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AUSGEWÄHLTE MIETRECHTLICHE FRAGEN IM ZUSAMMENHANG MIT DEM CORONAVIRUS-NOTSTAND

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin

Das Coronavirus wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie bezeichnet. Der Bundesrat hat mit Wirkung per 17. März 2020 die ausserordentliche Lage erklärt und diverse Massnahmen angeordnet. Diese extremen, notwendigen, aber vor allem unbekannten Einschränkungen führen in verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens zu Unklarheiten und damit verbundenen rechtlichen Unsicherheiten. Vor diesem Hintergrund werden vorliegend ausgewählte Themen des Mietrechts im Zusammenhang mit der coronavirusbedingten Notstandssituation angesprochen.

I. DARF DER MIETER INFOLGE DER AUFERLEGTEN SCHLIESSUNG SEINES GESCHÄFTS MIT EINER MIETZINSHERABSETZUNG RECHNEN?

Grundsätzlich – soweit das Notrecht nichts Abweichendes regelt – gilt «pacta sunt servanda» und damit «Verträge sind einzuhalten». Somit bleiben auch in ausserordentlichen Situationen Mietverträge für beide Parteien verbindlich. Der Vermieter hat die Pflicht, das Mietobjekt zur Verfügung zu stellen, der Mieter den Mietzins zu entrichten. 

Falls an einer Mietsache Mängel entstehen oder der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache gestört wird, kann er vom Vermieter verlangen, dass der Mietzins verhältnismässig herabgesetzt wird (Art. 259a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 259d OR). Mangelhaft ist ein Mietobjekt, wenn ihm eine vertraglich zugesicherte oder eine sich aus dem vertraglichen Gebrauchszweck ergebende Eigenschaft fehlt. Dies ist in erster Linie anhand des konkreten Vertrages und den darin niedergeschriebenen Klauseln zu beurteilen. Dass auf Seiten des Vermieters ein Verschulden vorliegen muss, damit eine Mietzinsherabsetzung beantragt werden kann, wird vom Gesetz nicht vorausgesetzt. Im Gegenteil können auch Lärm- und andere Immissionen, die der Vermieter nicht zu verantworten hat, gemäss Lehre und Rechtsprechungen zu Mietzinsreduktionen führen. 

Für viele Gewerbetreibende stellt sich nun die Frage, ob die durch den Bundesrat angeordneten vorübergehenden Beschränkungen und Verbote von gewissen betrieblichen Tätigkeiten einen Mangel am Mietobjekt darstellen, der zu Mietzinsreduktionen berechtigt. 

Die rechtliche Sachlage ist alles andere als klar und Präzedenzfälle gibt es nicht. Die Meinungen von Mieter- und Vermietervertretern gehen weit auseinander. Während die Vermieterseite davon ausgeht, dass eine behördlich verordnete Geschäftsschliessung bzw. ein Einbruch im Geschäftsgang zum Verwendungs- bzw. Betriebsrisiko zählt, das grundsätzlich vom Mieter zu tragen ist, und dies keinen Mangel darstellt, sehen dies Geschäftsmieter und Mietervertreter anders. Sie sind der Meinung, dass eine Mietzinsherabsetzung gerechtfertigt sei, da der vertraglich zugesicherte Gebrauchszweck der Mietsache verwehrt ist.

Fakt ist, dass wir es vorliegend nicht mit einer fehlenden oder mangelnden Eigenschaft des Mietobjektes zu tun haben: Die Nutzung für interne Zwecke wie Inventur oder administrative Arbeiten bleibt weiterhin erlaubt. Dass der Mangel am Mietobjekt selbst besteht, ist jedoch auch nicht zwingend vorausgesetzt, um eine Mietzinsreduktion verlangen zu können, können unter bestimmten Voraussetzungen doch auch Immissionen Dritter einem Mieter einen solchen Anspruch einräumen. Es handelt sich konkret um eine öffentlich-rechtliche Einschränkung des Gebrauchs einer Mietsache. Hat hierfür der Vermieter einzustehen? Solche öffentlich-rechtlichen Einschränkungen können gemäss einem Entscheid aus der Deutschen Rechtsprechung, welcher in einem anderen Zusammenhang und unabhängig vom Coronavirus gefällt wurde, einen Mangel bedeuten. Dies allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters liegen, womit ein Mangel hinsichtlich verordneter Betriebsschliessung verneint werden müsste. Ob Schweizer Gerichte im Zusammenhang mit den Betriebsschliessungen infolge der aktuellen Pandemie ebenfalls zu diesem Ergebnis gelangen werden, ist ungewiss.

