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KENNZEICHENVERLETZUNG IM INTERNET UND GEOBLOCKING

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Marken-, Firmen- und Namensrechte sind grundsätzlich territorial begrenzt. Sie sind also nur in dem Land geschützt, wo der entsprechende Schutz gewährt worden ist, was in der Regel durch die Registrierung des gewünschten Kennzeichens im betroffenen Land («Schutzland») erfolgt. Wurde beispielsweise eine Marke in der Schweiz registriert, kann einem deutschen Konkurrenten die Nutzung des selben Kennzeichens in Deutschland grundsätzlich nicht untersagt werden. Problematisch ist hingegen die Verwendung von geschützten Kennzeichen im Internet, zeichnet sich das Internet doch gerade durch die weltweite Abrufbarkeit von Informationen aus. Es stellt sich daher die Frage, ob der deutsche Konkurrent die in der Schweiz eingetragene Marke verletzt und die Nutzung durch den Schweizer Markeninhaber untersagt werden kann, wenn der deutsche Konkurrent dasselbe Kennzeichen auf seiner Website publiziert. Schliesslich kann die vom deutschen Konkurrenten betriebene Website auch in der Schweiz abgerufen werden und somit die in der Schweiz geschützte Marke verletzen.

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I. MARKENNUTZUNG IM INTERNET

Das Bundesgericht hat sich vor rund 18 Monaten zu dieser Frage geäussert (vgl. BGer 4A_335/2019 vom 20. April 2020). Allein die Nutzung des geschützten Kennzeichens auf der Website einer ausländischen Drittperson, die in der Schweiz abrufbar ist, genügt nicht, um eine Kennzeichenverletzung zu begründen. Dies würde schlussendlich zu einem uferlosen Kennzeichenschutz führen, der dem eingangs erwähnten Grundsatz der territorialen Begrenzung zuwiderlaufen würde. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt für die Bejahung einer Rechtsverletzung vielmehr, dass eine «räumliche Beziehung» bzw. eine «qualifizierte Beziehung der Zeichennutzung» zur Schweiz besteht. Zur näheren Erläuterung dieser «räumlichen Beziehung» griff das Bundesgericht auf die Joint Recommendation der WIPO und des Pariser Verbands zurück. Art. 2 der Joint Recommendation bestimmt, dass die Nutzung eines Kennzeichens im Internet nur dann eine Kennzeichenverletzung im Schutzland begründen kann, wenn diese dort eine wirtschaftliche Auswirkung (sog. «commercial effect») hat. Zur Beurteilung dieses wirtschaftlichen Bezugs können die in Art. 3 der Joint Recommendation beispielhaft aufgeführten Kriterien herangezogen werden, wie bspw. die Prüfung der geschäftlichen Tätigkeit des Kennzeichenverwenders im betroffenen Schutzland (findet eine solche überhaupt statt und falls ja, welches Ausmass nimmt sie an? Werden Kunden im Schutzland beliefert und in welcher Währung und Sprache werden die Produkte angeboten? Werden Wartungs- oder Nebenleistungen im Schutzland erbracht? Werden Kontaktdaten im Schutzland angegeben? etc.). Es kann hingegen nicht einfach auf die aufgeführten Kriterien abgestellt werden, sondern es ist stets eine Gesamtwürdigung der konkreten Umstände vorzunehmen, wobei insbesondere zwischen den Interessen des inländischen Schutzrechtsinhabers und denjenigen des ausländischen Kennzeichennutzers abzuwägen ist.

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II. «COMMERCIAL EFFECT» UND GEOBLOCKING

Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung können gemäss Bundesgericht denn auch neuere technische Entwicklungen mitberücksichtigt werden, zumal die in der Joint Recommendation aufgeführten Kriterien vor rund 20 Jahren entwickelt wurden. Unter diesem Aspekt hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Beurteilung des «commercial effects» auch das sog. Geoblocking und Geotargeting von einer gewissen Relevanz sein können. Diese technischen Massnahmen erlauben es einem Websitebetreiber, die Zugriffsmöglichkeiten von Internetnutzern auf die Website territorial zu begrenzen. Darüber kann ein Websiteinhaber mit relativ geringem technischen Aufwand verhindern, dass die betroffene Website im Schutzland überhaupt aufgerufen werden kann. Gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts scheint dies folglich ein geeignetes Mittel zu sein, um einem «commercial effect» auf das Schutzland zu entgegnen und folglich einer allfälligen Kennzeichenverletzung zu entgehen (natürlich ist aber immer noch eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände vorzunehmen). Offenbar unberücksichtigt geblieben ist hierbei, dass die EU bereits im Jahr 2018 ein Geoblocking-Verbot eingeführt hat (VO 2018/302 vom 28.02.2018). Nur wenige Monate später (im Mai 2019) hat der Bundesrat die Botschaft zur Fair-Preis-Initiative verabschiedet, die ebenfalls ein Geoblocking-Verbot vorsieht. Dieses soll verhindern, dass die Schweiz im Fernhandel ohne sachliche Rechtfertigung abgeschottet wird und Schweizer Kunden nicht zu ausländischen Preisen einkaufen können, indem diese erst gar nicht auf ausländische Webshops zugreifen können.

