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STOCKWERKEIGENTUM – WIE WEIT GEHT DAS GESTALTUNGSRECHT AUF DEM EIGENEN BALKON?

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

.I. EINLEITUNG

Im Gegensatz zu Eigentümern von Einfamilienhäusern besitzen Stockwerkeigentümer lediglich das Recht, die ihnen zu Sonderrecht ausgeschiedenen Teile (bspw. Wohnung, Keller) ausschliesslich zu gebrauchen und nach eigenem Belieben zu verändern. Voraussetzung für die Ausscheidung zu Sonderrecht ist, dass der Teil der Liegenschaft abgeschlossen ist, d.h. Boden, Decke, Wände und ein eigener Zugang bestehen.

Gemeinschaftliche Teile der Liegenschaft wie z.B. das Dach, die tragenden Mauern, die Fassade oder das Fundament gehören – wie der Name schon sagt – der Stockwerkeigentümergemeinschaft und entsprechend kann auch nur die Gemeinschaft darüber verfügen bzw. bauliche Massnahmen beschliessen und veranlassen.

Nun gibt es auch Bauteile, welche gefühlsmässig eher zur Wohnung und damit zum Sonderrecht eines Eigentümers gehören, rechtlich gesehen aber gemeinschaftliches Eigentum bilden. Diese Bauteile können mit entsprechender Regelung im Reglement einem einzelnen Stockwerkeigentümer lediglich zum alleinigen Gebrauch zugewiesen werden. Für die bauliche Ausgestaltung sind dem Eigentümer aber die Hände gebunden und er braucht hierfür die Zustimmung der Gemeinschaft. Es handelt sich hierbei um Gebäudeteile, welche die obgenannten Voraussetzungen des Sonderrechts nicht oder nur teilweise erfüllen wie beispielsweise der Garten, die Dachterrasse oder freiliegende Parkplätze (fehlende Abgeschlossenheit).

Die Abgrenzung ist nicht immer ganz einfach und das Bewusstsein für die rechtliche Handhabung teilweise nicht vorhanden, was in der Praxis regelmässig zu Diskussionen führt, wie gewisse Bauteile genutzt und vor allem verändert werden dürfen. Der vorliegende Newsletter konzentriert sich auf die Gestaltungsfreiheit auf dem eigenen Balkon und soll Aufschluss geben, inwiefern ein Stockwerkeigentümer bei entsprechenden baulichen Massnahmen die Gemeinschaft zu involvieren hat.

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II. RECHTLICHE WÜRDIGUNG

Nach der herrschenden Lehre ist das Innere eines Balkons grundsätzlich sonderrechtsfähig und kann durch einen Stockwerkeigentümer im Rahmen des Gesetzes bzw. des Reglementes individuell umgestaltet werden. Der äussere Teil des Balkons (z.B. Balkongeländer, Fundament, Boden-Isolierungsschichten, Aussenmauern) stellt hingegen zwingend ein gemeinschaftlicher Teil dar, weshalb für eine Umgestaltung oder Erneuerung ein Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft notwendig ist.

Soweit das Innere eines Balkons von aussen ersichtlich ist, dürfen individuelle bauliche Massnahmen nur durchgeführt werden, wenn dadurch kein Eingriff auf die äussere Erscheinung des Gebäudes erfolgt. Dies wird oftmals auch explizit durch das Reglement so festgehalten. Bei einer baulichen Massnahme, die zu einer Veränderung des äusserlichen Erscheinungsbildes führt, ist ein Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung einzuholen. Das erforderliche Mehrheitsquorum bestimmt sich nach dem Reglement oder subsidiär nach den gesetzlichen Bestimmungen.

Bei der Beurteilung, ob eine bauliche Massnahme tatsächlich zu einer Änderung der Erscheinung des Gebäudes führt, ist auf den Einzelfall abzustellen und eine individuelle Beurteilung erforderlich. Kleinste Änderungen der Erscheinung genügen nicht. Entscheidend ist der Gesamteindruck des Gebäudes und nicht jedes Detail.

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III. FALLBEISPIELE AUS DER GERICHTSPRAXIS

Das Bundesgericht hat beispielsweise in einem Urteil festgehalten, dass die Installation eines Klimagerätes, welches von aussen ohne weiteres gut sichtbar ist, keine untergeordnete optische Veränderung darstelle und das Aussehen der Fassade und damit des Gebäudes im äusseren Erscheinungsbild beeinträchtige. Damit ist für die Installation durch den Eigentümer ein Beschluss der Versammlung notwendig.

