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ALLGEMEINE ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN – WORAUF ICH ALS ARBEITGEBER ACHTEN MUSS

Dr. iur. Stephan Fröhlich, Rechtsanwalt

Oft wird in der Arbeitswelt ein detaillierter Arbeitsvertrag inklusive ausführlichen Anstellungsbedingungen noch immer als Misstrauensvotum gegenüber der jeweils anderen Vertragspartei erachtet. Leider mündet die an sich pragmatische Einstellung „Der einfache Handschlag muss genügen” nur zu oft in äusserst unübersichtlichen Rechtsstreitigkeiten. Das müsste nicht sein und es lässt sich durchaus auch argumentieren, dass ein detaillierter Vertrag in Wahrheit vielmehr von Offenheit und Transparenz gegenüber dem Vertragspartner zeugt, weil die Karten damit vollständig und vorbehaltlos auf den Tisch gelegt werden. Eine solch transparente Vertragsausgestaltung lässt sich in der Regel am besten mit der Einführung allgemeiner Anstellungsbedingungen verwirklichen. Diese erlauben es dem Arbeitgeber, die einzelnen Arbeitsverträge schlank zu halten und dennoch sämtliche wichtigen Regeln für alle Angestellten einheitlich und verbindlich zu normieren. Dieser Newsletter soll aufzeigen, was der Arbeitgeber in Allgemeinen Anstellungsbedingungen regeln kann und was es bei der Einführung und Änderung solcher Anstellungsbedingungen zu beachten gibt.

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I. RECHTSNATUR VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN UND ABGRENZUNG ZUM WEISUNGSRECHT

Im schweizerischen Arbeitsrecht besteht keine besondere gesetzliche Reglung für Allgemeine Anstellungsbedingungen und damit auch keine formell zwingende Bezeichnung derselben. In der Praxis werden Allgemeine Anstellungsbedingungen häufig auch als Personal- oder Firmenreglement, Personalhandbuch, Dienstordnung oder Allgemeine Arbeitsbedingungen bezeichnet. Rechtsprechung und Rechtslehre erachten deren Einführung gestützt auf die Vertrags- und Formfreiheit ohne weiteres als zulässig.

Allgemeine Anstellungsbedingungen sind somit vertraglicher Natur und bilden Teil des Arbeitsvertrags. Wo die Allgemeinen Anstellungsbedingungen Regelungen enthalten, welche im Widerspruch zum konkreten Einzelarbeitsvertrag eines Mitarbeiters stehen, geht der Arbeitsvertrag vor. Die vertragliche Natur der Allgemeinen Anstellungsbedingungen bringt auch mit sich, dass diese nur einvernehmlich eingeführt und auch nur durch Zustimmung beider Parteien angepasst oder aufgehoben werden können; einseitige Anpassungen durch den Arbeitgeber sind damit in aller Regel ausgeschlossen.

Davon ausgenommen und abzugrenzen sind Reglemente, welche lediglich das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach Art. 321d OR konkretisieren (vgl. hierzu auch den Newsletter Weisungsrecht des Arbeitgebers – Wo liegen die Grenzen meines Weisungsrechts). Aber aufgepasst! Wer blosse Weisungen mittels Reglement konkretisiert, sollte dieses Reglement danach nicht als festen Bestandteil des Einzelarbeitsvertrages bezeichnen, da die Weisungen dadurch schnell zum zweiseitig verbindlich erklärten Vertragsinhalt werden, obschon sie ohne diesen Verweis durch den Arbeitgeber jederzeit einseitig abänderbar wären. Es empfiehlt sich deshalb auch sehr, blosse Weisungen nicht mit den zwingend zweiseitig zu regelnden Inhalten in den allgemeinen Anstellungsbedingungen zu vermischen sondern hierfür ein gesondertes Reglement abzufassen.

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II. MÖGLICHER INHALT VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

Aufgrund der vorerwähnten Vertragsfreiheit können die Parteien den Inhalt ihrer Allgemeinen Anstellungsbedingungen grundsätzlich frei bestimmen, wobei in der Praxis regelmässig der Arbeitgeber die Anstellungsbedingungen ausarbeiten und festlegen wird. In der Regel enthalten Allgemeine Anstellungsbedingungen namentlich unter anderem Bestimmungen über den Beginn und die Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmenden, die Arbeitszeit, den Lohn, die Spesen sowie die Ferien. Der konkrete Inhalt variiert hier natürlich nach den jeweiligen Ansprüchen von Unternehmen zu Unternehmen.

