Blog

DAS ZWEITWOHNUNGSGESETZ: DIE ÄNDERUNGEN DES STÄNDERATES

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt, und Sandra Berner, MLaw 

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. AUSGANGSLAGE

Am 11. März 2012 hat sich der Souverän mit Annahme der Initiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“

für eine strenge Beschränkung des Zweitwohnungsbaus ausgesprochen. Der mit der Abstimmung in Kraft getretene Art. 75b BV sieht vor, dass der Anteil Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde 20 Prozent nicht überschreiten darf.

Am 19. Februar 2014 hat der Bundesrat die Botschaft zum Zweitwohnungsgesetz zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die kleine Kammer hat als erster Rat am 25. September 2014 über den Gesetzesvorschlag des Bundesrates debattiert. Der Ständerat sieht verschiedene Änderungen vor. Nachfolgend werden insbesondere die Änderungen für die Vermietung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen und für den Bau neuer Zweitwohnungen in erhaltenswerten Bauten thematisiert.

II. VERMIETUNG VON TOURISTISCH BEWIRTSCHAFTETEN WOHNUNGEN

Der Bundesrat sieht in Art. 7 des Gesetzesvorschlages vor, dass in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent die Erstellung neuer Wohnungen unter gewissen Voraussetzungen bewilligt werden darf. Abs. 2 lit. c dieser Bestimmung regelt die Vermietung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen und setzt voraus, dass die Wohnung dauerhaft zur ausschliesslich kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu markt- und ortsüblichen Bedingungen und auf einer auf den internationalen Markt ausgerichteten, kommerziellen Vertriebsplattform angeboten wird.

In der Botschaft zum Zweitwohnungsgesetz hat der Bundesrat zur Vermietung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen festgehalten, dass an den Standard, den Vertrieb und die Vermarktung solcher Wohnungen hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Beispielsweise kann dies dadurch erfolgen, dass eine vertragliche Vereinbarung mit dem Betreiber einer kommerziell bewirtschafteten Vertriebsplattform verlangt wird, die Wohnung nicht individuell ausgestaltet ist und über eine Qualitätszertifizierung, zum Beispiel des Schweizer Tourismus-Verbandes, verfügt, sowie die zeitliche Eigennutzung während der Hauptsaison auf 3 Wochen beschränkt ist. Zudem muss die Plattform eine grosse Reichweite haben und damit ein grosses Nachfragepotenzial sicherstellen.

Der Ständerat hat diese Bestimmung mit 24 zu 13 Stimmen geändert und sie neu wie folgt formuliert: Eine touristisch bewirtschaftete Wohnung setzt voraus, dass sie „aufgrund ihrer Charakteristik tatsächlich vermietbar ist und auf einer kommerziellen Vertriebsplattform angeboten wird“. Die ständerätliche Fassung knüpft demnach an die „Charakteristik der Vermietbarkeit“ an. Was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist, ist den ständerätlichen Materialien nicht zu entnehmen. Es wird nur festgehalten, dass auf die Kriterien des Bundesrates „individuelle Ausgestaltung der Wohnung“, „Qualitätszertifizierung“ und „zeitliche Beanspruchung“ verzichtet werden soll. Gemäss Bundesrat stellen diese Kriterien jedoch sicher, dass diese Wohnungen auch tatsächlich belegt und nicht neue „kalte Betten“ geschaffen werden.

Mit welchen Kriterien der Ständerat sicherstellen will, dass die neuen Zweitwohnungen in einer gewissen Intensität genutzt werden, ist nicht ersichtlich. Diese offene Norm führt zumindest vorläufig zu einiger Rechtsunsicherheit und dürfte auch eine uneinheitliche Rechtsanwendung durch die Gemeinden (als Bewilligungsbehörden) nicht verhindern. Noch nicht beantwortet ist natürlich die Frage, was der Nationalrat mit dieser ständerätlichen Fassung macht. Sollte diese Regelung Gesetz werden, müsste wohl aus Gründen grösserer Rechtssicherheit gehofft werden, dass der Bundesrat in der Verordnung diesen mehr als unbestimmten Rechtsbegriff konkretisiert. Ansonsten würde grössere Rechtssicherheit erst durch die Praxis der Behörden und allenfalls der Gerichte erreicht werden.

