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ÖFFENTLICHE VERGABEVERFAHREN / SUBMISSIONSRECHT – DER ANBIETER MUSS DIE VERLANGTEN EIGNUNGSKRITERIEN ZUM ZEITPUNKT DER OFFERTEINREICHUNG ERFÜLLEN

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich

Das Bundesgericht hat in einem kürzlich publizierten Entscheid (2D_25/2018, Entscheid vom 2. Juli 2019) seine bisherige Praxis zum Ausschluss wegen der Nichterfüllung eines von der Vergabestelle aufgestellten Eignungskriteriums bestätigt und insbesondere auch die entsprechenden Grundsätze und die strenge Praxis im Hinblick auf den Zeitpunkt, in welchem die Eignungskriterien erfüllt sein müssen, nochmals gefestigt.

Das Bundesgericht hat einen Vergabeentscheid im Bereich der Abfallentsorgung einer Gemeinde im Kanton Neuenburg als widerrechtlich beurteilt, der an eine Anbieterin ging, welche im Zeitpunkt des Zuschlages in ihrem Fahrzeugpark nicht über Fahrzeugtypen verfügte, die – wie von der Vergabestelle in der Ausschreibung als technisches Eignungskriterium vorausgesetzt – ein bestimmtes Hubsystem aufgewiesen haben. Die Vergabestelle erteilte trotzdem dieser Anbieterin den Zuschlag, da sie es als genügend erachtete, dass die Anbieterin der Vergabestelle nach der Zuschlagserteilung bestätigte, ein entsprechendes Fahrzeug mit dem verlangten Hubsystem im Hinblick auf die Auftragserfüllung anzuschaffen. Die kantonale Instanz schützte die Vergabe bzw. wies die Beschwerde der Zweitplatzierten ab, welche geltend machte, dass die Zuschlagsempfängerin die Eignungskriterien nicht erfülle und vom Vergabeverfahren auszuschliessen sei. Die Zweitplatzierte gelangte daraufhin mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht und rügte eine willkürliche Vergabe bzw. willkürliche Anwendung der Eignungskriterien und Ausschlussgründe. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und beurteilte die Vergabe als widerrechtlich.

«Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und beurteilte die Vergabe als widerrechtlich.»

Das Bundesgericht hielt unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung fest, dass eine Anbieterin, welche die von der Vergabestelle festgelegten Eignungskriterien nicht erfülle, zwingend vom Vergabeverfahren auszuschliessen sei. Massgebender Zeitpunkt, in welchem die entsprechenden Eignungskriterien zu erfüllen seien, sei der Zeitpunkt der Angebotseinreichung, so dass die Vergabestelle vor dem Zuschlagsentscheid überprüfen könne, ob die Eignungskriterien vom betreffenden Anbieter erfüllt werden. Nach Bundesgericht reicht es nicht aus, wenn eine Anbieterin bei technischen oder qualitativen Vorgaben wie etwa zum Maschinenpark, Schlüsselpersonen oder ähnlichem nur mit dem Angebot oder gar erst nach Zuschlagserteilung zusichere, sie werde die Kriterien nach erfolgter Auftragserteilung durch das Anschaffen der entsprechenden Geräte oder Know-How erfüllen. Wenn eine Anbieterin ein Eignungskriterium im Zeitpunkt der Offertprüfung nicht erfülle, müsse sie zwingend vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Mag diese strenge Praxis hart erscheinen, so ist sie doch konsequent und aus Sicht der Rechtssicherheit zu begrüssen. Für die Vergabestellen wie auch die Anbieter lassen sich aus dem Entscheid und den Erwägungen die folgenden Schlüsse ziehen:

«Anbieter, welche die Eignungskriterien nicht erfüllen, sind zwingend vom Verfahren auszuschliessen. «

Zum einen ist bei den Eignungskriterien für die Vergabestelle wenige Spielraum vorhanden. Anbieter, welche die Eignungskriterien nicht erfüllen, sind zwingend vom Verfahren auszuschliessen. Entsprechend müssen sich die Vergabestellen gut überlegen, welche Eignungskriterien sie aufstellen möchten und wie stark sie so den Anbieterkreis eingrenzen wollen. Anbieter sollten vor dem Entschluss, ein Angebot auszuarbeiten und einzureichen, ebenfalls gut prüfen, ob sie überhaupt in der Lage sind, die entsprechenden Kriterien zum Zeitpunkt der Angebotseinreichung vollständig erfüllen zu können, ansonsten sie das Risiko eingehen, das Angebot vergebens auszuarbeiten und einzureichen.

