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LEX KOLLER: DER ERWERB VON GRUNDSTÜCKEN IM RAHMEN EINER VERMÖGENSÜBERNAHME

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Im Zentrum des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, «Lex Koller») steht in der Regel der Erwerb von einzelnen Grundstücken in der Schweiz, d.h. also von einem Teil des schweizerischen Bodens. Zudem definiert das BewG diverse andere Erwerbsgeschäfte, die in einem Zusammenhang mit Grundstücken stehen, ebenfalls als Grundstückerwerbsgeschäfte – dies geht soweit, dass sogar Geschäfte, die dem Erwerber eine nur ähnliche Stellung wie dem Eigentümer eines Grundstücks verschaffen, ebenfalls als Grundstückerwerbsgeschäfte betrachtet werden und unter die Lex Koller fallen. Es gibt somit einen breiten Fächer von Geschäften, die ebenfalls als Grundstückerwerbsgeschäfte gelten, obwohl kein Eigentum an einem Grundstück erworben wird bzw. die Stellung des Erwerbers nur ähnlich der eines Grundeigentümers ist; oft gilt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die danach fragt, ob jetzt ein Erwerber an einem Grundstück eine Position erworben hat, die es verdient, als eigentümerähnliche Stellung bezeichnet zu werden, und die es verdient, deshalb unter die Lex Koller zu fallen.

Den ganzen Fächer der unter die Lex Koller fallenden Grundstückerwerbsgeschäfte zu besprechen, ist aber nicht Thema dieses Artikels.

I. KONKRETE DISKUSSION HIER

In der Regel knüpft die Bewilligungspflicht gemäss Lex Koller wie gesagt ganz konkret und direkt bei einem Grundstück an bzw. einem einzelnen (wie oben beschriebenen) Erwerbsgeschäft, das als Grundstückerwerbsgeschäft gilt. Es geht – juristisch ausgedrückt – um Singularsukzession. Eine Partei erwirbt von einer anderen ein spezielles Recht im Zusammenhang mit einem Grundstück, und bei diesem speziellen Grundstückerwerbsgeschäft knüpft die Frage der Bewilligungspflicht an. Wenn zum Beispiel eine Person im Ausland 100 Grundstücke in der Schweiz erwerben will, davon aber 99 Grundstücke Betriebsstättengrundstücke sind, die nicht unter die Bewilligungspflicht fallen, und ein Grundstück eine Wohnliegenschaft ist, dann knüpft die Bewilligungspflicht allein beim Erwerb dieser einzelnen Wohnliegenschaft an, weil es sich dabei um ein (objektiv) bewilligungspflichtiges Grundstück gemäss Lex Koller handelt.

II. AUSNAHMEN VOM GRUNDSATZ

In Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV) wird eine meines Erachtens sehr auffällige Ausnahme von dieser Regel gemacht, und zwar für die Übernahme von Grundstücken zusammen mit einem Vermögen oder Geschäft gemäss Art. 181 OR oder die Übernahme eines Grundstücks durch Fusion, Spaltung, Umwandlung oder Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 – allerdings nur für den Fall, dass sich im Zusammenhang mit dieser Transaktion die Rechte des Erwerbers an diesem (bewilligungspflichtigen) Grundstück nicht vermehren. Anders ausgedrückt: Wenn eine Person im Ausland durch eine solche soeben genannte Transaktion ein Grundstück erwirbt, das der objektiven Bewilligungspflicht unterliegt (bei Wohnliegenschaften und i.d.R. bei Bauland), und wenn sich dadurch die Rechte des Ausländers an diesem (bewilligungspflichtigen) Grundstück nicht vermehren, dann unterliegt dieses Erwerbsgeschäft nicht der Bewilligungspflicht. Wenn zum Beispiel eine ausländische juristische Person eine 100-prozentige Tochtergesellschaft hat, in welcher sich ein bewilligungspflichtiges Grundstück befindet, dann kann sie auf dem Weg der Vermögensübernahme gemäss Art. 181 OR oder gemäss Fusionsgesetz (FusG) ganze Vermögen oder Teile davon übernehmen, und zwar bewilligungsfrei, und auch wenn sich in diesem Vermögen oder dem Teilvermögen bewilligungspflichtige Grundstücke in der Schweiz befinden, da diese Person im Ausland indirekt über die Tochtergesellschaft bereits Rechte an diesen Grundstücken hatte. Es gilt hier eine wirtschaftliche Betrachtungsweise – und der Erwerb ist trotz der Tatsache, dass die ausländische Person (Holdinggesellschaft) vorher nur indirekte Eigentümerin eines Grundstücks war (über eine Tochtergesellschaft) und diese Person im Ausland durch diese Transaktion direkte Eigentümerin des Grundstücks wird, nicht bewilligungspflichtig. Damit ein solcher bewilligungsfreier Grundstückerwerb geschehen kann, braucht es wie gesagt eine Transaktion gemäss Art. 181 OR oder gemäss Fusionsgesetz – wenn die Muttergesellschaft von ihrer Tochter nicht auf einem solchen Weg das Grundstück erwerben würde, sondern einzig und allein das Grundstück erworben würde, dann käme diese soeben genannte Regelung nicht zur Anwendung. Mit anderen Worten ergibt sich, dass das BewG in dieser Gruppe von ganz speziellen Erwerbsgeschäften nicht einfach nach dem zu erwerbenden Grundstück fragt, nicht einfach beim Erwerb dieses konkreten Grundstücks ansetzt, sondern wirtschaftlich betrachtet danach fragt, ob ein ganzes Vermögen oder ein Teil davon übertragen wird – und wenn dies der Fall ist, dann kann bewilligungsfrei zusammen mit diesem Vermögen oder diesem Teilvermögen auch ein bewilligungspflichtiges Grundstück erworben werden, obwohl in der Regel das direkte Eigentum an diesem Grundstück wohl auf den Erwerber und neuen (direkten) Eigentümer übergehen wird.  Und diese Regel gilt auch bei Übernahme von Vermögen nach Art. 181 OR, obwohl hier jedes einzelne Grundstück durch Singularsukzession übertragen werden muss. Das BewG wendet hier eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise an.

