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UNTERNEHMENSNACHFOLGE INNERHALB DER FAMILIE TROTZ GÜTER- UND ERBRECHTLICHER ANSPRÜCHE DES EHEGATTEN UND DER ANDEREN NACHKOMMEN (NEUES UNTERNEHMENSERBRECHT)

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Soll ein Familienunternehmen im Todesfall auf einen Nachkommen als Nachfolger des Patrons (oder der Patronin) übertragen und damit dessen Fortbestand gewährleistet werden, braucht es in aller Regel rechtzeitige Vorkehrungen des Erblassers in güter-, erb- und gesellschaftsrechtlicher Hinsicht. Andernfalls scheitert die Familiennachfolge oftmals an den finanziellen Ausgleichungspflichten gegenüber den Miterben und es bleibt nichts anderes übrig als ein Verkauf oder eine Liquidation des Unternehmens.

Mit dem Inkrafttreten der bereits beschlossenen Erbrechtsrevision per 1. Januar 2023 (vgl. unseren Newsletter vom 28. April 2021) wird der Regelungsspielraum des Erblassers zwar erheblich vergrössert. Wenn neben dem Unternehmen als Hauptaktivum der Hinterlassenschaft aber kein namhaftes weiteres Vermögen vorhanden oder der Nachfolger nicht selber ausreichend finanzstark ist, kann ohne rechtzeitige Vereinbarungen und Anordnungen des Erblassers eine Nachfolge dennoch scheitern. Eine geplante zweite Erbrechtsrevision – die entsprechende bundesrätliche Botschaft wird demnächst in die Vernehmlassung gehen – soll hier zusätzlich Abhilfe schaffen und die Problematik entschärfen.

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I. PROBLEMATIK (GÜTER- UND ERBRECHTLICHE PFLICHTTEILE)

Eine unentgeltliche (oder finanziell verkraftbare) Übertragung des Unternehmens im Todesfall auf einen Nachkommen kommt – auch wenn vom verstorbenen Unternehmer geplant und so angeordnet – nur dann in Frage, wenn aus dem restlichen Nachlassvermögen die im konkreten Fall zu beachtenden güter- und erbrechtlichen Ansprüche der Miterben ausgeglichen werden können.

Bei einem während einer Ehe aufgebauten und somit zur Errungenschaft gehörenden Unternehmen können diese zwingenden Ansprüche des Ehegatten und weiterer Nachkommen am Vermögen des verstorbenen Unternehmers ohne gegenteilige Regelungen, d.h. von Gesetzes wegen, bis zu 7/8 des Nachlasses (und somit auch des Unternehmenswertes) umfassen. Eine zur Sicherung der Familiennachfolge gewollte Begünstigung des Nachfolger-Nachkommens (mit einer unentgeltlichen oder finanziell tragbaren Übertragung der Firma) ist entsprechend eingeschränkt und in aller Regel nicht realistisch. Dem Nachfolger die Firma bzw. den erfolgreichen Fortbestand derselben wenigstens durch die Zuwendung einer Mehrheitsbeteiligung zu sichern, ist insoweit riskant, als sich nach der «aisement négociables Doktrin» pflichtteils-geschützte Miterben die Zuweisung und Anrechnung einer Minderheitsbeteiligung nicht gefallen lassen müssen.

Eine Umgehung dieser Schranken im Todesfall durch eine lebzeitige (günstige) Übertragung der Firma auf den Nachfolger-Nachkommen ist zwar an sich möglich, birgt aber ohne entsprechende Vereinbarungen mit den dereinstigen Miterben für denselben erhebliche Risiken nachträglicher «Ausgleichungspflichten», die sogar weit über dem liegen können, was ihm bei der Übernahme der Firma «geschenkt» wurde.

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II. EINVERSTÄNDLICHE REGELUNGEN

Durch güterrechtliche Vereinbarungen mit dem überlebenden Ehegatten («Ehevertrag mit Zuweisung des Unternehmens ins Eigengut des Erblassers»), erbvertragliche Vereinbarungen mit dem Nachfolger, der Ehefrau und den Geschwistern («Unterschiedliche Erbquoten», «Stundung von Ausgleichungsansprüchen», etc.) sowie gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen und statutarische Gestaltungsmöglichkeiten («Stimmrechtsaktien», «Aktionärsbindungsverträge», etc.) kann die Problematik vom Erblasser zu Lebzeiten entschärft bzw. verhindert werden. Alle diese Vorkehrungen setzen aber voraus, dass die dereinstigen Miterben zu entsprechenden Vereinbarungen Hand bieten und auf ihre gesetzlichen Ansprüche (zumindest teilweise oder vorübergehend) verzichten.

Leider fehlt es all zu oft an der Bereitschaft zu solchen einverständlichen Lösungen, welche den Verbleib der Firma in der Familie und die erfolgreiche Weiterführung durch einen Nachkommen als neuen Patron sichern; dies selbst dann, wenn dabei auch der Absicherung des  überlebenden Ehegatten und der Gleichbehandlung aller Kinder Rechnung getragen wird, was dem Erblasser in aller Regel gleichermassen wichtig ist.

Dass solche einverständlichen Lösungen in aller Regel eine eingehende Beratung aller Beteiligten und entsprechende fachmännische Unterstützung voraussetzen, dürfte klar sein. Oftmals gelingt es gerade dank einer solchen Beratung alle Beteiligten «unter einen Hut zu bringen» und eigentliche Win-Win-Lösungen zu kreieren.