Mag der Entscheid prima vista nicht viel Neues enthalten, verdient doch eine Bemerkung des Gerichtes eine besondere Beachtung. Denn das Bundesgericht stellte im Entscheid klar, dass es grundsätzlich denkbar sei, dass eine Vergabestelle als Eignungskriterium durchaus lediglich eine schriftliche Verpflichtung der Anbieter, entsprechende Maschinen, Fahrzeuge oder auch Personal im Falle der Zuschlagserteilung anzuschaffen bzw. einzustellen, als genügend gelten lassen können, wenn sie dies in der Ausschreibung entsprechend so festhalte.

Aus Sicht des Wettbewerbes und des Marktzuganges der Anbieter ist dies begrüssenswert. Gerade in Auftragsgebieten mit spezifischen Anforderungen kann es durchaus gerechtfertigt sein, gewisse Eignungskriterien nur als Verpflichtung auszuschreiben, was Anbietern ermöglicht, sich auf Aufträge zu bewerben, bei denen sie gewisse Anforderung aktuell zwar noch nicht erfüllen können, die entsprechenden Investitionen aber bei einer Zuschlagserteilung und damit eines gesicherten Auftrages tätigen würden.

Aus vergaberechtlicher Sicht wirft diese Variante aber doch einige Probleme aus. Papier ist geduldig und Anbieter werden die entsprechenden Verpflichtungen zum Beschaffen von Werkzeugen, Personal etc. für den Fall der Auftragserteilung wohl grösstenteils ohne grössere Überlegungen eingehen und die Eignungskriterien im Zeitpunkt der Angebotsprüfung damit jeweils problemlos erfüllen. Was aber ist, wenn nach rechtskräftiger Zuschlagserteilung die Zuschlagsempfängerin die Verpflichtung nicht wahrnimmt? Nach Lehre und Praxis ist das Vergabeverfahren nach einem rechtskräftigen Zuschlag abgeschlossen und andere Anbieter könnten gegen den Zuschlag nicht mehr gerichtlich vorgehen, auch wenn sich herausstellen sollte, dass der Konkurrent, der sie ausgestochen hat, die Eignungskriterien nicht erfüllen kann. Auch hinter die vertragsrechtliche Durchsetzbarkeit solcher Verpflichtungen durch die Vergabestelle ist ein Fragezeichen zu setzen, zumindest in praktischer Hinsicht. Wird eine Vergabestelle einem Anbieter, welcher seinen in Bezug auf die Eignungskriterien abgegeben Versprechungen und Verpflichtungen nicht nachkommt, den Auftrag entziehen und nochmals neu ausschreiben? Wie die Praxis bei der ähnlich gelagerten Problematik der Schlüsselpersonen oder anderen Zusicherungen im Rahmen der Zuschlagskriterien zeigt, wird dies meist nicht der Fall sein, sondern die Vergabestelle wird – sei dies aus Zeit-, Geld- oder rechtlichen Gründen – die entsprechenden Abweichungen von den im Angebot abgegebenen Zusicherungen wohl oder übel akzeptieren (müssen).

Entsprechend müssen sich Vergabestellen gut überlegen, in wie weit sie Eignungskriterien verwässern wollen, indem sie den Anbietern die Möglichkeit geben, die Erfüllung gewisser Kriterien nur für den Fall der Auftragserteilung zu garantieren, anstatt mit der Angebotseinreichung nachzuweisen. Konsequent zu Ende gedacht wird der Anwendungsbereich, eine Erfüllung der Eignungskriterien nur für den Fall der Zuschlagserteilung zu garantieren, klein bleiben. Vergabestellen ist zu empfehlen, bei relevanten Eignungskriterien diese so auszuschreiben, dass deren Erfüllung aus den vorgenannten Gründen zwingend im Zeitpunkt der Angebotseinreichung überprüfbar sind und die Erfüllung derselben nicht nur für den Fall der Zuschlagserteilung vertraglich zugesichert wird.


19. September 2019 / lic. iur. Christoph Schärli

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