fragen. Die verschiedenen Formvorschriften bei der Übertragung der unterschiedlichen Aktienarten sind entscheidend, da ansonsten die Übertragung der Aktien nichtig ist. Die Verwertung erfolgt nach den Regeln der Privatverwertung, und der Sicherungsnehmer hat gegenüber dem Sicherungsgeber entsprechend abzurechnen. Auf der wirtschaftlichen Seite stellt sich insbesondere hinsichtlich der «eigenen Aktien» die Frage der Risikoeinschätzung. Kommt der Verwaltungsrat in Bezug auf diese Risikoeinschätzung seinen Pflichten nicht nach, kann sich die Frage der persönlichen Haftung der Verwaltungsratsmitglieder nach Art. 754 OR stellen.

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9. Januar 2019 /  lic. iur. Patricia Geissmann unter Mithilfe von MLaw Valentin Spahr

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