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III. FORM DER ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

Klar ist ganz grundsätzlich, dass arbeitsvertragliche Regelungen stets schriftlich vereinbart werden sollen, auch wenn die in Art. 320 Abs. 1 OR normierte Vertragsfreiheit selbstverständlich oft auch mündliche Absprachen erlauben würde. Komplexer und damit auch fehleranfälliger wird die Ausarbeitung von Allgemeinen Anstellungsbedingungen aber dort, wo das Obligationenrecht für bestimmte Regelungsbereiche ausdrücklich die Einhaltung der Schriftform voraussetzt. Dies gilt beispielsweise für Konkurrenzverbote nach Art. 340 Abs. 1 OR, vom Gesetz abweichende Kündigungsfristen nach Art. 335c Abs. 2 OR und Überstundenklauseln gemäss Art. 321c Abs. 3 OR. In diesen Fällen ist die Einhaltung der Schriftform Voraussetzung für die Verbindlichkeit dieser Regelungen. Ist die Schriftform nicht eingehalten, ist die entsprechende Vereinbarung unwirksam. Was nun oft vergessen geht: Schriftform bedeutet nicht nur die Niederlegung der Vereinbarung in einem Schriftstück sondern gleichzeitig auch die rechtsgültige Unterzeichnung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

In der Praxis führt das immer wieder zur Streitfrage, ob das Schriftformerfordernis auch dann erfüllt ist, wenn eine schriftformbedürftige Abrede lediglich in global übernommen Allgemeinen Anstellungsbedingungen aufgeführt wird und nicht im handschriftlich unterzeichneten Arbeitsvertrag selbst. Die Frage ist umstritten und nur in einzelnen Fällen auch wirklich höchstrichterlich beantwortet. Im Falle von Vereinbarungen zum Umgang mit Überstunden erachtete es das Bundesgericht etwa nicht als notwendig, dass die formbedürftigen Bestimmungen im Arbeitsvertrag selbst enthalten sein müssen. Gemäss dieser Rechtsprechung genügt es, wenn die fragliche Klausel in den Allgemeinen Anstellungsbedingungen enthalten ist und im von den Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag darauf verwiesen wird. Diese Rechtsprechung kann indes nicht unbesehen auf sämtliche Fragestellungen übernommen werden, wie die nachstehenden Ausführungen zweigen.

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IV. EINFÜHRUNG VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

1) KENNTNISNAHME DURCH DEN ARBEITNEHMER

In der Regel werden allgemeine Anstellungsbedingungen durch eine sogenannte Globalübernahme vertraglich eingeführt. Eine typische Formulierung lautet: «Die beiliegenden Allgemeinen Anstellungsbedingungen bilden integrierenden Bestandteil des Arbeitsvertrages». Bei einer solchen Globalübernahme sind die Allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Arbeitnehmenden verbindlich, wenn sie vom Vertragskonsens der Parteien erfasst sind und die Arbeitnehmenden Gelegenheit hatten, sich in zumutbarer Weise Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen. Für die Frage, ob Arbeitnehmende Kenntnis vom Inhalt der Allgemeinen Anstellungsbedingungen nehmen konnten, ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Es empfiehlt sich daher, die Allgemeinen Anstellungsbedingungen im Vorfeld des Vertragsabschlusses den einzelnen Arbeitnehmenden jeweils physisch zu übergeben, beispielsweise im Rahmen der Zustellung der Vertragsdokumente zur Gegenzeichnung. Bereits kritisch kann die Übergabe der Allgemeinen Anstellungsbedingungen erst anlässlich der gemeinsamen Vertragsunterzeichnung sein. Dasselbe gilt, wenn die Allgemeinen Anstellungsbedingungen gar nicht physisch abgegeben werden, sondern den Arbeitnehmenden nur die Möglichkeit verschafft wird, diese beim Arbeitgeber einzusehen, beispielsweise am schwarzen Brett. Ungenügend ist schliesslich die Übergabe der Allgemeinen Anstellungsbedingungen erst nach erfolgtem Vertragsschluss.  

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2) PROBLEMFELD UNGEWÖHNLICHKEITSREGEL / KLAUSELN ZUM NACHTEIL DES ARBEITNEHMERS

Problematisch sind Allgemeine Anstellungsbedingungen auch dann, wenn sie einseitige Klauseln zum Nachteil der geschäftlich unerfahrenen Vertragspartei enthalten und mittels Globalübernahme zum Bestandteil des Arbeitsvertrags werden sollen. In diesen Fällen kommt die heute von der Praxis des Bundesgerichts und Lehre anerkannte Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung. Nach der Ungewöhnlichkeitsregel muss der lediglich global zustimmende Arbeitnehmende Klauseln nicht gegen sich gelten lassen, welche sich einseitig zu seinem Nachteil auswirken, wenn er nach dem Vertrauensprinzip nicht mit einer solchen Klausel rechnen musste. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn die in Frage stehende ungewöhnliche Klausel mit dem Arbeitnehmenden besprochen wurde oder der Arbeitnehmende vor der Unterzeichnung des Vertrags besonders auf die entsprechende Klausel hingewiesen wurde. In der Praxis ist es jedoch oft schwierig zu beweisen, ob ein Arbeitnehmender auf die ungewöhnliche Klausel besonders aufmerksam gemacht wurde bzw. ob diese vorgängig mit ihm besprochen wurde. Nach der Ungewöhnlichkeitsregel sind somit sogenannte ungewöhnliche Klauseln idealer Weise stets in den einzelnen Arbeitsvertrag aufzunehmen.  

