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UNTERNEHMEN IN DER GÜTERRECHTLICHEN AUSEINANDERSETZUNG

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt und Mediator SAV unter Mithilfe von MLaw Sara Sommer

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Lassen sich Eheleute scheiden, gilt es in finanzieller Hinsicht nebst der Regelung allfälliger Unterhaltszahlungen (Zuteilung von laufenden Einnahmen) die sogenannte güterrechtliche Auseinandersetzung (Verteilung des vorhandenen ehelichen Vermögens) vorzunehmen.

Das zu teilende eheliche Vermögen kann sich aus verschiedensten Vermögenswerten (z.B. aus Bargeld, Liegenschaften, Fahrzeugen etc.) zusammensetzen. Gehört einem Ehegatten ein Unternehmen, stellt dieses ebenfalls einen Vermögenswert dar und es ergeben sich bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung diverse Besonderheiten und Fallstricke, die nachfolgend thematisiert werden.

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I. GÜTERRECHTLICHE AUSEINANDERSETZUNG

Haben die Ehepartner keinen besonderen Güterstand (Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) vereinbart, unterstehen sie während der Dauer der Ehe dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Demgemäss verwaltet und nutzt jeder Ehepartner sein Vermögen selbst und haftet grundsätzlich nur für seine eigenen Schulden.

Die Besonderheit der Errungenschaftsbeteiligung zeigt sich erst bei deren Beendigung. Lässt sich ein Ehepaar scheiden, wird nämlich der Güterstand aufgelöst und es erfolgt die sogenannte güterrechtliche Auseinandersetzung. Ziel davon ist es, das vorhandene Vermögen unter den Ehegatten aufzuteilen. Hierfür wird zwischen vier Arten von Vermögensmassen unterschieden.

Einerseits verfügen beide Ehepartner – falls vorhanden – je über das sogenannte Eigengut. Darunter fällt insbesondere in die Ehe eingebrachtes Vermögen, erhaltene Erbschaften und Schenkungen und persönliche Gegenstände. Andererseits verfügen beide Ehepartner – falls vorhanden – je über die sogenannte Errungenschaft. Darunter fallen alle Vermögenswerte, die nicht Eigengut darstellen (typischerweise während der Ehe angespartes Vermögen aus Arbeitserwerb oder aus Erträgen des Eigengutes).

Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung behält jeder Ehegatte sein Eigengut. Zudem hat jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der Errungenschaft des Ehepartners. Es kann auch vorkommen, dass nur einer der beiden Ehegatten über Errungenschaftsvermögen verfügt. Dennoch muss die Hälfte davon dem Partner abgegeben werden.

Befindet sich ein Unternehmen im ehelichen Vermögen, ist also vorab festzustellen, ob das Unternehmen in das Eigengut oder in die Errungenschaft eines Ehegatten fällt und mithin, ob das Unternehmen bzw. der Unternehmenswert entsprechend zu teilen ist oder nicht.

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II. UNTERNEHMEN IM EIGENGUT

Hat dem Unternehmerehegatten das Unternehmen vor der Eheschliessung bereits gehört oder hat er das Unternehmen während der Ehe durch Erbschaft oder Schenkung erhalten, fällt das Unternehmen in dessen Eigengut. Bei der Teilung des Vermögens im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung hat der Unternehmerehegatte das Unternehmen in der Folge grundsätzlich nicht mit dem Ehepartner zu teilen.

Allerdings ist zu beachten, dass das Einkommen aus Arbeitstätigkeit als auch Erträge des Eigenguts während der Dauer der Ehe in die Errungenschaft fallen.

Die während der Dauer der Ehe ausgeschütteten Dividenden aus dem Unternehmen (als Erträge des Eigengutes) fallen daher in die Errungenschaft. (Gemäss Art. 199 Abs. 2 ZGB können Ehepaare abweichend davon mittels Ehevertrag vereinbaren, dass Erträge aus Eigengut nicht in die Errungenschaft fallen.) Werden Dividenden über mehrere Jahre jedoch nicht ausbezahlt, obwohl der Geschäftsgang des Unternehmens dies eigentlich nahelegen würde und werden die Gelder stattdessen im Unternehmen (z.B. als Gewinnvortrag oder Reserven) zurückbehalten, schmälert dies in unzulässiger Weise die eigentliche Errungenschaft. Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung sollte dieser Umstand festgestellt und ein entsprechender Ausgleich für die nicht ausbezahlten Dividenden verlangt werden.

