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OBHUT UND BESUCHSRECHT BEI GEMEINSAMER ELTERLICHER SORGE – WAS WENN EIN ELTERNTEIL WEIT WEG ZIEHT?

NACHTRAG ZUM NEWSLETTER VOM 29. NOVEMBER 2017

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt unter Mithilfe von Simona Serratore (M.A. HSG)

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Im Newsletter-Beitrag vom 29. November 2017 wurden die Hintergründe des seit 1. Juli 2014 geltenden «Zügelartikels» (Art. 301a ZGB) erläutert. Es wurde festgehalten, dass dank der Gesetzesrevision der obhutsberechtigte Elternteil grundsätzlich nicht mehr nach Belieben seinen und damit den Wohnort des Kindes verschieben kann. Stattdessen wird verlangt, dass bei potentiell erheblichen Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr durch den anderen Elternteil (dies sind alles Fragen, die das Kindeswohl betreffen) erst die Zustimmung des betroffenen Elternteils eingeholt wird. Die bisher dazu ergangenen Bundesgerichtsurteile machen deutlich, dass es keine universelle Antwort auf die Frage gibt, in welchen Fällen es bei einem Wegzug innerhalb der Schweiz der Zustimmung des Elternteils bedarf: Es bedarf jeweils einer Abwägung der massgebenden Kriterien im Einzelfall. Klar jedoch ist, dass das Wohl des Kindes stets im Vordergrund steht.

In einem soeben publizierten Entscheid (BGer 5A_47/2017 vom 6. November 2017) hat das Bundesgericht nun ausdrücklich festgehalten, dass wenn ein Elternteil trotz gemeinsamem Sorgerecht ohne Einwilligung des Partners weit weg zieht, keine direkte Möglichkeit besteht, den wegziehenden Elternteil zu sanktionieren. Im behan- delten Entscheid war die Mutter mit den Kindern vom Kanton Aargau nach Bellinzona in den Kanton Tessin gezogen. Zudem betonte das Bundesgericht weiter, dass eine Weisung des Gerichts zum Aufenthaltsort des wegziehenden Elternteils – das Bezirksgericht hatte der Mutter noch die Auflage gemacht, den Wohnsitz wieder näher zum ursprünglichen Wohnort zu verlegen, damit die Ausübung des Besuchsrechts nicht verunmöglicht wird – nur erlassen werden darf, wenn das Kindeswohl durch den Umzug extrem gefährdet ist (also z.B. durch körperliche und psychische Misshandlung oder Vernachlässigung durch den obhutsberechtigten Elternteil). Das Bundesgericht wies die Sache zur Anpassung der Besuchs- und Ferienrechtsregelung sowie der Übergabemodalitäten (insbesondere auch örtlich, d.h. zur Regelung eines allfälligen Übergabeortes «in der Mitte» zwischen den Wohnsitzen) an die Vorinstanz zurück. Es gilt abzuwarten, ob und wie das Gericht den knappen finanziellen Verhältnissen im Fall Rechnung tragen wird.

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12. März 2018 / lic. iur. Stephan Hinz unter Mithilfe von Simona Serratore (MLaw)

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