Durchaus vorstellbar ist, dass die Antwort auf diese Frage nicht ausnahmslos so oder anders sein wird. Konkret wird im Einzelfall – vielleicht noch mehr als bei anderen Rechtsfragen – die vertragliche Regelung (Verwendungszweck, Zusicherungen, Ausnahmebestimmungen etc.) wie auch die behördliche Verfügung und deren Auswirkungen auf das konkrete Vertragsverhältnis zu beleuchten sein. Bei einer Umsatzmiete beispielsweise, welche relativ häufig in der Gastrobranche oder bei Shoppingcentren anzutreffen ist, ist ein Vermieter bereits definitionsgemäss quasi am Umsatz seines Geschäftsmieters «beteiligt»: Die Höhe des Mietzinses hängt vom erzielten Umsatz ab. In solchen Fällen wird es wohl weniger Raum für Argumentation einer Mietzinsreduktion infolge Schliessung geben, da schon die Art der Mietzinsgestaltung dem Mieter für seine wirtschaftliche Einbusse Ersatz verschafft.

So oder anders, einigen sich die Parteien nicht gemeinsam, wie sie mit der aussergewöhnlichen Situation umgehen wollen, wird es im Streit- und damit im Gerichtsfall letztlich einen Verlierer geben. Eine der beiden Parteien wird wohl auf den Kosten sitzen bleiben, es sei denn die Rechtsprechung entwickelt Grundsätze, z.B. im Rahmen der Vertragsanpassung infolge veränderter Umstände, und findet hierdurch einen Mittelweg. Die aktuelle Lage kann nicht nur – wie man dies in erster Linie vielleicht vermuten würde – die Existenz der Geschäftsmieter gefährden, sondern auch bei Vermietern zu gefährlichen Ertragsausfällen führen, denn auch diese haben diversen Zahlungsverpflichtungen (Hypothekarzinsen, Amortisationen, Unterhalt, Reparaturen, etc.) nachzukommen. Daher sind individuelle Lösungen zwischen den Parteien gefragt. Denkbar sind einvernehmliche Reduktionen, Ratenzahlungen, längere Zahlungsfristen etc.

Abzuraten ist den Geschäftsmietern (soweit möglich) von einer vorschnellen und eigenmächtigen Einstellung der Mietzinszahlungen. Ist diese nämlich nicht gerechtfertigt, kann eine Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR drohen, welche nach Androhung der Kündigung unter Einhaltung einer 30-tägigen Frist vermieterseitig möglich ist. 

II. DÜRFEN MIETER VON GESCHÄFTSRÄUMEN AUFGRUND DER MOMENTANEN NOTSTANDSITUATION AUSSERORDENTLICH KÜNDIGEN?

Gemäss Art. 266g OR können die Parteien aus wichtigen Gründen, welche die Vertragserfüllung für sie unzumutbar macht, das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt hin kündigen. Dies gilt für alle befristeten und unbefristeten Mietverträge. Wichtige Gründe liegen vor, wenn die von einer Partei angerufenen veränderten Umstände bei Vertragsschluss weder bekannt noch voraussehbar waren, und auch nicht auf ein Verschulden des Kündigenden zurückzuführen sind. Sie müssen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin der betroffenen Parteien unzumutbar machen. Als veränderte Umstände gelten beispielsweise Krieg, Naturkatastrophen, schwere Wirtschaftskrise, nicht aber bloss konjunkturelle Schwankungen oder ein schlechter Geschäftsgang.

Es ist davon auszugehen, dass die Coronavirus-Pandemie und die damit verbundenen Restriktionen als unvorhersehbare, veränderte Verhältnisse zu gelten haben. Dauern diese über längere Zeit fort, ist eine Kündigung gemäss Art. 266g OR denkbar, sofern dem Mieter die Fortführung finanziell nicht möglich ist, obwohl er hierfür die erforderlichen Massnahmen ergriffen hat. 