In Bezug auf die Vergütung der Arbeitstätigkeit des Unternehmerehegatten im Unternehmen ist das Augenmerk darauf zu legen, ob die Arbeitstätigkeit angemessen entlöhnt (was würde unter Berücksichtigung der Funktion und Verantwortung im Betrieb sowie bei der Unternehmensentwicklung einem Dritten bezahlt) wurde. Wurde der Unternehmerehegatte nicht angemessen entlöhnt und hat das Unternehmen während der Dauer der Ehe aufgrund der zu tiefen Lohnzahlungen an Wert gewonnen (sog. industrieller Mehrwert), so fällt die Wertsteigerung im Umfang der Differenz vom ausbezahlten zum angemessenen Lohn doch in die Errungenschaft. Damit soll verhindert werden, dass der Unternehmerehegatte sich über Jahre hinweg bloss einen Hungerlohn ausbezahlt, während er sein Eigengut durch Steigerung des Unternehmenswertes – zu Lasten der Errungenschaft – vergrössert. 

Bezahlt der Unternehmerehegatte sich einen angemessenen Lohn für seine Erwerbstätigkeit und gewinnt das Unternehmen dennoch an Wert, so spricht man vom sogenannt konjunkturellen Mehrwert. Die Wertsteigerung ist dann auf die den Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Dieser Mehrwert kommt alleine dem Unternehmerehegatten zu und der andere Ehegatte partizipiert nicht.

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III. UNTERNEHMEN IN DER ERRUNGENSCHAFT

Hat der Unternehmerehegatten das Unternehmen erst nach der Eheschliessung mit Mittel der Errungenschaft (Lohnzahlungen und eigene Arbeitskraft) gegründet, so fällt es in die Errungenschaft. Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung ist es daher grundsätzlich zwischen den Ehegatten zu teilen. Bezahlt sich der Unternehmerehegatte einen zu tiefen Lohn oder zu tiefe Dividenden aus, spielt dies keine Rolle, da der andere Ehegatte an einer allfälligen Wertsteigerung ohnehin hälftig beteiligt wird. Auch von einem konjunkturellen Mehrwert profitieren beide Ehegatten hälftig.

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IV. VERMISCHUNG VON EIGENGUT UND ERRUNGENSCHAFT

In der Praxis kommt es oft vor, dass Eigengut und Errungenschaft miteinander vermischt werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn bereits bei der Unternehmensgründung Mittel sowohl aus Eigengut und als auch aus der Errungenschaft mitwirken oder wenn zu einem späteren Zeitpunkt Investitionen zugunsten des Unternehmens aus einer anderen Vermögensmasse getätigt werden.

Rechtlich muss jedoch jeder Vermögenswert – also auch das Unternehmen – entweder der Errungenschaft oder dem Eigengut zugeordnet werden. Die Zuteilung erfolgt an jene Vermögensmasse, die zeitlich zuerst involviert war oder – falls beide Massen zu Beginn beteiligt waren – an jene Vermögensmasse mit dem engeren sachlichen Zusammenhang zum Unternehmen.

Der faktischen Vermischung der beiden Vermögensmassen schenkt der Gesetzgeber im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung insofern Beachtung, als dass zwischen den Massen für entsprechende Investitionen eine Ausgleichspflicht besteht. Das bedeutet, dass beispielsweise eine aus der Errungenschaft zugunsten des Unternehmens im Eigengut geleistete Investition in die Errungenschaft «zurückgeführt» bzw. bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt werden muss. Je nachdem zwischen welchen der vier Vermögensmassen (Errungenschaft Mann/Frau, Eigengut Mann/Frau) Investitionen flossen, ist zudem ein allfälliger Mehrwert (ein Wertzuwachs des Unternehmens) oder ein allfälliger Minderwert (Wertverlust des Unternehmens) bei der «Rückzahlung» an die investierende Vermögensmasse zu berücksichtigen.

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V. BEWERTUNG DES UNTERNEHMENS

Ist ein Unternehmen zwischen den Ehegatten zu teilen, da es in die Errungenschaft fällt, erlangt der Nichtunternehmerehegatte jedoch keinen zwingenden Anspruch auf Übertragung des Eigentums an der Hälfte des Unternehmens. Er erlangt lediglich einen Anspruch auf den Wert der Hälfte des Unternehmens (güterrechtlicher Ausgleichsanspruch). Dieser Anspruch kann zwar durch Übertragung von Unternehmensanteilen befriedigt werden, aber er kann beispielsweise auch mit allfälligen Gegenansprüchen verrechnet werden oder durch Geldzahlung abgegolten werden kann.

