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WISSENSWERTES ZU RESERVATIONSGEBÜHREN IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ERWERB VON GRUNDSTÜCKEN

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin, unter Mithilfe von Simona Serratore (B.A. HSG)

lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin mit CAS M&A and Corporate Law bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Im Hinblick auf einen geplanten Grundstückerwerb ist es heute weit verbreitet, im Vorfeld des Abschlusses eines Grundstückkaufvertrags und eines allfälligen Vorvertrags auch noch eine sogenannte Reservationsvereinbarung abzuschliessen. Diese Reservationsvereinbarungen werden üblicherweise nicht notariell beurkundet, haben aber zumeist eine erste Anzahlung von nicht unerheblicher Höhe an den späteren Erwerbspreis zur Folge. Für den Fall, dass es dann doch nicht zum Erwerb des Grundstücks kommt, wird gestützt auf ebendiese Klausel die Rückerstattung der Anzahlung verweigert. Vorliegender Beitrag befasst sich mit der Zulässigkeit dieser in der Praxis weit verbreiteten Vorgehensweise.

I. GRUNDSATZ: FORMERFORDERNIS DER ÖFFENTLICHEN BEURKUNDUNG

Im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundstücken ist das Formerfordernis gemäss Art. 216 Abs. 1 OR zu berücksichtigen: Kaufverträge über Grundstücke müssen öffentlich beurkundet werden, damit sie gültig sind. Dasselbe gilt für allfällige Vorverträge (Art. 216 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 2 OR). Weiter hat das Bundesgericht auch die Pflicht zur öffentlichen Beurkundung von als „Reservationsvereinbarungen“ bezeichneten Verträgen, welche jeweils vor Abschluss eines Grundstückkaufvertrages erfolgen, explizit bejaht (BGer Urteil 4C.271/2003 vom 17. Februar 2004, E. 2.1; BGer Urteil 4P.195/2003 vom 17. Februar 2004, E. 3.1).

Nach dem Gesagten gilt, dass eine Reservationsvereinbarung, ist sie nur schriftlich abgeschlossen, grundsätzlich formnichtig ist, mit der Folge, dass eine allfällige, darauf gestützte Reservationszahlung ohne jeden Rechtsgrund erfolgte und somit vom Empfänger zurückerstattet werden muss. In der Praxis zeigt sich derweil jedoch, dass die Rückerstattung der genannten Zahlung durch den Verkäufer mit dem Argument verweigert wird, es handle sich dabei um die Leistung einer im Rahmen der Reservationsvereinbarung eigens abgeschlossenen Konventionalstrafe für den Fall, dass sich der Käufer vom Abschluss des Kaufvertrages zurückziehe. Weiter wird dann jeweils argumentiert, eine solche Konventionalstrafe bedürfe keiner öffentlichen Beurkundung. Diesbezüglich gilt es folgendes festzuhalten: Richtig ist, dass Konventionalstrafen für sich alleine keiner öffentlichen Beurkundung bedürfen und somit auch nur schriftlich abgeschlossen werden können. Im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Reservationsvereinbarung bilden sie indes lediglich eine sogenannte Nebenabrede, weshalb diesbezüglich das Formerfordernis der Reservationsvereinbarung ebenfalls eingehalten werden muss. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung umfasst die Nichtigkeit eines Vertrages aufgrund einer nicht respektierten Formvorschrift auch allfällige Nebenabreden wie bspw. Konventionalstrafen (BGer Urteil 4C.271/2003 vom 17. Februar 2004, E. 2.1; BGer Urteil 4P.195/2003 vom 17. Februar 2004, E. 3.1). Folglich ist die genannte Strafzahlung auch unter dem Titel der Konventionalstrafe nicht geschuldet resp. kann, sofern sie bereits geleistet wurde, vom Käufer zurückverlangt werden.

