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RICHTERLICHE ANORDNUNG DER GÜTERTRENNUNG BEI AUFHEBUNG DES EHELICHEN HAUSHALTS?

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

In einzelnen Kantonen, namentlich im Aargau und in Zürich, besteht die Praxis, auf entsprechenden Antrag bereits bei der Trennung richterlich die Gütertrennung anzuordnen, sofern einer der Ehegatten zur Scheidung entschlossen ist und daher mit derselben zu rechnen ist. Das Bundesgericht hat in einem aktuellen Entscheid (5A_945/2014) vom 26. Mai 2015 diese Praxis als unzulässig erklärt.

I. RECHTLICHE GRUNDLAGE

Gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB muss der Eheschutzrichter auf Begehren eines Ehegatten die Gütertrennung anordnen, wenn die Umstände es rechtfertigen, namentlich eine Gefährdung wirtschaftlicher Interessen nachgewiesen ist. Demgegenüber ist die Tatsache, dass eine Wiedervereinigung der getrennten Ehegatten unwahrscheinlich erscheint, kein gesetzliches Kriterium, das die richterliche Anordnung der Gütertrennung rechtfertigt.

II. BISHERIGE KANTONALE PRAXIS

In verschiedenen Kantonen, namentlich den Obgenannten, ist dennoch ein Anspruch auf richterliche Anordnung der Gütertrennung bereits bei der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und entsprechendem Antrag bejaht worden, weil bei unwahrscheinlicher Wiedervereinigung auch die bisherige Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten dahinfalle und der bisherige Güterstand seinen inneren Zweck verloren habe. Mutmasslich wurde zudem berücksichtigt, dass bereits aus dem Umstand der bevorstehenden Scheidung ein Schutzbedürfnis des antragstellenden Ehegatten hergeleitet werden kann, zeigte und zeigt sich doch in der Praxis, dass die Zeit zwischen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und der späteren Ehescheidung durchaus für „Machenschaften“ und die Beeinflussung der Ansprüche des anderen Ehegatten aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung „missbraucht“ wird. Zu denken ist hier etwa an eine bewusste Verringerung der Aktiven, beispielsweise durch Verschleudern der Ersparnisse oder Umlagerung und Verheimlichen neuer Bankkonti, oder an die nicht zwingende und daher täuschende Begründung von Passiven, um welche sich dann per späterem Stichtag der zu teilende güterrechtliche Vorschlag reduziert.

III. BUNDESGERICHTLICHE SCHRANKE

Mit dem zitierten Entscheid hat das Bundesgericht dem eine Schranke gesetzt und klargestellt, dass die Anordnung der Gütertrennung einen schweren Eingriff in den Güterstand darstelle und nicht leichtfertig vorgenommen werden dürfe. Dies deshalb, weil durch die Vorverlegung des Stichtages für die Auseinandersetzung die Ehegatten güterrechtliche Anwartschaften, nämlich die Beteiligung am während der Trennungszeit zusätzlich gesparten Vermögen, verlieren. Mit der ohne besondere Gründe bereits bei der Trennung angeordneten richterlichen Gütertrennung werde quasi Art. 204 Abs. 2 ZGB und damit die gesetzliche Wertung, wonach erst die Einleitung des Scheidungsverfahrens den Stichtag begründe, umgangen. Hierfür brauche es besondere Gründe und Umstände, namentlich eben den Nachweis einer Gefährdung der Interessen und Ansprüche des antragstellenden Ehegatten.

IV. KRITIK AN DER BUNDESGERICHTLICHEN WERTUNG

1.

Es ist nicht zu bestreiten, dass sich das Bundesgericht mit dem genannten Entscheid und seiner präzisierten Rechtsprechung auf den Gesetzeswortlaut stützen kann. Einmal mehr muss dem Bundesgericht aber eine gewisse Praxisferne vorgehalten werden, ist doch in der Realität die Veränderung der güterrechtlichen Verhältnisse in der Zeit zwischen Trennung und Einleitung des Scheidungsverfahrens zum Nachteil des anderen Ehegatten viel häufiger anzutreffen und wahrscheinlicher als das Gegenteil, d.h. als die Erhöhung der güterrechtlichen Ansprüche des anderen Ehegatten, der sich allenfalls einseitig zur Scheidung entschlossen hat. Umso mehr, als es während bestehender Ehe grundsätzlich keine Pflicht gibt, sein Vermögen – auch nicht die Errungenschaft – zu erhalten, was das Bundesgericht immer wieder betont, und als ebenso der Nachweis von Machenschaften zur Beeinflussung der güterrechtlichen Ansprüche während der Trennungszeit schwierig und aufwändig ist, erscheint der Entscheid des Bundesgerichts bzw. dessen Begründung doch eher naiv.

2.

Der Nachweis ernstlich gefährdeter Interessen im Sinne von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ist zudem im eheschutzrichterlichen Summarverfahren erschwert, in welchem in aller Regel umfangreiche Beweisabnahmen unterbleiben.

Allein der Hinweis darauf, dass der andere Ehegatte entsprechendes angedroht bzw. zweifelhafte Anschaffungen (etc.) getätigt hat, dürfte nach dem bundesgerichtlichen Entscheid nicht ausreichen, um den mit der richterlichen Anordnung der Gütertrennung bezweckten Schutz zu erwirken.

3.

Für eine grosszügigere Praxis (siehe unten) sprechen letztendlich auch Praktikabilitätsüberlegungen. Wird bereits im Eheschutzverfahren richterlich die Gütertrennung angeordnet und damit der Stichtag für die güterrechtliche Auseinandersetzung gesetzt, so stehen bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens die massgeblichen Verhältnisse (Vermögensstand, etc.) fest, was aussergerichtliche Vergleichsgespräche und –lösungen ebenso erleichtert wie eine ausreichende Substantiierung und Begründung von güterrechtlichen Ansprüche bereits in der Klage nach Art. 114 ZGB.

V. FAZIT

Es bleibt zu hoffen, dass entweder das Bundesgericht seine meiner Meinung nach allzu strenge Praxis überdenkt oder dann die erst- und zweitinstanzlichen (kantonalen) Gerichte nichts desto trotz von ihrem Ermessen Gebrauch machen und weiterhin Anträge auf richterliche Anordnung der Gütertrennung bereits im Eheschutzverfahren grosszügig beurteilen. Dies sollte zumindest dann ohne weiteres geboten und ohne spätere bundesgerichtliche Intervention möglich sein, wenn eine Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen auch nur ansatzweise glaubhaft gemacht ist. Zu empfehlen ist den kantonalen Gerichten aber, ihren Entscheid nicht mehr mit einer üblichen Praxis oder dem blossen Scheidungswillen der antragstellenden Partei zu begründen, sondern eben die einschlägigen Kriterien, also die Gefährdung eines wirtschaftlichen Interesses während der Trennungszeit, – grosszügig – zu bejahen. 

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26. August 2015 / lic. iur. Martin Kuhn

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