III. UND BEIM ERWERB VON GRUNDSTÜCKEN DURCH ERBSCHAFT?

Der folgenden Diskussion soll die Ausgangslage zu Grunde liegen, dass ein Erblasser seinen gesamten Nachlass an einen einzigen Erben überträgt. Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Erbe auf dem Weg der Universalsukzession Eigentum am ganzen Nachlassvermögen. Es braucht dazu keine speziellen Übertragungshandlungen. Die Frage, ob das BewG zu diesem Vermögenserwerb eine spezielle Regelung bereithält, kann nicht ganz klar beantwortet werden. Wenn der Autor die Praxis richtig sieht, hält sie sich in der Regel daran, dass der Erbe, der nicht gesetzlicher Erbe ist (der gesetzliche Erbe bedarf im Rahmen des Erwerbs im Erbgang keiner Bewilligung), und der auch keinen Bewilligungsgrund hat, und in dessen Erbe sich ein bewilligungspflichtiges Grundstück befindet, Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung hat, jedoch mit der Auflage, das Grundstück innert 2 Jahren wieder zu veräussern. Er kann also den Wert realisieren, hat aber keinen Anspruch darauf, das Grundstück über die 2 Jahre hinaus behalten zu können.

Wie verhält es sich aber bei einem Universalerben, der die ganze Erbschaft erwirbt, und wobei bereits durch Universalsukzession das Eigentum übergeht (es also keiner speziellen Übertragungshandlungen mehr bedarf)? – Hier darf man sich mit Fug und Recht fragen, ob nicht zumindest eine Lücke im BewG besteht oder ob nicht sogar das BewG so ausgelegt werden darf und muss, dass bei einer solchen Art von Universalsukzession nach den Regeln von Art. 1 Abs. 1 lit. b BewV vorgegangen werden darf und muss. Der Universalerbe tritt bezüglich des vererbten Vermögens in der Sekunde des Todes des Erblassers in seine Rechte ein und wird neuer Berechtigter am gesamten hinterlassenen Vermögen. Dann ist es nicht abwegig bzw. drängt es sich sogar auf, diesen Universalerben so zu betrachten wie oben die ausländische Holdinggesellschaft einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft, von der sie jetzt entweder durch Vermögensübernahme ein Grundstück miterwirbt oder welche sie zum Beispiel in sich hineinfusioniert. Man könnte sich höchstens fragen, ob der Erbe durch den Erwerb des gesamten Nachlasses tatsächlich nicht mehr Rechte erwirbt als er vorher bereits hatte – dies ist vielleicht eine etwas spitzfindige Frage. Der Erbe ist praktisch die «Fortsetzung» des Erblassers. Mit dem Tod des Erblassers tritt der Erbe an die Stelle des Erblassers bezüglich seines Nachlasses. Somit dürfte auch gesagt werden, dass der Erbe eigentlich bereits beim Vermögensanfall durch Universalsukzession schon mindestens eine eigentümerähnliche Stellung über das gesamte Nachlassvermögen hatte und er in diesem Sinne nichts anderes als die «Fortsetzung» oder der Ersatz des Erblassers ist. Ich würde anregen, dass die Rechtsprechung sich einmal mit diesem vielleicht etwas neuen oder gewagten Gedanken befassen und sogar zur Lösung gelangen sollte, dass zumindest dann, wenn ein Erbe durch Universalsukzession als Alleinerbe das gesamte Nachlassvermögen erwirbt, er für den Erwerb der sich im Nachlassvermögen befindenden (auch bewilligungspflichtigen) Grundstücke nicht der Bewilligungspflicht unterliegt.


19. Oktober 2020 / Hanspeter Geissmann

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