Wie aus der gesetzlichen Bestimmung aber bereits hervorgeht, sind die gesetzlichen Fristen zwingend einzuhalten. Eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 266g OR kommt somit nicht einer fristlosen Kündigung gleich, welche das Vertragsverhältnis von heute auf morgen beendet. Bei Geschäftsräumen beträgt die gesetzliche Frist sechs Monate. Es ist deshalb fraglich, wie viele Betroffene zu diesem Mittel greifen werden und ob dies in der jetzigen Situation sinnvoll ist. Zu guter Letzt sei bemerkt, dass – sollte sich ein Geschäftsmieter für eine ausserordentliche Kündigung entscheiden – ein rasches Handeln sinnvoll ist, andernfalls er sich womöglich mit dem Einwand konfrontiert sieht, dass die Verhältnisse für ihn nicht unzumutbar gewesen seien.

III. DARF EIN MIETER DEM VERMIETER AKTUELL DAS ZUTRITTSRECHT ZUR WOHNUNG VERWEIGERN?

Grundsätzlich nicht, der Mieter trifft gemäss Art. 257h OR eine Duldungspflicht. Nach dieser Bestimmung muss der Mieter dem Vermieter den Zugang zur Wohnung gewährleisten, wenn dies für den Unterhalt, die Wiedervermietung oder den Verkauf der Liegenschaft notwendig ist. Kommt der Mieter seiner Duldungspflicht zu Unrecht nicht nach, so wird er gegenüber dem Vermieter schadenersatzpflichtig. Gleichzeitig bestimmt aber das Gesetz, dass bei der Durchführung von Besichtigungen und Arbeiten auf die Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen ist.

Mit Blick auf die gegenwärtige ausserordentliche Situation ist zu empfehlen, jegliche nicht unbedingt notwendige Unterhaltsarbeit zu unterlassen. Ausbesserungen, die nicht dringend sind und die nicht zu einer Gefährdung des Mietobjekts oder der Bewohner der Liegenschaft führen können, sind soweit wie möglich auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Ebenso sollte auch auf die Durchführung von präventiven Unterhaltsarbeiten verzichtet werden.

Was die Wohnungsbesichtigungen zwecks Verkaufs oder Weitervermietung betrifft, ist der Kreis der Interessenten so klein wie möglich zu halten und auf den Gesundheitszustand der Mieter besondere Rücksicht zu nehmen. In diesem Sinne kommt der Vorprüfung der Interessentendaten bzw. -wünsche durch den Vermieter eine besondere Bedeutung zu. Grosse, an eine unbestimmte Personenzahl gerichtete Wohnungsbesichtigungen, sind als Anwendungsfall von «öffentliche bzw. private Veranstaltungen» verboten (vgl. Art. 6 COVID-19-Verordnung 2 zusammen mit den dazugehörigen Erläuterungen). Für Einzelbesichtigungen sollen hingegen wenige einfache – aber immerhin wirksame – Regeln eingehalten werden: Dem Mieter bzw. den Mietern soll insbesondere die Möglichkeit eingeräumt werden, zur vereinbarten Zeit nicht anwesend zu sein; weiter dürfen Interessenten an der Besichtigung nur teilnehmen, wenn sie keine Krankheitssymptome aufweisen; schliesslich sind nach Möglichkeit allen Besuchern Einweg-Plastiküberschuhe sowie Schutzmasken und Einweghandschuhe zu verteilen, die zwingend zu tragen sind. Darüber hinaus sollte im Allgemeinen bei Mietern mit einem bereits angegriffenen Gesundheitssystem oder bei solchen, die ein bestimmtes Alter erreicht haben, auf jeglichen Kontakt verzichtet werden.

IV. WELCHE SCHUTZMASSNAHMEN SIND IM ZUSAMMENHANG MIT DER BENUTZUNG VON GEMEINSAMEN RÄUMEN IN MIETLIEGENSCHAFTEN ZU TREFFEN?

Viele Liegenschaften verfügen über gemeinsame Räume, die zur freien Benutzung allen Mieter zur Verfügung stehen – denken wir zum Beispiel an eine gemeinsame Waschküche oder an einen Hobbyraum. Nachdem die Wissenschaftler festgestellt haben, dass das Coronavirus auch auf Oberflächen mehrere Tage überleben kann, sollte auch hier der Grundsatz gelten, wonach alles was nicht unbedingt nötig ist, nicht mehr genutzt werden sollte. Hobbyräume sowie Trockenräume sind nach Möglichkeit vorübergehend zu schliessen und der Zugang zu gemeinsamen Schwimmbädern, Saunas und dergleichen ist den Mietern temporär zu verweigern. Tumbler sind idealerweise nicht mehr zu nut-zen, Waschküchen müssen hingegen aus Hygienegründen weiter benützt werden können, dies aber nicht ohne Regelung: Die Waschpläne müssen strikt eingehalten werden, damit unnötige Treffen im Kellerabteil vermieden werden; regelmässig sollte ein sogenannter «Kochwaschgang» (90°C) durchgeführt werden; Desinfektionsmittel können den Mietern zur Verfügung gestellt werden, sodass Türgriffe, die Waschmaschine und Oberflächen von diesen gleich selbst regelmässig desinfiziert werden können.