Für Balkonroste gilt nach Ansicht der Verfasserin, dass ein Eigentümer diese individuell auswechseln darf, solange die äussere Erscheinung des Gebäudes unverändert bleibt. Insbesondere bei Liegenschaften mit geschlossenen bzw. blickdichten Balkongeländern scheint dies keine Probleme zu bereiten. Bei Balkongeländern, welche eine Sicht auf den Balkonboden zulassen, sollte das Auswechseln des Balkonrostes individuell möglich sein, solange die Art, das Material und die Farbe gleichartig bleiben. Möchte jedoch ein Stockwerkeigentümer beispielsweise den bestehenden Holzrost durch rote Bodenplatten auf seinem Balkon ersetzen, so wird dadurch die äussere Erscheinung verändert und es bedarf ein Beschluss der Gemeinschaft.

Der Balkon darf sodann im Innenbereich und in den vorbestehenden und vorgesehenen Blumenkisten nach eigenem Belieben bepflanzt werden. Rankgitter sind erlaubt, solange die Kletterpflanzen nicht an der Fassade wachsen und sie die Bausubstanz des Gebäudes nicht übermässig belasten. Ohne Erlaubnis der Stockwerkeigentümergemeinschaft dürfen jedoch keine neuen Blumenkisten nach aussen gehängt werden, da dadurch das äussere Erscheinungsbild der Liegenschaft verändert wird. Gleiches gilt für Veränderungen am Balkongeländer.

Auch durch eine Balkonverglasung wird das Erscheinungsbild verändert, weshalb es auch diesbezüglich das Einverständnis der Gemeinschaft und nicht etwa nur der direkt betroffenen Nachbarn braucht. Dies gilt selbst dann, wenn der veränderungswillige Eigentümer bereit ist, für die gesamten Kosten der Umgestaltung aufzukommen. Hierzu sogleich.

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IV. KOSTENTRAGUNG

Jeder Stockwerkeigentümer trägt die Kosten für den Unterhalt, die Erneuerung und die Instandhaltung aller Einrichtungen und Installationen, die in seinem Sonderrecht stehen. Will somit ein Eigentümer den Boden in seiner Wohnung erneuern, hat er selbständig die Kosten zu tragen. Veränderungen oder Sanierungen von gemeinschaftlichen Teilen gehen zu Lasten der Gemeinschaft.

Wie hiervor beschrieben wurde, dienen bestimmte gemeinschaftliche Teile nur einzelnen Eigentümer (Sondernutzungsrecht). Das Stockwerkeigentümer-Reglement kann festlegen, dass der berechtigte Stockwerkeigentümer grundsätzlich für sämtliche Kosten und Lasten des von ihm beanspruchten gemeinschaftlichen Teils aufkommt, sofern eine solche Regelung nicht unzumutbar, unbegründet bzw. rechtsmissbräuchlich erscheint. Äussert sich das Reglement nicht zur Kostenverteilung für Gebäudeteile im Sondernutzungsrecht, so gilt zu unterscheiden, ob dieser Teil Funktionen erfüllt, welche zum Teil auch der Gemeinschaft zukommen oder nicht. Falls ein Teil auch für die Gemeinschaft von Nutzen ist, gibt es keinen Grund, dem Sondernutzungsberechtigten sämtliche Kosten zu überbinden. Dies gilt vor allem für strukturbildende Gebäudeteile (z.B. Dach). Der nutzende Stockwerkeigentümer hat hingegen für allfällige Mehrkosten aufzukommen, die sich aus seiner Nutzung oder seinen Sonderwünschen ergeben.

Zur Veranschaulichung: Bei einem Mehrfamilienhaus mit Flachdach, dient das Dach dem obersten Stockwerkeigentümer zugleich als Dachterrasse und diese ist ihm im Sondernutzungsrecht zugewiesen. Werden nun Beschädigungen am Flachdach bzw. an der Dachterrasse festgestellt, sind die Kosten für die Sanierung grundsätzlich von der Gemeinschaft zu tragen, dient doch das Dach dem ganzen Gebäude und schützt auch die darunterliegenden Wohnungen. Entscheidet sich der direkt betroffene (oberste) Stockwerkeigentümer nun, den Bodenbelag durch hochwertige Materialien zu ersetzen und entstehen dadurch Mehrkosten, sind diese Mehrkosten alleine von ihm und nicht von der Gemeinschaft zu tragen, da nur er als Sondernutzungsberechtiger der Dachterrasse davon profitiert.


6. Juli 2022  / MLaw Kim Attenhofer

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