II. AUSNAHMSWEISE GÜLTIGKEIT BEI BLOSSER SCHRIFTLICHKEIT

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen ist somit festzuhalten, dass Reservationsvereinbarungen als eigentliche Vorverträge zu Grundstückkaufverträgen in aller Regel öffentlich beurkundet werden müssen. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch auf die möglichen Ausnahmen hinzuweisen, wonach eine von einem potentiellen Käufer an einen potentiellen Verkäufer geleistete Zahlung als rechtsgültig qualifiziert werden kann, selbst wenn es an der öffentlichen Beurkundung dieser Zahlungspflicht fehlt.

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können Zahlungsversprechen im Zusammenhang mit Reservationsvereinbarungen dann formlos erfolgen, wenn sie auch unabhängig vom Erwerb eines konkreten Grundstücks vereinbart worden wären (BGE 140 III 200, E. 5.3 ff.). Ergibt sich somit aufgrund der Umstände eines konkreten Vertragsverhältnisses zweier Parteien, dass die Zahlungsverpflichtung einer Partei einer selbständigen Entschädigungsvereinbarung zugrunde liegt, an welcher die Parteien ein eigenes und vom Grundstückkaufvertrag unabhängiges Interesse haben oder hatten, so kann diese folglich auch losgelöst vom Reservationsvertrag und dessen Formerfordernis formlos abgeschlossen werden. Sofern allerdings feststeht, dass die Entschädigungsvereinbarung einzig und alleine im Zusammenhang mit der Reservationsvereinbarung und insbesondere im Hinblick auf den abzuschliessenden Grundstückkaufvertrag getroffen wurde, fehlt es an dieser Eigenständigkeit und die Pflicht zur öffentlichen Beurkundung des Vertrages erstreckt sich auch auf diese Entschädigungsvereinbarung (vgl. BGE 140 III 200, E. 5.3 und BGer Urteil 4A_281/2014 vom 17. Dezember 2014, E. 3.3). Die Autorinnen erlauben sich an dieser Stelle jedoch die kritische Bemerkung, dass die Anzahlung einer Partei im Rahmen einer Reservationsvereinbarung wohl sehr häufig im Hinblick auf den späteren Erwerb des Grundstücks abzielen dürfte, weshalb das Vorliegen einer selbständigen Entschädigungsvereinbarung, an welcher die Parteien ein eigenes und vom Grundstückkaufvertrag unabhängiges Interesse haben, gut begründet sein müsste.

III. SCHADENERSATZPFLICHT BEI ABGEBROCHENEN VERHANDLUNGEN

Abschliessend ist auf die Frage einzugehen, ob eine im Rahmen einer Reservationsvereinbarung geleistete Zahlung ihre rechtliche Grundlage allenfalls im Grundsatz der culpa in contrahendo haben könnte. Oftmals findet sich in den Reservationsvereinbarungen nämlich folgender Wortlaut: „Diese Anzahlung wird dereinst an den Erwerbspreis angerechnet, dient aber gleichzeitig als Reservationsgebühr zur Abdeckung der von der Verkäuferin erbrachten Vorleistungen“.Teilweise wird eine solche Anzahlung auch als „pauschalisierte Abdeckung für Schäden, die aufgrund der Verletzung von vorvertraglichen Pflichten entstehen können“, bezeichnet.