V. WER MUSS DIE KOSTEN FÜR DIE DESINFEKTION ÜBERNEHMEN, WENN BEI EINEM AUSZIEHENDEN MIETER DAS CORONA VIRUS FESTGESTELLT WURDE?

Ende März ist ein offizieller Umzugstermin und damit kann aktuell die Frage aufkommen, was bei Wohnungsübergaben von (möglicherweise) betroffenen bzw. infizierten Personen gilt. Nach Art. 267 Abs. 1 OR muss der Mieter die Mietsache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus einem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Mit anderen Worten haftet der Mieter für Schäden aus vertragswidrigen oder unsorgfältigen Handlungen. Kosten für die Behebung von Mängeln, die der Mieter zu verantworten hat und die die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache infrage stellen (z.B. Schädlingsbekämpfung oder Dekontaminierung), sind vom Mieter voll zu tragen. Das Vorliegen eines Schadens sowie die adäquat kausale Verursachung durch den Mieter sind vom Vermieter zu beweisen. Der Mieter hat hingegen die Möglichkeit, sich nach Art. 97 OR zu exkulpieren: für Zufall, höhere Gewalt oder im Allgemeinen beim Fehlen eines Verschuldens haftet der Mieter nicht. Ob die Coronavirus-Pandemie einen Fall «höherer Gewalt» darstellt, kann für diese Beurteilung offengelassen werden. Von Bedeutung ist vielmehr, ob von einem Verschulden des Mieters gesprochen werden kann. Hat sich der Mieter wissentlich und willentlich in einem Risikogebiet trotz der Reisewarnungen und der behördlichen Vorgaben begeben, so könnte – in Analogie zu den arbeitsrechtlichen Grundsätzen von Art. 324a OR – von einem «Selbstverschulden» die Rede sein. Obwohl es im Hinblick auf die Beweislage schwierig sein wird, könnte der Vermieter in solchen Fällen die Kosten für die Desinfektion dem Mieter in Rechnung stellen. Erkrankt der Mieter hingegen «unverschuldeterweise», so müssen diese Kosten vom Vermieter getragen werden. 

Man kann sich fragen, ob allenfalls in diesem Zusammenhang anfallende Kosten gestützt auf Art. 259 OR dem Mieter überbunden werden könnten. Nach dieser Bestimmung ist der Mieter verpflichtet, diejenigen Mängel, die durch kleine, gewöhnliche Reinigungen oder Ausbesserungen behoben werden können, auf eigene Kosten zu beseitigen. Als Richtwert spricht die Lehre von einem Wert von CHF 150.00. Ist für die Behebung von Mängeln der Einsatz von Fachspezialisten erforderlich, so kann man von vorne herein nicht von «kleinen» bzw. «gewöhnlichen» Unterhaltsarbeiten sprechen. In Anbetracht der Tatsache, dass Desinfektionsreinigungen ohne weiteres unter «Facharbeiten» zu subsumieren sind, können die diesbezüglichen Kosten nicht auf den Mieter abgewälzt werden.

VI. FAZIT

Mangels Rechtsgrundlagen und infolge fehlender Präzedenzfälle ist es heute schwierig, die ungewisse Lage rechtlich einzuordnen und klare Antworten zu liefern. Wir stehen vor einem neuen Phänomen, dessen generellen und auch rechtlichen Auswirkungen sich nur schwer abschätzen lassen. Vor diesem Hintergrund und in Hinblick auf die zu erwartenden Kosten und die Dauer eines Gerichtsverfahrens raten wir Mietern und Vermietern, das Gespräch zu suchen und einvernehmliche Lösungen anzustreben. Gerne begleiten und beraten wir Sie auf diesem – in Anbetracht der Umstände – sinnvollen Weg.
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20. März 2020  / MLaw Kim Attenhofer & MLaw Giada Cassis

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