Eingang in die Gesetzgebung findet das Geoblocking-Verbot im Rahmen der anstehenden Revision des Bundesgesetzes über unlauteren Wettbewerb (kurz «UWG) im Jahr 2022. Gemäss dem neu einzuführenden Art. 3a UWG («Diskriminierung im Fernhandel») handelt unlauter und damit unzulässig, wer im Fernhandel ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund Schweizer Kunden aufgrund ihrer Nationalität, ihres (Wohn-)Sitzes, des Sitzes ihres Zahlungsdienstleisters oder des Ausgabeorts ihres Zahlungsmittels beim Preis und bei den Zahlungsbedingungen diskriminiert. Unlauter handelt zudem, wer ohne sachliche Rechtfertigung den Zugang von Kunden zu einem Onlineportal beschränkt oder wer Kunden ohne deren Einverständnis zu einer anderen als ursprünglich aufgesuchten Version des Portals weiterleitet (sog. «Redirecting»). Von diesem Verbot sind zwar gewisse Branchen ausgenommen, dennoch gilt es zeitnah unternehmensintern zu prüfen, ob inskünftig verbotene technische Massnahmen in Betrieb sind und ob allenfalls ein Ausnahmetatbestand vorliegt.

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III. WÜRDIGUNG

Das Bundesgericht hat noch vor einem Jahr festgehalten hat, dass das Unterlassen von Geoblocking- und Geotargeting-Massnahmen durchaus ein geeignetes Kriterium sein kann, das zur Bejahung einer Schutzrechtsverletzung führen kann. Dabei wurde allerdings nicht bedacht, dass genau diese technischen Massnahmen vom schweizerischen Gesetzgeber – bereits zum damaligen Zeitpunkt – offensichtlich als diskriminierend erachtet werden und ein entsprechendes Verbot bereits in der gesetzgeberischen Pipeline stand. Vor diesem Hintergrund dürfte fraglich sein, ob die Berücksichtigung von (diskriminierenden) Geoblocking-Massnahmen im Zusammenhang mit Kennzeichenverletzungen im Internet gerechtfertigt war bzw. hätte die Frage wohl weitergehen müssen: Wenn das Bundesgericht schon zum Schluss gelangt, dass die Möglichkeit von Geoblocking-Massnahmen für die Frage eines «commercial effects» mitentscheidend sein können, so wäre denn auch zu prüfen gewesen, ob die technischen Massnahmen im konkreten Fall sachlich gerechtfertigt gewesen wären. Schliesslich kann es nicht sein, dass das Unterlassen von diskriminierenden Massnahmen generell zum Nachteil eines Kennzeichennutzers ausgelegt wird.

Inskünftig dürfte die Möglichkeit von Geoblocking- und Targeting-Massnahmen im Rahmen der Überprüfung eines «commercial effects» wohl nur noch berücksichtigt werden, wenn diese technischen Massnahmen im konkret zu überprüfenden Fall auch sachlich gerechtfertigt wären. Denn nur dann können die vom Gesetzgeber grundsätzlich als diskriminierend geltenden Massnahmen zulässig sein. Eine solche sachliche Rechtfertigung könnte bspw. gerade auch in der Verhinderung von Rechtsverletzungen liegen. Nachdem die Einführung des Geoblocking-Verbots allerdings erst auf das Jahr 2022 terminiert ist, bestehen diesbezüglich selbstredend noch keine höchstrichterlichen Urteile, weshalb derzeit nur Mutmassungen angestellt werden können. Gewissheit wird die Rechtsprechung in den kommenden Jahren bringen.



21. Oktober 2021 / MLaw Simone Küng

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