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GÜTERRECHTLICHE ANSPRÜCHE IM FALL, DASS EINER DER EHEGATTEN EIGENTÜMER UND ZUGLEICH ANGESTELLTER EINER EIGENEN UNTERNEHMUNG IST

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der nachfolgende Bericht befasst sich mit der nicht selten vorkommenden Konstellation, dass ein Ehegatte mit eigenen Mitteln (Eigengut) eine Firma gegründet oder gekauft hat und als Geschäftsführer derselben während der Ehe sein Einkommen generiert. Im Falle der Scheidung bzw. der güterrechtlichen Auseinandersetzung stellt sich in der Regel die Frage, ob der an der Unternehmung nicht beteiligte Ehepartner dennoch Möglichkeiten hat, güterrechtliche Ansprüche in Bezug auf diese Unternehmung durchzusetzen.

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I. ERTRÄGE AUS EIGENGUT (ART. 197 ABS. 2 ZIFF. 4 ZGB)

Gemäss Art. 197 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB umfasst die Errungenschaft der einzelnen Ehegatten insbesondere auch die Erträge aus dem Eigengut eines jeden Ehegatten. Damit gemeint sind unter anderem periodische, wiederkehrende Leistungen aufgrund eines Rechtsverhältnisses, welche im Zusammenhang mit einem Vermögensbestandteil des Eigenguts stehen, die Substanz des Eigenguts aber grundsätzlich unberührt lassen. Dazu gehören beispielsweise Dividenden und andere statutarische Leistungen aus Beteiligungen an Handelsgesellschaften mit juristischer Persönlichkeit.

Daraus kann gefolgt werden, dass Dividenden etc. welche aus Beteiligungen, welche dem Eigengut eines Ehegatten zugeordnet werden müssen, in die Errungenschaft zu zählen sind, wovon bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung der jeweils andere Ehegatte profitiert.

II. ARBEITSERWERB (ART. 197 ABS. 2 ZIFF. 1 ZGB)

Ebenfalls zur Errungenschaft zu zählen sind die Einkünfte jeglicher Art von selbständiger Erwerbstätigkeit (Lohn, Tantiemen etc.) und insbesondere auch der Gewinn im Zusammenhang mit einem Gewerbe oder Unternehmen, soweit dieser Gewinn auf der unternehmerischen Tätigkeit beruht. Die Lehre und Rechtsprechung unterscheidet dabei, ob industrielle Mehrwerte entstanden sind, welche auf den Einsatz der Arbeitskraft des einen Ehegatten zurückzuführen sind, oder ob konjunkturelle Mehrwerte vorliegen. Konjunkturelle Mehrwerte entstehen durch die Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage. Art. 197 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB erfasst nur die industriellen Mehrwerte. Konjunkturelle Mehrwerte fallen bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht in die Errungenschaft, sondern wachsen dem Anfangswert an und verbleiben einheitlich in der gleichen und ursprünglichen Gütermasse (im vorliegenden Beispiel Eigengut).

III. UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN KONJUNKTURELLEN UND INDUSTRIELLEN MEHRWERTEN FÜR DEN ANWENDUNGSFALL VON ART. 197 ABS. 2 ZIFF. 1 ZGB

Als Abgrenzungskriterium kann jeweils die Frage gestellt werden, ob eine vorhandene Wertsteigerung auch ohne wirtschaftliche Tätigkeit eingetreten wäre. Typisches Beispiel dafür wäre ein Beteiligungspapier (zum Beispiel Aktie) an einer Drittunternehmung, in welcher keiner der Ehegatten arbeitet. Dies wäre ein klassischer konjunktureller Mehrwert.

Resultiert der vorhandene Mehrwert jedoch aufgrund eines die ordentliche Verwaltung überschreitenden persönlichen Einsatzes, so spricht man von einem industriellen Mehrwert. Mit anderen Worten: Arbeitet der Eigentümerehegatte oder aber ein dritter Angestellter weitaus über Gebühr oder erhält er dafür eine Entschädigung weitaus unter dem angemessenen Wert, so entsteht industrieller Mehrwert, an welchem der andere Ehegatte hälftig zu beteiligen ist, da dieser Mehrwert der Errungenschaft zuzuordnen ist.

Insbesondere im Bereich von zurückbehaltenen Unternehmensgewinnen findet die vorgemachte Betrachtung ebenfalls Anwendung. Man spricht dabei von einem Vermögenszuwachs des Unternehmens, bei dem nicht mehr bloss von einer Refinanzierung zur Erhaltung der bisherigen Konkurrenzfähigkeit gesprochen werden kann, sondern vielmehr von einer Erweiterung der Unternehmung bzw. der Marktanteile die Rede sein muss.

Als industrieller Mehrwert muss also ein zurückbehaltender Gewinn gelten, sofern die Arbeitsleistung des Unternehmerehegatten zu Gunsten der vermehrten Selbstfinanzierung nicht in einem Masse abgegolten worden ist, wie dies einem Dritten gegenüber hätte geschehen müssen. Damit gemeint ist insbesondere der Fall, dass sich der Unternehmerehegatte keinen gebührenden Lohn auszahlt. Kapitalerträge können ebenfalls zur Unternehmenserweiterung eingesetzt worden sein. Dabei muss jedoch unterschieden werden, ob die Anlage vom Ehegatten aktiv bewirtschaftet worden ist (industrieller Mehrwert) oder bloss auf Marktmechanismen beruht (konjunktureller Mehrwert). Ebenfalls ein Anwendungsbereich eines industriellen Mehrwerts stellt die Situation dar, in der auf eine angemessene Kapitalverzinsung verzichtet worden ist.

IV. ERSATZFORDERUNG DER ERRUNGENSCHAFT GEGENÜBER DEM EIGENGUT (GÜTERMASSE DES GESCHÄFTSVERMÖGENS)

Haben Mittel der einen Vermögensmasse zum Erwerb, zur Verbesserung oder zur Erhaltung von Vermögensgegenständen der anderen beigetragen und ist ein Mehr- oder Minderwert eingetreten, so entspricht die Ersatzforderung dem Anteil des Beitrages und wird nach dem Wert der Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Auseinandersetzung oder der Veräusserung berechnet (Art. 209 Abs. 3 ZGB).

Wird also etwa die einem Ehegatten zustehende Entschädigung aus Arbeitsleistung nicht oder nicht voll bezogen, sondern als Investitionen in der Unternehmung belassen, bleibt der Charakter des Arbeitserwerbs und damit die güterrechtliche Zuordnung der Errungenschaft erhalten.

V. BEWEISPROBLEMATIK

Aufgrund der allgemeinen Beweislastregel von Art. 8 ZGB sind die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen einer Ersatzforderung der einen Gütermasse gegenüber der anderen zu beweisen. Dies erfordert insbesondere Einsicht in die Buchhaltung und insbesondere auch Lohnunterlagen. Weiter hinzugezogen werden müssen Quellen für durchschnittliche Lohnsummen der entsprechenden Positionen und Branchen. Oft hinzugezogen wird das sogenannte Salarium des Bundesamts für Statistik BFS: (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/loehne-erwerbseinkommen-arbeitskosten/lohnniveau-schweiz/salarium.html).

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4. September 2018 / lic. iur. Stephan Hinz

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