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DER BONUS IM FAMILIENRECHTLICHEN KONTEXT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der Bonus als Einkommensbestandteil wird bei der Unterhaltsberechnung einkommenserhöhend berücksichtigt. Zugleich ist er, wenn er gespart wurde, auch im Güterrecht als zu teilendes Vermögen relevant. Die güterrechtliche Auseinandersetzung erfolgt per Stichtag und damit – sofern man sich nicht auf ein anderes Datum verständigt hat – per Datum Einleitung der Ehescheidung.

Problematisch sind Fälle, in denen ein Anspruch auf Auszahlung eines Bonus bereits vor dem Stichtag besteht, die Auszahlung des Bonus allerdings erst nach dem Stichtag erfolgt. Auch ist unklar, wie mit dem Bonus verfahren werden soll, wenn dieser sowohl bei der Unterhaltsberechnung als auch bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt wird. Es stellt sich in diesem Fall die Frage, ob eine güterrechtliche Berücksichtigung des Bonus gerechtfertigt ist, wenn der Bonus zuvor einkommenserhöhend bei der Unterhaltsberechnung dem Einkommen zugewiesen wurde und demzufolge auf der Grundlage dieses Einkommens ein entsprechend hoher Unterhalt bezahlt wird. In letzterem Fall würde der per Stichtag bereits erwirtschaftete oder noch nicht ausbezahlte Bonus zulasten des Unterhaltsschuldners sowohl unterhaltsrechtlich als auch güterrechtlich berücksichtigt, womit der Unterhaltsschuldner doppelt belastet wird.

Eine klare Zuweisung von Boni zum Unterhalt oder zum Güterrecht fehlt mangels einschlägiger Rechtsprechung in der Schweiz, weshalb die Handhabung der zuvor genannten Problematik in das Ermessen der Gerichte fällt. Anerkannt ist, dass Ehegatten gleich zu behandeln sind, womit das Verbot der Benachteiligung eines Ehegatten und damit die hier thematisierte Doppelbelastung aus familienrechtlichen Grundprinzipien abgeleitet werden kann. Eine bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik findet sich – wie bereits erwähnt – nicht. Hingegen wurde die Frage, wann Anwartschaften güterrechtlich zu teilen sind, auch wenn sie nach dem Stichtag ausbezahlt werden, von Literatur und Rechtsprechung mehrfach thematisiert.

I. BONUS ALS EINKOMMEN UND/ODER VERMÖGENSWERT

Grundsätzlich soll bei einer Scheidung vor Festlegung des Unterhalts das vorhandene Vermögen der Ehegatten im Wege der güterrechtlichen Auseinandersetzung geteilt werden. Dies deshalb, weil bei überdurchschnittlichen Vermögensverhältnissen teils Erträge zu erwarten sind, wie z.B. Mieteinnahmen, welche dann wiederum als Einkommen beim Unterhalt zu berücksichtigen sind. In der Praxis allerdings steht der Fokus vorrangig auf der Festlegung des Unterhalts, da dieser der Sicherung des Lebensstandards dient.

Die Unterhaltsberechnung basiert in der Regel auf einem Durchschnittseinkommen unter Berücksichtigung eines Bonus. Schwankt der Bonus, entspricht es dem üblichen Vorgehen, den Unterhalt ohne Bonus zu berechnen und den Bonus separat nach erfolgter Auskunft über die Höhe des Bonus unter den Ehegatten bzw. geschiedenen Eheleuten aufzuteilen.

Wurde der Bonus erst nach dem Stichtag ausbezahlt, ist zu prüfen, ob der Bonus vor dem Stichtag bereits fällig war, mithin ob ein durchsetzbarer Anspruch auf dessen Zahlung schon vor dem Stichtag bestand. Für die güterrechtliche Einordnung von Vermögenswerten ist somit die Abgrenzung von einfachen Anwartschaften gegenüber erworbenen Rechten eines Ehegatten von entscheidender Bedeutung. Bei einfachen Anwartschaften geht die herrschende Lehre davon aus, dass noch kein eigentlicher Vermögenszuwachs erfolgt ist, sodass sie bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht zu berücksichtigen sind. Hingegen sind jene Anwartschaften, die sich schon zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet haben, als vom Güterrecht erfasste Vermögenswerte in die güterrechtliche Auseinandersetzung mit einzubeziehen. Unter einer einfachen Anwartschaft werden bloss mögliche Ansprüche auf künftige Leistungen verstanden, über die vor Fälligkeit nicht verfügt werden kann und die keinen realisierbaren Gegenwert haben. Es handelt sich um eine mehr oder weniger vage Aussicht, Erwartung oder Hoffnung auf den Erwerb eines Vermögenswertes. Dessen Verwirklichung hängt von dem Eintritt einer Bedingung und damit von einem in der Zukunft liegenden, im Zeitpunkt der Scheidung noch ungewissen Ereignis ab. Demgegenüber liegt ein eigentliches Anwartschaftsrecht vor, wenn von einer bereits gesicherten Rechtsstellung des Erwerbs gesprochen werden kann.

