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WIE VIEL IST MEIN UNTERNEHMEN WERT? BEWERTUNGSMETHODEN UND FAKTOREN, DIE DEN WERT BZW. DEN PREIS BEEINFLUSSEN.

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Methoden für die Bewertung von Unternehmen gibt es viele. Im KMU-Bereich wird häufig die sogenannte Praktikermethode angewendet; eine Bewertungsmethode, die sowohl den Substanzwert wie auch den Ertragswert, meist im Verhältnis 2:1, berücksichtigt. Teilweise wird eine Bewertung aber auch basierend auf nur einem dieser beiden Werte, d.h. nur auf dem Substanzwert oder nur auf dem (historischen) Ertragswert, erstellt. Allen diesen Methoden gemein ist, dass sie nur die Vergangenheit berücksichtigen und die zukünftige Entwicklungschancen gänzlich ausklammern. Dies im Gegensatz zur DCF-Methode, ebenfalls eine Art der Ertragswertberechnung, die jedoch auf einer Zukunftsbetrachtung basiert und somit Raum für Zukunftspläne und Perspektiven lässt. Eine reine Vergangenheitsbetrachtung ist nicht per se falsch, wenn sie sich nicht starr an Zahlen orientiert, sondern auch Faktoren berücksichtigt, die sich aus der Geschäftspraxis sowie allfällig vorliegenden Business-Plänen ergeben. Nachfolgend werden die gängigen Bewertungsmethoden kurz erläutert und aufgezeigt, welche Faktoren dabei unabdinglich zu berücksichtigen sind. Dabei halten die nachfolgenden Ausführungen immer einen Unternehmensverkauf bzw. -kauf im Fokus.

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I. ÜBERSICHT ÜBER DIE EINZELNEN BEWERTUNGSMETHODEN

Grob lassen sich drei Arten von Bewertungsmethoden unterscheiden: Zum einen die Substanzwertmethode, die lediglich die Vermögenswerte wie Cash, Forderungen, Anlagevermögen etc. berücksichtigt. Zum anderen gibt es die Ertragswertmethode. Diese Methode ist zwar grundsätzlich zukunftsorientiert, denn der Wert ergibt sich aus den diskontierten zukünftigen Gewinnen. Allerdings spielen die Vergangenheitszahlen auch bei dieser Ertragswertmethode eine Rolle, nämlich dann, wenn als Grundlage für die zukünftigen Gewinne die Gewinnzahlen einer repräsentativen Zeitspanne in der Vergangenheit dienen. Durch die Diskontierung wird eruiert, welchen Wert ein Betrag X (aktuelle Gewinnzahlen) am Tag Y in der Zukunft hat. Der so eruierte Wert ist natürlich höher als der heutige Betrag X, denn das Geld soll in der Zukunft verständlicherweise mehr Wert haben als heute. Möglich ist es allerdings auch, die Ertragswertmethode basierend auf reinen Zukunftsperspektiven anzuwenden (sog. DCF-Methode). Dabei dienen die Vergangenheitswerte nur als Anhaltspunkt; der eigentlichen Bewertung werden jedoch die Ergebnisse eines Businessplans zugrunde gelegt. Als dritte konzeptionelle Bewertungsmethode ist die Marktwertmethode (sog. Trading Multiples) zu erwähnen. Dabei werden Vergleichswerte von Unternehmen, die in derselben Branche tätig sind, zur Bewertung herangezogen.

Die Anwendung der Substanzwertmethode eignet sich in der Regel für kapitalintensive Unternehmen mit aussagekräftiger Bilanz. Zu berücksichtigen gilt es jedoch, dass der so ermittelte Wert meist tiefer zu liegen kommt als ein durch die Ertragswert- oder Marktwertmethode ermittelte Unternehmenswert. Weiter finden auch immaterielle Vermögenswerte bei dieser Methode keine genügende Berücksichtigung.