Da meist nicht eine effektive Teilung des Unternehmens zwischen den Ehegatten vorgenommen wird, sondern ein Wertausgleich erfolgt, ist der Unternehmenswert zu eruieren. Hierfür muss die Bewertungsmethode bestimmt werden. Ausserdem stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Unternehmensbewertung relevant ist und wie der tatsächliche Unternehmenswert – frei von Manipulationen – ermittelt wird. 

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1) BEWERTUNGSMETHODE

Soll ein Unternehmen in Zukunft – egal ob durch den Unternehmerehegatten selbst oder einen allfälligen Käufer – weitergeführt werden, ist eine Gesamtbewertung des Unternehmens als eine Einheit vorzunehmen. Man spricht von der Bewertung zum sogenannten Fortführungswert. Bei der Festsetzung dieses Wertes sind unter anderem die in Zukunft zu erwartenden Gewinne und immaterielle Werte wie beispielsweise das fachliche Know-How des Unternehmens oder ein wertvoller Kundenstamm zu berücksichtigen.

Muss der Betrieb jedoch eingestellt bzw. liquidiert werden, weil niemand das Unternehmen fortführen möchte oder kann, ist der sogenannte Liquidationswert (auch: Zerschlagungswert) massgeblich. Dieser wiederspiegelt, welchen Erlös man bei der Versilberung der einzelnen Vermögensgegenstände (z.B. Maschinen, Liegenschaft, Warenbestände) abzüglich der Unternehmensschulden erlangen kann und fällt in der Regel tiefer aus als der Fortführungswert.

Die Bestimmung der Bewertungsmethode (Fortführungs- oder zum Liquidationswert) stellt eine Rechtsfrage dar und ist im Streitfall durch den Richter zu entscheiden. Steht die Bewertungsmethode einmal fest, wird die eigentliche Bezifferung des Wertes idealerweise durch entsprechende Bewertungsexperten vorgenommen.

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2) BEWERTUNGSZEITPUNKT

Massgeblich bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung ist der Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Scheidungsurteils (und nicht zum Zeitpunkt der der Klageerhebung). Das Scheidungsrecht birgt daher die vom Gesetzgeber beabsichtigte Besonderheit, dass ein Wertzuwachs oder ein Wertverlust des Unternehmens bis zum Abschluss des Scheidungsverfahrens beide Ehegatten betrifft. Bei einer mutwilligen Wertverminderung während des laufenden Verfahrens durch einen der Ehegatten kann ein Richter jedoch gegebenenfalls vom gesetzlichen Bewertungszeitpunkt abweichen.

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3) MANIPULATION DES UNTERNEHMESWERTES

Die Versuchung eines Unternehmerehegatten, insbesondere, wenn er die alleinige Kontrolle über das in die Errungenschaft fallende Unternehmen hat, den angeblichen Unternehmenswert im Hinblick auf eine güterrechtliche Auseinandersetzung durch Manipulationen (übermässige Abschreibungen, Verbuchung von Privataufwänden, Bildung von zu hohen Rückstellungen etc.) zu reduzieren, gilt als hoch. Es darf bei der Unternehmensbewertung daher nicht blindlings auf die letzten Jahresabschlüsse abgestützt werden, sondern die Geschäftsgänge sind kritisch zu würdigen.

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VI. FAZIT

Eine güterrechtliche Auseinandersetzung ist für Laien ohnehin oft kein einfaches Unterfangen. Fällt ein Unternehmen in das eheliche Vermögen können sich bereits bei der korrekten Zuteilung des Unternehmens in die jeweilige Gütermasse (Eigengut oder Errungenschaft) Schwierigkeiten ergeben. Tragen finanzielle Mittel einer anderen Gütermasse zum wirtschaftlichen Fortkommen des Unternehmens bei oder bezahlt der Unternehmerehegatte sich einen zu tiefen Lohn oder zu tiefe Dividenden aus dem in seinem Eigengut stehenden Unternehmen aus, so sind ausserdem Ausgleichszahlungen und/oder Ersatzforderungen zu prüfen. Zu guter Letzt ist bei der eigentlichen Unternehmensbewertung – insbesondere hinsichtlich buchhalterischen Manipulationen – Vorsicht geboten. 

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26. Januar 2022 / lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt und Mediator SAV unter Mithilfe von MLaw Sara Sommer

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