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RECHTLICHE BESONDERHEITEN BEI TEILZEITARBEIT – WORAUF ARBEITGEBER ACHTEN SOLLTEN

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Daniela Bächli

Teilzeitarbeit hat in der Schweiz stark an Bedeutung und Beliebtheit gewonnen. Grundsätzlich gelten für Teilzeitangestellte die gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie für Vollzeitmitarbeitende. Diese Bestimmungen sind allerdings auf die Vollzeitarbeit zugeschnitten, sodass sich bei deren Anwendung auf Teilzeitarbeitsverhältnisse gewisse Besonderheiten ergeben können. Dieser Newsletter zeigt auf, welche Besonderheiten Arbeitgeber bei Teilzeitmitarbeitenden zu beachten haben.

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I. BEGRIFF DER TEILZEITARBEIT UND DEREN FORMEN

Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die vertragliche, auf eine Arbeitswoche bezogene, Arbeitszeit unter der branchenüblichen Arbeitszeit liegt. Sog. «eigentliche Teilzeitarbeit» liegt vor, wenn die Teilzeitarbeit regelmässig, z.B. nach einem bestimmten Arbeitseinsatzplan, geleistet wird. Ist der konkrete Einsatz nicht im Voraus bestimmt, handelt es sich um «uneigentliche Teilzeitarbeit» (auch als Arbeit auf Abruf bezeichnet). Diese wird wiederum unterteilt in sog. «echte Arbeit auf Abruf», bei der den Arbeitnehmer eine Einsatzpflicht trifft, und in sog. «unechte Arbeit auf Abruf», bei welcher der angefragte Arbeitnehmer das Recht hat, den Einsatz abzulehnen oder generell seine Arbeitseinsätze selber nach seinen Bedürfnissen zu bestimmen.

Eine weitere Form der Teilzeitarbeit stellt das Jobsharing dar. Dabei verzichtet der Arbeitgeber darauf, sein Weisungsrecht bezüglich der Arbeitszeitregelung von zwei oder mehreren Arbeitnehmern auszuüben. Stattdessen überlässt er den Arbeitnehmern die Entscheidung, wie sie die Arbeitsstelle unter sich aufteilen wollen (= Zeitsouveränität). Die Teilzeitarbeit tritt somit in verschiedenen (Misch-)Formen auf. Je nach Form des konkreten Teilzeitarbeitsmodells sind unterschiedliche rechtliche Konsequenzen zu berücksichtigen. 

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II. LOHNFORTZAHLUNG BEI UNFALL UND KRANKHEIT

Der Arbeitsvertrag als schuldrechtlicher Austauschvertrag kennt den Grundsatz: «Ohne Arbeit kein Lohn» (Art. 82 und Art. 119 Abs. 2 OR). Eine wichtige Ausnahme davon ist die Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers infolge Krankheit oder Unfall. Diesfalls ist weiterhin Lohn geschuldet, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen worden ist.

Teilzeitarbeitsverhältnisse mit im Voraus festgelegten fixen Arbeitszeiten bieten bei Krankheit oder Unfall kaum Probleme. In diesen Fällen erhält der Arbeitnehmer für eine beschränkte Zeit den Lohn, den er erhalten hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre. Anders verhält es sich, wenn nicht klar bestimmt werden kann, wie viel Lohn der Arbeitnehmer bei Arbeitsfähigkeit erhalten hätte, z.B. bei unregelmässigen Arbeitseinsätzen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber den bei Arbeitsfähigkeit wahrscheinlich erzielten Lohn ermitteln. Je nach Teilzeitmodell kann sich die Ermittlung des wahrscheinlichen Lohnes schwierig gestalten.

Nicht nur die Höhe des Lohnes während einer Abwesenheit, sondern auch die Zeiterfassung kann bei Teilzeitmodellen zu Unklarheiten führen. Die Zeiterfassung kann generell auf unterschiedliche Arten erfolgen. Jedoch birgt insbesondere die lineare Zeiterfassung – welche vorsieht, dass die Zeitgutschrift nicht nach der geleisteten Arbeitsdauer an den vereinbarten Arbeitstagen erfolgt, sondern nach dem auf eine 5-Tagewoche entfallenden täglichen arbeitsvertraglichen Pensum – für Teilzeitarbeitsverhältnisse Tücken. Arbeitet beispielsweise ein Arbeitnehmer mit einem 20% Pensum jeweils nur an einem fixen Tag in der Woche und wird er an diesem Tag krank, werden ihm bei der linearen Zeiterfassung nur 1.68 Std. angerechnet, obwohl er normalerweise 8.4 Std. gearbeitet hätte. Der Arbeitnehmer generiert somit wegen seiner Krankheit Minusstunden (vgl. hierzu auch: www.geissmannlegal.ch/publikationen/das-versagen-der-linearen-arbeitszeiterfassung-in-eigentlichen-teilzeitarbeitsverhaeltnissen-der-krankheitsfall/)

