Blog

DIE KINDESENTFÜHRUNG UND DAS HKÜ

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. EINLEITUNG

In Anbetracht der Vielzahl binationaler Ehen stellt sich im Falle einer Trennung der Eltern die Frage, in welchem Land die Kinder bleiben, wenn der aus dem Ausland stammende Elternteil mit dem Kind/ den Kindern in sein Heimatland zurückkehrt. Ein Wegzug ins Ausland erschwert selbstverständlich das Aufrechterhalten von Kontakten zwischen dem im Ursprungsland verbleibenden Elternteil und den Kindern, weshalb ein Umzug in ein anderes Land nicht immer auf Zustimmung stösst. Üben die Elternteile beide die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind / die Kinder aus, müssen sie über den Aufenthaltsort ihrer Kinder gemeinsam entscheiden. Ein Umzug eines Elternteiles mit Kindern in ein anderes Land, ohne vorab die Zustimmung des im Ursprungsland verbleibenden Elternteils eingeholt zu haben, stellt immer eine Entführung dar. Dem im Ursprungsland verbleibenden Elternteil, der für den Umzug des Kindes die Zustimmung verweigert hat, bleibt damit nur noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückführung des Kindes nach HkÜ zu stellen.

II. DIE KINDSENTFÜHRUNG NACH DEM HKÜ

A) Allgemeines

Fakt ist, dass es zumeist die Mütter sind, welche die Kinder auch ohne erfolgte Zustimmung des Kindsvaters ins Ausland verbringen, wobei das Durchschnittsalter der Kinder bei rund 7 Jahren liegt.

Der Begriff der „Entführung“ klingt dramatisch und bedeutet nicht, dass der im Ursprungsland verbleibende Elternteil nicht um den Aufenthaltsort des Kindes weiss. Vielmehr beschreibt der Begriff der Entführung den Umstand, dass ein Kind ohne Einwilligung des sorgeberechtigten im Ursprungsstaat verbleibenden Elternteils in ein anderes Land verbracht wurde. Dies gilt auch dann, wenn ein Kind mit der Mutter in einen nur wenige Kilometer entfernt liegenden Ort über die Landesgrenze hinaus zieht.

Mit der Möglichkeit, einen Rückführungsantrag über das HkÜ zu stellen, soll der sogenannte status quo ante, mithin der ursprünglich bestehende Zustand wieder hergestellt werden, um zu verhindern, dass Kinder unter Inkaufnahme einer Trennung von einem Elternteil in das Ausland verbracht werden. Stellt ein Elternteil einen Antrag nach HkÜ auf Rückführung des Kindes, entscheidet das Gericht nur hinsichtlich der Frage, ob das Kind zurück in den Ursprungsstaat verbracht werden muss. Mögliche Streitigkeiten hinsichtlich der Frage, wer das Kind betreut, sind separat zu klären und betreffen die Frage der Obhut. Festhalten lässt sich, dass HkÜ-Verfahren grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben, wenn das Kind rein tatsächlich in ein anderes Land verbracht wurde und keine Gründe ersichtlich sind, die den Aufenthalt des Kindes in diesem anderen Land rechtfertigen.

Art. 16 HkÜ hält fest, dass im Falle eines laufenden Rückführungsverfahrens kein Sorgerechtsprozess anhängig gemacht werden soll. Dies deshalb, da im Falle einer Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf nur einen Elternteil die Zustimmungspflicht zum Wegzug entfällt, da der alleinsorgerechtsinhabende Elternteil auch über den Aufenthalt des Kindes alleine bestimmen kann. Wurde einem mit seinem Kind im Ausland lebenden Elternteil im Nachhinein die alleinige elterliche Sorge übertragen, würde die Widerrechtlichkeit der Entführung nachträglich entfallen, womit das Rückführungsverfahren obsolet wird.

B) Voraussetzungen der Rückführung

Ein Antrag auf Rückführung ist innert Jahresfrist zu stellen. Dies deshalb, da vermieden werden soll, dass sich das Kind an einem neuen Ort in einem anderen Land einlebt und die Rückkehr in den Ausgangsstaat eine Belastung für das Kind darstellt. Denn es wird vermutet, dass sich ein Kind nach ca. einem Jahr an einem neuen Ort eingelebt hat, womit eine Rückführung dem Kindeswohl widerspricht. Problematisch ist die Jahresfrist dann, wenn der im Ursprungsstaat verbleibende Elternteil keine Kenntnis über den Aufenthalt des Kindes hat. So können diverse Vorabklärungen erforderlich sein, um den Aufenthalt eines Kindes überhaupt erst ausfindig zu machen, womit ein Ablauf der Jahresfrist droht.

Die Widerrechtlichkeit der Entführung und damit eine erfolgreiche Rückführung des Kindes entfallen auch dann,wenn der im Ursprungsstaat verbleibende Elternteil dem Umzug im Nachhinein zustimmt oder diesen in irgendeiner anderen Form genehmigt. Eine derartige Genehmigung kann bereits in der Ausübung des Besuchsrechts gesehen werden. Eine einmal erteilte Zustimmung zum Wegzug der eigenen Kinder mit dem anderen Elternteil in ein anderes Land kann nicht widerrufen werden, da die erfolgte Zustimmung und der darauffolgende Umzug massive Veränderungen mit sich bringen, die nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden können.

Weitere Gründe, welche einer Rückführung entgegenstehen, sind in Art. 13 HkÜ aufgeführt. Genannt ist hierbei die Kindeswohlgefährdung, welche dann bejaht wird, wenn ein Kind sehr klein ist (Babys / Kleinkinder) und damit von der Mutter, z.B. weil diese noch stillt, abhängig ist. Einer Rückführung eines Säuglings kann sich einer Mutter allerdings nur erfolgreich widersetzen, wenn sie nachzuweisen vermag, dass ihr die Rückkehr mit dem Kind unzumutbar ist.

Ein weiterer Hinderungsgrund wird bejaht, wenn sich das Kind selbst einer Rückführung in das Ursprungsland widersetzt. Umstritten ist hierbei die Altersgrenze, wobei der Kindeswille sicherlich ab dem Alter von 11 Jahren nicht unberücksichtigt bleiben kann. Vorausgesetzt wird allerdings, dass sich das Kind mit Nachdruck und aus nachvollziehbaren Gründen gegen die Rückkehr in das Ursprungsland wehrt.

III. FAZIT

Festzuhalten ist, dass der Umzug eines Elternteils ohne Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils grundsätzlich die Möglichkeit eines Rückführungsverfahrens nach dem HkÜ eröffnet. Vermieden werden kann ein derartiges Verfahren, indem der mit dem Kind wegziehende Elternteil die Zustimmung desjenigen Elternteils, der den Umzug verhindern will, einklagt. Nur so wird sichergestellt, dass der Umzug in ein anderes Land legal erfolgt.

.

18. Mai 2017 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher

Sorry, the comment form is closed at this time.