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KINDESUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. ANWENDBARES RECHT

In Fällen mit Auslandsbezug, in denen also das unterhaltsberechtigte Kind und der unterhaltspflichtige Elternteil in verschiedenen Ländern leben, richtet sich das auf Unterhaltspflichten gegenüber Kindern anwendbare Recht im EU-Raum nach der am 18. Juni 2011 in Kraft getretenen EuUntVO, soweit nicht vorrangige bilaterale Abkommen bestehen. Art. 15 EuUntVO verweist hinsichtlich des materiell anwendbaren Rechts auf das Haager Protokoll vom 23. November 2007. Nach Art. 3 Abs. 1 dieses Protokolls ist der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten Anknüpfungspunkt für das anzuwendende materielle Recht. Lebt das Kind beispielsweise in Deutschland, ist das deutsche Unterhaltsrecht massgeblich. Wechselt ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist ab dem Aufenthaltswechsel das innerstaatliche Recht am neuen gewöhnlichen Aufenthalt anwendbar.

II. KINDERUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

2.1 Allgemeines

In der Regel wird nach Deutschem Recht der Unterhalt Minderjähriger nicht individuell, sondern pauschal unter Heranziehung von Unterhaltstabellen ermittelt. Massgeblich ist hier die zweijährlich angepasste Düsseldorfer Tabelle, welcher im Anhang ein um das hälftige Kindergeld in Abzug gebrachten Zahlbetrag zu entnehmen ist. Massgeblich für die Einordnung in die zutreffende Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle ist das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen, welches um berufsbedingte Aufwendungen (5%) zu bereinigen ist. Zugeschnitten ist die Tabelle auf eine getrenntlebende, dreiköpfige Familie, in welcher der Unterhaltspflichtige den Barunterhalt für die gesamte Familie alleine aufbringt. Damit sind trennungsbedingte Mehrkosten bei der Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens nicht in Abzug zu bringen. Einer grösseren oder einer geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter wird durch die Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe Rechnung getragen. Schuldet beispielsweise ein Ehegatte nur einem Kind und nicht auch noch dem getrennt bzw. geschiedenen Ehegatten Unterhalt, so ist eine Höherstufung um mindestens eine, eventuell zwei Einkommensgruppen vorzunehmen. Besteht eine Unterhaltspflicht gegenüber drei oder mehr Personen, hat eine Herabstufung der Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle zu erfolgen.

Bei der Ermittlung des Unterhalts sind die Bedarfskontrollbeträge zu berücksichtigen, welche für die jeweilige Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle angegeben sind. Diese sollen eine ausgewogene Verteilung des verfügbaren Einkommens gewährleisten und rechtfertigen Korrekturen in Form von Herabstufungen in der Düsseldorfer Tabelle, sobald der Bedarfskontrollbetrag auf Seiten des Unterhaltspflichtigen unterschritten ist.

2.2 Unterhalt Volljährigkeit

Ein Unterhaltsanspruch für volljährige Kinder besteht nur, wenn sie sich in Ausbildung befinden oder aufgrund von Krankheit nicht im vollen Umfang dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Unterschieden wird hier zwischen den sogenannten privilegierten und nicht-privilegierten Kindern. Privilegiert sind diejenigen Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, noch im Haushalt mindestens eines Elternteils leben und sich in allgemeiner Schulausbildung befinden. Diese Kinder sind den minderjährigen Kindern weitegehend gleichgestellt.

Anders als bei minderjährigen Kindern wird bei einem volljährigen Kind – egal ob privilegiert oder nicht – das Kindergeld zunächst in voller Höhe von seinem Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle in Abzug gebracht. Auch stehen gegenüber volljährigen Kindern immer beide Elternteile in der unterhaltsrechtlichen Haftung, d.h. auch derjenige Elternteil, bei dem das Kind gegebenenfalls noch lebt, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine Betreuungsleistung ab Volljährigkeit nicht mehr erbracht werden muss.

Der Bedarf eines nicht-privilegierten Volljährigen, mithin eines Studierenden oder nicht im Haushalt lebenden Kindes, beläuft sich seit mehreren Jahren konstant auf EUR 670.00. Abweichungen ergeben sich nach den unterschiedlichen Unterhaltsleitlinien des jeweilig zuständigen Oberlandesgerichts, weshalb diese Beträge in Abhängigkeit des Wohnortes eines Kindes zu überprüfen sind. In diesem Bedarf sind die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung ebenso wenig enthalten wie Studiengebühren, welche gegebenenfalls zusätzlich zu zahlen sind.

2.3 Selbstbehalte

Die Selbstbehalte und damit der notwendige Eigenbedarf des Zahlungspflichtigen (in der Schweiz das Existenzminimum) hängt davon ab, wem gegenüber Unterhalt geschuldet wird. So beläuft sich der Selbstbehalt eines Kindes bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, welches sich in allgemeiner Schulausbildung befindet und zudem im Haushalt der Eltern lebt, bei einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich auf EUR 880.00, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen auf monatlich EUR 1‘080.00. Der angemessene Eigenbedarf gegenüber einem volljährigen Kind (nicht-privilegiert) beläuft sich aktuell auf EUR 1‘300.00. Die jeweils aktuellen Beträge sind der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen, welche in ihren Anmerkungen ergänzende Ausführungen enthält.

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16. Januar 2015 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher

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