Die Ertragswertmethode führt bei stabiler Ertragslage und konstantem Investitionsverhalten zu einem realistischen Unternehmenswert. Zu beachten gilt es indes, dass zukünftige Entwicklungen, zumindest dann, wenn lediglich Vergangenheitswerte angewendet werden, auch hier keine Berücksichtigung finden. Das ändert sich, wenn anstatt der kapitalisierten Durchschnittsgewinne der Vergangenheit der diskontierte zukünftige freie Cashflow aus dem operativen Geschäft berücksichtigt wird (sog. Discounted Cashflow-Methode). Die DCF-Methode macht insbesondere dort Sinn, wo Buchwerte alleine keine grosse Rolle spielen. Man erinnert sich an das Unternehmen Facebook, das rund 66 Mrd. Assets aufwies, wovon rund 35 Mrd. Cash, der Börsenwert sich aber bei 500 Mrd. bewegte. Konsequenterweise stellen die Planzahlen bzw. die Zukunftswerte bei der DCF-Methode die grösste Unbekannte und somit auch das grösste Risiko dar. Insbesondere bei einer aggressiven Zukunftsplanung kann die DCF-Methode zu sehr hohen oder gar zu hohen Werten führen.

Auf die Marktwertmethode ist an dieser Stelle nicht vertiefter einzugehen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass diese Methode vornehmlich dazu dient, einen errechneten Unternehmenswert zu plausibilisieren. 

Wie schon eingangs erwähnt, erfreut sich insb. in der KMU-Welt die sogenannte Praktiker-Methode grosser Beliebtheit. Grund dafür ist, dass sowohl die Substanz als auch die Gewinnzahlen Berücksichtigung finden. Es wird ein Mittelwert berechnet, der sich aus dem durchschnittlichen Substanzwert und dem durchschnittlichen diskontierten Ertragswert im Verhältnis 1 : 2 ergibt. Nachteilig ist, dass gerade durch diese Mittelwertbildung wichtige bewertungsrelevante Informationen verloren gehen können. Weist ein Unternehmen bspw. eine grosse Diskrepanz zwischen Substanz- und Ertragslage aus, wird mit der Praktikermethode ein Wert ermittelt, der letztlich einfach eine Mischung zweier ganz unterschiedlicher Bewertungsmethoden ist. Das kann das Bild einer bspw. ertragsstarken Unternehmung, wie das z.B. bei einem Architekturbüro oder einer IT-Unternehmung der Fall sein kann, aufgrund einer schwachen Substanz massiv verfälschen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass alle Bewertungsmethoden Vor- und Nachteile aufweisen. Welche Methode Berücksichtigung finden soll, ist in Abhängigkeit von der Art der Unternehmung, der operativen Tätigkeit sowie der Vorabbeurteilung von Substanz- und Ertragslage zu entscheiden.

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II. FAKTOREN, DIE BEI DER BEWERTUNG ZU BERÜCKSICHTIGEN SIND

Wie soeben aufgezeigt, gibt es für alle Bewertungsmethoden Argumente dafür und dagegen. Welche Methode angezeigt ist, ist in jedem Einzelfall zu entscheiden. Nicht nur die Wahl der Bewertungsmethode ist jedoch ausschlaggebend, sondern auch die Berücksichtigung diverser Faktoren wenn es um die konkrete Bewertung selbst geht. Auf eine Auswahl solcher Faktoren ist nachfolgend einzugehen.

Zum einen ist bei der Bewertung zu unterscheiden, ob sich unter den Assets nur betriebliche oder auch betriebsfremde Werte (bspw. ein Ferienhaus) befinden. Die Unterscheidung ist insb. dann relevant, wenn die Bewertung im Hinblick auf einen Unternehmenskauf oder -verkauf erfolgt. Betriebliche Assets sind in der Regel zu Fortführungswerten zu bewerten, betriebsfremde Assets hingegen zu (tieferen) Liquidations- bzw. Verkaufswerten. Dies deshalb, weil solche Assets von Käufer in der Regel baldmöglich wiederverkauft werden wollen.

Zu berücksichtigen sind auch ausserordentliche Aufwände oder Erträge. Belastete bspw. die Erneuerung der IT-Infrastruktur in einem Geschäftsjahr die Erfolgsrechnung, so ist ein so entstandener reduzierter Gewinn (oder gar ein Verlust) bei der Ertragswertberechnung entsprechend zu berücksichtigen.