Des Weiteren beschränkt der Ständerat – entgegen dem Bundesrat – den Bau von touristisch bewirtschafteten Wohnungen, die zur Vermietung angeboten werden, nicht nur auf strukturschwache Gebiete (Art. 8). Vielmehr möchte er die Kompetenz und die Verantwortung für die Raumplanung wie auch für die touristische Entwicklung der Kompetenz der Kantone beziehungsweise der Gemeinden überlassen. Damit sind touristisch bewirtschaftete Wohnungen, die aufgrund ihrer Charakteristik auch tatsächlich vermietbar sind, auch in einem bereits sehr intensiv genutzten Gebiet zugelassen.

III. NEUE WOHNUNGEN IN ERHALTENSWERTEN BAUTEN

Der bundesrätliche Gesetzesvorschlag sieht in Art. 10 Abs. 1 vor, dass in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent neue Wohnungen in geschützten Kulturdenkmälern sowie in ortsbild- und in landschaftsprägenden Bauten ohne Nutzungsbeschränkung erstellt werden dürfen. Mit dieser Ausnahme möchte der Bundesrat den Erhalt geschützter Bauten mittels einer Umnutzung in Zweitwohnungen sichern. Diese Möglichkeit soll aber nur subsidiär zu anderen Nutzungsmöglichkeiten gewährt werden.

Der Ständerat hat mit Stichentscheid des Präsidenten mit 22 zu 21 Stimmen entschieden, dass solche Baubewilligungen nicht nur bei geschützten Baudenkmälern, sondern ganz allgemein bei „erhaltenswerten“ Bauten erteilt werden können. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff; der Ständerat hat bewusst einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt, da er der Meinung ist, dass er auf Verordnungsebene beziehungsweise in der Praxis durch Behörden und Gerichte definiert beziehungsweise konkretisiert werden soll. Bis dahin werden kommunale Baubewilligungsbehörden entscheiden, was erhaltenswert ist und was nicht. Dies im Unterschied zu den schützenswerten Bauten, die Gegenstand eines von einer Fachbehörde des Denkmalschutzes durchgeführten formellen Verfahrens sind. Es besteht somit die Möglichkeit (beziehungsweise ist vorauszusehen), dass die Umnutzungsmöglichkeiten in Zweitwohnungen massiv grösser werden, da die Gemeinden (falls dies gewünscht ist oder in ihrer Absicht steht) praktisch jede Baute noch irgendwie als erhaltenswert betrachten können. Immerhin verlangt Art. 10 Abs. 1 lit. b den Nachweis, dass die dauernde Erhaltung der Baute nicht anders als durch die Umnutzung zu einer Zweitwohnung sichergestellt werden kann. Durch die kommunale Baubewilligungsbehörde ist somit zu prüfen, ob nicht auch eine Nutzung als Erstwohnung oder als touristisch bewirtschaftete Wohnung möglich wäre. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Interessen, schützenswerte und erhaltenswerte Bauten zu erhalten, je nach Schutzwert von unterschiedlichem Gewicht sein können. Nicht jedes beliebige Interesse kann als höherrangig als das Verfassungsinteresse an der Limitierung der Zweitwohnungen eingestuft werden. Es muss demnach in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung vorgenommen werden.

Tatsache ist, dass den Gemeinden in der ständerätlichen Fassung ein enormer Entscheidungsspielraum gewährt wird, der voraussichtlich zu unterschiedlicher Rechtsanwendung führen dürfte. Zu bedenken ist zudem, dass die Gerichte bei der Überprüfung der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen Zurückhaltung üben und den Verwaltungsbehörden einen gewissen Beurteilungsspielraum zubilligen, wenn der Entscheid besonderes Fachwissen oder Vertrautheit mit den tatsächlichen Verhältnissen voraussetzt. Es stellt sich die Frage, ob die Fassung des Ständerates tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist.

IV. FAZIT UND AUSBLICK

Es wurde schon verschiedentlich kritisiert, dass das Zweitwohnungsgesetz mit seinen Verweisungen und Verwinkelungen eine sehr komplizierte Gesetzgebung sei. Dem Ständerat ist es nicht gelungen, diese Kritik zu entkräften; das Gegenteil dürfte der Fall sein, indem er neue unbestimmte Begriffe einführt, die zu Rechtsunsicherheit und unterschiedlicher Rechtsanwendung führen können, zumindest bis sie auf Verordnungsebene oder durch die Gerichte definiert werden. Die Vorlage mit den vom Ständerat vorgeschlagenen Änderungen geht nun in den Nationalrat.

.
7. November 2014 / Dr. iur. Hanspeter Geissmann 

Sorry, the comment form is closed at this time.