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DIE BERECHNUNG DER UNTERHALTSBEITRÄGE BEI TRENNUNG DER EHE (BERECHNUNGSMETHODE)

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Nach welcher Methode die im Trennungsfall geschuldeten Unterhaltsbeiträge von den kantonalen Gerichten ermittelt werden, kann eine entscheidende Rolle spielen. Das Bundesgericht hat in einem aktuellen Urteil (5A_776/2015) bestätigt, dass den kantonalen Vorinstanzen auch bei der Methodenwahl ein grosses Ermessen zukommt. Eher überraschend ist die Feststellung, dass bei überdurchschnittlichen Verhältnissen auch dort mit der einstufigen Methode gerechnet werden müsse, wo der Unterhaltspflichtige keine bzw. keine die trennungsbedingten Mehrkosten übersteigende Sparquote behauptet hatte. Das Bundesgericht hat damit (leider) seinen Entscheid BGE 140 III 485 – zum Nachteil der Rechtssicherheit und des Unterhaltsberechtigten – relativiert.

I. EINSTUFTIGE METHODE (NACH DEM KONKRETEN BEDARF) ODER ZWEISTUFIGE BERECHNUNG (EXISTENZMINIMA MIT ÜBERSCHUSSAUFTEILUNG)

Bei der einstufigen Methode wird nach Massgabe des Lebensstandards vor der Trennung der konkrete Bedarf des Unterhaltsberechtigten ermittelt, welchen er inkl. einer allfälligen eigenen Sparquote und der trennungsbedingten Mehrkosten zu substantiieren und soweit als irgend möglich nachzuweisen hat. Als Unterhaltsbeitrag kann die/der Berechtigte selbst bei ausserordentlich hohem Einkommen des Verpflichteten nur das beanspruchen, was vom konkret nachgewiesenen Bedarf nach Anrechnung der (allenfalls zumutbaren) Eigeneinkünfte ungedeckt bleibt.

Bei der zweistufigen Methode wird demgegenüber vorerst das Existenzminimum beider Ehegatten nach der Trennung ermittelt (teilweise familienrechtlich etwas erweitert) und das entsprechende Total dem Gesamteinkommen beider Ehegatten gegenüber gestellt. Ein Überschuss wird, soweit nicht für die Steuern und die Tilgung gemeinsamer Schulden benötigt, unter den Ehegatten aufgeteilt, wobei auch der Anspruch allfälliger Kinder auf eine Überschussbeteiligung angemessen mit zu berücksichtigen ist. Die Summe von Existenzminimum, allfälligen Überschusszuweisungen und dem Überschussanteil, reduziert um allfällige eigene Einkünfte, entspricht dann dem geschuldeten Unterhaltsbeitrag.

Es versteht sich von selbst, dass gerade bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen die Wahl der Methode zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, was umso mehr dann gilt, wenn an den Nachweis des konkreten Bedarfs (Lebensstandard) allzu hohe Anforderungen gestellt werden.

II. FÜR DIE METHODENWAHL MASSGEBLICHE KRITERIEN

Einigkeit besteht allseits, dass die Unterhaltsbeiträge während der Trennungszeit dem Berechtigten maximal die Weiterführung des bisherigen Lebensstandards ermöglichen sollen und – bei gegebener Leistungsfähigkeit – ermöglichen müssen. Betont wird vom Bundesgericht, dass bei aufzuteilenden Einkünften von weniger als CHF 10‘000.00 in aller Regel

die zweistufige Berechnungsmethode zu sachgerechten Ergebnissen führt, weil vermutungsweise in solchen Fällen bis anhin keine Sparquote bestand und die vorhandenen Einkünfte voll zur Finanzierung der nun mehr getrennten 2 Haushalte benötigt werden.

In BGE 140 III 485 hat das Bundesgericht ferner klargestellt, dass bei der zweistufigen Methode der Abzug einer Sparquote vom Überschuss dann willkürlich sei, wenn eine solche weder dem Grundsatze nach noch betragsmässig glaubhaft gemacht worden sei. Dass überdurchschnittliche Einkünfte vorliegen, sei für sich allein noch kein Beweis für eine Sparquote, welche die trennungsbedingten Mehrkosten übersteige. Massgeblich sei die konkrete Lebensführung vor der Trennung.