Da diese Auffassung nicht unterscheidet, ob Boni, welche in Form der Anwartschaft nach dem Stichtag ausbezahlt werden, bereits beim Unterhalt Berücksichtigung gefunden haben, bleibt die voran zu stellende Problematik der Doppelverwertung ausser Acht. Konsequenz hieraus ist, dass ein Bonus, der monatlichem Einkommen aufgerechnet wird und somit einen erhöhten Unterhaltsanspruch zur Folge hat, selbst dann in der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt wird und somit unter den Ehegatten zu teilen ist, wenn dieser erst nach dem Stichtag ausbezahlt wird. Der Unterhaltsschuldner wird damit doppelt belastet, da ihn zum einen aufgrund der Berücksichtigung des Bonus bei der Berechnung des Unterhalts eine erhöhte Unterhaltslast trifft und er zum anderen bei der Scheidung eben diesen Bonus zu teilen hat.

Ob es sich bei den Anwartschaften um sichere und durchsetzbare Forderungen handelt, sagt nichts darüber aus, ob die Teilhabe an dieser Anwartschaft überhaupt billig und damit zulässig ist. Zweifel hieran bestehen dann, wenn der gebührende Bedarf, d.h. der in der Ehe zuletzt gelebte Lebensstandard, durch Unterhaltszahlungen gesichert ist, welche mit dem Bonus finanziert werden. Um eben diese Doppelbelastung des Schuldners zu vermeiden, wird in Deutschland im Hinblick auf das bestehende Verbot der Doppelverwertung davon abgesehen, Boni güterrechtlich zu teilen, welche in irgendeiner Weise unterhaltsrelevant waren.

II. DEUTSCHE RECHTSPRECHUNG

Wird ein Unterhalt unter der Berücksichtigung eines regelmässig erzielten Bonus ermittelt, ist klar, dass dieser höher ausfällt, da für die Unterhaltsberechnung auf ein höheres Einkommen (Grundlohn plus Bonus) abgestellt wird. In der Regel vermag der Unterhalt demzufolge auch nur deshalb aufgebracht werden, weil eine jährliche Zusatzzahlung in Form eines Bonus erfolgt, zumindest erwartet wird.

Aus deutscher Sicht besteht hier klar das Verbot der Doppelverwertung. Vor diesem Hintergrund ist in Deutschland anerkannt, dass Positionen wahlweise im Güterrecht oder aber im Unterhalt zu berücksichtigen sind, um den Unterhaltspflichtigen nicht zweifach zu belasten. Es gilt der Grundsatz, dass ein güterrechtlicher Ausgleich dann nicht stattfindet, wenn eine Vermögensposition auf andere Art und Weise – sei es unterhaltsrechtlich, güterrechtlich oder im Wege des Vorsorgeausgleichs – bereits berücksichtigt wurde. Folgerichtig entspricht es herrschender deutscher Rechtsauffassung, dass selbst vor dem Stichtag ausbezahlte Leistungen güterrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, sofern diese als Einkommen für den Unterhalt bereits herangezogen wurden. So hat der BGH (Bundesgerichtshof) bereits im Jahr 2002 festgehalten, es wäre unbillig, einen Ehegatten güterrechtlich an einer dem anderen Ehegatten vor dem Stichtag ausbezahlten Abfindung teilhaben zu lassen, soweit er daran bereits durch die Gewährung des unter Einbeziehung dieser insoweit als Einkommen behandelten Abfindung partizipiert. Der BGH hält eine doppelte Teilhabe an unterhaltsrelevanten Einkommen sogar im Falle stillschweigend getroffener Vereinbarungen für unbillig. So wird in Deutschland nicht darauf abgestellt, ob der Bonus, der vor dem Stichtag fällig wird und nach dem Stichtag ausbezahlt wurde, zum Vollrecht erstarkt ist, sofern dieser bereits bei der Unterhaltsberechnung massgeblich war. Vielmehr stellt sich die Frage einer konkreten Anwartschaft erst, wenn ausser Frage steht, dass der Bonus in irgendeiner Art und Weise beim Unterhalt berücksichtigt wurde. Erst dann wird für nach dem Stichtag erfolgte Auszahlungen – ebenso wie in der Schweiz – darauf abgestellt, ob Ansprüche und Anwartschaften, welche bereits vor dem Stichtag bestanden, hinreichend konkret zu einem sogenannten Vollrecht erstarkt sind. Festhalten lässt sich damit, dass ein Bonus nach deutscher Auffassung güterrechtlich immer dann unbeachtlich ist, wenn dieser in irgendeiner Weise bereits beim Unterhalt berücksichtigt wurde.

III. FAZIT

Eine klare Rechtsprechung, wie diese in Deutschland besteht, existiert in der Schweiz nicht. Allerdings sind keine Gründe ersichtlich, weshalb eine unterhaltsberechtigte Person, welche mit einem Unterhalt den in der Ehe gelebten Lebensstandard bestreiten kann, zusätzlich von einem Bonus des Unterhaltspflichtigen profitieren können soll, welcher diesem als Rücklage dient, eben um den Unterhalt bezahlen zu können. Etwas anders ergibt sich selbstverständlich dann, wenn der Unterhalt ohne Berücksichtigung des Bonus ermittelt wurde, womit dieser selbstverständlich vollumfänglich güterrechtlich – auch in Deutschland – zu teilen ist. Um die Doppelbelastung eines Unterhaltsschuldners zu vermeiden, wird teils auch in der Schweiz vertreten, dass im Falle einer bereits erfolgten Berücksichtigung des Bonus bei der Unterhaltsberechnung nur noch der Bonus bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu teilen ist, welcher den beim Unterhalt einbezogenen Teil übersteigt. Die zuletzt genannte Auffassung ist überzeugend, nachdem sie dem Sparverhalten der Parteien gerecht wird und zugleich einer Doppelbelastung des Unterhalsschuldners eine klare Absage erteilt.

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7. Februar 2018 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher 

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