Als culpa in contrahendo wird die schuldhafte Verletzung von Pflichten aus dem vorvertraglichen Verhältnis zweier Parteien bezeichnet. Wird ein Vertrag letztlich doch nicht abgeschlossen, weil eine Partei z.B. trotz bereits fortgeschrittenen Vertragsverhandlungen plötzlich unerwartet von den Verhandlungen zurücktritt, haftet die zurücktretende Partei unter bestimmten Umständen für die bereits getätigten Auslagen der Gegenpartei (z.B. den Planungsaufwand). Der Haftungsanspruch aus culpa in contrahendo existiert von Gesetzes wegen und somit unabhängig von einer expliziten Erwähnung im Vertrag oder der Einhaltung einer bestimmten Form. Es gilt jedoch auch – gerade im Zusammenhang mit Grundstückkaufverträgen – die strenge Rechtsprechung des Bundesgericht in solchen Fällen zu berücksichtigen: Bereits in BGE 106 II 36 hielt das Bundesgericht fest, dass ein Haftungsanspruch einer Partei aus culpa in contrahendo, nachdem sich die andere Partei vom Abschluss des formgültigen Kaufvertrages distanziert hat, dann ausgeschlossen sei, wenn das Zustandekommen eines formgültigen Grundstückkaufvertrages gleichermassen auf die Nachlässigkeit der einen wie der anderen Partei zurückzuführen sei (E. 5). Im genannten Fall hatten sich die Parteien nach Leistung der Reservationszahlung zu wenig darum bemüht, den (formell rechtsgültigen) Grundstückkaufvertrag zeitnah abzuschliessen, weshalb es nach Auffassung des Bundesgerichts keinen Grund gab, um diejenige Partei, welche die Zahlung empfangen hatte, in ihrem Vertrauen auf den Abschluss eines formgültigen Grundstückkaufvertrages zu schützen. Das Bundesgericht hielt fest, dass, wer im Wissen um ein formtechnisch gesehen ungültiges Versprechen trotzdem Auslagen tätigt, auf eigenes Risiko handle (vgl. BGer Urteil 4C.56/2004 vom 16. Juni 2004, E. 2.3). Eine Partei dürfe daher nur unter speziellen Umständen darauf vertrauen, dass es „dann schon noch“ zum Abschluss des Vertrages komme; solche speziellen Umstände seien aber nicht bereits dann gegeben, wenn die Vertragsverhandlungen lange andauerten oder die vom Vertrag zurücktretende Partei von den getätigten Investitionen der Gegenseite Kenntnis hatte (BGer Urteil 4A_615/2010 vom 14. Januar 2011, E. 4.1.1).

V. FAZIT

In der Praxis wird zunehmend die Tendenz beobachtet, dass Verkäufer von Grundstücken mit spezifischen Vertragsklauseln in bloss schriftlich abgeschlossenen (und somit eben nicht öffentlich beurkundeten) Reservationsvereinbarungen versuchen, eine pauschalisierte Abdeckung der von ihnen getätigten Auslagen zu vereinbaren.

Angesichts der strengen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist diesbezüglich Folgendes festzuhalten: Wurde der Reservationsvertrag nicht öffentlich beurkundet und kommt es schliesslich doch nicht zum Abschluss des Kaufvertrags, ist ein Anspruch des potentiellen Verkäufers auf eine Entschädigungszahlung resp. die Pflicht des potentiellen Käufers zur Leistung einer Konventionalstrafe grundsätzlich nicht gegeben. Eine ausnahmsweise Gültigkeit solcher Zahlungsverpflichtungen ist nur dann gegeben, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls klar dafür sprechen, dass diese Zahlungsverpflichtung unabhängig vom zukünftigen Grundstückkaufvertrag abgeschlossen wurde und die Parteien ein eigenes und vom Grundstückkaufvertrag unabhängiges Interesse an dieser Vereinbarung haben. Der Beweis dafür dürfte allerdings nicht einfach zu erbringen sein. Ein Schadenersatzanspruch gestützt auf den Grundsatz der culpa in contrahendo ist dem Grundsatz nach ebenfalls möglich; auch hier gilt es jedoch die strenge bundesgerichtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen. 

Für den Verkäufer hat das vorstehend Erläuterte die Konsequenz, dass er unbedingt darauf zu achten hat, dass die einer Reservationszahlung zugrunde liegende Vereinbarung (sog. Reservationsvereinbarung) öffentlich beurkundet wird. Solange er ohne formgültigen Vertrag Auslagen tätigt, besteht das Risiko, dass er bei einem Verhandlungsabbruch seitens des Käufers auf den Kosten sitzen bleibt. Der Käufer wiederum hat zu berücksichtigen, dass er eine Reservationszahlung ebenfalls nicht leichthin leistet, da eine solche – sofern alle gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind – als sogenannte Zahlung aus culpa in contrahendo qualifiziert werden könnte, mit der Folge, dass er sie nicht mehr zurückfordern kann.
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20. Februar 2017 / lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin, unter Mithilfe von Simona Serratore (B.A. HSG)

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