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DIE ERWACHSENENADOPTION IM LICHTE DER BEVORSTEHENDEN ÄNDERUNG DES ADOPTIONSRECHTS

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht unter Mithilfe von Simona Serratore (M.A. HSG)

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Das Schweizer Recht sieht zwar schon seit langem die Möglichkeit der Adoption von erwachsenen Personen vor. Traditionell wird in der Schweiz die Erwachsenenadoption aber von Behörden und Gerichten sehr restriktiv gehandhabt, da in vielen Fällen fiskalische Interessen der adoptionswilligen Parteien – namentlich eine Umgehung der Erbschaftssteuer – vermutet werden. Angesichts des auf den 1. Januar 2018 in Kraft tretenden, revidierten Adoptionsrechts ist zu hoffen, dass eine generelle Lockerung in Adoptionssachen erfolgen wird.

I. GRUNDSÄTZLICHES

Obschon seit längerem die Erwachsenenadoption in der Schweiz zugelassen ist, wurde diese bis anhin sehr streng gehandhabt. Grund dafür ist auch, dass die Adoptionsbehörden oft mit Fällen konfrontiert werden, wo mit der Adoption eine Umgehung der Erbschaftssteuer bezweckt werden soll. Die Erbschaftssteuer ist als kantonale Steuer zwar sehr unterschiedlich geregelt – einige Kantone, wie z.B. der Kanton Obwalden haben sie zu Beginn dieses Jahres gänzlich aufgehoben (auch für Nicht-Verwandte), macht aber in vielen Fällen einen erheblichen Betrag aus. Von ihr befreit sind üblicherweise nur Nachkommen.

Für eine Erwachsenenadoption wird unter dem noch geltenden Recht nach Art. 266 ZGB zwingend vorausgesetzt, dass die adoptierende Person selbst kinderlos ist und zudem:

  • dass die zu adoptierende Person aufgrund körperlicher und geistiger Gebrechen dauernd hilfsbedürftig ist und die Adoptiveltern sie während mindestens fünf Jahren gepflegt haben; oder
  • dass die zu adoptierende Person während ihrer Minderjährigkeit mindestens fünf Jahre lang von den Adoptiveltern Pflege und Erziehung genoss; oder
  • dass andere wichtige Gründe vorliegen und die zu adoptierende Person während mindestens fünf Jahren mit den Adoptiveltern in einer Hausgemeinschaft gelebt hat.Die Kinderlosigkeit ist dabei ein zwingendes Kriterium – gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann man auch nicht davon absehen, wenn sämtliche leiblichen Kinder der Adoptiveltern der Adoption zustimmen. Zudem wird – wie für die Adoption von Kindern – vorausgesetzt, dass die adoptierende Person mindestens 35 Jahre alt und auch mindestens 16 Jahre älter ist als die zu adoptierende Person.

II. DAS REVIDIERTE ADOPTIONSRECHT AB 1. JANUAR 2018

Seit der letzten Gesetzesänderung im Adoptionsrecht in den 1970er Jahren haben sich in vielerlei Hinsicht gesellschaftliche Wandel zugetragen. Während das geltende Adoptionsrecht noch davon ausgeht, dass nur in einer Ehe lebende Personen ein Kind adoptieren können, ist die heutige Realität eine andere: Es gibt eine starke Zunahme von sowohl verschieden- als auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ausserhalb der Ehe. Angesichts dieser Umstände wurde das geltende Adoptionsrecht den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst: Die revidierte Version tritt auf 1. Januar 2018 in Kraft.

Im Hinblick auf die Erwachsenenadoption ist weiterhin Art. 266 ZGB massgebend, allerdings in leicht angepasster Form. Die Mindestdauer der gemeinsamen Hausgemeinschaft bzw. Betreuung wird von fünf Jahren auf ein Jahr gesenkt. Auch wurde das Mindestalter der adoptierenden Person auf 28 Jahre reduziert. Das Kriterium der wichtigen Gründe bleibt jedoch erhalten.