Für Arbeitgeber stellt sich somit die Frage, welche arbeitsrechtlichen Regelungsbereiche als ungewöhnlich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel gelten und somit nicht in Allgemeinen Anstellungsbedingungen enthalten sein sollen, welche mittels Globalübernahme zum Vertragsbestandteil werden. Dabei muss stets eine Wertung der konkreten Umstände vorgenommen werden. Kriterien wie Branchenüblichkeit oder die Stellung des einzelnen Arbeitnehmenden und dessen Geschäftserfahrenheit fliessen in diese Wertung ein. Es kann daher auch keine generelle Aussage gemacht werden, welche Regelungen als ungewöhnlich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel beurteilt werden. In der Regel als ungewöhnlich gelten aber insbesondere Konkurrenzverbote nach Art. 340 Abs. 1 OR, Überstundenklauseln nach 321c Abs. 3 OR oder Erfinder- bzw. Designerklauseln nach Art. 332 Abs. 2 OR.

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V. ABÄNDERUNG VON ALLGEMEINEN ANSTELLUNGSBEDINGUNGEN

Für die Abänderung von allgemeinen Anstellungsbedingungen ist entscheidend, ob in den einzelnen Arbeitsverträgen festgehalten wurde, dass die jeweils aktuellen Allgemeinen Anstellungsbedingungen gelten sollen oder nicht. Mit der Formulierung «Die Allgemeinen Anstellungsbedingungen vom 1. Januar 2021 gelten als Vertragsbestandteil» handelt es sich um eine sogenannt statische Übernahme, bei welcher nur eben diese Allgemeinen Anstellungsbedingungen in der Form vom 1. Januar 2021 zum Vertragsbestandteil werden. Damit werden die Allgemeinen Anstellungsbedingungen zum zweiseitigen Vertrag und können nicht mehr einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden. Schweigt sich der Vertrag darüber aus, ob ein statischer Verweis oder ein Verweis auf die aktuell gültigen Allgemeinen Anstellungsbedingungen vorliegt, ist ebenfalls von einem statischen Verweis auszugehen.

Sofern die allgemeinen Anstellungsbedingungen für alle Arbeitnehmenden abgeändert werden sollten, braucht es somit grundsätzlich auch die Zustimmung sämtlicher Arbeitnehmender, für welche die Allgemeinen Anstellungsbedingungen Geltung haben sollen. Eine einvernehmliche Änderung ist dabei aber jederzeit möglich und es ist anzuraten, den Arbeitnehmenden eine schriftliche Erhalts- und Zustimmungserklärung zur Unterzeichnung vorzulegen. Einseitig können statistisch übernommene Allgemeine Anstellungsbedingungen hingegen nur durch eine Änderungskündigung abgeändert werden. Dabei ist Vorsicht geboten, da von einer solchen Änderungskündigung in der Regel eine Vielzahl von Arbeitnehmenden betroffen ist und unter Umständen die Bestimmungen über die Massenentlassung nach Art. 335d ff. OR berücksichtigt werden müssen.  

Sofern im Einzelarbeitsvertrag ein dynamischer Verweis auf die Allgemeinen Anstellungsbedingungen vereinbart wurde und damit die jeweils gültigen Anstellungsbedingungen Vertragsbestandteil des Arbeitsvertrages bilden, können diese in der Regel vom Arbeitgeber auch einseitig abgeändert werden. Doch auch bei dynamischen Übernahmen Allgemeiner Anstellungsbedingungen, kann der Arbeitgeber nicht sämtliche Regelungen einseitig abändern. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass die Arbeitnehmenden als schwächere Vertragsparteien zu schützen sind. Denn Arbeitnehmende können Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen nicht vorgängig pauschal annehmen. Das Bundesgericht hat entsprechend auch festgehalten, dass beispielsweise der Lohn eines Arbeitnehmenden nicht einseitig herabgesetzt werden könne, ohne dass dieser einverstanden ist oder eine Vertragsklausel dies erlaubt. Eine wesentliche Verschlechterung der Bedingungen erfordert deshalb stets die Zustimmung der Arbeitnehmenden und hier stossen auch dynamische Verweise in Allgemeinen Anstellungsbedingungen oft an ihre Grenzen.

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VI. FAZIT

Die Einführung von Allgemeinen Anstellungsbedingungen erlaubt es Arbeitgebern, die einzelnen Arbeitsverträge schlank zu halten und dennoch sämtliche wichtigen Regelungen für die einzelnen Arbeitsverhältnisse schriftlich festzuhalten. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelungen und des Fehlens von allgemein anwendbaren Mustern kann es durchaus empfehlenswert sein, in die Ausarbeitung von umfassenden, transparenten und den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Allgemeinen Anstellungsbedingungen zu investieren. Die Einführung ausgewogener und lückenloser Vertragswerke verkürzt in der Regel nicht nur den administrativen Prozess sondern führt auch zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit zwischen den Vertragsparteien. Die Erfahrung zeigt, dass sich dadurch spätere Rechtsstreitigkeiten vermeiden lassen, die in der Regel weit kostspieliger ausfallen als die Investition in ein solides Vertragswerk.


24. März 2021 / Dr. iur. Stephan Fröhlich

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