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CORONA-VIRUS: WAS PASSIERT MIT DEN STOCKWERKEIGENTUMSVERSAMMLUNGEN

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Mit der nachfolgenden Darstellung soll ein kurzer und allgemeiner Überblick gegeben werden, wie sich die aktuelle Situation (Stand: 20.03.2020) im Zusammenhang mit dem Corona-Virus und der damit verbundenen Verbote und Einschränkungen auf anberaumte und noch anzuberaumende Stockwerkeigentümerversammlungen auswirkt. Die Ausgangs- und Rechtslage kann sich jederzeit ändern und eine Neubeurteilung erforderlich machen. Gerne beraten wir Sie im Einzelfall. 

I. ALLGEMEINES ZUR STOCKWERKEIGENTÜMERVERSAMMLUNG

Das Gesetz lässt der Stockwerkeigentümergemeinschaft sehr viel Spielraum, wie sie sich organisiert. Nur die Stockwerkeigentümerversammlung als Willensbildungsorgan der Gemeinschaft ist vorgeschrieben. Sie stimmt über alle wichtigen gemeinsamen Anliegen ab und entscheidet.

Die Versammlung der Stockwerkeigentümer ist gemäss Art. 712p ZGB beschlussfähig, wenn die Hälfte aller Stockwerkeigentümer, die zugleich über die Hälfte der Wertquoten verfügt, mindestens aber zwei, anwesend oder vertreten sind. Das Reglement kann die Beschlussfähigkeit erschweren, indem eine grössere Beteiligung verlangt wird; eine Erleichterung ist ausgeschlossen.

II. DÜRFEN IM MOMENT STOCKWERKEIGENTÜMERVERSAMMLUNGEN DURCHGEFÜHRT WERDEN?

Die reguläre Versammlung der Stockwerkeigentümer, bei welcher sich die Stockwerkeigentümer gemeinsam an einem Ort treffen, fällt unter das Veranstaltungsverbot gemäss Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) des Bundesrates. Aufgrund der ausserordentlichen Lage sind solche Versammlungen aktuell bis zum 19. April 2020 (Stand: 20.03.2020) verboten.

III. GIBT ES AUSNAHMEREGELUNGEN? WAS BESTEHEN FÜR ALTERNATIVEN?

Aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation werden wohl die wenigsten Verwaltungen und Stockwerkeigentümergemeinschaften Stockwerkeigentümerversammlungen durchführen (wollen). Sollte die Durchführung dennoch für notwendig erachtet werden, evtl. weil dringliche Beschlüsse anstehen, so stehen je nach Art und Grösse der Gemeinschaft verschiedene Alternativen zur Verfügung. In jedem Fall ist diesfalls aber zu empfehlen, die Versammlung auf diejenigen Fragen zu beschränken, die entweder unstrittig sind oder aber effektiv keinen Aufschub dulden.

Sofern es sich nur um eine kleine Gemeinschaft handelt und die Stockwerkeigentümer über die möglichen technischen Möglichkeiten verfügen, könnte die Beschlussfassung vermutlich im Rahmen einer Telefon-/Videokonferenz stattfinden. Bei grösseren Gemeinschaften scheint dieses Vorgehen wenig praktikabel. Ob diese Handhabung zudem im Regelfall (ohne Versammlungsverbot) zulässig wäre, scheint fraglich, zumal sich Schwierigkeiten hinsichtlich Identifikation der Personen, Präsenzkontrolle, Führung der (gewollten) Debatte usw. ergeben können. Eine reglementarische Grundlage wäre hier sinnvoll und würde Klarheit schaffen.

Es besteht – sofern dies das Reglement im Einzelfall nicht ausschliesst – sodann die Möglichkeit, die Stockwerkeigentümerversammlung mit Bevollmächtigung der Verwaltung und unmissverständlicher und verbindlicher Stimminstruktion durchzuführen. Die Verwaltung ist bei dieser Variante gehalten, die einzelnen Stockwerkeigentümer detailliert zu informieren und saubere Fragestellungen zu formulieren. Man kann sich fragen, ob damit nicht Sinn und Zweck der Versammlung, namentlich die Diskussion und der Austausch, zu stark eingeschränkt werden. Dies entspricht sicherlich nicht der gängigen und zweckmässigen Handhabung, kann aber in ausserordentlichen Situationen, wie sie momentan zweifelsohne herrschen, sinnvoll sein kann.

Ungewiss ist, ob es ausnahmsweise und gestützt auf die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) des Bundesrates möglich wäre, dass Beschlüsse statt in der Versammlung auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form gefasst werden können (Art. 6a Abs. 1 lit. a). Diese Bestimmung bezieht sich dem Wortlaut nach aber nur auf Versammlungen von Gesellschaften (GmbH, AG, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften)[1]. Ob eine analoge Anwendung bei Stockwerkeigentümergemeinschaften möglich ist, bleibt fraglich und wird im Falle einer Anwendung spezifisch zu entscheiden sein. Um keine Rechtsunsicherheit zu schaffen, wird empfohlen (einstweilen) von einer derartigen Anwendung abzusehen.

Auf jeden Fall möglich – und dies gilt unabhängig der aktuellen Situation – sind (schriftliche) Zirkularbeschlüsse, wenn sämtliche Stockwerkeigentümer diesen zustimmen. Fehlt auch nur eine Stimme, kommt kein Beschluss auf dem Zirkulationsweg zustande, selbst wenn im Rahmen einer Versammlung das einfache Mehr genügt hätte.

IV. KANN DIE STOCKEIGENTÜMERVERSAMMLUNG AUF DAS NÄCHSTE JAHR VERSCHOBEN WERDEN?

Als notwendiges Organ hat die ordentliche Stockwerkeigentümerversammlung mindestens einmal im Jahr stattzufinden. Weitere (ausserordentliche) Stockwerkeigentümerversammlungen können reglementarisch vorgesehen sein oder unter entsprechenden Voraussetzungen einberufen werden.

Es stellt sich die Frage, wie es sich in Ausnahmesituationen, wie wir sie momentan erleben, verhält. Das Gesetz äussert sich nicht hierzu. Nach Ansicht der Verfasserin müsste dies möglich sein und dürfte aufgrund der rechtfertigenden Umstände keine weitreichenden Konsequenzen zur Folge haben. Im Übrigen bleibt die Möglichkeit der terminlichen Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt im laufenden Jahr. 

V. BESTEHT DIE MÖGLICHKEIT DES EINZELNEN STOCKWERKEIGENTÜMERS SICH ZU WEHREN?

Sollte ein Stockwerkeigentümer mit dem Vorgehen der Verwaltung bzw. mit der Beschlussfassung (nach den obigen Modalitäten) nicht einverstanden sein, weil diese gegen eine gesetzliche Vorschrift oder das Reglement verstösst, besteht die Möglichkeit nach Zustellung des Protokolls die entsprechenden Beschlüsse gerichtlich anzufechten. Dabei muss schnell gehandelt werden, denn die Frist zur Anfechtung beträgt 30 Tage ab Kenntnis des Beschlusses.


20. März 2020  / MLaw Kim Attenhofer


[1] «Bei Versammlungen von Gesellschaften kann der Veranstalter ungeachtet der voraussichtlichen Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ohne Einhaltung der Einladungsfrist anordnen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rechte ausschliesslich ausüben können: a.) auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form»

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