Es ist zu beachten, dass die Adoptionsvoraussetzungen jeweils bereits zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs erfüllt sein müssen. Sobald das Gesuch eingereicht ist, hindert auch der Tod oder der Eintritt der Urteilsunfähigkeit der adoptierenden Person die Adoption nicht, sofern die anderen Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Auf Adoptionsverfahren, die vor dem 1. Januar 2018 eingeleitet aber noch nicht abgeschlossen wurden, ist das neue Recht anwendbar.

III. ZUR ADOPTION AUS WICHTIGEN GRÜNDEN

In vielen Fällen der Erwachsenenadoption steht den betroffenen Personen nur eine Adoption gestützt auf den Auffangtatbestand der wichtigen Gründe offen, welche im Adoptionsgesuch dargelegt werden müssen. Doch was ist unter diesem Begriff zu verstehen? Grundsätzlich sind die wichtigen Gründe mit einer intensiven zwischenmenschlichen Beziehung gleichzusetzen, und zwar einer Beziehung vergleichbar mit dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis. Als klassisches Beispiel wird oft der Fall genannt, wo die zu adoptierende Person den künftigen Adoptiveltern Pflege erwiesen hat.

Es darf nicht vergessen werden, dass mit einer Adoption sämtliche bisherigen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Herkunftsfamilie erlöschen. Die leiblichen Eltern können nach einer erfolgten Adoption somit auch nicht mehr beerbt werden. In der Rechtsprechung wurde das Vorliegen wichtiger Gründe auch schon verneint, weil nach wie vor enge und alltägliche Beziehungen der Adoptionswilligen zur leiblichen Familie der zu adoptierenden Person bestanden.

Im Urteil 5A_126/2013 vom 13. Juni 2013 hat das Bundesgericht wichtige Gründe bejaht, weil die Beschwerdeführer eine ausserordentlich enge Beziehung begründen konnten. So wiesen sie nach, dass der zu Adoptierende den Adoptierenden bereits in gesundheitlich schwierigen Zeiten unterstützt hatte, dass der Adoptierende dem „Sohn“ bereits eine Immobilie geschenkt hatte, dass sie gemeinsam im Vorstand von Stiftungen und Verbänden waren, dass der „Sohn“ bereits seit fast einem Jahrzehnt als „zukünftiger Adoptivsohn“ im Testament des Adoptierenden begünstigt wurde und insbesondere auch, dass die Adoptivwilligen von sämtlichen Personen in ihrem Umfeld längst als Vater und Sohn wahrgenommen wurden. Angesichts dieser Umstände befand das Bundesgericht, dass die Vorinstanz rechtswidrig handelte, wenn sie davon ausging, dass mit der Adoption lediglich eine Steuerbefreiung bewerkstelligt werden sollte.

Mit Verweis auf die zu Beginn genannten Umgehungsversuche betreffend Erbschaftssteuer ist ausdrücklich festzuhalten, dass die erbrechtlichen und steuerrechtlichen Auswirkungen einer Erwachsenenadoption in keinem Fall wichtige Gründe darstellen. Gerade wo keine solchen Motive vorliegen, soll der wichtige Grund aber keinesfalls zu restriktiv gehandhabt werden.

IV. FAZIT

Tendenziell kann mit dem Inkrafttreten des revidierten Adoptionsrechts von einer generellen Lockerung der Voraussetzungen gesprochen werden. Und auch wenn das anspruchsvolle Kriterium der wichtigen Gründe im Zusammenhang mit der Erwachsenenadoption erhalten bleibt, ist zu hoffen, dass die Behörden bei der Prüfung der Adoptionsgesuche auch in diesen Fällen eine den heutigen Zeiten angemessenere Handhabung wählen.

So darf man in Fällen, wo keine gelebte Beziehung zur leiblichen Familie der zu adoptierenden Person besteht und auch die Wahrnehmung von Drittpersonen darauf hindeutet, dass die Adoptivwilligen z.B. längst als Vater/Eltern und Sohn wahrgenommen werden – dies insbesondere im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Geschäftsnachfolge, erwarten, dass unter dem neuen Adoptionsrecht solche Gesuche zu bewilligen sind.

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6. September 2017 / lic. iur. Martin Kuhn, Fachanwalt SAV Familienrecht 

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