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DAS EXISTENZMINIMUM IN EHERECHTLICHEN VERFAHREN

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht 

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Bei der Unterhaltsberechnung in eherechtlichen Verfahren (Trennung/Scheidung) spielt in aller Regel das Existenzminimum der beiden Ehegatten eine wesentliche Rolle: Es entspricht demjenigen Teil seines Einkommens beim Unterhaltspflichtigen, der ihm zwingend verbleiben muss, bzw. bestimmt die Höhe eines allfälligen auf die Ehegatten aufzuteilenden Einkommensüberschusses. Das Bundesgericht hat in einem aktuellen Entscheid der kantonal unterschiedlichen Festlegung des Existenzminimums in einem weiteren Punkt Einhalt geboten.

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I. STEUERN GEHÖREN NICHT INS EXISTENZMINIMUM

Das Bundesgericht hat im Entscheid 5A_890/2013 vom 22. Mai 2014 (nach öffentlicher Beratung) entschieden, dass die Steuerverpflichtungen bei der Berechnung des Existenzminimums in eherechtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen sind, d.h. die Abzahlung von Steuerschulden oder die laufenden Steuern das Existenzminimum nicht erhöhen. Dies weil nach Ansicht des Bundesgerichts die Begleichung von Steuerschulden nicht existenziell sei und es nicht angehe, den Staat vor anderen Schuldnern zu begünstigen. Die gegenteilige Praxis in einzelnen Kantonen (namentlich Solothurn und St. Gallen) wird entsprechend zu korrigieren sein.

II.KINDERZULAGEN UND EXISTENZMINIMUM

Bereits in verschiedenen früheren Entscheiden hat das Bundesgericht klargestellt, dass bei der Berechnung des Existenzminimums des Ehegattens, bei dem die Kinder leben, die von ihm selber oder vom anderen Elternteil bezogenen und abgelieferten Kinderzulagen das Existenzminimum reduzieren, d.h. vollumfänglich anzurechnen sind. Die Kinderzulagen seien für die Lebenshaltungskosten der Kinder bestimmt und diese (auch) aus denselben zu decken, weshalb sich das Existenzminimum entsprechend reduziere.

Auch insoweit ist die gegenteilige kantonale Praxis (teilweise auch nur einzelner Richter) also zu korrigieren, soweit dies nicht bereits geschehen ist.

III. KANTONALE UNTERSCHIEDE

Obwohl also die Rechtslage vom Bundesgericht in zwei wesentlichen Punkten geklärt wurde, verbleiben dennoch kantonale Unterschiede bei der Bemessung des Existenzminimums, die durchaus relevant sein können. So zeigt sich beispielsweise im Vergleich der Kantone Aargau und Zürich, dass in Zürich gestützt auf die einschlägigen kantonalen „Richtlinien“ bei gleichen Verhältnissen ein wesentlich höheres Existenzminimum resultiert, weil einzelne im Aargau im Grundbetrag enthaltene Auslagen dort zusätzlich aufgerechnet werden. Es kann also für den Unterhaltspflichtigen, der auf den Schutz seines Existenzminimums angewiesen ist – oder für die Unterhaltsberechtigte, die möglichst hohe Unterhaltsbeiträge benötigt – durchaus eine Rolle spielen, in welchem Kanton ein eherechtliches Verfahren geführt wird: Soweit verschiedene Gerichtsstände zur Verfügung stehen, ist dem in der anwaltlichen Beratung Rechnung zu tragen.

IV. AUFTEILUNG DES ÜBERSCHUSSES

In Erinnerung zu rufen gilt es abschliessend, dass die Nichtberücksichtigung von Steuerschulden und laufenden Steuern nur in sogenannten Mankofällen gilt, d.h. dort wo kein Überschuss resultiert, weil das Total der Einkünfte beider Ehegatten nicht höher ist als das Total ihrer Existenzminima. Sowohl Schuldzahlungen (für gemeinsame Schulden wie beispielsweise Steuern) als auch die laufenden Steuern sind demgegenüber aufzurechnen und dem Pflichtigen entsprechende Mittel zuzuweisen, wo ein Überschuss resultiert. In solchen Fällen spielt also durchaus eine Rolle, wer bis anhin wie viel für bestehende Steuerschulden bezahlt hat und noch bezahlen muss,  und mit welchen Steuerlasten nach der Trennung die Ehegatten zu rechnen haben. Hälftig bzw. nach Köpfen unter den Ehegatten aufzuteilen ist nur der danach verbleibende Nettoüberschuss.

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23. Juni 2014 / lic. iur. Martin Kuhn

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