Auch im Sinne eines zusätzlichen «Druckmittels» zu Gunsten solcher einverständlicher Regelungen der Familiennachfolge ist es zu begrüssen, dass mit den eingangs beschriebenen Änderungen des Erbrechts der Handlungsspielraum des Erblassers vergrössert wird, d.h. er nötigenfalls auch einseitig die Chancen einer erfolgreichen Familiennachfolge erhöhen kann (siehe unten Ziffer III.).

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III. AKTUELLE UND ZUKÜNFTIGE EINSEITIGE GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN

Ausgehend von einem einfachen Beispielfall, in welchem der Erblasser neben dem designierten Nachfolger seinen Ehegatten und einen weiteren Nachkommen (Kind oder Enkel) hinterlässt, sollen die Möglichkeiten des Erblassers zur einseitig angeordneten (erfolgreichen) Familiennachfolge und die Auswirkungen der Erbrechtsrevisionen kurz aufgezeigt werden.

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1. AKTUELLE RECHTSLAGE

Unter dem aktuell noch gültigen Recht kann der Erblasser seinen Nachfolger durch Entbindung von der Ausgleichungspflicht (bei lebzeitiger Übertragung) und letztwilliger Zuweisung einer maximal zulässigen Erbquote von 9/16 (statt dem gesetzlichen Erbanteil von nur ¼) begünstigen und ihm damit eine Übernahme des ganzen Unternehmens ohne untragbare Ausgleichungspflichten immerhin etwas erleichtern. Dies gilt namentlich dann, wenn der Ehegatte insoweit mitwirkt, als er/sie im Interesse der Familiennachfolge gleichzeitig auf güterrechtliche Ansprüche am Unternehmenswert verzichtet. Durch geeignete Teilungsvorschriften und gesellschaftsrechtliche Regelungen kann zudem das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung der einseitig angeordneten Familiennachfolge oder der Durchsetzung zu hoher Pflichtteilsforderungen zusätzlich reduziert werden.

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2. RECHTSLAGE AB 1. JANUAR 2023

Mit der eingangs erwähnten Erbrechtsrevision werden die Pflichtteile der Nachkommen reduziert. Der Nachfolger kann daher neu mit einer Erbquote von maximal 5/8 begünstigt werden, was die Übernahme der Firma erleichtert. Im Übrigen ändert sich an der Rechtslage nichts (vgl. Ziffer 1.).

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3. GEPLANTE ZWEITE ERBRECHTSREVISION

emäss dem bundesrätlichen Entwurf zur weitergehenden (erbrechtlichen) Förderung der familieninternen Unternehmensnachfolge ist zusätzlich vorgesehen, dass der begünstigte Nachfolger für die Abgeltung trotz Begünstigung (vgl. Ziffer 2.) verbleibender Ausgleichszahlungen einen Zahlungsaufschub bzw. eine Zahlungsfrist von längstens 5 Jahren verlangen kann. Auch wenn solche gestundeten Zahlungen sicherzustellen und zu verzinsen sind, stellt dies eine erhebliche Verbesserung dar, kann doch so die Ausgleichungszahlung auch aus den zukünftigen Erträgen der Unternehmung finanziert werden.

Für den Fall einer lebzeitigen Übertragung der Firma ist neu vorgesehen, dass sich der Wert der Unternehmung (ohne nicht betriebsnotwendige Aktiven), der erbrechtlich trotz Begünstigung auszugleichen ist, nicht mehr nach dem Wert per Todestag des früheren Eigentümers, sondern nach dem Wert per Übernahme bemisst: Damit wird – endlich – die Ungerechtigkeit beseitigt, dass der erfolgreich geschäftende Nachfolger, der die Firma zu Lebzeiten unentgeltlich oder vergünstigt übernommen hat, auch noch den von ihm bis zum Todestag erwirtschafteten Erfolg mit den Miterben teilen muss, wie dies aktuell der Fall ist.

Nicht vorgesehen ist in der bundesrätlichen Botschaft leider die Möglichkeit, die Miterben auch mit einer Minderheitsbeteiligung an der Unternehmung abzugelten und damit den Finanzierungsbedarf des Nachfolgers zusätzlich zu reduzieren. Jedenfalls dann, wenn die Stellung der Miterben als Minderheitsaktionäre vertraglich abgesichert wird, sollte das Gesetz m.E. einen entsprechenden Anspruch vorsehen.

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IV. FAZIT / EMPFEHLUNG

Für das Unternehmenserbrecht bzw. die Chance auf eine realistische  – lebzeitige oder letztwillige – familieninterne Unternehmensnachfolge bringt die Erbrechtsrevision ab 1. Januar 2023 erste Vorteile. Die zweite Erbrechtsrevision wird – sofern Bundesversammlung und Volk zustimmen – die gesellschaftlich zweifellos zu begrüssende Weiterführung von Familienunternehmen über die Pensionierung oder den Tod von der/dem Patron/Patronin hinaus zusätzlich fördern. Dies jedenfalls dann, wenn das Parlament den bundesrätlichen Entwurf im einen oder anderen Punkt noch etwas verbessert.

Unverändert gilt auch unter dem neuen Recht, dass die familieninterne Unternehmensnachfolge von langer Hand geplant und durch ausgewiesene Fachleute begleitet werden sollte, um optimierte und gerechte Lösungen zu finden und dem (lebzeitigen oder letztwilligen) Nachfolger ungeplante und seine Existenz bedrohende Verpflichtungen zu ersparen.


19. Januar 2022 / lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht

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