Bei kleineren Gesellschaften ist weiter ein besonderes Augenmerkt auf die Personalaufwendungen zu legen und darauf zu achten, ob ein Eigentümer-Unternehmer seinen Einsatz durch Lohn oder durch Dividendenbezüge entschädigt hat. Hat sich ein Eigentümer-Unternehmer regelmässig ein sehr hohes Gehalt ausbezahlt, dafür verhältnismässig tiefe Dividenden bezogen, schlägt sich dies ohne angemessene Bereinigung auf den Ertragswert der Gesellschaft nieder. Entsprechend sind die Personalkosten in der Bewertung auf denjenigen Betrag zu reduzieren, der einem Dritten mit der entsprechenden Funktion und Qualifikation realistischerweise bezahlt würde. Regelmässig erhöht dies den kalkulatorischen Gewinn und damit den Ertragswert der Unternehmung.

Die Abhängigkeit von sog. Key Personen ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Ist nach einem Kauf mit dem Abgang von Schlüsselpersonen zu rechnen, insb. dann, wenn sie in der Person des Verkäufers selbst bestehen, rechtfertigt dies unter Umständen ebenfalls eine Bereinigung des (kalkulatorischen) Gewinns. Aus diesem Grund ist auch die sog. Integrationsphase, d.h. also die Zeit nach Vollzug der Transaktion, enorm wichtig. Das gilt insb. für Unternehmungen, deren Wert stark von Personen und deren Dienstleistungen abhängt.

Abschliessend ist noch auf die Rückstellungspraxis eizugehen. Selbst wenn diese buchhalterisch absolut in Ordnung sein können und steuerlich vielleicht sogar wünschenswert waren, ist es möglich, dass gewisse Abschreibungen ökonomisch unsinnig sind. Im Zuge der Unternehmensbewertung gehören diese daher ebenfalls bereinigt.

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III. PREISBESTIMMUNG

Häufig werden die Begriffe «Wert» und «Preis» gleichgesetzt. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies nicht immer richtig ist. Der sich aus einer Bewertungsmethode errechnete Unternehmenswert entspricht nicht immer auch dem Preis, der von einem Käufer für das besagte Unternehmen bezahlt wird. Wie gezeigt, ergibt sich der Wert aufgrund einer rein theoretischen Betrachtung, wenn auch gewisse «soft facts» selbstverständlich zu berücksichtigen sind. Der Preis ergibt sich jedoch auch, und sogar sehr entscheidend, aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Und er reflektiert auch das Ergebnis von Vertragsverhandlungen. Sofern das Risiko des Abgangs von Schlüsselpersonen (vgl. oben) nicht bereits Einfluss auf die Bewertung hatte, so ist es bei der Preisbestimmung angemessen zu berücksichtigen. Und gleichzeitig ist ein Käufer, der grosses Synergiepotential in einem Kauf sieht, selbstredend eher bereit, einen höheren Preis zu bezahlen, als sich dieser aus einer abstrakten Bewertung ergibt.

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IV. SCHLUSSFOLGERUNG

Es gibt weder den einen «richtigen» Wert, noch die eine «richtige» Bewertungsmethode. Vielmehr sind Methodik und Resultat einer Unternehmensbewertung stark davon abhängig, in welchem Sektor das zu bewertende Unternehmen tätig ist, von wem und wie es in den vergangenen Jahren geführt wurde und von wem und wie es nach der Akquisition weitergeführt (oder integriert) werden soll. Die Frage, wie viel ein Unternehmen wert ist, ist damit einerseits unter Berücksichtigung diverser individueller Faktoren zu beantworten und andererseits auch davon abhängig, wie gross die Nachfrage ist und welchen individuellen Wert ein Käufer dem Unternehmen zumisst. Zusammenzufassen ist dies mit einem Zitat von Warren Buffet, der einst meinte: «Preis ist, was man bezahlt, und Wert ist, was man [oder eben ein individueller Käufer] dafür erhält.


6. September 2022 / lic. iur. Patricia Geissmann

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