Ist ein Arbeitnehmer infolge Krankheit oder Unfall an der Arbeit verhindert, obliegt ihm die Beweispflicht für seine Arbeitsverhinderung. Meistens wird dieser Beweis durch ein Arztzeugnis erbracht. In der Praxis führen Arztzeugnisse, insbesondere bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit von Arbeitnehmenden mit reduziertem Beschäftigungsgrad, jedoch häufig zu Unklarheiten.

Beispiel: Eine Arbeitnehmerin hat ein 70% Pensum. Nun wird ihr eine nicht näher umschriebene Arbeitsunfähigkeit von 50% attestiert. Dies kann auf verschiedene Arten verstanden werden:

  • zu 50% krank und zu 20% arbeitsfähig oder
  • zu 50% arbeitsfähig und zu 20% krank sein oder
  • zu 35% krank und zu 35% arbeitsfähig.

Grundsätzlich beziehen sich Arztzeugnisse auf das konkrete Anstellungspensum. Einem zu 50% arbeitsunfähig geschriebenen Arbeitnehmer mit einem Pensum von 70% stehen somit noch 35% seiner Arbeitskraft zur Verfügung und er hat die Pflicht, diese Arbeit anzubieten (Variante 3 im Beispiel). Bei Unklarheiten empfiehlt es sich, bei dem attestierenden Arzt nachzufragen resp. den Arbeitnehmer zu verpflichten, beim Arzt eine Klärung einzuholen.

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III. FERIEN

Ferien dienen der Förderung von Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensfreude, kurz gesagt, dem Erholungszweck. Den Arbeitgeber trifft eine Pflicht zur Feriengewährung und zur Lohnfortzahlung. Voll- und Teilzeitmitarbeitende haben den gleichen Anspruch auf Ferientage. Art. 329a OR hält fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedes Dienstjahr wenigstens vier Wochen, dem Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Altersjahr wenigstens fünf Wochen zu gewähren hat. Bei Teilzeitarbeitnehmern ist der Anspruch entsprechend dem Teilzeitgrad zu berechnen.

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob bei Teilzeitangestellten im Stundenlohn die Ferien durch eine Lohnpauschale oder einen Lohnzuschlag abgegolten werden können. Grundsätzlich ist der Ferienlohn während der Ferien geschuldet, d.h. der Lohn läuft während dem Ferienbezug ordentlich weiter. Deshalb ist es meist nicht statthaft, den Ferienlohn in den regulären Lohn einzurechnen oder diesen hinzuzuschlagen. Der Arbeitgeber riskiert in diesem Fall eine Doppelzahlung. Bei sehr unregelmässiger Arbeitsleistung oder bei sehr kurzem Arbeitseinsatz kann ein in der Lohnzahlung inbegriffener Ferienlohn jedoch zulässig sein, sofern der auf die Ferien entfallende Lohnanteil sowohl im Vertrag als auch in der Lohnabrechnung separat ausgewiesen wird. Hervorzuheben gilt, dass bei einer zulässigen Ferienabgeltung der Ferienlohn als einziger Unterschied laufend mit der Lohnzahlung vergütet wird. Der Arbeitnehmer hat davon unbeachtet Anspruch auf tatsächlichen Bezug der Ferien.

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IV. FAZIT

Teilzeitmodelle tragen dem aktuellen Zeitgeist Rechnung und erlauben es Arbeitgebern, die Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmer einzugehen, was deren Motivation erhöhen kann. Wie aufgezeigt, können sich für den Arbeitgeber aber gewisse rechtliche Stolpersteine ergeben. Um im Einzelfall Streitigkeiten zu vermeiden, kann es deshalb lohnenswert sein, in die Ausgestaltung eines unmissverständlichen und transparenten Arbeitsvertrages für Teilzeitarbeitnehmer zu investieren.


10. Oktober 2022 / MLaw Kim Wysshaar unter Mithilfe von MLaw Daniela Bächli

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