Blog

NEUER SCHUTZ VOR UNGERECHTFERTIGTEN BETREIBUNGEN

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, kann Einsicht in den Betreibungsregisterauszug einer anderen Person nehmen (Art. 8a Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG]). Jede eingeleitete Betreibung wird im Betreibungsregister eingetragen und ist während fünf Jahren auch für Drittpersonen sichtbar (Art. 8 Abs. 4 SchKG). Dies selbst dann, wenn die Betreibung ungerechtfertigt erfolgt ist. Es ist eine Besonderheit des schweizerischen Vollstreckungsrechts, dass eine Betreibung auch dann eingeleitet werden kann, wenn der Gläubiger keinen Nachweis über den Bestand der geltend gemachten Forderung erbringen kann. Wer einmal im Betreibungsregister eingetragen wurde, kommt aber nur schwer wieder raus. Die auf den 1. Januar 2019 neu in Kraft gesetzte Bestimmung soll nun Schuldner, die ungerechtfertigt betrieben worden sind, besser schützen.

I. EINLEITUNG

In der Schweiz ist es relativ einfach (und günstig), ein Betreibungsverfahren einzuleiten. Dem Betreibungsamt muss kein Beweis für die (vermeintliche) Forderung vorgelegt werden. Das Betreibungsamt wäre auch gar nicht dazu berechtigt, materiell über die geltend gemachte Forderung zu entscheiden. Es prüft lediglich die formellen Voraussetzungen. Sind diese erfüllt, muss es den Zahlungsbefehl zustellen und die Betreibung im Register eintragen, was für die betroffene Person negative Folgen haben kann.

Bisher konnte sich der Schuldner kaum gegen ungerechtfertigte Betreibungsregistereinträge wehren. Er kann das Betreibungsverfahren zwar mit der Erhebung des Rechtsvorschlags stoppen, der Eintrag im Register erlöscht damit aber nicht. Vielmehr hatte er bis anhin nur die Möglichkeit, entweder fünf Jahre abzuwarten, bis der Eintrag automatisch aus dem Register verschwindet (sofern keine Verlustscheine vermerkt sind; Art. 8 Abs. 4 SchKG), auf einen Rückzug der Betreibung durch den Gläubiger zu hoffen oder vor Gericht auf den Nichtbestand der Forderung zu klagen (sog. Aberkennungsklage), was mit hohen Gerichtskosten verbunden sein kann.

Der Gesetzgeber hat nun reagiert und auf Vorstoss einer parlamentarischen Initiative (09.530) eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs per 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt.

II. ÄNDERUNG DER GESETZGEBUNG

Die neu eingeführte Bestimmung ist in Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG verankert. Sie legt fest, dass das Betreibungsamt Dritten keine Kenntnis von einer Betreibung mehr gibt, wenn nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch des Schuldners vorliegt (Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG) und der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen nicht nachweist, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags (Art. 79-84 SchKG) eingeleitet wurde. Voraussetzung ist aber, dass der Schuldner gegen die eingeleitete Betreibung rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben hat (innert 10 Tagen seit Zustellung des Zahlungsbefehls, Art. 74 Abs. 1 SchKG). Gelingt der Nachweis nicht, wird der Betreibungsregistereintrag Dritten gegenüber verborgen. Reicht der Gläubiger aber zu einem späteren Zeitpunkt ein Gesuch um Beseitigung des Rechtsvorschlages (sog. Rechtsöffnung) oder eine Klage beim Gericht (sog. Anerken- nungsklage) ein, so wird die betreffende Betreibung Dritten wieder zur Kenntnis gebracht. Ist der Schuldner also der Ansicht, er sei ungerechtfertigt betrieben worden und möchte er nicht, dass die Betreibung gegenüber Drittpersonen angezeigt wird, so hat er wie folgt vorzugehen:

  • Der Schuldner muss innert 10 Tagen seit Zustellung des Zahlungsbefehls Rechtsvorschlag erheben (Art. 74 Abs. 1 SchKG).
  • Frühestens drei Monate nach Zustellung des Zahlungsbefehls kann der Schuldner beim zuständigen Betreibungsamt ein Gesuch stellen, dass die betreffende Betreibung Dritten nicht mehr angezeigt wird. Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Gläubiger inzwischen kein Rechtsöffnungsverfahren oder eine sog. Anerkennungsklage eingeleitet hat.
  • Hat das Betreibungsamt keine Kenntnis darüber, ob die Betreibung durch den Gläubiger fortgesetzt wurde, so fordert es den Gläubiger auf, zum Gesuch Stellung zu nehmen und innert 20 Tagen den Nachweis zu erbringen, dass entweder ein Rechtsöffnungsverfahren oder eine sog. Anerkennungsklage eingeleitet wurde.
  • Erbringt der Gläubiger den erforderlichen Nachweis nicht, so gibt das Betreibungsamt dem Gesuch des Schuldners statt und die betreffende Betreibung wird Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht. Die Kosten des Gesuchs (pauschal CHF 40.00) gehen aber dennoch zulasten des Schuldners.
  • Kann der Gläubiger den Nachweis, dass das Betreibungsverfahren vorangetrieben wurde, erst nachträglich erbringen, so wird der Betreibungsregistereintrag für Drittpersonen gleichwohl wieder sichtbar.

Um die Formalitäten zu erleichtern, stellen die Betreibungsämter offizielle Formulare zur Verfügung, die verwendet werden können (im Kanton AG bspw. unter http://www.betreibungsamt-ag.ch/v4/index.php/downloads/formulare abrufbar). Das Gesuch ist an das Betreibungsamt zu richten, bei welchem die beanstandete Betreibung eingereicht worden ist.

III. KOSTEN

Die Gebühr für ein Gesuch nach Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG beträgt pauschal CHF 40.00 und umfasst damit auch allfällige Auslagen des Betreibungsamtes. Sie ist unabhängig von der Gutheissung oder Abweisung des Gesuchs zu bezahlen (Art. 12b Gebührenverordnung [GebV] SchKG) und wird nicht zu den Betreibungskosten hinzugerechnet.

IV. INKRAFTTRETEN UND ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN

Die neue Gesetzesbestimmung ist per 1. Januar 2019 in Kraft getreten. Schuldner, die vor dem 1. Januar 2019 betrieben worden sind, können aber ebenfalls ein Gesuch i.S.v. Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG stellen – es spielt keine Rolle, wann die Betreibung eingeleitet worden ist. Zu beachten sind aber stets die vorgesehenen Fristen (Rechtsvorschlag innert 10 Tagen und die Zustellung des Zahlungsbefehls liegt bereits drei Monate zurück).

V. FAZIT

Die vom Gesetzgeber neu geschaffene Lösung ist zu begrüssen. Zu Unrecht Betriebene können nun – nach Begleichung einer geringen Pauschalgebühr von CHF 40.00 – verlangen, dass eine Betreibung nicht mehr auf ihrem Betreibungsregister-Auszug erscheint. Insbesondere für Betroffene, die aus reiner Schikane betrieben worden sind, dürfte die neue Bestimmung im Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz von Vorteil sein.

.

14. Februar 2019 / MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

Sorry, the comment form is closed at this time.