Im neusten Entscheid (5A_776/2015) stellt das Bundesgericht nunmehr klar, dass auch beim Fehlen eines Sparquotennachweises nicht zwingend die zweistufige Methode zur Anwendung gelangen müsse, vielmehr die kantonalen Gerichte auch in solchen Fällen den Unterhalt nach der einstufigen Methode berechnen können. Dies jedenfalls bei unbestritten überdurchschnittlichen Verhältnissen und sogar dann, wenn unter den Parteien die Berechnungsmethode, im konkreten Fall die zweistufige Berechnung, gar nicht strittig war.

Es scheint, als ob das Bundesgericht jedenfalls bei überdurchschnittlichen Einkünften zunehmend die einstufige Methode nach dem konkreten Bedarf favorisiert. Ob dies wirklich gewollt und angesichts der Beweisschwierigkeiten – wer sammelt schon vor der Trennung Quittungen für alle Lebenshaltungskosten? – sachgerecht ist, darf durchaus bezweifelt werden.

III. RECHTSUNSICHERHEIT

Der Methodenpluralismus und die aktuelle bundesgerichtliche Relativierung bzw. Bestätigung des grossen Ermessens der kantonalen Gerichte schaffen für alle Beteiligten, namentlich den Unterhaltsberechtigten und dessen Anwalt, eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Nicht nur, dass kantonal – teilweise sogar innerhalb eines Gerichts – erhebliche Unterschiede bei der Methodenwahl und bei der Beurteilung, ab wann von überdurchschnittlichen Verhältnissen auszugehen ist, bestehen und an vielen Gerichten zudem der Nachweis eines hohen Lebensstandards allzu streng beurteilt wird. Effektiv muss zukünftig auch in Fällen, wo die Gegenseite die günstigere Anwendung der zweistufigen Berechnungsmethode gar nicht bestreitet und eine eigene Sparquote weder substantiiert noch nachweist, damit gerechnet werden, dass die kantonalen Gerichte aus eigener Überzeugung die einstufige Methode anwenden und sich dabei die allenfalls ungenügende Substantiierung oder fehlende Beweismittel massiv zu Ungunsten der Unterhaltsberechtigten auswirken.

IV. FAZIT UND EMPFEHLUNG

In Fällen überdurchschnittlicher Verhältnisse und somit bereits ab aufzuteilenden Einkünften von jedenfalls CHF 10‘000.00 (oder mehr), wird der oder die Unterhaltsberechtigte zukünftig gut daran tun, neben der zweistufigen Berechnungsmethode den massgeblichen höheren Lebensstandard zumindest in den Grundzügen darzutun und soweit als irgend möglich ebenso zu belegen wie die trennungsbedingten Mehrkosten oder eine mit dem eigenen Einkommen finanzierte eigene Sparquote. Dies selbst dann, wenn es nachweislich auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten keine Sparquote gab oder dieser die zweistufige Berechnungsmethode gar nicht bestreitet. Ja die Substantiierung und der Nachweis eines höheren Lebensstandards sind gegebenenfalls sogar dann geboten, wenn ein solcher von der Gegenseite explizit gar nicht bestritten wird.

Es versteht sich von selbst, dass dadurch die Eheschutzverfahren aufwendiger und kostspieliger werden. Dem Unterhaltsberechtigten, der nicht Gefahr laufen will, Opfer des Methodenpluralismus und der Rechtsunsicherheit zu werden oder wegen einer allzu summarischen Substantiierung und ungenügenden Beweismitteln nur einen (gegebenenfalls erheblich) zu tiefen Unterhalt zu erhalten, kann nur empfohlen werden, keinen Aufwand zu scheuen, um seine Berechtigung nach beiden Berechnungsmethoden glaubhaft zu machen. Wie gesagt schützt gegebenenfalls auch das Vertrauen in unterbliebene Bestreitungen oder Substantiierungen der Gegenseite vor einem ungerechten Ergebnis nicht.

Diese erhöhte prozessuale Sorgfalt (mit einem entsprechend höheren Prozessaufwand) gilt es schon bzw. namentlich in den kantonalen Verfahren zu beachten. Beim Bundesgericht, das den kantonalen Vorinstanzen aktuell allzu viel Ermessensspielraum lässt, kann jedenfalls kaum mehr mit einer Korrektur gerechnet werden.

9. März 2016 / lic. iur. Martin Kuhn

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